Es ist schon eine ganze Weile her, da erreichte mich ein Brief von Olaf. Nun, Olaf war offensichtlich nicht der Nachtschichtkollege, der mir gleich in den Sinn kam, sondern ein Ex-Kollege, noch dazu aus Bremen. Er outete sich als GNIT-Leser und dem Brief lag als Geschenk ein Buch bei. Seines. Ui, über sowas freue ich mich immer!
Allerdings muss ich gestehen, dass ich damals mit Taxiliteratur überversorgt war und auch sonst gerade keine große Lust auf einen Taxi-Roman hatte. Dementsprechend war „Taxifalle
“ fortan eines von ungefähr hundert Büchern auf meinem Nachttisch, aber immerhin keines der seit Ewigkeiten ungefähr acht angefangenen.
Als ich gestern ungewohnterweise zur Mittagszeit aufgewacht bin, hat es dann irgendwie mein Interesse geweckt und ich hab zu lesen angefangen. Das Ganze endete mit einem durchwachten Nachmittag und meinem speziellen Finishing-Move für Bücher, die ich „nachts“ „mal kurz“ aufschlage: Ich habe am frühen Abend das Licht angeschaltet, um es fertig lesen zu können.
Ich vergebe bei Büchern ungerne Bestnoten, weil ich mich selbst oft genug an Toprezensionen gerieben habe, aber ich muss doch gestehen, dass mich „Taxifalle“ wachgehalten hat. Ich wollte dem abgedrehten und im Übrigen ziemlich fiesen Hauptprotagonisten Marcus Meyer weiter folgen, ich wollte wissen, wie der Scheiß ausgeht. Das Taxigewerbe in Olaf Kretschmers Roman ist ein ganz anderes als das, was ich hier bei GNIT schildere: Ein versiffter Moloch, in dem man es dem Helden nicht einmal richtig übel nehmen kann, dass er sich der dunklen Seite zuwendet und mehr oder weniger ein abgebrühter Abzocker seiner Kundschaft wird.
Trotz vieler (dem Vorwort nach nicht unbedingt unauthentischer) Taxianekdoten handelt das Buch überwiegend von der schmutzigen Schattenwelt im Bremen der 1980er- und 1990er-Jahre: Sex, Drugs and Cabdriving. Ich möchte anmerken, dass ich bei dieser Milieustudie manches Mal etwas abgeschreckt vom rauen Ton und der offensiven Sprache war, andererseits ist mir die Ironie dabei nicht entgangen und man hätte dieses Buch einfach auch nicht netter schreiben können. Die Welt des Protagonisten ist krass, teils ekelhaft und trotzdem einfach faszinierend und – ich weiß, wie sehr das manchen als Götterlästerung erscheint – einfach um Klassen authentischer als der in meinen Augen langweilige Karen-Duve-Roman „Taxi“.
Vielleicht nicht wirklich ein Buch für jeden einzelnen GNIT-Leser, aber vermutlich nicht der schlechteste Tipp für Bremer knapp über meinem Alter, für Taxifahrer und Ex-Taxifahrer, sowie für Freunde von Milieustudien und regional verankerter Literatur. Ich hab’s jedenfalls sehr gern gelesen und möchte an der Stelle auch dem Autor nochmal fürs Zusenden danken: Danke für die vergnüglichen Stunden, Olaf! Ich hoffe, Du hattest entsprechend auch ein paar solche hier bei GNIT! 🙂
Olaf Kretschmer:
Taxifalle
KellnerVerlag, 2016
ISBN: 978-3-95651-111-0
Amazon-Link: Taxifalle
