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So, nun ist mir heute zum Feierabend tatsächlich ein Glückstreffer bezüglich des Tachostandes gelungen:

"Chef, das Display ist verkratzt, das Auto kann weg!" Quelle: Sash

„Chef, das Display ist verkratzt, das Auto kann weg!“ Quelle: Sash

Mal abgesehen davon, dass es eine nett anzuschauende Zahlenreihe ist: Es ist witzigerweise rückwärts gelesen auch die Nummer der Taxizentrale. 😀

Überqualifizierte Taxifahrer

Es ist nicht nur ein gängiges Klischee, sondern tatsächlich ein weit verbreitetes Phänomen, dass Taxifahrer nicht einfach nur Taxifahrer und schon immer Taxifahrer sind. Ich bin so gesehen fast schon eine Ausnahme, denn obwohl ich nebenher schreibe, hab ich ja tatsächlich nicht einmal eine reguläre Ausbildung, ein Studium oder dergleichen absolviert.

Die Kollegen, mit denen ich gelegentlich quatsche, waren beim Bau, haben Küchen montiert, einer repariert noch heute nebenher Computer, einer arbeitet in der Erwachsenenbildung. Abgesehen vom nötigen umfangreichen Stadtplanwissen ist das Chauffieren von Fahrgästen in aller Regel selbst unter den etwas einfacheren Gemütern ja meist nicht die Quintessenz aus mehreren Jahrzehnten Geistesleistung. Entsprechend verbreitet sind auch viele Hobbies, die sich entweder nebenher im Taxi (am Stand) verwirklichen lassen – ich denke da an den Kollegen mit der Gitarre oder die vielen, die mehr als nur die Bild lesen oder den Kollegen, der am Stand eigentlich immer nur vom Kochen erzählt. Von den inzwischen zahlreichen Bloggern ganz zu schweigen.

Und ja, auch die Mythen über iranische Doktoren oder wenigstens hängengebliebene Studenten (siehe meine Chefs z.B.) sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern existieren. Und – das möchte ich auch anmerken – vermutlich wirklich öfter als in anderen Berufszweigen. Weil wir auch während der Arbeit Zeit haben, weil wir durch laufend neue Menschen auch stets Input haben, weil wir vergleichsweise flexibel sind. Das begünstigt trotz teils immenser Arbeitszeit enorm die Verfolgung anderer Interessen.

Obwohl ich immer noch der Meinung bin, man sollte den Job Taxifahrer nicht runterspielen (anfangs hab ich das „Studieren Sie?“ ja wirklich gehasst.), kann ich inzwischen verstehen, warum so viele Kunden auf die Idee kommen, dass man ja noch was anderes macht.

Schräg wird’s immer dann, wenn sie spezielle Vorstellungen haben. Ich wurde schon gefragt, ob ich Psychologe sei, Wirtschaftswissenschaftler, Philosophie-Student, Musiker oder Türsteher.

Und dann kam letzte Woche ein Österreicher an, brabbelt ein bisschen vor sich hin und meint dann:

„Na, Sie können mir bestimmt schnell mal sagen, warum mein Handy kein Netz hat, oder? Sie sehen so aus.“

Ähm.

Ehrlich gesagt bin ich selbst überfragt, wenn mein Handy derartiges meldet und meine kleine Nerd-Phase um die Jahrtausendwende hat allenfalls dazu geführt, dass ich Win98-Systeme so tweaken kann, dass auch Ego-Shooter drauf laufen oder wie man in einer 5-Leute-WG eMule zu halbwegs paritätischer Downloadverwaltung überreden kann – etwas, das sich erstaunlich schlecht zu Geld machen lässt heutzutage.

Also hab ich ihm gesagt, er soll’s mal neustarten. Und – die IT-Supporter unter meinen Lesern werden es erahnen – es hat nicht wirklich das Problem gelöst, aber immerhin mal ausgespuckt, dass er das Limit seines Auslandsvolumens aufgebraucht hat. Warum das so kurz nach seiner Ankunft der Fall war … das wird er wohl mit dem Kundensupport seines Anbieters zu klären haben, aber ich denke, für 12,90€ (15,00€ inkl. Trinkgeld) binnen weniger Minuten inklusive Transport zum Hotel hab ich dann als Taxifahrer doch mein Soll übererfüllt. 😉

Ansonsten muss er halt demnächst mal einen Kollegen fragen, der sich WIRKLICH mit sowas auskennt. Schätze, davon gibt es auch genug. 😀

Ein kurzes „Haha!“ an die XYZ

Unweit des Ostkreuzes bin ich rangewunken worden. Drei Kerle, nüchtern, lustig, beste Kundschaft an diesem Abend.

