„Zu viele Umwege“

Eine Kategorie von Fahrten, die ich mir recht selten erarbeite, ist die, bei der die Kunden die Fahrt abbrechen, weil sie nicht zufrieden sind. Und obwohl ich daran nichts zu ändern gedachte, hat heute Nacht eine Fahrt vom Spindler & Klatt nicht wie geplant bis Wilmersdorf gereicht, sondern wurde noch in Kreuzberg beendet.

„Jetzt fahren Sie mal hier ran und lassen uns aussteigen. Sie fahren mir zu viele Umwege.“

Ich meine, unter uns hier: Zu diesem Punkt war das halt so, ich bremse gegebenenfalls ja auch, wenn Fahrgäste ein paar rosa Mäuse fangen wollen. Und lieber eine Fahrt so beenden als die ganze Zeit nur Stress. Hat die Zentrale jetzt halt vermutlich mal wieder einen aufgebrachten Anruf, von dem ich am Ende nicht einmal irgendwas erfahren werde.

Das Dumme an der Sache ist, dass ich nicht komplett unschuldig war, denn ich hatte tatsächlich ganz ganz zu Beginn der Fahrt während des schnellen Überlegens und gleichzeitigen Redens mit den Kundinnen eine bessere Abzweigemöglichkeit verpasst und habe einen Umweg von sagenhaften 100 Metern, vielleicht 150 gemacht. (Für Ortskundige: Bin nicht die Manteuffel links ab, sondern erst Engeldamm/Adalbert) Bei einer Strecke von über 9 Kilometern. Bedeutender war aber, dass die Wortführerin im Fond und ich uns kurz danach bereits auf dem völlig falschen Fuß erwischt haben, als sie mir sagte, ich müsse „jetzt rechts abbiegen“. Das verneinte ich deutlich und mit gutem Gewissen, denn die nächsten drei Kreuzungen hätten uns definitiv vom kürzesten Weg abgebracht. Dass sie ihrerseits eigentlich auch die vierte Kreuzung gemeint hat, hat sich dann erst geklärt, als sie schon etwas eingeschnappt war. Ist jetzt echt nicht so, dass ich da streitlustig war, die Kombination von einer blödsinnigen Idee und dem Verb „müssen“ ist aber halt auch ein schlechter Start ihrerseits gewesen.

In Anbetracht des weiteren Verlaufs  bin ich jedoch ohnehin froh, dass ich nicht schnell rechts ab bin, denn dann wär’s mangelnde Ahnung gewesen. Manche Schlachten kann man einfach nicht gewinnen.

Am Ende waren wir auf der Gitschiner Richtung Westen unterwegs und ich gebe es zu: Ich hatte die Zieladresse nur so ungefähr im Kopf. Emser Ecke Pariser, nicht meine Ecke. Entsprechend war das Navi längst an und schlug mir die auch von mir präferierte Süd-Umfahrung des Gleisdreiecks an. Ja, ich hatte die Zielkreuzung in Gedanken vier  Blocks weiter südlich eingeordnet, aber da der Weg lang war und die Alternativrouten auch mitnichten der Luftlinie entsprechen, bestätigt sich beim Blick auf die  Karte, dass der Weg trotzdem ok war. „Ok“ im Sinne von „300 Meter kürzer als das, was die Kundin wohl eigentlich geplant hatte“.

Genau weiß ich’s nicht, ich hätte aber anstatt in die Zossener links abzubiegen am Ufer entlang weiterfahren sollen. Das ist ein prima Weg und es ist auch nicht komisch, wenn die Kollegen bisher, wie sie schnippisch anmerken musste, selbigen immer gefahren sind. Ich hätt’s ja auch gemacht, wenn es mir jemand gesagt hätte. 300 Meter hin oder her bei einer solchen Strecke, meine Güte!

Allerdings sind 300 Meter Wegersparnis natürlich der dümmstmögliche Grund, eine Taxifahrt abzubrechen und sich ein neues zu suchen. Insbesondere wenn man bedenkt, dass das in diesem Fall Mehrkosten von satten fünf Euro bedeutet hat.

Hier zum Vergleich mal die Strecken (schon inklusive meines Anfangsfehlers):

Die von mir und dem Navi angedachte Route mit "zu vielen Umwegen". Quelle: osrm.at

Die von mir und dem Navi angedachte Route mit „zu vielen Umwegen“.
Quelle: osrm.at

Die wohl von der Kundin präferierte Route "einfach geradeaus". Quelle: osrm.at

Die wohl von der Kundin präferierte Route “ immer geradeaus“.
Quelle: osrm.at

Dass sie nicht wusste, dass der andere Weg nicht länger ist: Geschenkt. Dafür bin ich ja der Taxifahrer. Und obwohl ich verstehe, dass sie mir als bösem Betrüger nicht noch mehr Geld schenken wollte: Trotz der vorbildlichen Bitte um eine Quittung macht die Sache mit der Fahrtunterbrechung an der Stelle wenig Sinn. Denn (mal abgesehen von besagten 100 Metern zu Beginn): Den Weg zur Zossener bin ich völlig korrekt gefahren und mehr hab ich da nicht draufgeschrieben. Also selbst wenn ich betrogen hätte, könnte ich nun behaupten, sie hätten ein anderes Ziel angegeben. So gesehen wäre eine Fahrt bis zum Ende sinnvoller gewesen, denn wenn dann drei Euro zu viel als Preis angefallen wären, hätte man wirklich was in der Hand.

Außerdem, aber das war jetzt sicher erwartbar, gäbe es einem auch die Chance, eventuell doch eine Überraschung zu erleben wie dass der neue Weg kürzer ist als der, den man „jeden Tag“ fährt. Also rein hypothetisch. 😉

26 Kommentare bis “„Zu viele Umwege“”

  1. Uwe S. sagt:

    Deine Strecke hat einen „psychologischen“ Nachteil: auf der Pallas- und teilweise auch auf der Hohenstaufenstr. ist Tempo 30 angeordnet, auch tagsüber. Deswegen fahren vermutlich Deine Kollegen dort nicht so gerne lang, und deswegen kannte sie den Weg nicht.

  2. Joe sagt:

    Es gibt immer wieder Kunden, dennen man es sowieso nicht recht machen kann, da sie eh auf Streit aus sind. Biege ich rechts ab, heißt es “ Warum bist du hier nicht links gefahren?. Biege ich links ab, heißt es-Warum bist du hier nicht rechts gefahren. Wenn ich frage ob ich hier rechts oder links abbiegen soll, heißt es-Das mußt du doch wissen, du bist doch der Taxifahrer! Also nimms locker.

  3. Tk sagt:

    Die ist bestimmt Single. Weil, sowas willste nicht zu Hause haben. Und zum Thema Strecke: Meine Erfahrung ist, am besten immer die großen Hauptstrassen . Dit kenn die Leute, machste nix verkehrt, gerade nachts.

  4. Anicca sagt:

    Putzig, wie Du versuchst, auf rationaler Verstandesebene gegen die rein emotionale Ebene von „nachts-alleine-unterwegs“-grundverunsicherten Frauen zu argumentieren. „Zu viele Umwege“ bedeutete ja nicht tatsächlich mehr gefahrene Kilometer sondern „Abweichung vom Vertrauten, was zur Grundverunsicherung weitere Ängste hinzufügt“.
    Aus ihrer Sicht sind sie zu dem Zeitpunkt einfach dem Gefühl des Ausgeliefert-seins entkommen, also wird das für sie schon gepasst haben. Auch für 5€ extra.

  5. W. Örthersee sagt:

    @ Annica: Respekt!

  6. Aro sagt:

    Ich wäre ja auch am Kanal lang gefahren, einfach weils auch schneller geht. Aber Streiterein um 100 m Umweg sind wirklich albern. Wahrscheinlich hat sie einfach eh schon schlechte Laune gehabt und Du warst nun der Schuhabtreter für sie. Kommt vor, nicht zu persönlich nehmen.
    Und heute ist Totensonntag, da haben die meisten Clubs eh nicht auf. Heute gehts wohl eher auf den Friedhöfen ab und die Leute sind dann melancholisch.

  7. Sash sagt:

    @Uwe S.:
    Das kann gut sein.

    @Joe:
    Sowieso. 😉

    @Anicca:
    Ich kann halt nur mit dem arbeiten, was ich von der Kundschaft bekomme. Und selbst wenn das der Grund gewesen sein sollte: In der Großstadt einfach mal davon auszugehen, dass der eigene Weg alternativlos ist, ist wirklich undurchdacht. Und sofort Theater zu machen, wenn der um 200 Meter verlassen wird, gibt dem Gegenüber halt wenig Chancen, Vertrauen zurückzugewinnen, bzw. es noch „richtig“ zu machen.

  8. elder taxidriver sagt:

    Sehr richtig Sash:

    Es gibt keine Chance Vertrauen zurückzugewinnen, gegen diese Art Bösgläubigkeit.
    Oder wie Anicca sagt mit ’nachts-alleine-unterwegs-grundverunsicherten Frauen‘ zu einer Art Konsens zu kommen.

    Ich habe öfter so Situationen gehabt und finde Anicca hat den Punkt getroffen. Was aber kann man machen ?: NICHTS

    Ich habe schon gesagt in so Situationen:

    Wie möchten Sie es denn gern. Ich mache das, was Sie möchten. Ich muss es nur wissen.
    Und: Sie können bezahlen, was Sie möchten.

    Es hat n i c h t s genützt. Nichts. Eingeschnappt ist eingeschnappt. Falls ich das mal hier so ausdrücken darf.
    Durch ein wie auch immer geartetes Argumentieren zeigt man, dass man das letzte Wort haben möchte. Und das gelingt einfach nicht: Das letzte Wort möchte die Fahrgästin haben. Peng.

    Glücklicherweise ist das nicht der Normalfall. Das Normale gibts ja auch noch.

  9. Numanoid sagt:

    Beim Durchlesen des Artikels könnte man glatt vermuten du hattest die „Wilmersdorfer Witwen“ im Auto. 😉

  10. werner sagt:

    im zweifel frag ich gleich vor fahrtbeginn, ob der fahrgast eine bestimmte strecke will.
    die meisten dann so: die kürzeste.
    klare ansage.
    kann auch dazu führen, daß die „kürzeste“ halt über einen bahnübergang führt, an welchem ellenslang verschoben wird.
    wenn ich gut drauf bin, sag ich diesen umstand dem fahrgast.
    wenn dieser muffig ist, dann nicht, außer er fragt mich danach.
    ansonsten wird halt gewartet. die uhr tickert brav vor sich in, 28 eur/h.
    dann ab und zu so: andersrum wären wir schneller gewesen.
    und ich so: das war ja nicht die ansage. ansage war „die kürzeste“.
    falls dann zoff aufkommt, ist die fahrt zu ende und zwar auf der stelle.
    die tour geht auf haus und tschüs, sag ich dann.
    und wenns regnet oder schneit, wünsche ich auch weiterhin einen schönen tag.
    spätestens dann gibts kleinlautes geschniefe und gebrabbel, und wir fahren wieder.
    ab und zu gibts sogar trinkgeld, wenn ich mich forciert volksnah gebe.
    in 40 jahren taxifahren hab ich derart erst 4 typen ernsthaft von der weiterfahrt ausgeschlossen; einer hat ein messer gezogen; eine dame hat mit das mikro samt schnur aus dem funkgerät gerissen, im suff; einer hat angefangen, einen joint zu paffen; und eine andere dame wollte auf der autobahn bei 130 aussteigen.
    ansonsten war nix.
    servus,
    werner aus der hochsteiermark

  11. elder taxidriver sagt:

    @ Ulf:

    Der Vollständigkeit halber:

    MÄNNER ! auch, nicht zu vergessen die SEXUELLEN ZWISCHENSTUFEN.
    Jeweils in der ihnen gemäßen Ausprägung.

  12. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Ein wenig pragmatisch möchte ich aber anmerken, dass sich sowas wohl nie ausschließen lässt. Es ist immer dumm, wenn es passiert, aber die Welt ist halt nicht perfekt. Und ja, das „normale“ überwiegt dann halt doch stets.

    @Numanoid:
    Das ist (wie bei Tk z.B. auch) aber eine ziemlich weit ausgelegte Theorie. Die zwei haben sich beschissen gefühlt, weil sie keine Ahnung hatten, ok. Aber ja, sowas passiert halt mal. So nervig es für alle Beteiligten auch ist.

