Sash, 31, Lotse

Ich kam gerade von der Autobahn. Quasi. Eigentlich bin ich nur von der Pasewalker Straße aus rüber auf die Prenzlauer gewechselt. Da nimmt man noch ein paar Meter Autobahn mit, eine Ecke, die einen in der Ortskundeprüfung den letzten Nerv kostet. Vor allem in die andere Richtung.

Aber gut, ich kam von der Leser-Tour und mir fehlten noch 20 Cent auf der Uhr, um ins – zumindest in meinen Augen: wohlverdiente – Wochenende zu kommen. Plötzlich gab mir der Wagen hinter mir Lichthupe. Oder war es eine Bodenunebenheit, die mich in den Fokus seiner Scheinwerfer rücken ließ? Sowas passiert ständig, aber ich bin da immer etwas nervös, weil ich so tatsächlich schon mal eine Tour bekommen habe. Das kann man hier nachlesen.

Ich fuhr also etwas langsamer und der Wagen setzte zum Überholen an. Ich dachte an vieles, z.B. auch daran, dass sie mich auf was aufmerksam machen wollten. Ich gebe auf der Straße auch hier und da mal Leuten ein Signal, damit sie z.B. das Licht einschalten. Vielleicht war ja bei mir das Rücklicht kaputt. Man weiß ja nie …

Ich ließ den Wagen überholen und sah hinüber. Ein schwarzer Kombi mit drei ziemlich grobschlächtigen Gesellen drin. Der Beifahrer hatte das Fenster runtergekurbelt und winkte mich rechts ran. Mein Gedanke war folgender: „Fuck, die Bullen! Ich bin nach der Autobahn sicher noch zu schnell gewesen …“
Wäre ja ein klassischer Einsatzort für eine Zivilstreife. Aber dann hätten sie doch die Kelle …

Wir haben also beide angehalten und einer der Typen ist wie ich ausgestiegen. Anstatt mich nun auf ungebührliches Benehmen hinzuweisen, fragte er mich, ob ich ihnen sagen könnte, wo die Storkower Straße sei. Nun, ähm, ja, schon irgendwie. In ein paar Kilometern links ab …
Bevor ich den Gedanken zu Ende bringen konnte, schlug er aber selbst vor:

„Would you bring us there? We pay!“

Eine Lotsenfahrt also. Immer gerne, auch wenn im Konvoi fahren nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen im Straßenverkehr gehört. Außerdem ist Vorkasse da geradezu Pflicht. Es kommt ja so schon gelegentlich (seltener als ich dachte) vor, dass Leute ohne Bezahlung abhauen. Aber wenn sie auch gleich noch in einem anderen Auto sitzen, ist mir die Gefahr dann doch zu groß. Für Verfolgungsjagden bin ich wohl inzwischen zu erwachsen. Traurig, aber wahr.

Das aber sollte kein Problem sein. Einer der Typen bot sich an, in meinem Auto mitzufahren und teilte mir dann mit, dass sie zum Generator Hostel wollten. Super Tour, über 10 €. Und wenn man eh nur noch 20 Cent braucht …
Ebenfalls von meinem Beifahrer erfuhr ich indirekt, warum die Fahrzeugbesatzung irgendwie nach 50 Jahren Knast aussah: Sie waren Kickboxer und zu einem Kampf angereist. Aus Dänemark.
Nun funktionierten ihre Handys im fremden Deutschland halt nicht und sie waren ohne Navigation aufgeschmissen. Sie hatten wohl schon mehrere Versuche, die Straße zu treffen, hinter sich und waren müde. Verdammt müde. Aber clever, dabei an ein Taxi zu denken! Lotsenfahrten sind ja – zumindest hierzulande – nicht gerade das häufigste Einsatzgebiet von uns. Und werden es sicher auch nie mehr werden dank Navis.

Ich hab die müden Fighter dann ohne Probleme in ein paar Minuten zu ihrem Ziel gebracht. Dort haben sie dann leider noch lernen müssen, dass 200€-Scheine fürs Taxi in Berlin echt eine Nummer zu groß sind, aber da waren sie schon dankbar und lieb und sahen weit nicht mehr so gefährlich aus wie bei unserer ersten Begegnung. Am Ende haben sie die 12,20 € in klein zusammengekriegt. Und ich hab Feierabend gemacht. 🙂

„Blitzmarathon“

Bundesweit wird heute von der Polizei extrem viel geblitzt. Alleine in Berlin an 250 Stellen (pdf), kurzfristige Verschiebungen nicht eingerechnet. Es ist nicht so, dass ich das jetzt irgendwie total geil finde. Für Blitzer gilt in meinen Augen das selbe wie für jegliche Art Überwachung in der Gesellschaft: Man sollte sie auf das Minimalste beschränken. Ich bin kein Law-and-order-Typ, mich nervt die Scheiße hier ungemein.

Aber wir haben hier in Deutschland manchmal auch ein etwas gestörtes Verhältnis zu unseren Autos, das muss auch ich als hauptberuflicher Fahrer sagen. Das Internet ist schon wieder voll von Prolls, die „Abzocke!!!“ schreien, ohne zu bemerken, dass sie das nur schreiben können, weil die Aktion seit einer Woche angekündigt und promotet wird. Was bei näherem Hinschauen reichlich wenig Sinn gibt, denn man kann sich recht einfach dagegen wehren, geblitzt zu werden. Das einfachste (wenn auch sicherlich nicht einzige) Mittel ist: nicht schneller fahren als erlaubt.

Ich kenne auch eine Menge in meinen Augen unsinnige Geschwindigkeitsbegrenzungen und ich ärgere mich sicher auch darüber, wenn ich in so einem Bereich mal geblitzt werde, weil ich gewohnheitsmäßig zu schnell bin (z.B. Am Treptower Park, 22 – 6 Uhr Tempo 30, Fickt Euch!). Aber wenn es mich heute erwischt, dann nur, weil ich zu blöd war und nicht darüber nachgedacht habe.

Mein Schein (hier der P-Schein) ist schneller weg als Euer Lappen. Und ich fahre mehr als viele private Fahrer. Dennoch ist mein Punktekonto bei null und war nur einmal bei 3. Irgendwie hab ich also die Vermutung, dass ich heute überdurchschnittlich entspannt in den Tag starten kann, aus Gewohnheitsgründen. Und mir macht Autofahren immer noch Spaß.

Denkt wenigstens kurz darüber nach.

Und habt selbstverständlich eine gute Fahrt heute, ohne überteuerte Fotos und ohne sonstigen Stress. Das würde mich natürlich am meisten freuen. 🙂

Die andere Seite

Wenn man sich die Nachrichten anschaut, hat man schnell genug von der Welt. Mord und Todschlag allenthalben, und wenn nicht vor der eigenen Türe, dann irgendwo anders. Man hat das Gefühl, die Ellenbogengesellschaft ist so langsam auf dem Höhepunkt angelangt und ohne Stress und Nerverei sei man ohnehin doch der letzte Doofe auf der Welt. Und dann sowas:

Als der Arm kurz vor dem Ostbahnhof in der Straße der Pariser Kommune hochgeschnellt ist, hab ich mich nur bedingt gewundert. Hier war Endstation für Ersatzbusse, die zwischen dort und der Warschauer Straße einmal blöd im Kreis fahren mussten. Und nun eine ältere Frau, oh nee, Moment mal! Ein Typ in meinem Alter mit zwei Kindern war auch noch dabei.

„Sagen Sie, haben Sie zwei Kindersitze?“

„Ja, hab ich.“

„Wie viel würde das denn kosten, wenn Sie ihn und die Kids zum Hauptbahnhof bringen würden?“

„Ich sag jetzt sicherheitshalber mal 15 €.“

„Und danach in’n Tiergarten?“

„Im schlimmsten Fall kommen da 20 zusammen, aber wahrscheinlich deutlich weniger.“

