Sash und das Waschanlagen-Einmaleins

Da hatte ich das Auto kurz nach Schichtbeginn artgerecht in der Waschanlage geparkt, alle Spiegel eingeklappt, den Heckscheibenwischer eingehüllt, wollte die Anlage starten und stolperte beinahe über … ein Kind. Während ich mich leicht verstört umsah, ob sich irgendwo ein zu dem Kind gehöriges Elternteil befindet, erklärte es mir mit dem Finger auf die Waschanlage gerichtet:

„Ich mag das. Das riecht dann immer so gut!“

Gute Dialogeröffnung, Respekt! Und da Kinder wirklich die Geilsten sind, wenn es um kreative Gesprächsführung ging, antwortete mir dieses auf die Aussage, dass es ja dann auch frisch gewaschen sei, wie folgt:

„Guck mal, ich kann ein Rad schlagen. Viel besser als meine Schwester, dabei ist die 15! 15! Und ich bin neun und die kann das nur so und ich viel besser! Waren meine Beine gerade?“

Mit Erleichterung vernahm ich anschließend, dass das kleine Mädchen zur Frau an der Kasse gehört und „Ich und meine Mami bald Feierabend haben“. 😀

Das aber hat mich nicht von der Pflicht befreit, mit Ihr Hausaufgaben zu machen. Genau genommen sollte ich ihr Mal-Aufgaben stellen. Aber nicht mit den langweiligen Fünfern und Zehnern, die konnte sie schon!

„Und zwar bis das Auto fertig ist!“

Und nur mal so zur Einordung der Situation: Ich wasche das Auto an der langsamsten Waschanlage Berlins. Also haben wir das kleine Einmaleins durchgespielt. Schlecht war sie nicht und wenn sie daneben lag, hat sie auch kaltschnäuzig verkündet, dass das jetzt ja nur geraten war. Z.B., dass 6 x 8 am Ende 27 ergibt. 😀

Das mit der gemütlichen Zigarette konnte ich jedenfalls vergessen, denn die Kleine stand jedes Mal schmollend vor mir, wenn ich mir mal zehn Sekunden keine neue Aufgabe einfallen hab lassen. Und vor kleinen Kindern rauchen? Ich muss nicht alle Fehler meiner Eltern wiederholen.

Am Ende war das Auto fertig und ich hab mich artig für meine Unhöflichkeit entschuldigt und gesagt, dass ich jetzt leider – wie ihre Mami auch – arbeiten müsse. Und ja, auch wenn ihr deswegen langweilig sei, manchmal muss man das als Erwachsener halt.

Ist natürlich Bullshit gewesen. Ich hätte die halbe Stunde bis zum Feierabend ihrer Mutter gut entbehren können und sie hinten anhängen. Aber ich musste den Ruf von uns Erwachsenen mit dieser Schummelei retten, denn die Wahrheit war folgende: Mir sind einfach keine weiteren Rechenaufgaben eingefallen. Wir hatten das kleine Einmaleins durch. Komplett. Und davon mal abgesehen: Wozu bin ich denn erwachsen, wenn nicht, um mich vor dem Matheunterricht drücken zu können? 😉

Wir sind Stulle!

Eine gemischte Truppe. Zwei Einheimische, ein Ausländer. Alle gut befreundet, die Taxifahrt wird für Selfies und Gespräche übers Essen genutzt. Und dabei kommt es zu folgendem, in meinen Augen epischen, Dialog:

„And when we’re there: What kind of Crêpe can I have?“

„Crêpe? We’re not in France. WE HAVE STULLE!“

Das wachsame Auge des Gesetzes

Ich stand gerade bei einem Kollegen am Auto, als ich merkte, dass zwei zufällig vorbeilaufende Polizisten Interesse an meinem Taxi hatten. Ich hab meinerseits signalisiert, dass ich der Fahrer des Autos bin, da baffte mich der eine Beamte nach einem weiteren kurzen Blick in den Wagen aggressiv an:

„KÖNNTE ICH GLEICH AUSBAUEN HIER!“

Bitte was?

Und genau das hab ich dann auch gefragt.

„ICH SAG, KÖNNTE ICH GLEICH HIER AUSBAUEN, DEINEN RADARWARNER!“

Da er jedoch äußerst eindrucksvoll passiv-aggressiv davongewatschelt ist, konnte ich Schnuffi nicht mehr erklären, dass ein wachsames Auge auch nur so viel wert ist wie der Sachverstand dahinter. Sein „Radarwarner“ war nämlich im schlimmsten Fall die Dashcam, bei der zwar die Gerichte hier und da auch anzweifeln, ob das rechtens ist, aber bei weitem keine Einstimmigkeit wie bei Radarwarnern herrscht. Vielleicht hat er aber auch den Transponder für die Flughafenzufahrt oder gar die Doppelsteckdose auf dem Armaturenbrett gemeint.

