Von Zielen und so …

Ach, wie oft fragen mich die Fahrgäste:

„Und, wie lang musste heute noch?“

Dabei ist einer der Gründe für diesen Job bei mir, dass ich nicht „muss“. Wobei das jetzt auch ein bisschen zu locker rüberkommt. Natürlich brauche ich eine gewisse Geldsumme am Monatsende und mein Nebenjob (das hier) wirft nicht gerade Reichtümer ab. Aber am Ende zählt die Kohle auf dem Taxameter immer mehr als meine Stunden. Natürlich nehme ich mir an gut laufenden Wochenendtagen vor, möglichst lange zu fahren, damit ich entsprechend Geld verdiene – meist aber ist das Ziel ein Euro-Betrag. Wenn der überraschend schnell auf der Uhr steht, dann gebe ich das Steuer gerne aus der Hand. Und wenn’s mal gar nicht werden will, erhöhe ich halt mein Ziel für den nächsten Tag oder die nächste Woche.

Ich will nicht sagen, dass das Konzept besser ist, es hat auch seine Schwächen. Aber da sich die Umsätze im Laufe der Zeit zumindest halbwegs abschätzen lassen – nicht für eine Stunde oder einen Tag, aber für die Woche dann doch genau genug – ist es mit ein bisschen Disziplin durchaus drin, die Arbeitszeiten weit flexibler zu halten als viele andere. Da ich es jetzt grundsätzlich eher nicht so mit Disziplin habe, bin ich aber manchmal dann doch hart.

Dieses Wochenende ist ein schönes Beispiel. Ich mache heute und morgen frei. Heute ist ein hoffentlich lustiges Twitter-Treffen in Berlin, und da möchte ich was trinken. Ergo: Danach in die Nacht starten geht nicht. Als Nachtschichtler hätte ich zwar gut Zeit, wenigstens bis Sonntagabend wieder ausgenüchtert und völlig fit und einsatzbereit zu sein, aber ich kenne meine Arbeitslaune, wenn ich am Tag zuvor zu tief ins Glas geschaut habe. Da das Treffen lange geplant war, hab ich das mit meinen Umsätzen auch gemacht und zwei freie Tage vorausgesetzt. Da das letzte Wochenende schon über den Erwartungen lag, hab ich gestern und vorgestern mit eigentlich lächerlichen Zahlen gerechnet. Ich hab sogar extra noch 100 € für nächste Woche mit in den Plan gepackt, damit ich nicht unsinnig für drei Stunden nur rausfahre. Aber am Ende blieb es bei bescheidenen 103 € für die vergangene Schicht. Bescheiden nicht, weil die sich im Taxi grundsätzlich leicht verdienen – sondern, weil es Freitag Abend war. Da muss man glücklicherweise keine 8 oder 9 Stunden für sowas einplanen.

Meine Hoffnung war, so gegen 2 Uhr heimzufahren. Das klappte nicht. Um 2 Uhr fehlten mir noch rund 19 €. 18,80 € um genau zu sein. Dann wurde ich via Twitter angefragt, eine Lesertour, die schon einmal prima geklappt hatte. Gut, keine 18,80 € im Umfang, aber die vorletzte Tour, so viel war sicher …

Nun passieren Dinge. Manchmal lustige, manchmal nervige. Und manchmal beides zusammen. In dem Fall war es eine Ampel. Ich hätte sie umfahren können, daran hab ich aber zu spät gedacht. Und die Kundschaft war ja glücklicherweise auch nicht von der nervigen Sorte. Aber die Ampel wollte nicht grün werden, obwohl sie eh schon ein unnötiger kleiner Umweg war. Verdammte Axt!
Ich bin am Ende bei rot rüber, es schien wirklich ein Defekt zu sein. Naja, nun war die Lage so, dass ich an der Tour sicher 2 bis 3 € mehr verdient habe, als es unter optimalen Umständen der Fall gewesen wäre. Nicht nur das: Ich kam bedrohlich nahe an meine heißersehnten 18,80 € heran. Die Uhr sprang irgendwann auf 18, dann 18,20 € …

Und am Ende drückte ich bei 18,60 € Kasse. Und ich hatte mir SOOO fest vorgenommen, mein Ziel als Untergrenze zu sehen, es also „auf jeden Fall“ zu erreichen. Wenn man diesen psychischen Druck mal aufgebaut hat, treibt er einen zu komischen Dingen. Ein Kollege von mir hat sich mal aus Verzweiflung eine Kurzstrecke auf dem Heimweg reingehauen, die er dann quasi mit sich selbst gefahren ist. Einfach, um endlich den verdammten Hunni vollzukriegen. Obwohl er die damit zu über 50% selbst bezahlt hat, was die Sache völlig ad absurdum geführt hat.
Ich jedenfalls hab auch mit mir gerungen. 20 Cent? Scheiß auf 20 Cent! Die sind natürlich völlig irrelevant. Auf meiner Gehaltsabrechnung werden daraus 9 Cent. Brutto. Und ich verschenke großzügig Kippen an Schnorrer …
Ich hätte die Uhr ja auch „versehentlich“ noch einen Ticken weiterlaufen lassen können. Zack! 20 Cent mehr Umsatz, 20 Cent weniger Trinkgeld, passt schon und sieht in der Statistik richtig aus.

Da ich eh nicht so richtig Lust hatte, hätte ich das fast gemacht. So ein kleiner Selbstbetrug: Ja, ich hab zwar 11 Cent verloren, aber dafür – olé – das Tagesziel erreicht!

Dann hab ich’s gelassen. Ich musste das Auto eh noch waschen und betanken. Und um 3 Uhr an einem Samstag Morgen wird ja wohl irgendwo ein Winker …

Kleiner Spoiler: Ich hab mein Tagesziel noch erreicht. Aber die Tour war zu schön, um sie jetzt hier als kleines Anhängsel an diesen arbeitspsychologischen Exkurs zu pappen. Die gibt es dann morgen. 🙂

4 Kommentare bis “Von Zielen und so …”

  1. mathematikos sagt:

    tja, das taxigewerbe verführt mitunter zu….sagen wir mal: barocken gedankengängen ;-)……speziell nächtens hat der kutscher mitunter doch muße, die gespenster der dunkelheit in der seele und vielleicht auch draußen auf der gasse mit mentalen pirouetten zu unterhalten……
    lieben gruß,
    werner

  2. […] gut, ich kam von der Leser-Tour und mir fehlten noch 20 Cent auf der Uhr, um ins – zumindest in meinen Augen: wohlverdiente – […]

  3. Rosa sagt:

    „20 Cent mehr Umsatz, 20 Cent weniger Trinkgeld, passt schon und sieht in der Statistik richtig aus.“
    Wäre es nicht viel logischer, ein Einkommensziel als ein Umsatzziel zusetzen, sprich von jedem Euro auf der Uhr bekomme ich … und dazu habe ich heute schon … Trinkgeld?

  4. Sash sagt:

    @mathematikos:
    Schön ausgedrückt. 🙂

    @Rosa:
    Ja, kann man machen. Aber das Trinkgeld variiert mehr als der Verdienst und außerdem isses für mich durchaus auch entscheidend, was ich am Monatsende mit Cheffe abrechne, sprich: Wie viel Geld auf mein Konto überwiesen wird. Weißt schon, Miete und so … 😉

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