„Hi, äh, bringste uns auch nur bis vor zur Niederbarnimstraße? Für so ’ne Kurzstrecke?“

„Sicher.“

„Ja, super Mann, echt jetzt! Kollege von Dir hat uns gerade wieder rausgeschmissen.“

Am Ende der Fahrt dann:

„Weißte, mach einfach mal 10, echt jetzt!“

„Oh, danke vielmals!“

„Nee, echt jetzt. Hast uns ja gefahren. Und dein Kollege hatte hinten XYZ draufstehen. Wenn Du über Funk kannst oder wenn Du ihn siehst: Sag ihm einfach mal „Haha!“.“

Hiermit geschehen. 🙂

PS: Ja, sie haben die Konzessionsnummer genannt und ich hab sie jetzt nicht öffentlich gemacht. Und zwar deswegen: Erstens weiß ich nicht, ob sie ihn bestellt haben. Da wäre ein Rausschmiss zwar unfein, die Ablehnung einer Kurzstrecke aber ok. Zudem: Weiß ich, wie sehr ihre Geschichte der Wahrheit entsprach oder ob die Nummer vollständig war? Nein. Dementsprechend möchte ich keinen Kollegen (bzw. auch die, die das Auto außer ihm vielleicht nutzen) grundlos anschwärzen. Ich bin ja nicht die BILD. Aber vielleicht kommt die Botschaft ja auch anonymisiert an. 🙂

Begeistert

Ein Brite. Vielleicht 45 Jahre alt, seit seinem letzten Berlin-Besuch waren wohl mehr als 15 Jahre vergangen. Aber alles nicht so wild, er kam sowieso viel rum: Letzter Stopp war Kassel, bald dann wieder London, danach Australien, ansonsten aber viel in Afrika. Und wenn jemand über Kassel so begeistert spricht wie über Australien …

Nein, der Kerl war spitze, wir hatten ein super Gespräch. Über Weltmetropolen, Berlin im Speziellen, Gentrifizierung und und und. Ach ja: Ein guter Freund von ihm sei Taxifahrer und der hätte ihn gelehrt, Orte am besten danach zu bewerten, wie die Taxifahrer dort wären. Und das mit mir sei ja mal hilarious!

Als ich auf dem Weg nach Tiergarten mal kurz nachgefragt habe, ob sein Zug nicht auch am Hauptbahnhof gehalten hätte, weil das doch deutlich näher gewesen wäre, antwortete er, dass das schon sein könne, er aber einfach bis zur Endstation gefahren sei. Und außerdem: Wenn er das nicht gemacht hätte, hätten wir uns ja nie kennengelernt, insofern wäre das eine großartige Entscheidung gewesen.

Uff. Das ging natürlich runter wie Öl, aber ein bisschen hatte ich schon die Befürchtung, ihn bremsen zu müssen. Naja, vor seinem Ziel hielt ich dann, die Einfahrt bis vor die Türe war leider (soweit ich sehen konnte) gesperrt. Er hat zur Sicherheit nochmal sein Handy angeschmissen, Google Maps geöffnet und mir mit geradezu obszöner Begeisterung kundgetan, dass ich ihn ja wirklich ganz in echt bis auf ungefähr 20 Meter an sein Ziel herangebracht hätte. O Wunder!

Keine Ahnung, was der sonst so im Taxi erlebt hat.

Wie gesagt: Es war wirklich nett und die Fahrt hat auch mir Spaß gemacht – aber bis zuletzt war ich mir nicht sicher, ob ich seine Begeisterung irgendwie ernstnehmen sollte. Es wirkte wirklich etwas übertrieben.

Dann aber hat er’s in die eine Sprache übersetzt, die wirklich weltweit zweifelsfrei verstanden wird:

„OK, now we are at 18,50 €.“

„Then let’s say it’s 25.“

Vielleicht mache ich ja doch manches richtig. 😀

100% Daten. Oder so.

