Das tägliche Lotto

„Jungs, nehmt Ihr uns mit?“

Ich hab gerade mit einem Kollegen geplaudert, den ich nicht wirklich kannte, hab mich entsprechend schnell aus dem Gespräch gelöst und der Dreiertruppe zugesagt:

„Logo.“

Ich stand ganz vorne, der Kollege war der einzig weitere. Die Kunden konnten sich nicht gleich entscheiden:

„Wo stei’n wir ein? Opel, Daimler, Daimler, Opel?“

„Mir egal, aber mach hinne! Es ist kalt!“

Ich hab auch gleich gesagt, dass sie sich’s aussuchen können – angetrunkene Jungs, die rummeckern, braucht ja niemand. Sie haben sich dann aber spontan doch für mich entschieden und sind zügig eingestiegen.

„Du weißt aber schon …“

begann der erste fast schon bedrohlich irgendwas einzuwerfen, so dass ich vorsichtshalber gleich das Schlimmste erwartet hab. Aber nee:

„… dass Du jetzt ’ne ganz schöne Strecke vor Dir hast?“

Und wo ging’s hin? Tatsächlich bis nach Falkensee – und der kürzeste Weg war auch nicht ihr Ding:

„Ach, fahr ruhig Heerstraße.“

Und auch sonst war das die definitiv beste Fahrt der letzten Wochen. Sie hatten einen im Tee, und einem war sogar schlecht. Aber das Verantwortungsbewusstsein in Person. Man kann sich immer mal vertun, aber der hat mich umgehend überzeugt, dass er sich eher eine Tasche zum Reinreihern häkeln würde, bevor er das Auto in Mitleidenschaft zieht. Er hat mir gesagt, dass er sich nur gerne an die Scheibe lehnen würde, aber eine Mütze aufhätte, und sie deshalb nicht verschmieren würde. Die Scheibe nicht verschmieren! Der Kerl hat mit dem einen Satz 80% der Normalkundschaft hinter sich gelassen. Aus irgendeinem Grund sind Taxischeiben ja besonders anziehend für die Fahrgäste. Würde man die Scheiben mal ein Jahr nicht waschen, würde man die Fingerabdrücke und DNA-Spuren einer mittleren Kleinstadt mit sich rumfahren. Und ausgerechnet einer, der mit „Mir ist schlecht!“ das Gespräch beginnt, achtet darauf. Noch dazu Dorfis, die zum Feiern in der Stadt waren …

Am Ende hab ich mit den dreien großzügig scherzend übers Ins-Taxi-kotzen gelästert, tatsächlich vernünftigen Gesprächen gelauscht und zuletzt einen Fünfziger bekommen, auf den ich nicht einmal mehr etwas rausgeben musste.

Was der Kollege für eine Tour bekommen hat, weiß ich natürlich nicht. Aber ich hab arge Zweifel an der Theorie, dass sie besser war.

11 Kommentare bis “Das tägliche Lotto”

  1. hrururur sagt:

    Nix gegen Dorfis! Wir kommen morgens mit dem ersten Bus nach Hause, kotzen in den Busch an der Einfahrt und melken die Kühe, bevor wir in’s Bett fallen!

  2. Sash sagt:

    @hrhrurur:
    Das glaube ich gerne. Aber in der Stadt verhalten sich viele bekloppt. Wie vermutlich die Städter auf dem Land auch.

  3. hrururur sagt:

    Dorfis verhalten sich im eigenen Dorf nicht bekloppt, das wüsste ja sofort jeder… Aber ansonsten verhalten sich alle überall komisch

  4. Cliff McLane sagt:

    @hr……:
    > bevor wir in’s Bett fallen
    Hat ein Kumpel von mir nicht ganz geschafft. Nur bis zur Gartenbank. Aber: Schuhe, Socken und Hose ausgezogen und übern Gartenzaun gehängt bzw. ordentlich davor gestellt. Vater entdeckt das später am Vormittag und macht erst ein Beweisfoto, bevor er Sohnemann aufweckt. Ich hab‘ noch einen Abzug* davon.

    *: „Abzug“ nannte man die nicht-digitale Kopie eines Fotos. Großeltern fragen!

  5. hrururur sagt:

    @Cliff: Sowas haben wir doch alle schon mal gemacht, oder nicht? Also in der Art. Egal ob Stadt oder Land.

    Was aber auffällt, finde ich: Landjugend erlebt die großen Abenteuer beim Treckerfahren, Stadtjugend in der Ubahn. Ich wohn ja genau dazwischen, hab eine Stadt- und eine Landclique und beides mitgemacht(allerdings mit mehr Land). Ich finde es total unterhaltsam, wenn ich jemanden erst ein paar Wochen kenne und das Thema irgendwie auf „wo kommstn du so her“ kommt und man irgendwie „Jaja, damals in der Jugend. Mitm Trecker und so“ einfließen lässt und verschwörerisch guckt. Dann gibt es genau zwei Varianten. Einmal „WTF???“ Und einmal „*schiefer Blick*Wann war ich denn so besoffen, dass ich dir davon erzählt hab???“. Ich könnte mich jedes Mal nassmachen. Jugend auf’m Dorf kann man verstecken, aber nicht verleugnen. Auch ohne landwirtschaftlichen Background. Dorf bleibt Dorf. Ich liebe das.

  6. Cliff McLane sagt:

    @Sash:
    > Jugend auf’m Dorf kann man verstecken, aber nicht verleugnen. Auch ohne landwirtschaftlichen Background. Dorf bleibt Dorf. Ich liebe das.

    me too. check.

  7. hrururur sagt:

    Das war doch gar nicht Sash

  8. Sash sagt:

    @hrhrurur:
    Ach, ich komme aus Stuttgart. Das zählt. 😉

  9. hrururur sagt:

    Ich war da noch nie. Kann ich nicht beurteilen. Aber muss sehr hässlich sein, wenn du Berlin vorziehst 😛

  10. SaltyCat sagt:

    @hru: definitiv steht man in Stuttgart länger im Stau.

  11. Sash sagt:

    @hrhrurur:
    Naja, mein Hauptgrund war ja nun weniger die Stadt … 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: