„Das fragen alle, das ärgert mich!“

Eine ganz normale Tour in einer regnerischen Nacht: Ich stehe am Bahnhof, die Kundin möchte in eine mir auf Anhieb nicht geläufige Straße und schiebt dann netterweise nach, dass die im Nachbarstadtteil liegt. Soweit ganz gut, 90% der Straßen dort lassen sich über eine Hauptzufahrtsstraße anfahren. Ich will mich bereits auf den Weg machen, frage aber nochmal kurz nach, wo in dem Stadtteil das genau wäre. Lag natürlich auf der anderen Seite. Kein Ding, doch noch gewendet und losgefahren. Schon beim Reinzoomen auf die Karte ist mir wieder eingefallen, welche Straße das war, läuft also. Dann aber die Kundin:

„Das ist jetzt nicht gegen Sie, aber mich fragen immer alle Taxifahrer, wie man dahin fahren soll.“

„Naja, ist vielleicht unglücklich formuliert. Aber es ist keine große bekannte Straße und wenn man schnell losfahren will, dann ist so eine grobe Richtungsangabe ganz praktisch.“

„Das verstehe ich. Aber da erwarte ich doch, dass jeder Taxifahrer ein Navi bedienen kann.“

„Das können sicher alle. Aber das dauert ja trotzdem. Sehen Sie, hätten sie mir eine Straße in einem Außenbezirk genannt, dann hätte ich ja ewig Zeit, die Feinplanung zu machen, während ich schon mal grob die Richtung einschlage. Wenn man sich zu Beginn entscheiden muss, in welche Richtung man startet, dann ist halt oft ein Tipp hilfreich, den ein Fahrgast, der sich vor seiner Tür auskennt, mal eben schnell geben kann.“

„Jaja, natürlich. Die wollen sich alle die Arbeit leichter machen, das verstehe ich. Aber das ärgert mich, da könnte ich mich ja auch noch selbst hinters Steuer setzen, das ist doch der Job des Taxifahrers!“

Wo soll ich anfangen?

Fangen wir mal damit an:

Natürlich ist es unser Job, die Fahrgäste ans Ziel zu bringen. Und ja, auch das Auskennen. Dass das in Berlin nicht jede kleine Straße umfasst, hat nicht einmal diese Kundin in Frage gestellt. Also passiert es mal, dass wir Taxifahrer was nicht wissen. Meine Strategie (und offenbar auch die der Kollegen) war die, dass ich einfach mal schnell nachgefragt habe, weil die Kundin dort offenbar wohnte, sich also besser dort auskannte als ich. Ich hätte auch gleich am Stand das Navi befragen können, allerdings möchte ich anmerken, dass es dann halt (eine ganze Menge) andere Kunden gibt, die wiederum stört, dass man nicht gleich losfährt oder die es sogar per se unprofessionell finden, wenn wir Taxifahrer ein Navi benutzen müssen. So oder so, irgendwann findet eben mal jemand dieses oder jenes Verhalten falsch, ärgerlich, verwerflich oder was weiß ich.

Und deswegen muss ich da mal grundsätzlich werden:

Ich finde die Einstellung schon ziemlich daneben. Ich glaube, es gibt keine Dienstleistung da draußen, die nicht noch besser ist, wenn sich Kunden und Dienstleister irgendwie entgegenkommen. Wenn ich in ein Restaurant gehe, dann reiche ich der Bedienung auch gerne mal meinen leeren Teller übern Tisch, damit sie nicht deswegen noch einmal drumrum laufen muss. Obwohl sie fürs Abräumen bezahlt wird. Ebenso biete ich Lieferanten gerne mal an, dass sie ihre Lieferung einfach im Hausflur stehen lassen, wenn ich mich in der Lage sehe, die letzten drei Meter selbst zu überwinden. Und wenn ich Taxi fahre, frage ich den Fahrer, ob er die Adresse kennt oder ob ich ihm sagen soll, wie er da genau hinkommt.

Schon alleine, damit das am Ende alles sicher oder sogar besser klappt als ohne meine Hilfe.

Und ja: Ich verstehe schon diesen Wunsch nach einem All-inclusive-Angebot und ich bin mir da als Dienstleister auch nicht zu fein für. Aber wenn es Probleme oder Unklarheiten gibt, dann existieren meist mehrere Lösungswege. Und schon alleine, um abklären zu können, welcher der Kundschaft der liebere wäre, muss ich dieses seltsame Ding namens Kommunikation verwenden. Wen das Fragen schon ärgert … sorry, da muss ich dann wohl unperfekt bleiben!

16 Kommentare bis “„Das fragen alle, das ärgert mich!“”

  1. Chris sagt:

    Manche Leute haben aber auch Sorgen… Wenn ich ankündige wo ich hin will sag ich gleich den Stadtteil dazu und von welcher Straße man hinkommt. Und öfter auch mal gleich den genauen Weg, ich kenn nämlich wirklich den kürzesten 😉 Meine Erwartung an den Taxifahrer ist dass er vernünftig fahren kann und michauch nachts um drei heim bringt – und nicht, dass er weiß wo meine Hausnummer ist…

  2. Ralf E sagt:

    Ich wohne in München auch in einem kleinen Sträßchem von dem ich nicht verlangen kann dass sie jeder Taxifahrer kennt. Ich nenne dann immer den Stadtteil und den nächstgelegenen Taxistand. DEN kennen die Fahrer und wissen damit grob die Richtung. Durch die verwinkelten Einbahnstraßen muss ich dann meist sowieso lotsen. Ich hoffe dass ich nie so besoffen bin dass ich das nicht mehr packe. ☺

  3. Müde bin ich sagt:

    Wäre mal interessant mit der Dame durch Berlin zu fahren, was sie noch so alles ärgert. .

  4. Joe sagt:

    Weil die Kundin in DIESER Strasse wohnt, ist es natürlich die wichtigste in ganz Berlin. Mensch Sash, so was Wichtiges mußt du doch kennen!!!!

  5. dingens sagt:

    Bei den nächsten Fahrten werden die Taxifahrer wieder fragen und sie wird sich wieder ärgern.
    Das freut mich!

  6. Ich biete jedem Taxifahrer gerne an, ihm zu sagen, wo ich hinwill und wie man dahin kommt. („Sollten Sie nicht wissen, wo das ist — ich weiß es, ich wohne da.“) Hat auch den Nebeneffekt, die (in Berlin doch recht kleine) Minderheit von Taxifahrern, die absichtlich einen Umweg fahren würden, abzuschrecken …

  7. Judi sagt:

    Unverschämtheit. Du SPRICHST mit Deinen Kunden? Was bist Du denn für einer? Weißt Du denn nicht, dass der perfekte Taxifahrer nach Ansage der Adresse dem Navi telepathisch das Ziel mitteilt und dann problemlos die kürzeste und billigste Route fahrt, natürlich auch noch unter Berücksichtigung aller aktuellen Baustellen, Umleitungen und minutenaktueller Unfälle?

    Bitte bleib so „unperfekt“ 😉

  8. Cliff McLane sagt:

    Kommuni — was? Was soll das denn bitte? Das ist doch was Katholisches, und bestimmt nicht vegan! Nee, das will ich nicht. Enthält das etwa Schweinefleisch? Igitt, nein, hier, nehmen Sie meine Visitenkarte. Dahin bitte. Stadtteil? Ach nein, wie barbarisch! Nicht genug dass man Rinder viertelt, jetzt metzeln die Preußen auch noch die Stadt auseinander! Fahren Sie mich bitte heim nach Stuttgart.

  9. mathematikos sagt:

    meine erfahrung ist:
    manche fahrgäste legen es einfach auf randale an, zumindest auf gezänkt, bei dem sie hoffen, letztendes recht zu haben. sie wollen frust abarbeiten bei einem, vom dem sie meinen, er sei ihr knecht, weil eh ganz unten auf der sozialen abstiegsskala. das geht dann etwa so:
    ich frag, wohin bitte.
    fahrgast: xx.
    nun gibts dorthin mehrere wege: einer ist der kürzeste,aber verstaut, der andere ist länger, geht aber schnell kennen wir alle. ich daher:
    welche strecke solls sein?
    fahrgast: fahr halt mal.
    spätestens dann gehen gelbe lichter an.
    meist gehts eh gut,aber manchmal dann:
    fastgast: was fahrst denn da für einen blödsinn? ich fahr da immer über XYZ
    ich: das geht aber nur mit dem fahrrad, wie du ja eh weißt.
    fastgast: gib ruh, ich will nicht streiten. fahr halt.
    es folgt gemotze und gesudere über unsere „tricks“, weil wir eben mal die längere strecke nehmen müssen, weil etc.
    dann fahrtende.
    es wird provozieren lange nach dem genauen fahrpreis gekramt, in der hoffnung, er könne mir alles in kupfer berappen.
    dann punktgenau ohne trinkgeld.
    nun, und dann die harsche forderung, es sei der trolly in den x-ten stock zu bringen, er habe keinen lift.
    dann aber schon mal:
    gepäck von kofferraum bist gehsteigkante und tschüs.
    böses gezeter hinterher,
    kennt jeder von uns.
    gottlob sind 90% meiner klientel gaaaaanz lieb und nett, ein zehner trinkgeld von 6 bis 12 (ich fahr nur mehr drei halbschichten pro woche) ist immer dabei.
    aber ich gestehs. selbst nach 40 jahren taxi könnt ich manche dieser type stehend freihändig erwürgen,hihi.
    servus,
    werner aus der hochsteiermark

  10. Ulf sagt:

    50 Jahre später, Sash ist bereits durch modernste Technik abgelöst…

    – Guten Tag, herzlich willkommen im fahrerlosen Robocar STF-90-HS. Bitte ziehen Sie Ihre Kreditkarte durch und nennen Sie langsam laut und verständlich ihr Fahrziel.
    – Kundin zieht Kreditkarte durch und nuschelt Hauptstraße.
    – Einen Moment bitte, lade in Frage kommende Straßen und erstelle Auslagerungsdatei. Ich spreche Ihnen jetzt alle 7905 in Frage kommenden Straßen in Deutschland vor. Sagen Sie bei der richtigen Straße STOPP. Sollten Sie eine Haupt Straße im Ausland wünschen sage Sie bitte AUSLAND.
    – Sie erwarten jetzt allen Ernstes, dass ich mir 7905 Straßen anhöre?
    – Ja sicher. Die Uhr ist automatisch mit den Sitzkontakten angesprungen und läuft bereits im Wartezeittarif. Hauptstraße in Aachen? Hauptstraße in Altötting?
    – STOPP!! HAUPTSTRASSE IN BERLIN. MEINE FRESSE FRÜHER WAR DAS DOCH AUCH NICHT SO EIN DRAMA!
    – Hauptstraße in Berlin also. Bitte nennen Sie aufgrund eines Mehrfachvorkommnisses den Stadtteil. Und teilen Sie mir mit, welches Drama Sie während der Fahrt hören möchten. Wir empfehlen heute das Drama MacBeth in Originalfassung.
    – Was weiß ich bitte? Da ist eine Dönerbude und eine S-Bahnstation. Sie Schrottkasten, Sie sind dümmer als jeder menschliche Taxifahrer.
    – Der Fahrpreis hat sich soeben um 10 Euro erhöht. Die 10 Euro für die Autobeleidigung werden automatisch der erfaßten Kreditkarte belastet.
    – Wissen Sie was? Mir reciht es, ich steige aus und fahre mit der S-Bahn heim. Auch wenn es länger dauert.
    – Vielen Dank. Der Fahrpreis in Höhe von 29,70 Euro wird automatisch Ihrer Kreditkarte belastet.
    – Von mir aus. Ich bin in jungen Jahren mal mit so einem Typen gefahren, der war auch noch stolz, dass er alles bloggt. Wenigstens diese Gefahr besteht nicht mehr.
    – Sie meinen Sash? Der genießt seine Rente an seinem Dauerwohnsitz auf Mallorca. Und programmiert jetzt Robocars. Ihre Geschichte finden Sie auf http://www.robocarblog.de. Schönen Abend noch.

  11. Cliff McLane sagt:

    Kann den Cartoon leider nicht posten, wegen Copyright, aber übersetzen darf ich die Texte wenigstens:
    „Hallo, Kumpel, ich komme von links und bremse. Alles klar bei dir?“
    „Ja, soweit schon, solange mir der schlafende Fleischklumpen hier drin nicht dazwischenfunkt.“
    „Okay, gute Fahrt.“

  12. Joe sagt:

    @mathematikos
    So ähnlich kenne ich das auch. Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, das Ziel zu erreichen, geht es vor allem Nachts, wenn Allohol im Spiel ist, so aus: Fahre ich rechts, sagt der Gast: Warum bist du nicht links gefahren. Fahre ich links, dann sagt er : Warum bist du nicht rechts gefahren. Frage ich, ob rechts oder linke dann bekomme ich die Antwort: Das mußt du doch wissen, du bist doch der Taxifahrer. Ich habe also gar keine Möglichkeit dem Streit auszuweichen, wenn es einer darauf anlegt.
    Gott sei Dank macht das nur eine Minderheit, aber jeder unnötige Streit ist einer zu viel.

  13. Der Banker sagt:

    Naja Kunden halt.
    Ab und an hab ich auch schon mal einen, der an meinen Tresen tritt und meint, ich hätte alle infrage kommenden Leistungen bei ihm abzuchecken, ob die gewünscht sind, ohne dass er auch nur irgendwie Beratungsbedarf hat erkennen lassen.

    Die Spitze sind solche, die mir einen Abholschein geben, auf dem fehlerhafte Angaben sind… und sich nicht zuständig fühlen, einen auf diesen Fehler hinzuweisen, obwohl mit diesen Daten natürlich nichts zu finden ist. Ich frag mich immer, wie dumm die Leute eigentlich sind, denn die warten doch für nix, während ich für meine Zeit bezahlt werde?
    Aber ich mache dann gern darauf aufmerksam, dass wir im Lager außer Sichtweite der Kunden auf einem Tisch Speis und Trank stehen haben, damit wir uns im Stress zwischendurch mal eben schnell laben können… und er mich da ziemlich lang gerade mit Kaffee und Keksen allein gelassen hat.

  14. Paule sagt:

    Da jammert aber Einer auf hohem Niveau. A….löcher gibt’s überall, habe ich auch. So jemanden (und ich fahre nicht so viel wie du, hätte ich wahrscheinlich schon beim Losfahren wieder vergessen.

  15. Mutter Tongue sagt:

    @ Paule:

    Er jammert nicht auf hohem Niveau, er erzählt auf hohem Niveau. Und glücklicherweise vergisst er diese Alltagsbanalitäten alle nicht, sondern schreibt sie auf, denn sonst gäbe es diesen Blog gar nicht.

  16. Sash sagt:

    @Chris:
    I like!

    @Ralf E:
    Sehr löblich. 🙂
    Ich müsste da aber vermutlich passen, da die Stände an Bedeutung verlieren. Datenfunk und so.

    @Müde bin ich:
    Wer will schon einen zweistündigen Monolog hören? 😉

    @Joe:
    Weiß ich doch. Also gleich. Moment, ich muss kurz googeln. 😉
    Und zum zweiten Kommentar: Genau so ist es. Also zumindest manchmal.

    @dingens:
    Ja, so wird’s laufen. Ein Kreislauf der Unzufriedenheit.

    @buntklicker.de:
    Würde ich so grundsätzlich auch allen empfehlen.

    @Judi:
    Ich war ja nur leider beschäftigt mit der Naviprogrammierung als das Channeln des allumfassenden Wissens in der Taxischule gelehrt wurde. 😀

    @Cliff McLane:
    „Sehr gerne doch. Welche Straße in Stuttgart genau? Ach so, oh, da nehme ich doch besser das Navi …“ 😉

    @mathematikos:
    Das trifft hier und da zweifelsohne zu. Ganz so schlimm war die Dame aber nicht.

    @Ulf:
    Ich musste lachen. 😀

    @Paule:
    Ach, wenn ich ernsthaft jammere, hört sich das schlimmer an, glaub mir. Das erkennt man dann daran, dass ich noch eine Kontonummer nenne. 😉

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