Voll vertrauenswürdig

Ich wurde zu einer Firmenadresse bestellt. Ich fand das Gebäude schnell und dort im Hof traf ich meine Kunden auch umgehend. Sie stiegen ein, hatten währenddessen aber noch eine Art gebrülltes Gespräch mit einer Frau, die in einem anderen Auto saß. Es klang nur so mittel freundlich, aber ich verstand die Sprache auch gar nicht.

Mit mir sprachen sie deutsch und mein Beifahrer sagte gleich, ich solle die zweite Ausfahrt vom Hof nehmen, damit wir gleich links auf die Hauptstraße fahren könnten. Das war bezüglich der Zieladresse auch sinnvoll, da man auf dem anderen Weg für fast einen Kilometer nicht hätte wenden können. Irritiert war ich nur, weil er auffällig die Frau im anderen Auto beobachtete und mir sagte, er wolle auch nicht „direkt vor ihr“ vom Hof fahren und sich sehr freute, als sie das Auto abwürgte.

WTF?

Als wir dann endgültig unterwegs waren, änderte er die Zieladresse um ein paar Meter, aber das hat von der Sache her kaum einen Unterschied gemacht. Statt direkt an der Hauptstraße sollte es nun zwei Querstraßen weiter gehen.

„Aber kannst Du hier mal rechts fahren?“

„Also abbiegen?“

„Nein, nur rechts fahren. Antäuschen, falls sie hinter uns ist, dass sie denkt, wir biegen gleich ab?“

Man tut ja, was man kann …

Die Erklärung für das Ganze war in etwa folgende:

„Weisst Du, es ist Freitag Abend. Wir feiern noch, aber meine Freundin denkt, wir fahren jetzt heim. Und ich wollte nur sichergehen, dass sie uns nicht hinterherfährt, um zu checken, ob wir das wirklich machen, verstehst Du?“

Eigentlich wüsste ich gerne, was er gesagt hätte, wenn ich ehrlich mit Nein geantwortet hätte. Aber das war gestern Abend nicht der „hill to fight and die on“. Ich hab aber die düstere Vorausahnung, dass die nicht 2070 in einem Interview Rede und Antwort stehen, wie sie 50 Jahre Ehe so liebevoll miteinander verbringen konnten.

Wenn man die Kumpels einlädt, sie heimzubringen …

Kürzester Weg! Quelle: google maps

Mit Trinkgeld eine 50€-Tour. Im Übrigen mit sehr nettem Nicht-nur-Smalltalk eine angenehme Fahrt. Und jetzt stellt Euch vor: Beinahe wäre da entweder noch eine zwanzigminütige Wartezeit zwischendrin angefallen oder ein „kleiner Umweg“ in Richtung Friedrichshain. Nur eines davon und es wäre die vermutlich lukrativste Tour innerhalb der Stadtgrenzen in bald neuneinhalb Jahren geworden. Am Ende war dem Kunden aber bewusst, dass das dann „doch ein bisschen unsinnig“ gewesen wäre.

Wie verpeilt kann man sein?

„Bringst mich Stendaler Straße 18?“

„Die in Hellersdorf?“

„Ja, genau. Ist da beim Lidl.“

Ich hab das Navi angestellt, wir haben uns unterhalten und als wir da waren:

„Nee, hier ist das nicht.“

„Naja, aber Stendaler 18 ist hier.“

Der Typ guckt auf sein Handy:

„Ach nee, hab ich falsch ausgesprochen: Stollberger Straße.“

„Also Stollberger Straße 18?“

„Nee, Stollberger Straße 41.“

WTF?

Handy gefunden. Und wie!

Obwohl ich lange verschont wurde: Fundsachen gehören zum Taxifahren dazu. In diesem Fall ist es ein Handy, und zwar vermutlich eines, das man nicht so gerne verliert. Zwar „nur“ ein Huawei, aber immerhin ein aktuelles Smartphone, die Dinger sind heute ja die Auslagerungsdatei für die halbe Persönlichkeit.

Handy, nicht Sashs. Quelle: Sash

Dieser Fall ist aber ein wenig besonders, denn eigentlich müsste dieses Handy seinen Besitzer nicht wirklich suchen. Denn zum einen weiß ich, welchem Kunden es gehört, zum anderen war es auch noch eine Funkbestellung. Darüber hinaus hat das Ding noch Strom und ist nicht einmal gesperrt. Bisher scheint es bloß niemand haben zu wollen.

