Historische Dokumente

GNIT ist genau heute 5 Jahre alt. \o/

In der Zeit hat sich einiges geändert, das ist klar. Wir sind hier im Internet, da sind 5 Jahre ungefähr zwei Generationen. Vieles ist anders geworden, vieles mache ich inzwischen anders, und das ist ja auch gut so. Aber auch wenn’s ein wenig eklig aussieht, möchte ich heute mal ein Dokument vorstellen, das nun etwas mehr als fünf Jahre alt ist und das immer noch irgendwo auf oder um meinen Schreibtisch (der noch wesentlich älter ist, nur mal so) liegt:

Scan der originalen (und aktuellen) Tag-Liste von GNIT. Quelle: Sash

Scan der originalen (und aktuellen) Tag-Liste von GNIT. Quelle: Sash

Tags haben bei GNIT nie eine große Rolle gespielt, aber geplant wurden sie damals mit diesem Zettel. Und bis heute schaue ich bei fast jedem Artikel kurz drauf, welche ich verwenden könnte. Wie man sieht, hat die Liste gelitten. Die einzelnen Flecken kann ich nicht mehr zuordnen, aber das Teil hat eindeutig mehrere verschüttete Getränke überlebt. Inzwischen gibt es natürlich eine Menge digitale Alternativen zu Notizzetteln, aber da ich ohnehin ca. 30 Tabs im Browser dauernd offen hab, nutze ich in dem Fall gerne immer noch die Analogvariante – auch wenn sie nicht mehr schön aussieht. Andererseits wird sie auch keine weiteren 5 Jahre überleben, da bin ich realistisch.

Als dieses Dokument entstand, hatte ich noch nie ein anderes Taxi als die 1925 gefahren. Harald hatte noch einige Jahre vor sich und die Menschheit hatte noch keine Sonde auf einem Kometen gelandet. Ich war unter 30 und die Hälfte von uns war damals noch nicht auf Facebook. Damals war Torsten King der deutschen Taxiblogger und hat nach ein bisschen zu viel Long Island Iced Tea die imaginäre Krone zu diesem Posten theatralisch an mich weitergereicht. Inzwischen fährt er nicht einmal mehr Taxi. 🙁

Ich hab keine Ahnung, was in weiteren 5 Jahren alles passiert sein wird. Vorerst gehe ich aber einfach mal davon aus, dass ich am 24. August 2020 auf die grandiose Idee kommen werde, diesen Eintrag von heute zu verlinken. Und ich lade Euch ein, mich auf dem Weg zu diesem Meilenstein weiter zu begleiten.

Seltene Bezahlungen

Den Kunden geht’s wie mir: Sie können den aktuellen und noch etwas neuen Tarif noch nicht einschätzen. Und der Kunde, der mir so schnell ans Auto gesprintet kam, um mich dann zu seinem etwas weiter weg geparkten Fahrzeug zu lotsen, guckte am Ende für eine Sekunde sparsam, als ich 7,90 € als Preis ansagte. Denn er hatte sich schon etwas Kleingeld zurechtgezutzelt, kam damit aber nur auf 7,30 €.

Aber dann meinte er kurz entschlossen:

„Ach, dann gebe ich Dir einfach zehn und gut ist.“

Ich könnte Euch jetzt dreimal raten lassen, wie er das dann getan hat, aber auf Anhieb würde vermutlich niemand drauf kommen. Deswegen erspare ich mir dieses sadistische Spielchen und antworte gleich: Mit einer 10€-Münze:

Auch'n Zehner (Zweier nur zum Vergleich), Quelle: Sash

Auch’n Zehner (Zweier nur zum Vergleich), Quelle: Sash

Gut, wie selbst ein Nicht-Profi erkennt, ist die Münze nicht mehr in sammlertauglichem Zustand – also warum sie nicht einfach als das Zahlungsmittel einsetzen, das sie auch ist? Der Silberpreis ist wider Erwarten nach 2011 auch nicht weiter gestiegen, so dass einem auch das Einschmelzen keinen Gewinn verschaffen würde. Da Münzen nicht so mein Steckenpferd sind, wird die Münze also auch bei mir wohl relativ schnell wieder verschwinden.

