Großraumrechnungen für Neulinge

Kundschaft am Sisyphos und ein wildes Durcheinander. Sie fragten mich, ob ich fünf von ihnen mitnehmen könnte, sie wären zwölf insgesamt.

Ich weiß, Ihr hier bei GNIT kennt mich als Großraumfahrer, aber der bin ich derzeit nicht. Mein Auto hat zwar theoretisch sechs Plätze, aber zum einen hat Opel das Ausklappen der Zusatzsitze mit der neuen Generation erschwert, zum anderen haben die derzeitigen Kollegen alle Putzutensilien in derart ausuferndem Umfang direkt hinter den Sitzen der Rückbank gelagert, dass ein Umschaufeln derart kompliziert wäre, dass es sich nicht mehr lohnen würde.  Finde ich auch nur so mittelmäßig gut, aber das Auto ist derzeit wirklich nicht dafür ausgelegt, mehr als vier Fahrgäste mitzunehmen.

Da auch sonst kein Großraumtaxi bereitstand, fragte ich mal unschuldig nach, wohin es gehen solle. Kater Blau, ok. Also hab ich als Auskenner in Sachen Taxitarif mal kurz ein Machtwort gesprochen:

„Jungs, ganz ehrlich: Ihr könnt hier noch eine Weile rumstehen und auf zwei Großraumtaxis warten. Das ist ok, ich nehm’s Euch nicht übel, denn ja: Es ist billiger. Aber nur mal als Vergleich: Zum Kater sind es etwa 15€. Bei sechs Leuten noch einmal ein Fünfer extra für den Großraumzuschlag. Will heißen: Drei Taxis kosten insgesamt fünf Euro mehr, auf Euch alle aufgeteilt weniger als 50 Cent pro Person. Isses das wirklich wert?“

Und siehe da: Auf einmal hatten drei Taxis inklusive mir eine gute Tour. 😉

Und mal ganz im Ernst: „Taxitarif XY“ googeln, wenn man nach XY reist, ist fast immer eine gute Idee!

Zwei Vollidioten oder zwei Obervollidioten?

Am Sisyphos schlägt inzwischen eine Menge dieser Arschloch-Kollegen auf, die keine Touren zum Ostkreuz fahren wollen. Ich hab schon oft genug geschrieben, warum ich das Ablehnen kurzer Touren dumm finde, sogar schon, warum das am Sisyphos erst recht keinen Sinn macht (man wartet selten lange und kriegt oft sogar noch eine Kurzstrecke zurück).

Und dann kommen da zwei junge Frauen und zeigen den Fahrern vor mir ihr Handy und diese lehnen ab. Da hab ich mir meinen Teil schon gedacht. Als die Kundinnen dann bei mir waren, musste ich innerlich fast schon laut loslachen, aber zunächst einmal hab ich die 20€-Tour professionell eingesackt. Die beiden wussten nicht, warum sie abgelehnt wurden. Da sie aber nicht betrunken waren und die Fahrer sich das Handy zeigen ließen, hatte ich einen Verdacht:

„Wie Sie vielleicht wissen, lehnen einige Kollegen leider kurze Touren ab. Und nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ihre Tour ist keineswegs kurz. Vielleicht haben die Kollegen in ihrer Panik vor ungewollter Kundschaft allerdings einfach nur ungenau geschaut. Sehen Sie, Ihr Hotel liegt in der Markgrafenstraße. Und, nun ja, ein paar hundert Meter vor uns liegt der Markgrafendamm, vielleicht haben die Idioten das einfach verwechselt.“

Mal abgesehen von der Beförderungspflicht und der Tatsache, dass beide diese Straßen mehr oder weniger vorausgesetzt werden können bei Taxifahrern: Dass das Hotel den Namen „Checkpoint Charlie“ im Namen hatte, hätte echt ein Hinweis sein können …

Mein Mitleid hält sich entsprechend in Grenzen. 😉

Warum, Opel?

Manchmal wundert man sich ja über Kleinigkeiten. Bei mir war das der Fall, als ich neulich mal wieder einen B-Zafira als Ersatzauto hatte. Grund: Das Radio. Gut, ich bin das alte immer noch mehr gewöhnt als das neue, aber bei der Bedienung am Lenkrad bin ich stutzig geworden und hab die Ursache mal festgehalten:

Radiobedienung am Zafira B, Quelle: Sash

Radiobedienung am Zafira Tourer, Quelle: Sash

Deswegen verwechsel ich Lautstärke und Quellenauswahl also immer. Im einen Auto war das Rädchen für das eine, im anderen für das andere zuständig. Ich will ehrlich sein: Hätte ich nicht die Fotos gemacht, wäre ich sogar felsenfest überzeugt, dass sie auch die Position getauscht hätten, so sehr gewöhnt sich das Gehirn daran. Ich weiß nicht einmal, welche Variante ich grundsätzlich besser finde, aber es ausgerechnet Stammkunden schwerzumachen, die ins neue Modell wechseln … ich weiß ja nicht.