Oder es hat einfach die Uniform im Schritt gekniffen, was weiß ich schon?

Erfreuliches aus dem Chefbüro

Das Telefon klingelte und vermeldete „Cheffe“ auf dem Display. Das kann am letzten Tag meines Wochenendes alles bedeuten. Hoffentlich nix mit dem Auto!

„Moin Sascha, Du hast noch einen Schlüssel von der 2925  bei Dir zuhause, stimmt’s?“

„Nein, hab ich nicht. Aber ich hab letztes Wochenende gesehen, dass nur einer da war. Umso artiger hab ich ihn danach aber wieder zurückgehängt.“

„Oh.“

„Tut mir leid, ich hätte gerne ja gesagt.“

„Naja, gut, dann muss ich halt mal gucken, wer da jetzt …“

„Also irgendwer ist zwischen meinen Schichten gefahren.“

„Ja ja, gut. Find ich raus. Aber was ich eigentlich sagen wollte: Ihr fahrt ab jetzt die 2223. Der Kollege fährt den heute schon und Du ab morgen dann bitte auch!“

Ui. Da die 2925 noch nicht so alt ist, dass sie ausgemustert werden könnte, und die 2223 aber doch deutlich jünger und besser in Schuss ist, hat entweder einer meiner regelmäßigen Mitfahrer was arrangiert oder irgendwer anders ist in Ungnade gefallen und muss jetzt als Strafe eines der ältesten Autos fahren. So lange ich die Kiste weiter so nutzen kann wie die bisherige, soll mir das mal ausdrücklich gefallen. Die 2925 ist zwar ausgesprochen problemfrei gewesen im letzten Jahr, aber so Kleinigkeiten wie z.B. das eingebaute Navi in der 2223 sorgen dann doch dafür, dass ich mich über den Wechsel sehr freue.

Könnte auch gut sein, dass das der letzte B-Zafira ist, den ich als Taxi fahre, weil die auch bei uns in der Firma immer seltener werden. Aber das ist dann wirklich Zukunftsmusik, denn bei der 2223 sind sicher noch gut 200.000 bis 250.000 km bis zum Ruhestand zu absolvieren.

PS:
Und wo wir gerade bei Konzessionsnummern sind: Mischa hat mir mit dem Vermerk, er hätte das Ende des Regenbogens gefunden, ein Foto des Berliner Taxis mit der Konzessionsnummer 1 zugeschickt:

Auch Konzessionsnummern fangen mal klein an. Quelle: Mischa Heintze

Auch Konzessionsnummern fangen mal klein an. Quelle: Mischa Heintze

PPS: Mischa kenne ich von der in bester Erinnerung gehaltenen Rubicon-Tour.

Die Chickenwings sind der Unterschied!

Ich hatte die Schicht bereits verloren geglaubt. Viel zu wenige Fahrgäste, viel zu kurze Touren, am Ende sogar viel zu wenig Trinkgeld. Aber hey, die eine Tour noch, dann ist Wochenende!

Also erst einmal tanken, hier und da noch Kleinigkeiten putzen, danach ab zum letzten Zug am Ostbahnhof. Mit etwas Glück eine Tour bis vor die Haustür der Firma, ansonsten wäre mir alles egal gewesen. Naja, alles …

Ob ich sie nach Bernau bringen könnte, fragte meine Fahrgästin mich dann. Und um das mal zu verdeutlichen: Das hätte meinen Umsatz fast verdoppelt an dem Abend!

Wichtiger aber war dann, dass ich sie noch kurz zum Burger King bringe. Sie nahm das Taxi schließlich nicht freiwillig, ihr Tag war um ein paar Stunden aus dem Ruder gelaufen, alles schlimm, außerdem: HUNGER!

Ich hab zugesagt und meine Optionen überdacht. Preise nach außerhalb sind Verhandlungssache, schon klar. Aber dann noch der Burger King? Ich hab also auf  Verdacht einfach die Uhr angemacht und das war ok. Ich hätte vielleicht am Ende irgendwie noch etwas mehr Geld aus der Fahrt schlagen können, aber mit der bezahlten Wartezeit, bei der es mir sehr schwer gefallen wäre, die im Vorfeld einzupreisen, war das ok.