„Das ist ok. Ich hab halt auch nur noch 25 dabei …“

So weit, so gut. Nachdem wir die Kids – und zudem einen ganzen Berg Gepäck – verstaut hatten, lief die Fahrt wie jede andere. Nette Kundschaft, kein Stress. Erst währenddessen hab ich so langsam mitgekriegt, was Sache war. Die Frau und der Typ gehörten nicht zusammen. Sie hatte ihn mit einer Freundin zusammen aufgelesen. Er kam mit seinen zwei Kids aus Marokko, um seine Freundin, die Mutter der beiden, zu besuchen. In Wolfsburg. Nun hatte sein Flieger drei Stunden Verspätung gehabt, was ihn ohnehin seinen Zug verpassen lassen hat. Zu allem Überfluss war er aber just in Berlin gelandet, als der Schienenersatzverkehr gerade seinen Höhepunkt erreicht hatte; und das Chaos für einen einzelnen Mann mit quasi null Deutschkenntnissen, einem schlafenden und einem heulenden Kind, sowie drei Koffern ein klitzekleines Bisschen zu viel wurde. Bis zur Warschauer Straße war er wohl gekommen, wusste dann aber absolut nicht weiter. Überfordert und auf das kleine weinende Kind einredend wurde er dann von den beiden Damen gefunden. Und die beschlossen, dass das ja kein Zustand wäre. Zunächst haben sie dem Dreiergespann den Weg zum Ersatzverkehr gezeigt und ihm beim Tragen geholfen. Als sich die Wege der Freundinnen trennten, beschloss meine jetztige Beifahrerin dann, dass sie ja auch mal ein Taxi nehmen und zwischendurch den fertigen Mann am Hauptbahnhof absetzen lassen könnte. Dem war der Rummel um seine Person zwar vermutlich auch ein bisschen zu viel, aber kaum im Auto, fielen ihm auch hier und da mal die Augen zu. Ein bisschen Entspannung tat ihm sichtlich gut.

Am Bahnhof wartete ich dann ein paar Minuten; die resolute Dame ließ es sich nicht nehmen, ihn eigenhändig zum Schalter zu führen, wo ihm dann (hoffentlich) weitergeholfen wurde.

Auf der weiteren Fahrt zu ihr bedauerte sie, dass es offenbar sonst niemanden interessiert hat, dass der Typ da so verloren war. Als sie anfing, sich bei mir zu bedanken, hab ich trotzdem unterbrechen müssen. Ich hatte ja nun wirklich nichts getan, was nicht meiner Arbeit geschuldet war. Ich ließ mich von ihr ja bezahlen und die Tatsache, dass ich meinen Kunden hier und da beim Gepäck oder dergleichen behilflich bin, ist nun wirklich eine andere Nummer, als wildfremde Leute auf eigene Kosten durch die Stadt zu begleiten. Am Ende sollte ich dennoch ein gutes Trinkgeld bekommen. Mehr noch hat mich, so kitschig das auch klingen mag, an dem Abend aber gefreut, dass es solche Leute wie die zwei betagten Damen noch gibt. Ja, am Ende hab ich mir gedacht, dass ich es eigentlich in genau solchen Ausnahmefällen doch auch mal nicht so genau nehmen sollte mit der Bezahlung.

Unfall! Panik!

Und nochmal zum Mitschreiben: PANIK!

Unfälle sind eine Scheiß-Geschichte. Immer wieder. Das Dumme an ihnen ist: Sie passieren. Nicht jedem, nicht dauernd, aber eben doch ausreichend oft, um irgendwann eingestehen zu müssen, sie gehören zum Verkehr dazu. Das soll nicht fatalistisch klingen, man sollte immer das Möglichste tun um jeden einzelnen Unfall zu vermeiden. Aber es ist auch nicht so, dass man bloß aus der Tatsache, dass zwei Verkehrsteilnehmer mal wortwörtlich aneinandergeraten, zum Drama aufspielen sollte.

Aber sag das mal jemand meinem Herz!

Bei Twitter wurde mir die Frage gleich gestellt: Ob das bei mir auch noch so einen Adrenalinstoß verursachen würde.

