Das hat er mich gleich zu Beginn so gefragt:
„Hasse Kraft?“
Und das nicht, wie ich zunächst befürchtete, weil ich zuvor am Stand die Augen kurz zugemacht hatte:
„Ick hab da’n Fernseher jefunn! Sauschwer. Bin eben umjefalln!“
Nachvollziehbar. Es handelte sich um ein Röhrenungetüm, das näher an unserem 43“-TV war als an meinen 24“-PC-Monitoren und der Typ war um die 60 und wog allenfalls so viel wie die oberen 30% meiner Wenigkeit. Zu zweit war das Ding aber in Windeseile gewuppt und dann ging es zu ihm. Er erzählte mir, dass er die Dinger ausschlachtet, ein bisschen Kohle neben Hartz4, „verstehste?“
Überhaupt hab ich noch einiges aus seinem Leben erzählt bekommen.
Am Ziel angekommen hab ich natürlich auch beim Ausladen geholfen. War aber genauso schnell erledigt, ab der Tür hat dann sein Kumpel mitangepackt, den er in seiner Wohnung einquartiert hätte, weil jener „gar keene Bude“ hätte.
„Wat krichsn jetz?“
„Naja, 13,90€ haben wir schon zusammenbekommen.“
Nur einen Zehner zu bekommen hätte mich nach der Story nicht überrascht. Stattdessen waren es zwei. Und die sollte ich behalten. Unbedingt:
„Dit is ok! Weil de jeholfn hast!“
Also meinen Job gemacht. Aber er schob sogar nach:
„Dit is aba in Ordnung? So finanziell, ja?“
Sagen wir’s mal so: Das höchste Trinkgeld der Schicht. Von einem Arbeitslosen, der seit zwei Jahren keinen Strom in der Bude hat und Fernseher ausschlachtet, um einen obdachlosen Kumpel mit durchzubringen.
Sowas hätte ich gerne einmal von den Typen, die sich gerne verächtlich von „diesen Asozialen“ abgrenzen …
Hätte dich jemand, der in einem Villenviertel wohnt um Hilfe gebeten, natürlich nicht für einen Fernseher sondern für einen Goldkoffer ;-( dann wären wahrscheinlich nur 15,00€ dabei herumgekommen. Meiner Erfahrung nach. Je mehr jemand hat, desto egoistischer wird er.
Wobei es meiner Erfahrung nach einen Unterschied macht, woher der Wohlstand von Kunden kommt. Leute, die ihn sich selbst erarbeitet haben sind häufig spendabler/ dankbarer für die erledigte Arbeit als solche, die ihn einfach geerbt haben.
Das finde ich spanned, sollte man doch meinen, dass im Rahmen der Sozialisation diese Umgangsformen an ihre Kinder weiter gegeben werden… *grübel*
Find ich beeindruckend, besonders wenn man das Trinkgeld mal nicht in absoluten Zahlen sieht, sondern als prozentualen Anteil seines fest verfügbaren Monatseinkommens nimmt.
@MsTaxi: Das ist es ja, entweder man kommt mit dem fest verfügbaren Monatseinkommen nicht aus, oder man ist findig und bessert es sich entsprechend auf.
Generell: Wobei es mich schon wundert, wie man mit dem Ausschlachten von Fernsehern Geld machen kann. Vor allem wenn man keinen Strom in der Wohnung hat, um einen Lötkolben zu betreiben (denn das Auslöten von Modulen oder Bauteilen und weiterverkaufen stelle ich mir als einzige lukrative Einnahmequelle vor). Oder er sammelt das Zeug und bringt es dann zu Verwertern und bekommt etwas mehr dafür, weil er die nicht lukrativen Teile wie Glas (Bildröhre), Gehäuse usw. vorher entfernt und nur einen Stapel voller Platinen abliefert. Wobei ich mich da dann schon wundere, dass er sich den Taxipreis + Trinkgeld für diesen Fernseher leisten kann – ich hätte vermutet, dass er dafür nur einen Bruchteil dieser Summe bekommt
Tja,
ich denke, wenn man Situationen nicht selbst durchlebt hat, dann kann man die nicht richtig beurteilen. Und es ist eben einfacher, sich abschätzig über jemanden zu äußern und sich dadurch abzugrenzen, als sich mit der Situation anderer zu beschäftigen und diese vielleicht sogar zu ändern.
Und meine Erfahrung ist ebenfalls, dass je mehr Geld jemand hat, er umso geiziger ist. Traurig so etwas, denn mitnehmen können sie eh nix in den Tod.
@Joe:
Wahrscheinlich. Aber auch da ist schwarz-weiß nicht unbedingt richtig, auch wenn ich das natürlich mit dem letzten Satz etwas angeschoben habe.
@Sam:
Teilweise sicher richtig.
@MsTaxi:
Allerdings!
@Wahlberliner:
Ich glaube auch, dass sich dieser Deal im speziellen nicht gelohnt hat. Mehr als 13€ für einen Röhrenmonitor … das wäre doch längst ein verbreiteter Massensport!
@ednong:
Ich hatte jetzt gerade irgendwie einen absurden Gedanken: Eine Geschichte, bei der im Himmel in z.B. Yen gezahlt wird, der Wechselkurs aber massiv von dem hier unten abweicht und sich deshalb völlig neue Machtverhältnisse ergeben. 😀
*Das* Trinkgeld war echt *schwer* in Ordnung.
verstehste? 😉
@opatios:
„Ja“. 😉