    @werner:
    Ich bin da so gesehen ja auch schmerzbefreit. Den beiden Damen habe ich gesagt: „Na dann, viel Erfolg noch!“ OK, sie werden das sicher falsch verstanden haben, aber das war dass ganz ganz ganz kleine Bisschen Gehässigkeit, das ich mir meiner eigenen Psychohygiene wegen erlauben musste, um ihnen nicht zu sagen, wie unglaublich bescheuert die Aktion gerade ist.
    Meine Statistik ist so gesehen ja auch nicht schlecht. Ich lehne quasi nie Kunden ab, hab selten Fehlfahrten und rausgeschmissen hab ich in 8 Jahren nur einen, der nicht den vollen Preis zahlen konnte/wollte. Glücklicherweise war nichts so dramatisches wie bei Dir dabei. Aber das wird eventuell kommen, mal sehen. Ihr werdet es hier nachlesen können. 😉

    @Ulf:
    Dir ist schon klar, dass ich Kleinigkeiten wie das Geschlecht der Fahrgäste gerne mal aus Anonymisierungsgründen tausche, oder? 😉
    In dem Fall hast Du sogar Recht, aber sieh das ruhig mal als guten Anlass, über derartigen Bullshit nachzudenken …

  13. elder taxidriver sagt:

    Empfehle bei Leer-Rückfahrt oder bei geeignetem Publikum eine Fahrtroute durch die Zossenerstraße mit Kurz-Halt
    bei Knopf-Paul, einem Knopfgeschäft wie ja der Name schon sagt. Wunderschönes Schaufenster. Und drinnen erst!
    Ein Knöpfe-Paradies! Die Knöpfe der Welt geben sich da ein Stelldichein. Und das Beste ist: Sie sind alle käuflich.

    (Hoffentlich gibts das noch..)

  14. elder taxidriver sagt:

    Und ein Stück weiter ist ein wunderschöner Laden mit historischen Radios. Empfehle dito bei Leer-Rückfahrt oder geeignetem Publikum..

  15. elder taxidriver sagt:

    Bei Google Bilder oder Flickr gibts schöne Fotos davon, aber Vorsicht, man kann einen Drehwurm kriegen beim Blick auf die Knopfschubladen die bis zur Decke gehen.

  16. elder taxidriver sagt:

    Jaa ich weiß ja:

    Zu viele Knopfkommentare bei ‚Zu viele Umwege‘, aber: vergangenen Mittwoch war Tag des Knopfes 2016..
    Gottseidank, dass man das nicht wusste.

  17. elder taxidriver sagt:

    Knopf auf luxemburgisch : Knäppchen

  18. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist immer eine Kurve… schließlich ist auch eine Gerade letztendlich eine solche. Sash, ich schlage vor, dass der nächste Blogbeitrag zu diesem Thema dann die wissenschaftlich korrekte Überschrift Kurvendiskussion trägt. 😉

  19. Sam sagt:

    Kennt jemand die Werbung, in der der Typ sagt : „Der direkte Weg ist doch niemals eine Kurve.“? Ich weiß nichtmal, wofür der wirbt, weil ich mich über diesen Spruch immer so aufrege. Zum Einen ist einer Gerade genau genommen sehr wohl eine Kurve, zum Anderen gibt es Geometrien, in denen der direkte Weg sehr wohl eine Kurve ist. Zum Beispiel der Weg, den ein Auto fährt. Oder fährt es DURCH die Erde? Nein, sondern AUF ihr. Und da die Erde eine Kugel ist (also… in etwa 😉 ), ist das wohl eine klassische Kurve… sorry, das musste mal raus. XD

  20. Sash sagt:

    @Sam:
    I feel you!

  21. Tk sagt:

    @elder taxidriver
    Da könnte ich ja mal zu Halloween hinfahren , habe Koumpounophobie.

  22. elder taxidriver sagt:

    @Tk:

    man lernt nie aus.. ( ich)

  23. Ulf sagt:

    @elder taxidriver
    Nimm’s nich persönlich, aber laß mich mit dieser Gendersch…e in Ruhe.

    @Sash
    1.) Ja.
    2.) War aber sowas von EINDEUTIG.
    3.) Gedeckt durch Meinungsfreiheit und wahr unter Berufung auf 25 Dienstjahre.

  24. Sash sagt:

    @Ulf:
    Deinem Kommentar nach isses nicht wirklich angekommen. :/

  25. Ulf sagt:

    @Sash
    Siehste, Paradebeispiel für Missverstehen und Missverstanden werden durch das Fehlen von a) Ausführlichkeit beim Kommentar und b) der Mimik des Kommentators beim Lesen. ?
    Kenn ich schon, hab aber kein Bock auf sowas Albernes wie „Ironie an/aus“ oder Gefühls-Smilies oder elendig lange Texte, damit bloß keiner pikiert ist. ?
    Und mit dem Bullshit kann ich nichts anfangen ?!?
    Ich mag Dich trotzdem. ?

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