Dabei ging es am Ende nicht einmal direkt nach Bernau, sondern in die Waldsiedlung, und das brachte noch einmal ein paar Euro mehr. Nach dem Preis gefragt hat die gelegentlich ein paar Chicken-Wings mampfende (Sie hat gefragt, ich habe es erlaubt) Begleitung nicht einmal. So wie vor 1990 sich wohl auch kaum jemand jemals hat dort hinbringen lassen, ohne den Preis einfach bezahlen zu können.

Die Fahrt endete auch nicht irgendwo auf dem Gelände, nein, es ging direkt zum ehemaligen Haus eines sehr sehr sehr bekannten ehemaligen DDR-Politikers. Mir wurde extra erklärt und zuletzt gezeigt, dass dort erst kürzlich eine entsprechende Tafel angebracht worden war. Ohne Interesse an politischen Pilgern fragwürdiger Natur oder Touristen am Briefkasten zu haben, stelle ich es mir dann doch sehr spannend vor, in ein Gebäude mit derartiger Geschichte zu ziehen.

Und  meiner Kundin ging es wohl ähnlich. Obwohl sie selbst aus Tschechien war, zudem keinesfalls Fangirl der Honnecker-Clique, erzählte sie mir all das in ihrem gebrochenen Deutsch mit Begeisterung und versprach nebenbei hoch und heilig, mein Auto erst nach einer Serviettenbenutzung zu berühren. Wenn nur alle Fahrten so nett, unterhaltsam, lukrativ und lehrsam wären!

Deutlich über 60 € standen am Ende auf der Uhr, die Einreihung in die oberen 5% aller Fahrten war damit gewiss. Mit etwas mehr als null Trinkgeld hätte ich persönlich sie locker in die Top 1% gewählt. Aber irgendwas ist ja immer. 😉

Die allwöchentlichen Chaoten

Vier Kerle, Fahrtziel Puff.

Das ist oft sehr grenzwertig und auch diese Truppe sollte da eigentlich keine Ausnahme machen. Die Typen waren laut eigener Aussage irgendwas zwischen 19 und 25 alt und die Lautstärke war wie bei so ziemlich allen Fahrten mit Leuten in dem Alter.

„Bring uns Puff XY!“

„Nee, mach mal Moritzplatz!“

„Und davor Sparkasse!“

Ähm, ok. Ich kannte den Puff, der ziemlich weit weg war, ich kannte den Moritzplatz und dazwischen waren sicher einige Sparkassen. Passt. Also wenn nicht die Reihenfolge vorher hätte geklärt werden müssen. Während binnen kürzester Zeit feststand, dass es eigentlich zu einem anderen Bordell gehen sollte, war das mit dem ersten Halt am Moritzplatz noch Grund für eine Diskussion und währenddessen hat mich der eine schon mal zu einer Sparkasse in irgendeiner Nebenstraße gelotst. Aber gut, das wird schon werden!

Während wir an der Bank in Kreuzberg hielten, einer Geld holen ging, einer pinkeln und einer unbedingt eine rauchen musste, erklärte mir der Typ auf der Rückbank, dass es wirklich wichtig sei, dass ich ihn am Moritzplatz rauslasse, weil er im Gegensatz zu seinen Cousins am nächsten Morgen aufstehen müsse. Na klar, kriegen wir geregelt!

Und ja, das klappte auch problemlos. Ich hab auf dem Weg dorthin auch nur einmal erwähnen müssen, dass das Ausschenken von Getränken aus Flaschen in Becher vielleicht nur so eine mittelgute Idee sei. Aber klar:

„Schon klar, Digga! Aber mach isch extra nur halbe Becher, weil is‘ sischara!“

Der geneigte Leser mag sich hier wie ich an den Kopf fassen, aber was will ich sagen: Das Auto blieb sauber, der Kerl hatte es raus. Im Radio war längst ein Sender gefunden, der wie von den dreien gewünscht irgendwelchen türkischen Pop abspielte und die Laune war gut. Aber das mit dem Puff als Ziel war weiter schwierig.

Zum einen war da die Adresse. Die stimmte nämlich nicht. Also musste das gegoogelt werden. Es erwies sich – o Wunder! – als richtig, was ich im Kopf hatte. Traurig daran: Im Gegensatz zu dem Laden, den sie mir beim Einstieg genannt hatten, würde der mir keine „Vermittlungsgebühr“ zahlen. Aber gut, so ganz sicher waren sie eh nicht. Denn der eine wies fachkundig darauf hin, dass genau jetzt die Zeit war, in der es dort sonst gerne voll ist. Also wurde ich gebeten, mal eben rechts ranzufahren, damit sie dort anrufen könnten.

