Hohendönerhausen, Trinkgeld und das große Ganze

Für all die Leute mit fixem Monatslohn mag es manchmal seltsam erscheinen, wieso wir Taxifahrer uns über eine lange Tour freuen. Aber so ist das halt. Und mal ganz im Ernst: Ich habe ja auch Mitleid mit der Schuhverkäuferin, der ich erst einmal mitteile, dass sie ihr Mainstream-Programm nun mal niederlegen kann und mir die 50+-Abteilung zeigen soll.

Aber nein, schwierig war der Fahrgast nicht. Er war mir altersmäßig ein paar Jahre voraus und seines Zeichens Koch. Ein Berufsstand, vor dem ich hehren Respekt hege. Und das eines ehemaligen Mitbewohners wegen, den ich zwar eigentlich gerne vergessen würde, der mir den Job aber dennoch nahegebracht hat. Solltest Du weiter mitlesen, Ralf: Ich respektiere deine Arbeit mehr denn je!

Mein Kunde jedenfalls war fertig. Klassische 15-Stunden-Schicht, die nächsten 33 Stunden frei, immerhin.

Er stellte in Aussicht, vielleicht „nur“ mit Karte zahlen zu können, lotste mich dann aber doch erst an eine Bank, dann an einen Dönerladen und zuletzt vor seinem Ziel an einen Späti. Doch noch ein paar Bier, der Kollege hatte sich eben erst wachgemeldet.

Die Zwischenstopps fraßen Zeit und damit am Ende auch Geld. Ich  bin ein netter Mensch, aber während meiner Arbeitszeit läuft die Uhr weiter, so ist das halt.

Ich habe nicht ein Gegenwort gehört. Nicht mal im Ansatz.

„Schön, das Du mich heimbringst!“

„Nett, dass Du wartest!“

„Geil, dass Du da warst!“

„Fett, dass Du dir den Stress mit mir gibst!“

Ja, ich hab nur meinen Job gemacht. So wie er die 15 Stunden zuvor. Aber ich hätte auch Trinkgeld gegeben, auch einen Gruß an die Küche ausgrichtet, seine Arbeit auch wertgeschätzt. „Was auch sonst?“, denke ich mir bisweilen. Und stelle dann fest, dass das leider immer noch viel zu selten der Fall ist.

Ja, vielleicht ist es absurd, dass ich das gute Trinkeld dieser Tour am Ende jemandem zukommen lasse, der mich z.B. bei meinem nächsten Restaurantbesuch nett bedient und der es dann wieder einem anderen Taxifahrer zukommen lässt. Oder noch mehr. dass irgend ein Arschloch die Kette am Ende durchbricht. Vielleicht ist das ein finanziell betrachtet sinnloser Kreislauf, ich will das nicht ausschließen.
Aber erst einmal fühlt es sich gut an.

Für Menschen außerhalb des Dienstleistungsgewerbes mag dieser Gedanke noch fremder erscheinen, aber ich möchte das hier einmal aussprechen: Ja, wo euer Trinkgeld am Ende landet, wisst Ihr nicht. Vielleicht beim Kellner, vielleicht beim Koch, vielleicht beim Taxifahrer des Kochs oder dem Koch des Taxifahrers. Am Ende aber immer bei irgendwem, der es eingepreist hat oder einpreisen musste.

Also bitte …

12 Kommentare bis “Hohendönerhausen, Trinkgeld und das große Ganze”

  1. Sascha sagt:

    Grundsätzlich stimme ich mit Dir komplett überein bzgl. dieses Textes. Ich muss allerdings gestehen, den Satz mit der Schuhverkäuferin nicht verstanden zu haben?

  2. Ana sagt:

    Sash hat große Füße.
    Wenn man etwas über Größe 46/47 benötigt, wird man im Schuhverkaufsetablissement nach hinten geführt, wo ein einsames windschiefes Schuhregal eingestaubt sein Dasein fristet und eine klägliche Auswahl an zeitlosem Fußbedarf offeriert.

  3. @Schuhproblem:
    Noch schlimmer ist das für Frauen, die auf großem Fuß leben (müssen). Ich hatte mal ne Bekannte, die hatte Schuhgröße 46 (bei ner durchschnittlichen Körpergröße <1,75m). Die war schon froh, wenn sie nen paar halbwegs passable Herrenschuhe bekommen hat, nach Damenschuhen hat sie gar nicht mehr gesucht…

  4. Sascha sagt:

    @Ana: danke Dir!

  5. David sagt:

    Dass Sash große Füße hat, wusste ich, den Zusammenhang mit der langen Tour und fixem Monatlohn verstehe ich trotzdem nicht…

  6. whiskey sagt:

    oh, ich hab die 50+Abteilung auf den Modegeschmack und nicht auf die Schuhgröße bezogen *g*

  7. Roichi sagt:

    Sash in beigefarbener Funktionsweste, Karohemd und Sockensandalen ist eine absurde Vorstellung.

  8. Sascha sagt:

    @Roichi: klingt für mich irgendwie nach einer Berliner Version von „Walter Sobchak“ aus „The Big Lebowski“…SCNR

  9. Hobelbruder sagt:

    Wer sein Trinkgeld einpreisen muss um zu überleben, dem wird mit dem Zaunpfahl gewunken, dass er seine Arbeitskraft ausbeuten lässt.

  10. Clara sagt:

    Interessantes Thema. Habe jahrelang in der Gastro gearbeitet. Seit dem Mindestlohn ist es dort nicht mehr „notwendig“, so wie früher. Trotzdem finde ich dass es eine gute Möglichkeit ist, Engagement wertzuschätzen, die auch genutzt werden sollte. Ein paar Euro tun niemandem weh. Und irgendwann verliehrt man die Lust sich den Arsch aufzureißen wenn es nicht wertgeschätzt wird.

  11. Sash sagt:

    @Ana:
    Danke für die Antwort an @sascha! 🙂

    @gedankenknick:
    Glaube ich. Aber in meiner Jugend kenne ich das auch als für Männer alleine problematisch. Ich wollte natürlich mit 16 coole Sneaker haben, hätte aber eigentlich nur Ledersohlen-Herrenschuhe bekommen.
    Und damit will ich keineswegs sagen, dass sich die Frauen heute nicht so anstellen sollten. Das war eher ein „Jaja, ich kenne das …“

    @David:
    Ich meine damit den Extraaufwand. Für mich als Taxifahrer ist eine kurze Tour schlecht, weil ich daran weniger verdiene. Für Schuhverkäufer bin ich ein nerviger Kunde, weil sie mich trotz gleichbleibendem Lohn nicht zufriedenstellen können, bzw. mir keine leichte Lösung anbieten können. War dreimal ums Eck gedacht, ich gebe es zu.

    @Roichi:
    Du hast mich noch nicht in einem Anzug gesehen! 😉

    @Hobelbruder:
    In der Tat. Und all wir prekär Beschäftigten sind sowas von dankbar dafür, dass uns endlich mal ein Kommentator in einem Taxiblog völlig selbstlos darauf hinweist. Auf so ein überraschendes Ergebnis wären wir nie von alleine gekommen!

    @Clara:
    Das verstehe ich. Tatsächlich finde ich aber die Diskussion darüber, wie sehr es wer wegen welchem Lohn genau verdient, braucht oder kriegen sollte, müßig. Ich geb immer Trinkgeld beim Dönerladen, was die zu Beginn schwer überrascht hat. Und ich kriege als Taxifahrer manchmal keines, obwohl sich das eigentlich inzwischen herumgesprochen haben sollte. Trinkgeld zu missbrauchen, um den Lohn zu drücken, ist meiner Meinung nach inakzeptabel. Als Kunde Trinkgeld zu geben ist in meinen Augen aber eine völlig legitime Nettigkeit.

  12. Marco sagt:

    @Sash: Das Problem mit den Sneakers und Lederschuhen kenne ich umgekehrt: Mit Schuhgröße 40 als Mann ist es noch relativ unproblematisch, Turnschuhe, Sneakers u.ä. (halt Schuhe, die Heranwachsende tragen) zu kaufen. Aber ordentliche Lederschuhe (die ich, da ich beruflich Anzug trage, regelmäßig brauche) sind tatsächlich kaum zu bekommen. Von den 3-5 Paar, die ein Laden dann in der Größe hat, sitzen 2 nicht richtig, 2 gefallen mir nicht und mit viel Glück bleibt dann eines übrig. Weshalb ich bereits ab und zu dazu übergehe, obwohl ich das eigentlich nicht mag, eine Auswahl online zu bestellen und den größten Teil davon zurückzuschicken.

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