Aber gut, das mit der Tour war schnell eingegrenzt, denn ich hab es nur zwei Minuten nach dem Ausstieg der Kunden gesehen. Zwei Minuten zu spät, aber ich bin trotzdem nochmal umgekehrt und hab am Aussteigeort geschaut. Leider war es halt keine Kneipe, sondern eine Bushaltestelle, sie waren längst weitergezogen. Als ich mich mit der Zentrale in Verbindung gesetzt habe, um den Fund zu melden, wurde es fast noch absurder, denn glücklicherweise hatten die eine Nummer vom Besteller, das war offensichtlich nicht die dieses Handys, aber der andere ging einfach nicht mehr ran und hat die Anrufe der Zentrale abgeblockt. WTF?

Ich hab dann ehrlich überrascht festgestellt, dass sich das Gerät doch anschalten ließ (war ein anderer Knopf als an meinem, hab’s zuvor verpeilt) und sich sogar entsperren ließ. Nun war das Problem, dass das Betriebssystem eine der 12.000 Sprachen verwendet, die ich nicht spreche. Aber als ich mich zu den Kontakten durchgehangelt hatte, blieb am Ende nur der Hinweis, dass kein Guthaben mehr drauf ist.

Ich werde das jetzt durchaus morgen mal mit einem Abtippen der Nummern über ein anderes Telefon probieren, aber vorher hatte ich Kundschaft und zudem bin ich davon ausgegangen, dass das Ding schon irgendwann klingeln würde. Bisher aber: NIX!

Ich bin vielleicht etwas pingelig, aber wer bitte bemerkt über vier Stunden lang nicht, dass das eingesteckte Telefon nicht da ist oder versucht nicht, es zu erreichen?

Ich hoffe mal, das kommt nicht alles heute nacht um drei Uhr.

Morgen versuche ich dann, einen der Kontakte zu erreichen, auch wenn ich gerade nicht mal weiß, ob die meine Sprache sprechen (der Kunde konnte kein Deutsch) oder ob ich jemanden erreiche. Ansonsten dann halt eine Online-Meldung ans Fundamt.

So wie das angefangen hat, könnte ich mir auch weiterhin einen interessanten Verlauf vorstellen.

Netter Versuch …

Im Gegensatz zu den zwei Touren davor waren die beiden Typen zwar eher etwas unangenehm, aber man muss ja als Dienstleister nicht mit jedem kuscheln. Ich hatte beim Auftrag zu der Absturzkneipe eigentlich eher einen Stammkunden erwartet, der seine kurze Tour gerne überdurchschnittlich gut bezahlt. Aber gut, nun zwei andere angetrunkene Kerle. Sie hatten eigentlich einen super Abend mit reichlich Bier hinter sich und waren trotzdem einfach nur unglücklich. „Weil’s so’ne Kneipe findeste ja nüscht mehr, nirjens!“

Also ich bin da halt mehr so der Typ, der sich freut, wenn er in einer guten Kneipe landet und dann eben genau nicht meckert, dass es „überall sonst“ nicht so toll ist.

Aber gut, es war also nur so mittel gute Stimmung, aber wie wir wissen: Es könnte schlimmer sein.

Und am Ende wurde ich regelrecht überrascht. Auf der Uhr standen 15,70€ und der zerknirschte Typ reicht mir einen Zwanni und meint gönnerisch:

„Machen wa zwanzig.“

Ich hab seinem Kumpel links aus dem Auto geholfen (Kindersicherung) und war beim Wiedereinsteigen etwas verwundert, dass der andere sich seither nicht bewegt hatte. Ich hab ihn fragend angeblickt, woraufhin er meinte:

„Ick krieg ja wohl noch Jeld.“

Wenn man mich fragt, dürfte man das mit dem Trinkgeld gerne mal standardisieren. Denn ja: Es gibt Leute, die so Dinge wie „Dann sind hier 20.“ sagen und damit meinen, dass ich den Rest behalten soll, andere hingegen wollen mir damit nur den Wert des Scheins (falls ich ihn nicht kenne?) erläutern und erwarten centgenaues Rückgeld. Und ich gebe weder gerne Trinkgeld zurück, noch möchte ich gerne als potenzieller Abzocker dastehen, wenn ich es einfach einstecke und das dann nicht so gemeint war. Aber er hatte doch eindeutig …