Na holy fucking shit! Aber ja doch! Ich fahre zwar viel durch die Gegend, aber meine Liste an Unfällen ist immer noch ziemlich klein. In erster Linie sind das Parkrempler gewesen. Noch in Stuttgart. Aber selbst wenn mal keine Menschenleben in Gefahr sind: Bei Unfällen geht es immer um Geldbeträge, die im Gegensatz zu meinem Einkommen horrend erscheinen.

Und jetzt am Samstag? Da ging es nicht ums Geld. Nicht den Bruchteil einer Sekunde lang. Sondern – ein wenig dramatisch überhöht – tatsächlich um Menschenleben. Genauer gesagt um das eines Fahrradfahrers. Ich selbst war gerade mit einem müden aber glücklichen Kunden losgefahren, um eine unübertreffliche 5,20€-Tour anzutreten. Was für ein Irrwitz, dass ausgerechnet so eine Tour mal kritisch wird!
Beim Abbiegen von Am Ostbahnhof in die Andreasstraße hab ich einen Radler übersehen. Ich hab keine Ahnung, wie. Er war als geradezu mustergültige Ausnahme sogar beleuchtet. Rückblickend betrachtet war er wohl im Moment meines zu spärlichen Blickens hinter der A-Säule verborgen, danach habe ich mich sogar zu meinem Fahrgast umgedreht. Der schrie plötzlich wie am Spieß:

„ACHTUNG!!!“

Bei aller Gewöhnung an teils hypernervöse Beifahrer hab ich meinen Blick auf die Straße geschmissen und umgehend die Bremse durchgetreten. Ich bin in vielem nur Mittelmaß oder gar schlecht, im Reagieren war ich bislang immer gut genug. Ich sah den Radfahrer quasi direkt an meinem linken vorderen Kotflügel das erste Mal. Während ich noch das Steuer herumriss, stieß ich ihn seitlich von hinten an, wodurch er bedrohlich ins Schlingern gerieht. Das Auto stand nach anderthalb Sekunden, das Fahrrad vielleicht nach dreien. Holy fucking Shit!
Der Radfahrer kehrte augenblicklich um und fuhr, sich drohend aufblasend, auf mich zu. Ich ließ das Seitenfenster gleich runter und versuchte, mit meiner Gestik so deeskalierend wie möglich zu wirken für einen Irren, der gerade ein Leben riskiert hatte, indem er eine anderthalb Tonnen schwere Blechkiste gegen einen schmächtigen Radler eingesetzt hatte. Nicht lange danach blickte durch das Beifahrerfensters das Gesicht eines jungen Mannes herein, dunkle Hautfarbe, den Schreck ebenfalls noch im Gesicht stehen habend. In mäßigem Deutsch fragte er:

„Was ist? Du mich nicht gesehen hast?“

„Nein. Ganz ehrlich: nein! Tut mir wirklich leid, mein Fehler. Ist irgendwas passiert?“

Eine einfache und im Grunde unzureichende Entschuldigung. Meinen Fehler in Worte zu fassen war schlicht nicht besser möglich. Aber ich traf dieses Mal glücklicherweise auf einen verständigen Menschen. Während ich spürte, wie mir das Herz bis zum Hals oder darüber hinaus schlug, wurde der junge Mann lockerer. Der erste Stress war verflogen und wir haben glücklicherweise beide die Meinung geteilt, dass das mit dem Verkehr hier kein Krieg ist. Scheiße ja, Fehler passieren. Auch mir. Ihm sicher auch.

Mein Unfall-„Gegner“ nahm meinen wirklich aufrichtig gemeinten Handschlag zur Entschuldigung an und seufzte erleichtert:

„Alta, is‘ meine letzte Tag bei die Urlaub. Jetzt so glücklich ich feiern Geburtstag nochmal!“

„Is‘ ok. Feier für mich mit! Gott sei Dank ist Dir nix passiert!“

Währenddessen fiel uns mein Fahrgast dauernd ins Wort, weil er unglaublich stolz darauf war, dem jungen Mann das Leben gerettet zu haben. Wir wollen da über Details nicht streiten, schließlich hat er wirklich geholfen, auch wenn das alles bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten passiert ist.