PS: Ich weiß, das ist nun wirklich nicht wichtig, aber was wäre das Leben ohne die kleinen Dinge?

Sonst noch was?

Dass der junge Mann in Eile war, war schon eine eher fragwürdige Geschichte. Ich meine, ich halte es auch für eine faire Sache, zum Sex pünktlich zu sein. Dass ich als Taxifahrer wiederum Raser spielen muss, weil die Holde früher zu Bett geht als erwartet … ähm, nein, nicht wirklich!

Auch in so einem Fall: Es geht ja nicht darum, dass ich extra stur bin, wenn es jemand eilig hat. Ich helfe, wo ich irgendwie kann, ich bin ja auch kein Engel, der noch nie irgendwo 10km/h zu schnell war.

Aber als der Typ auf der Warschauer Brücke ins Telefon flehte, dass sie sich auch bei ihr treffen könnten …

„Kein Problem, Sandra, machen wir Wannsee! In 20 Minuten?“

… hab ich ihn dann doch noch mal dran erinnert, dass mein Führerschein etwas mehr wert ist als der popelige Zwanni, den ich an der Tour verdienen würde. Das hat er dann eingesehen und am Ende waren 20 Minuten bis Schöneberg auch in Ordnung. Da träumt der Tagverkehr immer noch von.

„Klassisch“

Was ich gerne sage, wenn Kunden mich fragen, wie stressig der Job als Nacht-Taxifahrer sei, ist:

„Er hat natürlich positive und negative Seiten. Aber ehrlich gesagt: Die Momente, in denen ich mir denke, dass die letzte Tour jetzt die paar Euro nicht wert war, halten sich in Grenzen. Ein-, zweimal im Monat, das passt schon!“

Und natürlich denke ich dabei nicht an die vielen Wartezeiten mit anschließender Kurztour, sondern an die Stresser, Stänkerer, Kotzer, Arschlöcher etc.
Und die kommen halt nicht so oft vor, wie selbst ich zu Beginn befürchtet hatte. Und dann das:

Drei Winker auf der Frankfurter Allee kurz vor dem Frankfurter Tor. Tolle Sache an und für sich, aber ich fuhr schon links, weil ich in die Warschauer abbiegen wollte. Es war zu Schichtbeginn, der Verkehr war noch dicht, ein Rüberziehen und Stoppen wirklich unmöglich. Ich hab’s mit netten Gesten versucht, aber die Typen waren natürlich voll am rumflippen. Kein verficktes Scheiß-Taxi will sie mitnehmen. Da hab ich auch noch mal nachgedacht, wollte sie eigentlich ignorieren, hab dann aber doch am Frankfurter Tor gewendet. Eine Winker-Tour zu Beginn nimmt man dann halt doch gerne mit.

Nach dem Wenden nahmen sie mich abermals wahr (vermutlich hatten sie mich wirklich bereits vergessen) und gestikulierten nun von der anderen Seite aus noch wilder herum. Ich gab ihnen Handzeichen, dass ich wenden würde. Musste halt trotzdem nochmal bis zur Proskauer und da abermals wenden. Aber hey: Kundschaft! \o/

Als ich dann ranfuhr, waren sie immer noch wie bekloppt dabei zu winken, Handzeichen zu geben und zu rufen. Als ob wir uns noch nie gesehen hätten. 😉

„Where to go?“

„Klassik-Hotel, Revaler Straße.“

Ehrlich? -.-

Da hatte nun wirklich das Einladen doppelt so lange gedauert wie die Fahrt. Keiner von Euch wird den Text hier schneller lesen als ich gebraucht habe, um die Tour abzuschließen. Dabei bin ich noch versöhnlich bezüglich der oben erwähnten Frage, ob es mir den Stress wert war … aber als die Kunden erst feststellten, dass sie von der Grünberger Straße aus in die falsche Richtung losgelaufen waren und es nur deshalb so lange gedauert hat … sagen wir mal, dass das ein Monolog für die Ab18-Abteilung war.

