erfordert die Teilnahme im Straßenverkehr ja schon laut StVO. Und das ist echt eine fiese Geschichte. Denn natürlich: Je mehr man im Auto sitzt, je öfter, länger, weiter man fährt, desto unachtsamer wird man. Und da muss man als Fahrer im Grunde ständig gegen anarbeiten.
Allerdings hab ich da als Taxifahrer großes Glück. Wir haben zwischen unseren Touren (viel zu) oft Pausen, Ruhezeiten, Ablenkung. Im Schnitt trete ich mindestens jede zweite Tour nach einer längeren Pause an – also zumindest lang genug für einmal Aussteigen, eine Zigarette oder gar einen Kaffee. Man startet 5 bis 10 Mal quasi völlig von null an und ist wieder konzentriert. Und da ich merke, wie selbst ich mich manchmal von der Routine ablenken lasse, hab ich auch verdammt großen Respekt vor den ganzen LKW-Fahrern da draußen, die teils stundenlang am Stück hinterm Steuer sitzen. Und wesentlich monotonere Fahrten haben als wir. Es wird oft über schlimme Unfälle berichtet, tatsächlich müssten es der schwierigen Verhältnisse wegen etliche mehr sein, wenn da nicht überwiegend kompetentes Personal unterwegs wäre.
Ich hatte bislang zum einen immer Glück, zum anderen – ebenso glücklich wahrscheinlich – schnelle und vernünftige Reaktionsmuster zur Hand. Trotz meiner paar hunderttausend Kilometer Fahrerfahrung (schätze, ich bin irgendwo zwischen 400 und 450k) hab ich keine Ahnung, woher das kommt. Ja, ich hab mit fast jedem länger genutzten Auto mal eine Vollbremsung testweise gemacht und nach einem eisigen Winter voller waghalsiger Experimente zu tiefer Nachtstunde kann man das Verhalten eines Autos ganz gut einschätzen. Dass ich das bisher immer genau richtig umgesetzt habe, ist indes einfach nur Glück gewesen.
So im Grunde auch neulich.
Ihr müsst wissen, dass ich mir als Taxifahrer eine seltsame Fahrweise angeeignet habe – nämlich eine, die nur sehr vorsichtiges Bremsen beinhaltet. Mal abgesehen davon, dass unser Auto immer mal wieder beim Bremsen Geräusche gemacht hat im Laufe der Jahre – so zackiges Bremsen kommt auch nicht gut. Es wirkt wesentlich ruhiger, eleganter und professioneller, wenn man das Fahrzeug ohne Ruck zum Stehen bekommt und keine Hektik walten lässt – so wie man wohl auch beim Schalten besser nicht hakelt.
In Kreuzberg wäre mir neulich allerdings fast genau das passiert, was einen ehemaligen Mitbewohner von mir schon mal in ziemliche finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat:
Ich fuhr als zweiter zum Rechtsabbiegen an die Kreuzung heran und sah, dass der Fahrer vor mir freie Fahrt hatte. Er löste auch die Bremsen und fuhr los. Ich hab die Kiste ebenfalls anrollen lassen und mich fast umgehend nach links orientiert. Klar, ich wollte sehen, ob irgendwelche Radfahrer, Autos oder Fußgänger mich an der Weiterfahrt hindern würden. Das kann man im Prinzip unter vorbildliches vorausschauendes Fahren einsortieren, allerdings nur, wenn man – anders als ich eben – das unmittelbare Hindernis nicht ganz aus den Augen verliert: Den Wagen direkt vor der eigenen Motorhaube!
Der nämlich hat aus einem mir nicht ersichtlichen (und vielleicht ja tatsächlich unsinnigen) Grund plötzlich gebremst. Als ich den Blick wieder auf ihn gerichtet habe, waren ungefähr noch gefühlte minus 20 Zentimeter Platz. Auch nach Jahren schätze ich die von innen unsichtbare Schnauze unseres Autos immer noch länger ein als sie ist …
Bevor ich auf die Bremse trat, hörte ich jedenfalls schon das Krachen von gefaltetem Metall und gesplittertem Plastik.
Meine Fahrgäste hörten nichts und fanden sich etwa 0,4 Sekunden später mit sicher ziemlich lustigen Gesichtsausdrücken in den Sicherheitsgurten hängend, als ich mich schon wunderte, weswegen der Wagen vor uns nicht langsam mit blinkenden Lichtern und eingedellter Stoßstange auf die Kreuzung rollte.
Ich – und natürlich die neuen Bremsen der 1925 – hatten es glücklicherweise einmal mehr geschafft. Ich würde wetten, dass der Abstand am Ende so gering war, dass die Besatzung des vorderen Wagens den Ruck durch den Luftdruck zwischen unseren Autos gespürt hat. Wenn da 2 Zentimeter Rest waren, dann weil die Autos irgendwie schräg zueinander standen.
So war die Schicht dann doch nicht zu Ende, nur ein kleines „Sorry“ an die Fahrgäste hatte ich zu entrichten. Die nahmen es allerdings gelassen und so ging es dann weiter wie geplant. Ich hoffe nun zum einen natürlich, dass mein Glück mich nie verlässt. Zum anderen bin ich sicher auch mal wieder eine Weile vorsichtiger als sonst unterwegs. Aus Gründen, wie man so schön sagt …