Zwei Euro sind ein Witz…

Ich hatte mich gerade festgelesen an einem ziemlich interessanten Text – wahrscheinlich mal wieder einer von Aro –  und muss ziemlich konzentriert auf mein Handy gestarrt haben, als sie die Tür aufmachte und mich fragte:

„Darf ich sie mal was fragen? Fahren sie auch kurze Strecken?“

Das sind nun wirklich nicht die Worte, mit denen in der Regel erwähnenswerte Fahrten anfangen. Es sei denn, ich erwähne einmal mehr absichtlich, dass kurze Strecken nicht abgelehnt werden dürfen und ich es auch nicht toll finde, wenn Kollegen das machen. Und was antworte ich wohl allen – nicht nur wenn es sich wie in diesem Fall um attraktive junge Frauen handelt? Genau:

„Selbstverständlich. Nur Kurzstrecke geht nicht vom Stand aus! Ansonsten gerne!“

„Ich müsste in die Wirstegekündigtwenndusievergisststraße nach Mitte.“

„Naja, soo kurz ist das ja gar nicht…“

„Echt nicht?“

„Nee, da bin ich hier anderes gewöhnt…“

Sprach es und fuhr von meinem Lieblingsbahnhof mit den berüchtigten 6€-Touren los. Als ich ihr auf dem Weg als Beispiel für extrem kurze Fahrten das Maria gezeigt habe, begann sie damit, sich über Leute lustig zu machen, die Taxen aus Prestigegründen für die Vorfahrt vor einen Club wählen – was zwar beim Maria bisher nicht wirklich der Grund für solche Fahrten war, mich aber dennoch auch amüsierte.

Dass sie selbst im Dienstleistungsbereich tätig ist, war weiterhin unverkennbar, da sie ähnlich meiner Wenigkeit keinerlei Probleme hatte, wie ein Orkan daherzureden, und wenn es nur um Belanglosigkeiten wie das böse böse Rauchverbot in Taxen ging. Mit der aberwitzigen Gesprächsfrequenz sowie den eigentlich zu öden diesen zu Grunde liegenden Themen landeten wir binnen Minuten ausgerechnet bei Witzen. Nicht nur, dass wir sie uns gegenseitig erzählten, nein, nebenher blieb während der zeitlich recht eng umrissenen Fahrt auch noch Platz für ein kurzes Gespräch für und wider geschmacklose Witze – nicht ohne Beispiele natürlich.

Entsprechend heiter standen wir dann letztlich vor ihrer Haustüre, und ich warf zwischen zwei Sätze des Gesprächs den Fahrpreis für diese „kurze Strecke“ ein:

„Wir wären dann übrigens bei exakt 10 €!“

Die Antwort werde ich so schnell nicht vergessen, denn was kann einem als Mensch mit Interesse an der Sicherung des Lebensunterhaltes, an Unterhaltung selbst, und daran, dass zufällig anwesende Frauen die eigene Anwesenheit wertschätzen, besseres passieren als folgender Satz:

„Ich geb dir 12, wenn ich noch einen Witz erzählen darf!“

„Da sage ich nicht nein, und Danke natürlich auch! Aber ich würde vorschlagen, wir steigen dafür aus und rauchen noch eine!“

Es war drei Uhr Nachts und der Herbst hat Berlin bereits voll in seiner Hand gehabt. Es hat geregnet, und so fanden wir uns bei ihr im Hauseingang wieder, zwei Witze erzählend und lachend. Ich zitiere an solchen Stellen immer wieder gerne meinen Chef, der bereits vor meiner Einstellung die hier inzwischen bekannten Worte sprach:

„Taxifahren ist der einzige Job, bei dem du während der Arbeit nette Frauen kennenlernen kannst, und direkt im Anschluss mit ihnen was trinken gehen kannst.“

Natürlich habe ich meine Schicht nicht beendet, getrunken haben wir auch nichts, und so sehr ich nach wie vor die Gesellschaft netter Frauen zu schätzen weiss, so sehr verliert das auch irgendwie an Bedeutung, wenn man glücklich in einer Beziehung ist.

Aber geredet haben wir…

Das Auto stand auf einer der bekanntesten Straßen Berlins einsam mit eingeschalteter Warnblinkanlage im Regen und die Lüftung surrte vor sich hin, übertönt vom Prasseln der Tropfen. Und wir standen zu zweit mehr oder minder regengeschützt da und haben uns unterhalten. Über Witze, über unsere Herkunft, Berge, das Meer und ein paar Kleinigkeiten. Keine weltbewegenden Sachen, im Grunde nur Smalltalk extended. Aber doch irgendwie schön in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns gerade mal 20 Minuten kannten und uns wohl nie näher kennenlernen werden.

Und als wir uns die Hand gegeben und uns verabschiedet hatten, als ich wieder im Auto saß und die Tourdaten runtergeschrieben hab, hab ich doch kurz durch die vom vielen Regen fast milchig anmutende Scheibe in den Berliner Himmel gesehen und mich klammheimlich darüber gefreut, dass das – all das, was die letzte halbe Stunde passiert ist – tatsächlich das ist, womit ich auch noch meinen Lebensunterhalt verdiene.

Natürlich überwiegen die langweiligen Fahrten. Klar gibt es Idioten, die ich meines Jobs wegen ertragen muss. Aber es gibt eben auch diese schönen Momente während der Arbeit.

14 Kommentare bis “Zwei Euro sind ein Witz…”

  1. ednong sagt:

    Und da stimme ich dir immer wieder gerne zu: Arbeit mit Menschen macht Spaß. Oder ok, etwas einschränkend: kann sehr viel Spaß machen. Für beide Seiten.

    Der Nachteil bei dem Ganzen: man verdient in solchen Jobs – bis auf wenige Ausnahmen – nicht allzuviel. Leider. 🙁

    Oder ich kenn einfach nur die falschen Jobs … 😉

  2. Nubert sagt:

    Dann gib doch mal einen Witz zum Besten. 🙂

  3. Der Maskierte sagt:

    Ja, es sind diese besonderen Momente und Menschen, die man während der Arbeit kennenlernt, die einen den ganzen Mist drum herum erträglich machen.

  4. Sash sagt:

    @ednong:
    Ja, das alte Grundübel…

    @Nubert:
    Ach, meinen Lieblingswitz kann man leider nicht schreiben…

    @Der Maskierte:
    Ach, ist ja nicht alles Mist drumrum. Aber manchmal trifft es schon zu, das stimmt…

  5. blauerblubb sagt:

    Wahnsinn. Ich muss schon sagen, ich beneide dich ein wenig darum. Ich vermisse die Zeit im Taxi schon ein wenig, auch wenn ich vor jeder Schicht ein wenig gestraeubt habe. Hier im Callcenter gibt es solche momente noch seltener als im Taxi, man erzaehlt immer ein wenig um Wartezeiten zu ueberbruecken, aber das ist auch eher die Ausnahme.

    Und es ist schoen zu lesen, dass es dir spass macht. Denn wo man ohne Spass auf Arbeit ist, bleibt man nicht allzu lange. Und wir wollen doch Geschichten aus dem Taxi lesen. 🙂

  6. Sash sagt:

    @blauerblubb:
    Ihr werdet noch ein paar Geschichten hören, keine Sorge 🙂
    Dass es im Callcenter seltener einfach mal nett ist, glaube ich gerne. Ist halt eine ganz andere Situation. Ich hoffe mal, Spaß macht es dir trotzdem. Und ich würde übrigens gerne Geschichten aus dem Callcenter hören 😉

  7. Dom sagt:

    Wenn ich mir deine teilweise poetischen Zeilen dieses Eintrages lese muss ich gestehen freu ich mich auf dein Buch 😀

  8. Aro sagt:

    Gibt es noch irgendeinen anderen Grund zum Taxi fahren, als diesen?

  9. Wolfram sagt:

    Das ist das Schöne an unserem Job… daß man zwischen den ganzen Kommunikationsgestörten und Berufsvollpfosten manchmal, ganz manchmal, auch noch Menschen trifft, die alle anderen vergessen machen 🙂

    Glückwunsch – behalt die Erinnerung im Herzen, hilft gegen Idioten :).

  10. Sash sagt:

    @Dom:
    Ich hab es doch dieses Mal extra nicht zu romantisch angehen lassen 🙂

    @Aro:
    Naja, es gibt auch eine Menge andere nette Kunden. Und der eigene Geldbeutel freut sich auch immer.

    @Wolfram:
    Keine Sorge, ich behalt sie. Mit einer der Gründe, weswegen ich sowas besonders gerne blogge…

  11. Clara sagt:

    Und diese Situationen sind das Salz in der Suppe! 🙂

  12. Sash sagt:

    @Clara:
    Ganz genau! 🙂

  13. […] Mir glücklicherweise überwiegend mit netten Personen, und so kam es, dass ich ausgerechnet meine Lieblings-Dienstleisterin einmal mehr im Wagen […]

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