Am Ende war mit dem kurzen Stopp alles geklärt. Weder Fahrrad noch Auto hatten Macken. Ich hatte ihn ja direkt am Bein erwischt. Insofern hab ich da die Polizei aus dem Spiel gelassen, obwohl das bei Unfällen mit Firmenwagen natürlich eigentlich unerlässlich wäre. Ich war umgehend sehr froh, dass die restliche Tour kaum noch einen Kilometer lang war. Nicht wegen meines Fahrgastes. Der gab immerhin sogar Trinkgeld, was in Anbetracht des Fahrtverlaufes schon beachtlich war. Nein, ich brauchte die abermalige Pause an der Halte! Ja, ich hatte sogar überlegt, heimzufahren. Denn auch wenn Unfälle nunmal vorkommen: Ich bin danach erst einmal eine Weile am Zittern, ganz ehrlich. Ich hab’s sonst nicht so mit Aufregung und Action, so ist es nunmal.

PS: Ich würde den Eintrag eigentlich gerne so stehen lassen. Ohne erhobenen Zeigefinger oder dergleichen. Kann ich aber nicht. Sicher: Die Geschichte jetzt war Pillepalle. Trotzdem: Wir alle machen Fehler. Zum einen muss ich natürlich zerknirscht zugeben, dass ich trotz meiner doch recht umfangreichen Fahrerfahrung dieses Mal zu nachlässig war. Und es würde mich freuen, wenn der oder die ein oder andere auch nochmal darüber nachdenkt, wie er/sie im Verkehr agiert. Zum anderen: „Die da“, ob jetzt Rad-, Auto- oder LKW-Fahrer, sind nicht in erster Linie Feinde! Und wenn mal was passiert zwischen Euch, dann denkt bitte ehrlich darüber nach, inwiefern Ihr selbst auch einen Teil zum Geschehen beigetragen habt. Versucht wenigstens, ehrlich zu sein. Und wenn es nur Euch selbst gegenüber ist.

Ich jedenfalls werde in den nächsten Monaten (und hoffenrlich auf Dauer) wieder noch mehr Aufmerksamkeit auf Radwege in entsprechender Umgebung legen. Und ich bin froh, dass ich das jetzt nicht mache, weil es Tote gab. Dann ist es nämlich zu spät.

(Und teilt das ruhig, ich kann kleine Shitstorms aushalten. 😉 )

Alle einsteigen!

OK, so ganz ohne richtige Geschichte kann ich Euch ja nicht in die Woche starten lassen. Ich meine, es ist Montag, wer braucht da nicht etwas Ablenkung?

Leiten wir an dieser Stelle möglichst schlecht über zur kurzen Szene: Ablenkung brauchten die ungefähr 12 Leute auf der Oranienburger Straße in Mitte nicht mehr. Sie schienen alle schon gut dabei zu sein und störten sich kein bisschen daran, dass sie den Verkehr komplett lahmlegten, indem sie im engen Einbahnstraßenbereich kurz hinter dem Hackeschen Markt ein Taxi anhielten. Dann begannen sie zu erörtern, wer mitfährt, wer das nächste Taxi nimmt, usw. usf.
Durch die schleichende NewYorkisierung des Berliner Verkehrs sind nachts ja beinahe nur noch Taxen unterwegs. Hinter dem angehaltenen Fahrzeug stauten sich nur zwei Privatwagen und vier weitere Taxen. Das vierte war meines. Die Truppe von Feierwütigen begann sich nur sehr langsam zu verteilen, aber insbesondere die Taxifahrer warteten geduldig. Schließlich hätte ja für jeden noch eine Tour dabei herausspringen können. Taxi 1 wurde besetzt, der zweite Wagen auch. Zwei Autos vor mir öffnete einer der jungen Typen schon die Tür des dritten Wagens, da wurde es plötzlich laut unter den Protagonisten:

„Steig ein!“

„Spinnst Du?“

„Was denn? Jetzt steig ein!“

„Nein, Alter!“

„Warum nicht?“

Ja, warum nicht?