„Sie müssen den Taxikunden einfach 100% Daten liefern. Also sie müssen sich soweit auskennen, dass es ihnen immer möglich ist, auch bei unzureichenden Informationen genau das zu machen, was die Kundschaft will. Das ist entscheidend! Alles wissen kann man nicht, natürlich, aber sie werden sehen – auch im Hinblick auf ihre nebenberufliche … Lektüre – dass das sehr entscheidend ist. So kriegen Sie dann auch einfach mal 10 Euro extra und haben einen Stundenlohn von sagen wir mal … naja, Sie wissen ja …“

Ich will echt nicht behaupten, dass er besonders stressig war. Aber bei der ganzen Fahrt hing so eine „Ich erkläre Ihnen mal, wie’s läuft“-Stimmung in der Luft. Und bei aller Liebe für gute Tipps: Das kommt einfach arrogant rüber. Oder wie ich es einem anderen und wesentlich lockeren Kunden heute Nacht erklärt habe:

„Das Problem ist: Es fahren so viel unterschiedliche Leute Taxi – da kann man nie alles immer richtig und es allen recht machen.“

Beim zweiten ging es darum, dass er mich für die sehr gute frische Luft im Taxi gelobt hat, aber persönlich noch mehr auf einen Wunderbaum abgefahren wäre. Was ersterer mir zu erklären versucht hat, versuche ich bis dato noch zu erörtern.

OK, meinetwegen.

Drei Leute sind mir winkend vors Auto gelaufen, sie haben mir ein bekanntes Hotel in anderthalb Kilometern Entfernung genannt und ich hab sie hingefahren. Ein kurzes Vergewissern, ob ich wüsste wo es ist – und von mir eigentlich nur eine Gegenfrage: Ob ich auch auf der anderen Straßenseite halten könnte. Dazwischen war kaum Zeit, denn die Straßen waren leer und die Ampeln grün. Mir wäre zu der Fahrt absolut nix erwähnenswertes eingefallen.

Und dann überraschen mich die Fahrgäste – schon wieder! Ich weiß, das passiert derzeit oft – damit, dass sie die 6,90 € mit einem Zehner begleichen und kein Rückgeld haben wollen. Dieses Mal, weil:

„We’d like to thank you for your excellent service.“

Ähm, ok. Wenn ihr meint …

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Trinkgeld braucht keine Begründung und Lob ist auch was tolles. Aber Lob plus Trinkgeld zu bekommen, wenn man sich selbst eigentlich nur „Laaaaaangweilig!“ denkt und es danach schon vorbei ist, das ist schon irgendwie komisch.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Hoch gepokert

Das Drama mit den Straßennamen in Berlin! Da landet man selbst mit dem richtigen schnell mal ganz woanders als man hinwollte – und dann gibt es noch die alltäglichen Verwechslungen …

„To the Berwelsrase in Kreissber.“

„The Baerwaldstraße in Kreuzberg?“

„Yes. Number 30. It’s a restaurant.“

Sagte mir nix. Aber ok, Straße mitsamt Stadtteil und Hausnummer. Da sollte ja nix schiefgehen! Ich hab die Nummer gleich ins Navi geklöppelt, damit ich nicht auf irgendwelche abenteuerlichen Restaurantschilder achten muss. Nun ist es nicht nur so, dass man vor Ort feststellt, dass es eine Nummer 30 gar nicht gibt. Viel deprimiender ist, dass der Block, wo die Nummer 30 hätte sein können, im Gegensatz zum Rest der Straße völlig dunkel und frei von allen Lokalitäten ist. Und während ich da ein betont dummes Gesicht zur sehr unschönen Situation gemacht habe, flötet es vom Beifahrersitz in diesmal fast perfekter Aussprache:

„You’re sure this is the bermannstrase?“

„The Bergmannstraße? Really? You said Baerwaldstraße.“

„Haha, I mispronounced it maybe …“

Selbst mir war in dem Moment noch etwas nach Haareraufen, aber dann war der Stadtplan im Kopf wieder komplett und ich bin weitergefahren. Die Bergmannstraße ist nämlich bereits die nächste Querstraße. Leider halt das unbelebte kurze Ende, das in einer Sackgasse mündet, bevor man auf den belebten Teil mit all den Kneipen und Restaurants kommt. Aber sieh mal einer an:

Was zu tun blieb. Quelle: osrm.at

Was zu tun blieb. Quelle: osrm.at

Ja, das Austria liegt noch genau in dem Teil, mit Mühe 100 Meter entfernt von der Ecke, in die mich die falsche Baerwaldfährte gelotst hatte. Und da ich mich immer so ärgere, wenn Ziele völlig falsch oder unklar sind, musste ich das erwähnen: Ich bin in eine nur zufällig ähnlich klingende Straße gefahren und war am Ende quasi genau richtig! Schätze, das passiert mir die nächsten 10 Jahre nicht noch einmal.