Passende Abende

„So, jetzt geht es heim.“

„Dann hoffe ich mal, Sie hatten einen schönen Abend.“

„Tatsächlich. Wir waren erst im Babylon und haben einen Film über die Volksbühne angeschaut und dann waren wir in der Kantine der Volksbühne essen.“

„Da hatten Sie ja sogar einen in sich konsistenten Abend.“

Kam gut an. 🙂

Nur fair

Ich hab vor Jahren mal geschrieben, dass ich mir bei Festpreisverhandlern die Strategie „Platte mit Sprung“ angewöhnt habe. Einfach nein sagen, im Zweifelsfall dreißigmal hintereinander. Die dadurch verlorenen Fahrten kann ich an einer Hand abzählen, der Gewinn muss um Größenordnungen höher liegen, wenn man bedenkt, mit was für Fantasiebeträgen einige der Leute starten.

Ein gutes Beispiel heute Nacht waren zwei Leute, die mir am Bahnhof Marzahn eingestiegen sind.

„Sag mal, was kostet’s denn etwa zur Buschallee, Ecke Hansa?“

„Uff, bin mir nicht ganz sicher. 15 € etwa?“

„Zehn und wir haben einen Deal.“

„Dann nö.“

„Also 12.“

„Nö.“

„OK, dann halt 15.“

Glücklicherweise war er nur halb so beleidigt, wie sich das liest und als wir am Ende stoppten, erwies er sich zwar nicht als größter Trinkgeldgeber, aber als fairer „Verlierer“:

„So, dann sind wir bei 14,50 €.“

„Nee nee, 15 war der Deal! Fang jetzt nicht wieder mit rumhandeln an!“

Ganz ehrlich: So mag ich das. 🙂

Andere härtere Baustellen

Dass beim Auftrag gleich mit angegeben war, dass es ein Krankenhaus ist, war schön. Denn damit konnte ich das Navi auslassen, auch wenn mir die Hausnummer nix sagte. Ebenso begeistert waren die drei Fahrgäste, dass ich sie so schnell gefunden habe. Von da an ging es zu einer Partylocation, sie haben das Wort Feierabend an diesem Abend wörtlich genommen, völlig ok.

Die ganze Fahrt über tratschten sie über ihren Dienst. Ein Worst-of der Patienten, es ging dabei eindeutig um den psychologischen Bereich. Sie erzählten sich gegenseitig von verstorbenen Ex-Schützlingen und deren Eskapaden, vom notorischen Glühbirnenesser bis zur klassischen Napoleon-Reinkarnation war alles dabei. Eigentlich sogar noch schlimmere Dinge. Sie haben das untereinander ähnlich grob getan, wie ich es hier auch manchmal mit z.B. vermutlich Alkoholabhängigen tue: Eigentlich etwas zu heftig für unbedarfte Ohren, aber dennoch keinesfalls respektlos. Natürlich verwundert, überrascht, erstaunt und teilweise überwältigt, aber dennoch auch mit Herz und Seele.

Und mir blieb dabei eigentlich nur Demut. Nicht nur, weil mir wiederholt klar wurde, wie glücklich man sein kann, wenn der eigene Psychohaushalt halbwegs ausgeglichen ist – nein auch, weil die drei das persönlich so gut wegstecken konnten, ohne in Stillschweigen oder allzu plumpe Lästereien abzudriften. Am Ende stand dann der fast unausweichliche Dialog:

„Na, Sie halten uns jetzt sicher auch für völlige Psychopathen, oder?“

„Ich fahre seit neun Jahren Taxi in Berlin. Sie erweitern mein Wissen zweifelsohne, aber im Grunde überschneidet sich unsere Kundschaft durchaus mal.“

„Ja, so ist das wohl. Ich hab auch manches Mal ein schlechtes Gewissen, wenn wir jemandem ein Taxi rufen und ich mir dann denke, dass ich froh bin, dass das jetzt nicht an mir hängen bleibt …“

Natürlich muss ich erst einmal sagen: Bitte macht das nicht! Wir sind dafür nicht ausgebildet!

Andererseits geht das natürlich runter wie Öl und ich stehe nach wie vor dazu, dass ich am Ende (Am Ende, nicht zwingend währenddessen!) doch auch am liebsten die Fahrten hatte, bei denen ich wirklich helfen konnte. Und von den Leuten, die den härteren Teil des Jobs machen, gewürdigt zu werden, adelt ungemein. Immer noch, ehrlich. 🙂

„Nicht möglich“

Ich nehme seit einiger Zeit auch Funkaufträge an, da ich das Gerät sowieso angeschaltet habe, um die Kartenzahlung abwickeln zu können. Und im Grunde war das keine schlechte Entscheidung, denn immerhin kriege ich jetzt auch mal Fahrten außerhalb der üblichen Winkerrouten. Wie ich erwartet hatte, ist das zwar keinesfalls dieses Mördertool, das einem den zehnfachen Umsatz beschert (wie manche Kollegen gerne erzählen), aber nett, passt schon.

Manche Dinge aber sind wirklich so beschissen, wie ich vermutet hatte, als ich das noch nicht nutzte. Ich will die Zentrale nicht grundlos runtermachen, aber es gibt halt für mich blöde Dinge. Und ich bin jetzt nicht einmal wer, dem es um Fehlfahrten geht, die natürlich immer mal passieren können.

Da wäre nämlich wesentlich eher die Sache mit der Rückgabe von Aufträgen. Ich weiß nicht, wie das organisatorisch oder softwareseitig gelöst ist, aber immer, wenn ich einen angenommenen Auftrag nachträglich zurückgeben wollte, ging das nicht. Und hey, ich bin ein großer Freund davon, eingegangene Versprechen einzuhalten und lese mir die Aufträge sogar insoweit durch, dass ich nicht versehentlich einen annehme, bei dem ich zwingend scheitern muss. Zum Beispiel derzeit Großraumaufträge, die ich wegen des Fahrzeugtyps erhalte, dank der mit Putzutensilien zugebauten dritten Rückbank aber eher nicht durchführen kann.

Aber es passiert. Da war mal die Adresse, bei der Google und das eingebaute Navi die Adresse nicht gefunden haben. Zugegeben: Am Ende hat das mit etwas Zufall geklappt, aber die fünfminütige Suche und den Druck dabei hätte ich mir gerne erspart.

Und dann vorgestern. Ich stehe seit einer halben Stunde als Erster in Marzahn rum. Das Funkgerät klingelt und es ist ein Auftrag bei einer Adresse, die ich kenne. Ich drücke also mein OK und wirklich genau in dieser Sekunde sind aus dem toten Winkel zwei Typen in mein Auto eingestiegen. Ich war der einzige Fahrer vor Ort und die beiden betrunkenen Typen waren nicht wirklich interessiert daran, was ich ihnen bezüglich meines gerade angenommenen Auftrags wegen erzählen wollte.

Also stornieren. Aber hey: „Rückgabe nicht möglich“!

Da die beiden nicht weit wollten, hätte ich ja in Erwägung gezogen, danach schnell meinen Auftrag mit etwas Verspätung auszuführen, aber so flexibel ist das System natürlich nicht. Als ich die Uhr angemacht habe, wurde das vom mit dem Taxameter gekoppelten Funkgerät so interpretiert, dass ich die Auftragsfahrgäste aufgenommen habe. Ich war zwar rund anderthalb Kilometer entfernt von ihnen, aber das GPS wird natürlich nur dann eingesetzt, wenn es zufällig passt. Und entsprechend wertete das System das Ende der Tour als das Ende der bestellten Fahrt. Logisch.

Dumm nur, dass in der XYZ-Straße 123 immer noch ein Kunde war, der auf sein Taxi wartete. Ich hätte das wie gesagt gerne noch erledigt, aber der Auftrag war ja nun „erledigt“ und ich konnte nicht einmal mehr die Adresse aufrufen.

Und wieder ein unzufriedener Kunde mehr. Also ungefähr genau das, was ich seit fast einem Jahrzehnt im Gewerbe versuche zu vermeiden.

Wie gesagt: Ich will die Zentrale nicht grundlos schlechtreden, aber leider ärgere ich mich dann manches Mal doch zurecht.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Sammler

Es war eine kurze, vor allem aber schnelle Tour. Am Ende hatte das Taxameter etwa 12 Euro zusammengerattert und der Fahrgast war großzügiger als die meisten an diesem Abend:

„Mach mal 15.“

Er reichte mir einen Fuffi und verband das mit einer Bitte:

„Wenn Du mir rausgibst … wäre cool, wenn Du es in Fünfern hättest. Ich sammle die.“

Ich hab meine drei armseeligen bis dahin verbliebenen Fünfer angeschaut und ehrlich und mit nur etwas gespieltem Bedauern gemeint, dass ich so viele dann auch nicht hätte. Und er?

„Ja ja, ich weiß. Niemand hat die. Ist ja logisch, die hab ich ja alle!“

Der war so trocken, der könnte geplant gewesen sein. 🙂