„Das ist kein Taxi, Alter!“

Tatsache. 🙂
Ich hab’s von meinem Standpunkt aus auch nicht gleich gesehen, aber es handelte sich tatsächlich um einen privaten PKW in silber. Im gelblichen Licht der Straßenlaternen nicht sehr verschieden zu den in Reihe stehenden hellelfenbeinfarbenen Droschken. Am Ende war das keine große Sache. Die Tour hat der Kollege zwischen mir und dem Pseudo-Taxi bekommen, und ich die nächsten Winker etwa 400 Meter weiter. Ich muss trotzdem ein wenig schmunzeln, wenn ich mir das ganze aus Sicht dieses Autofahrers vorstelle. Für mich ist das Alltag: „Da steht eine Horde betrunkener Jugendlicher, hoffentlich steigt einer davon ein!“. Ich schätze, diese Einstellung ist unter der Normalbevölkerung relativ unverbreitet. 😉

Party gerettet

Wenn es mal läuft, dann läuft es. Also manchmal, in seltenen Fällen. An dem Abend auf jeden Fall. Die Schicht startete mit Winkern von Friedrichshain nach Neukölln, auf dem Rückweg eine Kurzstrecke vom schlesischen Tor zur Lausitzer, dort sofort wieder Einsteiger zum Freischwimmer und kaum, dass ich dann wenden wollte, stand er plötzlich da:

Jeans, weißes T-Shirt, ein Jacket über die Schulter geworfen, Sneakers an den Füßen, eine hellrötliche und leicht verfranste Frisur über grünen Augen und einem Gesicht mit markantem Schmiss. Und ein Lächeln, das die Narbe übers ganze Antlitz zu verlängern wusste. Ein bisschen zögernd stieg er ein, ich war beim Wenden ziemlich ugünstig an ihn rangefahren. Dass er vorne einsteigen konnte, schien ihn zu irritieren. Wie so viele. Aber er taute schnell auf, ich bin ja jetzt auch nicht unbedingt ein Eisklotz im Auto.

Es ging mal wieder darum, eiligst eine Party zu retten. Dieses Mal nicht mit einem Netzteil für den DJ-Laptop, sondern gleich mit der vergessenen Musiksammlung. Die allerdings erklärte mir mein – im übrigen mal wieder englischer – Fahrgast jedoch recht schlüssig: Sein Kumpel, für den er und ich jetzt diese Boten-Tour erledigten, hatte gar nicht vor aufzulegen. Er war einfach nur DJ und privater Gast auf einer Jungesellenabschiedsparty. Aber ebenso wenig, wie man als Blogger durchs Leben gehen kann, ohne seinen Kollegen Computerfragen zu beantworten, kann man offenbar DJ sein, ohne auf Parties aufzulegen.

Und nun waren ich und der gutgelaunte Rotschopf dabei, in der Adalbertstraße kurz eine externe Festplatte oder einen USB-Stick zu holen. Müssen ja heute glücklicherweise nicht mehr ganze Plattenkisten sein. Während die Fahrt so prima lief, dass ich dem Typen nach 5 Minuten Weg nicht einmal ein Pfand abgenommen hab, bevor er ins Haus sprintete, war das mit dem Verkehr schon ein ganz anderes Kaliber. Der südliche Teil der Adalbertstraße ist immer noch (Wahrscheinlich auf Dauer oder so -.-) nur in Nordrichtung durchfahrbar, dank des Andrangs dort in den Abendstunden fährt natürlich trotzdem jeder Vollhorst erst einmal in die enge, zugeparkte und von Fußgängern durchwatschelte Straße rein, um zu gucken, ob auf den hundert Metern nicht vielleicht ein Parkplatz frei ist. Danach wird unter Zuhilfenahme der Hupe möglichst gemeingefährlich gewendet.

