Ruhig schlafen…

Mit zwei Kollegen aus der gleichen Firma stand ich am Ostbahnhof, und wir haben uns ein wenig gegenseitig geneckt, wer denn nun nach einer Dreiviertelstunde wohl die kürzeste Fahrt bekommen wird. Als mir Kollege A. beim Einstieg seiner Fahrgäste noch schnell hinterrücks den Mittelfinger zeigte, dachte ich, das Duell sei entschieden. Tatsächlich sollte er noch die längste Tour von uns dreien kriegen.

Und ich? Naja, lest weiter…

Als auch der zweite Kollege weg war, trat ein fragend dreinsehender Mann an mein Auto und fiel gleich mit der Tür ins Haus:

„Ich müsste nur zur Dreimalumseck-Straße. Wollen sie mich mitnehmen, oder soll ich lieber weiter hinten nachfragen?“

„Ganz wie sie wollen! Ich fahre sie gerne, wenn sie lieber ein anderes Taxi nehmen wollen, dann will ich ihnen das aber auch nicht ausreden.“

„Ja, aber nicht dass das dann für sie, sie stehen ja sicher auch schon eine Weile…“

„Kommen sie, packen sie die Sachen rein! Ich fahr sie wirklich gerne!“

Das hat er dann geglaubt, und besser als noch eine Viertelstunde zu diskutieren war das so oder so 😉

„Wissen sie: Ich weiss ja, dass es blöd ist, anzustehen und zu warten und dann nur so kurz ums Eck zu fahren. Aber ich kann es ja nicht ändern. Ich kann ja nicht woanders schlafen deswegen…“

Das hat der wirklich gesagt.

„Nein, DAS wäre wirklich zu viel der Rücksichtnahme!!! Glauben sie mir: Kurze Touren gehören genauso zum Geschäft wie lange auch.“

Daraufhin haben wir uns eigentlich ganz nett unterhalten. Im Grunde finde ich es ja super, wenn sich jemand auch um die Dienstleister Gedanken macht, die er für irgendwas beauftragt. Ich für mich kann nur immer wieder sagen, dass ich eher zu wenige Kunden als Problem sehe, als die Strecken, die die verbliebenen fahren.

Nun ja, sein Fahrtziel lag dann auch tatsächlich gleich am Anfang der Straße, und so kamen 6,60 € als Fahrpreis zustande, was ich ihm natürlich auch verkündete.

Von hinten wurde mir ein rotes Scheinchen gereicht mit der Bitte:

„Machen sie zehn! Sonst kann ich heute Nacht nicht ruhig schlafen!“

Damit war mein Stundenverdienst wieder so hoch, als hätte er eine doppelt so teure Strecke gefahren. Ich hab es natürlich dankend angenommen. Aber ein Weltuntergang wäre die eine kurze Tour an dem Abend auch ohne so hohes Trinkgeld nicht gewesen…

5 Kommentare bis “Ruhig schlafen…”

  1. Der Maskierte sagt:

    Wenn nur jeder ein bisschen Rücksicht auf seine Mitmenschen nehmen würde und über deren Befinden gedanken macht, was wäre die Welt für ein schöner Ort.

    Keine Angst, ich bin nicht im Fieberwahn, man darf doch mal träumen.

  2. Tilli sagt:

    Als Fahrgast hat man es auch nicht immer leicht, man will ja niemanden verärgern!

  3. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Ich lass dich träumen, keine Sorge… 😉

    @Tilli:
    Wie ich schon geschrieben hab: Ich finde es auch wahnsinnig nett und ich freu mich wirklich darüber, wenn sich jemand auch mal um uns Gedanken macht. Auf der anderen Seite steht dann die traurige Geschichte: Wie sind die Leute denn drauf gekommen? Meistens doch, weil irgendein Kollege mal laut und ausdauernd jammern musste, wie scheiße solche Touren doch sind, und dass man gefälligst hinten einen Wagen nehmen soll. Und die ganz Armen haben dann hinten einen Fahrer erwischt, der gemeint hat: „Musst’n ersten nehmen!“
    DAS ist das Ärgerliche. Ich werd letztlich für die Fahrten bezahlt, egal ob nun mit 6 oder mit 20 €, da sollte keiner Angst haben müssen, dass er mich damit beleidigt oder was auch immer!
    Und ob ich nach 4 solchen Fahrten unter den Kollegen jammer, dass der Tag scheiße gelaufen ist, das muss erstens kein Kunde wissen, und zum anderen kann mir ein einziger Kunde niemals einen Tag versauen!

  4. Aro sagt:

    Aber die wesentliche Frage hast du nicht beantwortet: Wer von euch dreien hat denn nun gewonnen?

  5. Sash sagt:

    @Aro:
    Ich. Die Tour war die kürzeste. Die Kollegen lagen bei 9 und 11 €.

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