Warum nicht?

Nun sollte man sich vor Augen halten, dass sie vom anfänglichen Puff 1 in der A-Straße zu Puff 2 in der B-Straße gewechselt hatten, allerdings glaubten, er liege in der C-Straße. Nachdem sie das inklusive Telefonnummer gegoogelt hatten, riefen sie zielsicher irgendein Hotel in Köln an und fragten, ob dort Puff 2 in der C-Straße sei. Kann man sich nicht ausdenken!

Entsprechend dauerte der Stopp auch etwas und erst das dritte Telefonat brachte Klarheit:

Puff 2 liegt in der B-Straße und derzeit sind 7 Frauen und 3 Männer dort. Ich hatte bisher ja keine Ahnung, was man telefonisch alles erfragen kann!

Also ging es weiter, die Jungs fanden die Route von mir nach nur drei Änderungsideen und einem Vorschlag, das Taxameter zugunsten eines höheren Trinkgeldes einfach auszuschalten, auch ganz ok. Ich will nicht sagen, dass ich das super-relaxt fand, aber ein bisschen lustig war es inzwischen ja schon.

Und dann kam der auf dem Beifahrersitz auch noch auf die Idee, dass ich doch bestimmt eine CD oder einen USB-Stick am Radio hätte. Lange Rede, kurzer Sinn: Eigentlich hasse ich das! Ich hab immer auch ein paar private Lieder auf meinen Mix-CD’s und ganz sicher keinen Bock drauf, vor coolen Checkern, die zum Vögeln in den Puff fahren müssen, zu erklären, warum da dieses oder jendes Lied läuft. Aber ich hatte Glück im Unglück: Auf der CD war ein längerer Block mit Metallica-Liedern und als Mister-Türkisch-Pop umschaltete, fand der das prompt voll hart und supercool:

„Digger, Digger! Ey, vor uns hier das Motorrad und jetzt die Musik – das gibt mal gleich voll des andere Feeling, Digger!“

Sprach’s und headbangte so vor sich hin.

Wie gesagt: Kannste Dir nicht ausdenken!

Und ja, dann war die Fahrt eine Minute später auch schon völlig unspektakulär zu Ende, dank Umwegen, Pausen und Trinkgeld hat es am Ende auf fast 30 € von Kreuzberg nach Schönefeld gereicht. Ich kann mir eine Menge stressfreierer Touren vorstellen, aber rückblickend war’s schon ok mit den Spaßvögeln.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Fernbeziehungen

Ich bin ja im Grunde selbst nur in Berlin gelandet, weil eine Fernbeziehung auf Dauer doof gewesen wäre und meine bessere Hälfte zumindest vorerst mal nicht mehr als ein Jahr Stuttgart anberaumt hatte. Mit der Entfernung haben wir noch nie einen Rekord gebrochen, aber es war schon lustig, dass ich dieses Wochenende an einem Abend gleich zwei junge Frauen im Auto hatte, die ebenfalls eine Fernbeziehung hatten.

Mit der ersten bin ich während einer kurzen Tour vom Bahnhof aus ins Gespräch gekommen und das lustige für mich war, dass die Konstellation „Sie in Berlin, er in Tübingen“ doch schon sehr nah an meine Situation von vor – Schluck! – 11 Jahren herankam.

Noch unterhaltsamer war allerdings Fahrgästin Nummer 2, die mich vor dem Yaam rangewunken und sich nach Neukölln chauffieren lassen hat. Abgesehen davon, dass sie eine wirklich Nette mit herzzerreißender Dankbarkeit für uns Taxifahrer als Dienstleister war, war sie in Berlin zu Besuch bei ihrem Freund. Sie selbst wohnte in Marseille. Autsch. Und während ich sie im Gespräch auch etwas für die Entfernung bedauerte, stellte sich heraus, dass es sie beide auch wesentlich schlimmer hätte erwischen können, denn: Kennengelernt hatten sie sich in Brasilien.

Ich bin ehrlich froh, dass wir zwei hier dieses Kapitel hinter uns gelassen haben. Aber genau das lässt mich auch ein bisschen für all die anderen hoffen. Natürlich schaffen’s am Ende nicht alle. Ist bei Beziehungen ja ohnehin so. Aber die Vorstellung, dass eins dieser kleinen Taxigespräche irgendwann vielleicht mal das Thema einer Familienfeier wird … ich mag den Gedanken. 🙂