Mit anderen Worten: Eigentlich war an der Fahrt so ziemlich alles unnötig.

Eine lustige EC-Karten-Nebengeschichte

Wir haben in Berlin nun seit einiger Zeit eine EC-Karten-Annahmepflicht. Das ist an und für sich eine gute Sache, aber ich hab vor der Pflicht ja auch damit gehadert, ob das wirklich sein müsse. Und wie im Taxigewerbe üblich kann ich nun nach zwei Jahren sagen: Ja, natürlich ist die Neuerung gut, andererseits ist es aber auch völlig unnötig und außerdem glaubt bitte ja nicht, dass nur wegen einer gesetzlichen Regelung irgendwas im Taxigewerbe wirklich funktioniert!

Denn:

Ja, seit der Einführung habe ich ein paar Fahrten auf Karte gemacht. Letzten Monat erstmalig mehr als 10%. Also nicht 10% der Fahrten, sondern 10% vom Umsatz, es waren überwiegend lange Touren. Dafür hab ich mir halt auch eine völlig neue Kategorie von stressigen Fahrten erschlossen. Denn erstaunlicherweise funktionieren Karten öfter nicht als dass sich Kunden beim Bargeld täuschen. Da der Anteil aber sowohl anteilig an den Kartenfahrten gering als auch insgesamt völlig zu vernachlässigen ist, ist das kein Argument gegen Karten, ich wollte es nur erwähnen.

Dass deswegen alle Fahrer Karten akzeptieren: Nope. Tatsächlich kriege ich die meisten Kartentouren nur, weil der Kollege vor mir sie nicht fährt. Ob er keinen Kartenleser hat, keinen Bock oder wirklich nur ausnahmsweise mal einen technischen Defekt am Gerät … ich will ehrlich sein: Ich will’s nicht einmal wissen!

Ich bin nach wie vor ein Freund der Taxiordnung, aber mich mit Kollegen anzulegen, die mir lukrative Touren zuschanzen … dafür fehlt mir wirklich die Energie. Zumal ich ja wirklich nur die Fälle mitkriege, bei denen es dann für die Kunden und für mich ok ist.

Nun aber zum lustigen Nebenaspekt, den ich angekündigt habe: Zu einem relevanten Teil kriege ich von den Kollegen Touren zugeschanzt, die am Ende bar beglichen werden. Ehrlich! Vielleicht sogar mehr als 50%, aber ich erhebe da keine Statistik, ich kann’s also nicht belegen, deswegen schreibe ich nur „relevant“.

Da spielen unterschiedliche Faktoren mit rein:

  1. Das Bezahlen mit Karte ist umständlich. Ich weiß, dass es tausend Möglichkeiten gibt, bei denen das nicht so ist, aber ein Großteil der Kunden nutzt keine App und ein Großteil der Taxis hat keine Kontaktlos-Bezahlen-Funktion. Ergo: Schneller als „Hier ein Zehner, stimmt so.“ ist einfach nicht drin.
  2. Die Gebühr für bargeldloses Zahlen. Natürlich schreckt die ab, aber schon in Anbetracht von Punkt eins (zusätzlich zu den Geräte- und Abrechnungskosten und den gelegentlichen Fehlern) finde ich die unter den gegebenen Umständen nicht falsch. Ja, vermutlich wird das irgendwann anders sein und über die Höhe darf man immer streiten, aber noch macht es halt mehr Arbeit. Und da 1,50€ nicht nichts sind, schwenken viele dann halt doch um.
  3. Wie ich seit Jahren predige: Die Kunden glauben, Taxifahren sei viel teurer als es wirklich ist. Und auch jetzt, nach zahlreichen Tariferhöhungen stimmt das noch. Und ja, zunächst fragen die Kunden also nach Kartenzahlung. Aber wenn man das bejaht hat, zahlen sehr sehr viele am Ende doch bar, weil: „Ach, DAS hab ich auch noch so!“

Die entsprechende Mustertour heute Nacht:

Ich stehe als zweiter an der Halte. Die Kundin geht zum ersten Kollegen, kommt danach zu mir. Ob ich EC-Karte nehmen würde.

„Sicher. Ich möchte bloß im Vorfeld sagen, dass ich dann auch die 1,50€ für unbare Bezahlung aufschlagen muss.“

„Kein Problem. Geht in die XYZ-Straße.“

Eine Minute später:

„Ich würde auch bar zahlen, aber ich hab halt nur noch so 15 bis 18€.“

„Naja, das reicht ja locker.“

„Ehrlich?“

„Sicher. Ob wir’s mit einem Zehner schaffen, weiß ich nicht, ich hätte jetzt aber grob auf 11 – 12€ geschätzt. Und hey, die 1,50€ würden Sie immerhin sparen.“

Ergebnis: 10,50€. Und gekriegt hab ich sogar die ganzen 15€. 🙂

Und so oder so ähnlich läuft das wirklich sehr oft. Dementsprechend muss ich etwas entgeistert feststellen: Ja, das mit der Kartenannahmepflicht ist gut. Für mich persönlich aber nur, weil ich mich daran halte, das aber nicht alle Kollegen tun und die Kundschaft trotzdem eigentlich nicht übermäßig kartenaffiner geworden ist als in all den Jahren davor.

Was unterm Strich bedeutet, dass es mir zugute kommt, dass ich wenigstens glaubhaft behaupten kann, ich hielte mich an die Taxiordnung.

Das allerdings ist – Ironie der Geschichte! – nun wirklich nix neues in unserem Gewerbe. 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Ich bin sein Taxifahrer!

Direkte Übergabe: Der kommende Kunde öffnete der gehenden Kundin die Tür. Dürfte ruhig öfter passieren.

„Guten Abend, wo darf’s hingehen?“

„Brings mich zu … da bei die … die großen, wo die großen und viel.“

„Tut mir leid, das bringt mir jetzt nicht viel.“

„Na, mach ersma die Uhr an!“

Kompliment, SO überzeugt man Taxifahrer! 😉

„Also gut, noch einmal: Wohin soll’s gehen?“

„Da wo die Leute … viele Leute! Die nichmehr weil neu, aber groß!“

„Haben Sie vielleicht zunächst mal eine grobe Richtung?“

„Sicher, einmal saaauuuuber ums Eck!“

„Vielleicht einen Stadtteil? Ich kann Ihnen sonst nur schwer helfen.“

„Ersma muss ich mich entschuldigen! Glaub mir, ich bin ein ganz normaler Mann und Sie sind mein Taxifahrer! Vielen Dank für die Geduld!“

„Kein Ding, also: wohin? Versuchen Sie’s nochmal!“

„Ich muss da bei … glb …sss … im bbb … fuck, das ist mir jetzt peinlich!“

Und mir war’s auch unangenehm. Ich kenne den Zustand. Und das waren nicht wirklich die besten Partys. Wenn man betrunkener ist als man eigentlich sein will und als es sich eigentlich anfühlt. Man kann stellenweise – und in Gedanken grenzenlos! – eloquent daherreden und will den Gesprächspartner davon überzeugen, dass man ein intelligentes Individuum ist und eigentlich alles im Griff hat, aber in dem Moment sackt der Körper zusammen, man sagt nicht mehr als „Mümmmelfümmel!“ und rutscht sabbernd mit heraushängender Zunge an der Wand runter. Bei vollem Bewusstsein. Und genau an dem Punkt war er. Konnte sich höflich entschuldigen, hatte eine Menge Sätze parat, aber sein Wohnort war derzeit ein Haufen Grütze mit unscharfen Flecken.

Ein bisschen gedauert hat’s also, aber irgendwann hat er einen Platz im Westen rausgepresst.

„Na also, das kriegen wir hin!“

Obwohl ich ihm glaubte, dass das nicht nötig war, hab ich ihn ermahnt, im Falle von Unwohlsein Bescheid zu geben und bei der weiteren Konversation öfter mal abgeblockt. Zum Beispiel, als er wissen wollte, was ich den für eine Idee hätte von den Großen. Aber er war wirklich ein netter Typ und das ist bei so beachtlichem Alkoholeinschlag ja schon mal viel wert. Er hat als einer der wenigen wirklich betrunken was von viel Trinkgeld geredet und sein Versprechen gehalten und sich immer wieder für meine Geduld mit ihm bedankt, obwohl er nach der ersten Ortsangabe im wesentlichen nicht nerviger war als ein etwas zu laut gestelltes Navi, das einen bestätigt, das man richtig fährt. Es hat sogar funktioniert, den Zielort etwas zu verlegen, weil er abgeholt wurde (was auch geklappt hat).

Eines wollte ich vor dem Ende der 20€-Tour dann aber doch noch wissen:

„Was verschlägt einen von der City West in eine so abgelegene Ecke in Prenzl’berg?“

„Sagen wir mal so: Der Papi hat sich heute so richtig verirrt.“

Da hatte der Papi aber Glück, dass genau sein Taxifahrer auch vor Ort war. 🙂