„Sorry, Ich dachte, Du hättest ‚Machen wir 20‘ gesagt!“

„Jaja, machen wa zwanzig, aber’ch hab Dir’n Fuffi jejehm!“

Mit dem billigen Trick kriegt man mich eigentlich nicht. Auch nach bald 10 Jahren folge ich immer noch dem Tipp einer Kellnerin, die bezahlten Scheine bis zum Abschluss des Such- und Wechselvorgangs NEBEN das Portemonnaie auf meinen Schoß zu legen. Ausnahmen passieren manchmal in Fällen wie hier, wo sich das gegebene Geld mit dem Gesamtbetrag deckt und der Bezahlvorgang damit abgeschlossen ist. Auch dann selten, aber hier bin ich ja z.B. gleich aufgesprungen, um die Tür zu öffnen. Mal abgesehen dass das Licht im Auto sehr hell ist und darauf achte, was ich bekomme, war das dieses Mal einfach:

„Nein, das war ein Zwanni!“

Er packte kurz theatralisch seinen Geldbeutel raus:

„Willste mir verarschen?“

Das Problem war:

„Pass mal auf! Im Gegensatz zu Dir hab ich überhaupt keinen Fuffi im Portemonnaie!“

Er hat dann nach meinem nur sehr kurzen Zeigen geknirscht „Na, dann gib ma halt fünf …“ gesagt, worauf ich ihm aber gleich ins Wort gefallen bin:

„Mit ein bisschen Glück kriegste genau die 4,30€, die ich hier abgezählt in der Hand halte, klar?“

Er hat sie genommen und ist gegangen.

Nun ist das nervig und in Anbetracht der Tatsache, dass das ein gängiger Trick ist, war ich ernsthaft am Überlegen, ob ich ihn nicht vielleicht doch überreden sollte, mir das Restgeld besser dazulassen, wenn er keine Zeit für Beamtenbesuch hat, aber da er es wirklich kein zweites Mal auch nur versucht hat und ich auch keinen Bock auf Ärger hatte, war mir das egal.

Was ich hier unter uns sagen kann: Selbst wenn er mir einen Fuffi gegeben hätte, wäre der ohne dass er es gemerkt hätte nicht mehr im Portemonnaie gewesen, denn Fuffis packe ich da gar nicht erst rein, die brauche ich als Wechselgeld quasi nie. Aber seht das bitte nur als unterhaltenden Hinweis, wie schnell ich den Vogel losgeworden bin. Er hatte mir einen Zwanni gegeben und ich habe auch jetzt zuhause keinen einzigen Fuffi in der Tasche. 😉

 

Reich werden mit Otto

Ob er Otto hieß, weiß ich gar nicht. Aber irgendwie fällt mir der Name so ein, wenn ich an ihn denke. Ein ziemlich stressiger Zeitgenosse, aber sowas kommt halt vor. Er war genervt, weil es Probleme mit seinem Bus gab und er deswegen letztlich im Taxi gelandet war, was ich verstehen kann. Warum er mir gegenüber damit angeben musste, wie er dem Busfahrer mit der Entlassung gedroht hat, verstand ich eher weniger.

Überhaupt schien „glücklich“ jetzt nicht so ganz das Wort der Wahl für seinen Gemütszustand zu sein, aber will ich’s ihm verdenken? Durch all die Verspätung hatte er nun „Entziehung, kennste?“ und brauchte dringend ein Bier. Ich bin dankbar, nicht mit ihm tauschen zu müssen.

Aber dass er ein stressiger Zeitgenosse war, stimmte halt auch. Er lotste mich verkehrtrum durch eine Einbahnstraße in eine Gartensiedlung, freute sich diebisch über den dadurch gesparten Euro und kam immer wieder auf den Busfahrer zurück, den er in einem weg beleidigte, wobei mir bis zuletzt echt nicht klar war, was ausgerechnet der Busfahrer falsch gemacht haben soll.

Irgendwann waren wir dann angekommen, dank des nicht ganz legalen Weges recht günstig. 10,70€.

Otto schwang seinen Geldbeutel aus der Hosentasche, wobei eine Münze hinausflog. Irgendwas kleines. Er tönte dann groß:

„Ha, was immer rausfällt, is für Dich! Mein Rücken is im Arsch, ich bück mich da nicht wegen so ’ne 20 Cent!“

Mit der Aussage steht er nun wirklich nicht alleine da, das sagen viele und die meisten meinen das sogar recht nett, obwohl man sich durchaus mal Gedanken machen kann, wie das rüberkommt.