Und ich stand mitten drin und hab mich irgendwann einfach neben das Taxi gestellt und grinsend eine geraucht. Für die Unterhaltung zahlen andere teuren Kino-Eintritt. 🙂

Irgendwie hab ich es ohne Beule geschafft, das Auto am Ende auch wieder herauszumanövrieren und zu wenden, an Bord wieder den gut gelaunten Briten, der sich die letzten Minuten mit einer geradezu infantilen Begeisterung mit mir über meinen Beruf unterhalten wollte. Die für die ganze Action eigentlich recht mageren 12,80 € hat er am Ende großzügig auf 15 aufgerundet und sicher noch eine Menge Spaß gehabt in der Nacht. Wie ich ja auch. Nach vier Touren inklusive einer geretteten Party wollte ich eigentlich mal wirklich Pause am Bahnhof machen. Aber selbst dazu kam ich nicht. Eine Winkerin nach Baumschulenweg.

So muss Taxifahren dort aussehen, wo die Fahrer nicht über ihre Umsätze meckern. In Utopia oder so. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Virtuelle Umzüge

„Haha, Winker!“

Das dachte ich so bei mir. Eigentlich war es noch viel besser, denn ich stand an der Ampel. Und nicht etwa als einziges Taxi, sondern als zweites von zweien. Aber die Kundschaft fragte mich an. So kann’s gehen. 🙂

Genau genommen stand ich an der Kreuzung Köpenicker/Heinrich-Heine und hatte vor, zum Kater Holzig zu fahren. Da wäre es an dem Abend schnell gegangen, aber von der Straße weg ist ja immer besser. Und insgeheim hatte ich die Vermutung, sie wollten ohnehin vielleicht nur bis zum Kater. Dann wäre das immer noch eine Kurzstrecke ohne Mehraufwand gewesen.

„Wir würden gerne zum Kitkat-Club …“

„Äh …“

„…ist der in der Schönhauser Allee?“

WTF? Das Kitkat lag meines Erachtens nach genau auf der anderen Straßenseite. Oder sind die jetzt auch noch umgezogen? Bitte nicht! Allerdings waren meine Kunden ähnlich desorientiert, auch sie waren davon ausgegangen, dass es hier am Eck sei. Nun aber hatten sie irgendwo gesehen/gelesen, dass das jetzt in der Schönhauser sei. Hmm.
Einer von ihnen packte gleich sein Telefon aus und begann zu suchen:

„Das war doch hier … nee, warte mal. Ach, ich kann auch direkt auf der Seite und dann … Mensch, wo war das denn?“

Nicht, dass die Suche binnen zweier Minuten sonderlich akribisch und umfangreich war: es kam aber immer wieder das Gleiche dabei raus. Nämlich, dass das Kitkat hier in der Köpenicker liegt, bzw. manchmal wurde auch der Eingang über die Brückenstraße erwähnt. Ich wäre jetzt durchaus gerne mit den beiden zur Schönhauser gegondelt, aber der Stress dann … ich war so gesehen fast schon froh, als sie etwas irritiert meinten, sie würden dann doch lieber nochmal auf der anderen Straßenseite gucken.

Sicher, ich hätte mich auch ärgern können. Natürlich sind in der Zeit ein paar freie Taxen an mir vorbeigefahren und ich hab jetzt am Kater zwei bis fünf Minuten länger auf die nächste Tour gewartet. Und das alles nur, weil irgendwer mal eben Halbwissen verbreitet oder irgendwas falsch gelesen hat. Ein rein virtueller Umzug, der bloß in irgendeinem Kopf stattgefunden hatte.

Auf der anderen Seite (ich hatte das gerade eben erst in den Kommentaren): Natürlich hätte ich zu dem Zeitpunkt die Uhr schon anmachen können und mir diesen kleinen – aber existierenden – Aufwand bezahlen lassen. Aber genau wegen solcher Momente tue ich das eben nicht. Wenn ich mir jetzt die Diskussion vorstelle, warum ich fürs Nichtstun schon drei Euro kriege … oder (ziemlich sicher kurz darauf) ob es nicht viel mehr mein Fehler gewesen sei, weil ich es ja auch nicht gewusst hätte … der Stress hätte mich am Ende mehr Lebenszeit gekostet, die mir einfach mehr wert ist als einsfuffzich im Portemonnaie. Und man weiß ja nie: Nächstes Mal winken die in der Greifswalder und wollen zum Magnet – das vor inzwischen Ewigkeiten tatsächlich umgezogen ist – dann gleicht sich das wieder aus. 🙂