Ist aber auf jeden Fall ein cooler Taxi-Notgroschen, muss ich schon mal sagen. Und meine erste Gedenkmünze im Taxi, soweit ich mich erinnere.

PS:
Wegen Falschgeld war das einerseits hoch gepokert (Wer kennt schon die Gedenkmünzen?) andererseits aber auch nicht (Wer fälscht schon unbekannte Münzen mit relativ niedrigem Wert?).

Äh, bitte, Kollege …

Ich stand am Bahnhof in der Schlange. Von hinter mir kam dann ein Kollege angelaufen, den ich vom Sehen her kenne. Er meinte zu mir kurz:

„Nicht vorrücken!“

und lief weiter zu einem weiter vorne in der Schlange, mit dem er sich dann ein wenig unterhalten hat. Ich überlegte ein wenig, was er gemeint haben könnte. Die einzig vergleichsweise logische Erklärung war, dass er als irgendwo hinter mir stehender keine Lücke vorne aufreissen lassen wollte, damit keiner von noch weiter hinten ihn überholt. Was aber zum einen moralisch fragwürdig ist, zum anderen auch völlig unnötig, wenn man weiter vorne in der Schlange durch ein Gespräch potenzielles Aufrücken ohnehin unterdrückt. Ich stand da, vor und hinter mir ein Auto – ich hatte gar keine Chance, irgendwohin zu rücken.

Und während ich noch so am Wundern war, kam der Kollege schon wieder auf dem Rückweg vorbei, klopfte mir kurz zweimal auf’s Auto und meinte:

„Danke, Kollege!“

Manchmal ist hilfsbereit sein also gar nicht so schwer.

Energisches Handeln – I like!

Wir waren gerade die ersten Meter gefahren, da dachte ich schon, dass das eine Horrortour wird:

„Alter Schwede, mit dem Mundgeruch könnte die nebenberuflich als Antibiotikum arbeiten!“,

dachte ich so bei mir, denn es war wirklich penetrant, was da von hinter mir hervorwaberte. Aber gut, man will ja kein Fass aufmachen – und während so einer kurzen Taxifahrt ist auch nicht unbedingt rauszufinden, ob das vielleicht komplizierte medizinische Hintergründe hat, die sie durchaus kennt … kann ja alles sein.

Aber: Boah, war das schlimm!

Allerdings hatte ich sie zu Unrecht verdächtigt.

Denn an der nächsten Ampel bat ihr Begleiter darum, mal eben kurz aussteigen zu dürfen. Er sei da wohl in was ekliges reingetreten und müsste nun, nun ja, seinen Schuh wegwerfen. Und das hat er dann auch kurzerhand getan. 0.o

Es waren löchrige Chucks, am Ende hat er sogar den Socken gleich mitentsorgt. Und dann isser wieder eingestiegen, mit einem nackten und einem beschuhten Fuß und wir sind bis ans Ziel gefahren. Das Auto blieb glücklicherweise unverseht und dementsprechend hab ich bei den Entschuldigungen der beiden auch abgewunken.

Wer eben mal schnell seinen Schuh opfert, um in meinem Taxi für bessere Luft zu sorgen, sollte nicht um Entschuldigung bitten, sondern einen lobenden Blogeintrag bekommen. So! 😀

Grenzen der Begeisterung

Es ist unglaublich toll, wenn die Beförderung von Fahrgästen umschlägt in ein persönliches Gespräch. Wir Taxifahrer sind ja eben auch nur Menschen mit eigenen Interessen und Vorstellungen, mit Vorlieben und Schwächen. Wenn man da im Rahmen seines Jobs mal auf Gleichgesinnte trifft, ist das das Nonplusultra, denn jeder Fahrer fährt sowieso weitgehend automatisch und da wird das Gespräch schnell zu einem Grund, die Arbeit gar nicht mehr als Arbeit zu empfinden. Man unterhält sich mit netten Leuten und am Ende geben die einem Geld dafür – wie geil ist das denn!? Genau wegen dieser Fahrten liebe ich den Job.

Und dann diese Kundin: Nett, gesprächig, jung – ja, auch attraktiv – und sie stieg gleich ins Gespräch ein mit gesellschaftlichen Misständen: Der Individualverkehr sei ein Problem für die Innenstädte, man sollte über eine Abschaffung desselben jenseits des ÖPNV (also auch der Taxis) nachdenken. Tolles und herausforderndes Thema! Sie war zudem Feministin wie ich auch, wir hatten echt einen guten Draht zueinander, es war eine absolut hervorragende Fahrt. Einmal mehr nicht nur dieses Rein-Raus (Wortwitz beabsichtigt!).