Otto merkte gar nix mehr. Der beschränkte sein Trinkgeld lauthals auf die 30 Cent, die bis zum nächsten vollen Euro reichten und verkündete in einem fort, dass er ja stattdessen locker ein bis zwei, also mindestens zwei Euro hier ins Auto hat fallen lassen … und dann hat er natürlich mit gespielter Sorgfalt seine Börse geschlossen, um nicht noch mehr zu verlieren.

„Am Ende wirste noch reich durch mir hier, wa?“

Was am Ende im Auto lag:

„Mindestens zwei Euro!“ Quelle: Sash


 

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Die ekligen Ausnahmen

Ich kann nach wie vor nicht leugnen, dass ich mit meiner Kundschaft im Wesentlichen zufrieden bin. Nicht dass ich allen Fahrgästen gerne mal im Swingerclub unerwartet begegnen wollen würde, aber das lässt sich ja meist auch über die eigene Nachbarschaft sagen, mit der man dann dennoch seit drei Jahrzehnten zumindest stressfrei Tür an Tür wohnt.

Aber es gibt halt auch die anderen.

Zwei davon habe ich mir vor meiner Haustüre eingefangen. Natürlich hätte ich sie ablehnen können, weil sie völlig besoffen waren. Oder zumindest weil sie ihre Getränke mitnehmen wollten. Nicht getan hab ich das, weil ich zum einen recht stolz drauf bin, als Taxifahrer kein Rosinenpicken zu betreiben und zum anderen, weil sie erst einmal relativ nett waren. Aber ja, es waren Arschlöcher.

Taxibezogen waren sie halbwegs witzig, weil sie sich uneins waren, ob sie nun einen Umweg über eine Bank fahren wollen und das am Ende tatsächlich dazu führte, dass die Tour für das Einsparen der Bankgebühr von fünf Euro um mindestens sechs Euro verlängert wurde. Aber so clever sind sie halt, die Nazis von nebenan.

Arg szenetypisch haben sie sich nicht einmal geäußert während der Fahrt, mir ist eher aufgefallen, wie sie sich wegen der Fahrtstrecke ständig mit niveauvollen Ich-fick-deine-Mutter-weil-du-so-dumm-bist-Sprüchen im gegenseitigen Blödsein bestätigt haben. Aber dann kam halt irgendwann der Punkt, an dem der für den Umweg verantwortliche Chefidiot mich gefragt hat, ob ich nicht auch „Rock’n’Roll“ hören würde und mir anschließend zwei fast schon peinlich bekannte Nazibands benannt hat, die er gut findet. Um mir anschließend auf dem Handy einen „total geilen Song“ eines mir unbekannten Interpreten vorzuspielen, der mit einem für Grundschulkinder zu simplen Humor davon schwärmt, jetzt erst recht Dieselautos zu fahren – wobei ich ungelogen froh sein konnte, dass mir der Typ nicht vor Lachen den Beifahrersitz vollgepinkelt hat.

Aber ja, so sehen sie aus, die AfD-Wähler von gegenüber. Die mir nicht einmal Raum für eine Anmerkung lassen und mir am Ende einen Fünfer Trinkgeld geben, weil ich „auch Marzahn! Geilo!“ bin, weil in ihrer Welt Herkunft und/oder Wohnort und Meinung eines sind.

(Was mich im Übrigen offenbar auch besser macht als Steffi – die Hure! – die „eh Schalke-Fan is“)

Ich hasse den Dunning-Kruger-Effekt dafür, dass solche Menschen glücklich sein können. Ehrlich und aufrichtig. Und ja, ich bereue es sogar, ihnen nicht die Fresse poliert zu haben für den rassistischen Dreck, den sie dann beim Ausstieg unbedingt noch loswerden mussten. Ebenso aufrichtig. Aber in der Hellersdorfer Prärie alleine zwei Nazi-Hools aufmischen ist leider was, was ich an die ortsansässige Antifa outsourcen muss, während ich arbeite.

PS: Liebe Antifas in MaHe, wir können uns gerne über eine Zusammenarbeit verständigen, meine Nummer ist bekannt!