Die Fahrt ging von Friedrichshain nach Wilmersdorf, eine weite Strecke, alles super. Wir diskutierten enthusiastisch, eckten hier und da mal an, waren aber überwiegend ähnlicher Meinung. Die Freude an sowas verstehen nur die wenigsten, aber egal, mir gefällt das, das kann unglaublich belebend und bereichernd sein mit den richtigen Personen.

Dann aber kam der eine Punkt, an dem das einfach nicht mehr funktioniert hat. Wir waren immer noch bei Verkehrspolitik, diskutierten soziale Aspekte desselben und dann meinte sie, dass sie ja mit „den homöopathischen Ärzten“ organisiert sei.

BÄM!

Das ist für mich, als ob mir jemand beim Sex von den offenen Beinen der Oma erzählt. Ende. Da geht nix mehr. Leute, die wirkungslose Zuckerkügelchen als Medikamente verticken und dann auch noch stolz behaupten, cleverer zu sein als die gesamte  Forschung der letzten 200 Jahre, entsetzen mich. Umso mehr, wenn sie so begeisternd innovativ daherreden und eigentlich keine schlechten Menschen sein sollten. Ich halte nichts von Umerziehungsversuchen im Taxi, entsprechend war das Ende der Fahrt eher ruhig. Leider, aber alles macht mein moralischer Kompass dann halt auch nicht mit …

Die Schwierigsten zum Abschluss

Ich war auf dem Heimweg. Schon wieder. Die Schicht war blendend gelaufen und ich war schon zweimal auf dem Heimweg rangewunken worden und nun „absolut sicher“, dass ich nicht noch mal halten würde. Ich hatte sogar die Fackel schon ausgeschaltet, was ungefähr ein jährlich einmaliges Ereignis ist. Aber die illustre Runde aus drei Männern winkte dann doch und ich hab doch auch noch gehalten. Einer der drei schien schwer angeschlagen zu sein, eigentlich hätte ich mir nichts weniger gewünscht.

Aber genau der Typ musste natürlich auch gefahren werden. Mir wurde eine Straße genannt, die ich erst einmal ins Navi eingeben musste. Und klar: Natürlich entgegengesetzt meiner Richtung … aber immerhin nicht sehr weit und bequem über Hauptstraßen zu erreichen.

Der Typ um die 40 entschuldigte sich auch gleich für seinen Zustand, das wäre eine Ausnahme, es hätte was familiäres zu Feiern gegeben und außerdem müsse er – scheiße, so spät schon!? – morgen auch wieder früh raus, weil er Besuch bekäme. Autsch. Eine kurze Nacht war für ihn sicher die Höllenfolter schlechthin, so blau wie er war. Er ist im Taxi auch umgehend eingeschlafen.

Die Hausnummer hatte ich nicht gleich erfragt, die wollte ich vor Ort von ihm einholen – was schwierig war, weil ich ihn dazu erst einmal aufwecken musste. Und während ich so mitten in der kleinen Nebenstraße stehe, die aber natürlich unglaublich verwinkelt war – Plattenbausiedlungen und so – und ihn wachrüttele, schleicht ein Streifenwagen vorbei. Mit zwei Cops drinnen, die mich misstrauisch beäugen. Ich hab ihnen kurz den Daumen nach oben gegeben und sie sind weitergefahren, vermutlich auch froh, sich so spät nicht noch mit irgend so einer Taxigeschichte abgeben zu müssen.

Ich fragte den Typen, wie ich weiterfahren solle, er sagte kurz „25!“ und trat umgehend wieder weg. „Ja, danke, Du Scherzkeks!“, dachte ich mir. Ich stand an einer Kreuzung, in der alle abgehenden Straßen gleich hießen und hatte keine Ahnung, in welcher Richtung die 25 liegt. Die richtige Abzweigung hab ich genommen – trotzdem war es am Ende die letzte Nummer, an der ich vorbeigefahren bin, ohne nochmal was doppelt abzugrasen. Wie gesagt: Verschachtelte Straßenverläufe, immer eine Freude. Dabei war die Straße aber kurz genug, um eben nicht 20 Meter vor dem Ziel das Navi nochmal umzuprogrammieren. Hatte ich zumindest gedacht.

Aber gut, ich hab im Vorbeifahren auf einem Schild schon gelesen, dass es irgendeine Hilfseinrichtung war. Ich hoffte von Herzen, dass ich da nicht gerade einen Alkoholiker mit Rückfall im Gepäck hatte. Aber ich weiß es nicht, ehrlich.

Ich hab den Kerl auch ein zweites Mal wachgekriegt, er hat sich überschwänglich bedankt und mir die Fahrt samt kleinem Trinkgeld anstandslos bezahlt. OK, das Suchen der Scheine hat etwas gedauert, aber ich hatte gefühlt ja eh schon Feierabend …

Am Ende stieg er aus, schwankte, hangelte sich an der Autotür entlang und fiel dann wie ein Käfer auf den Rücken, noch dazu quer über die Bordsteinkante. Sein Rucksack hat da offenbar einiges abgemildert, aber angenehm war das nicht, das ist mal klar. Ich bin also schnell rausgesprungen und hab ihm mit beiden Armen unter die Achseln gegriffen, um ihn wieder in die Senkrechte zu bringen. Er freute sich, schämte sich aber auch sichtlich, jetzt von einem Taxifahrer aufgehoben werden zu müssen. Nein, der war definitiv nicht auf alltäglicher Sauftour und im üblichen Umstand prall heimgekehrt, der hatte das offenbar wirklich alles so nicht gewollt.

Ich hab ihn dann noch bis zur Haustür ein wenig gestützt, ab da aber lehnte er dann jede weitere Hilfe ab. Da wäre ja gleich der Aufzug, hier kenne er sich ja aus. Sollte mir recht sein – obwohl ich ja nun schon durch meine Vergangenheit im Behindertenfahrdienst auch vergleichsweise wenig Scheu hab, Leute noch in die Wohnung zu begleiten und noch dies und das herzurichten. Wobei ich natürlich auch froh bin, wenn sowas vorher abgesprochen ist.

Am Ende war ich froh, dass ich die Tour noch gemacht habe. Was wäre gewesen, wenn die ein Kollege mit Rückenproblemen erwischt hätte? Oder einer mit null Bock?

An der Stelle war dann aber wirklich gut. Ich hätte noch den schwankenden Winker auf dem Rückweg mitnehmen können und vielleicht hätte das auch noch eine tolle Geschichte ergeben. Aber irgendwann ist Feierabend eben auch im Taxi wirklich Feierabend. Und man soll ja bekanntlich aufhören, wenn’s am schönsten ist. 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Angenehme Überraschungen

Als sie mich heranwinkte war sie noch dabei, sich von einem Typen im Muscleshirt zu verabschieden und kam dann in ihren hochhackigen Schuhen zum Taxi gestakst, wo sie sich umgehend über die Teile aufregte. Zum Clash sollte ich sie bringen. Das hat mir nix gesagt, was nicht weiter verwunderlich ist, da es im Mehringhof liegt und von der Straße aus nicht zu sehen ist. Wie immer bei sowas hab ich gefragt, was das für ein Laden ist und sie antwortete quietschvergnügt:

„Naja, ist benannt nach der Band. Also ja, Punkrock und billiges Bier halt …“

Und schon haben wir uns ein wenig über coole Kneipen unterhalten. 🙂

Und ja: So hatte ich sie nun wirklich nicht eingeschätzt. Das war geradezu erfrischend.

Ich erwähne das auch nur aus dem Grund. Als Taxifahrer bin ich viel dort unterwegs, wo die angesagten Clubs sind, wo die besten DJs auflegen, wo die Schlange am längsten ist. Ich finde das toll und interessant, aber meine Welt war das nie. Ich find’s bescheuert, an Clubs anzustehen – und außerhalb von richtigen Konzerten bevorzuge ich die klassische Kneipe zum Weggehen, wo man sich bei ein paar Bier unterhalten kann. Ist ja alles eine Geschmacksfrage. Das ausgerechnet diese Kundin meinen treffen würde, hat mich dann nach dem ersten Blick trotzdem überrascht.