Ein Auto ist wie das andere …

Das kann man als Autofahrer immer ein bisschen sagen. Wo sich Licht und Scheibenwischer finden, variiert nur bedingt und wenn wir zum Antrieb oder Steuern kommen, sind mir wirklich wenige innovative Konzepte bekannt. Nicht ohne Grund stellt es Führerscheinbesitzer nicht wirklich vor eine große Aufgabe, sich ein Auto auszuleihen und damit irgendwwo hin zu fahren. Ein bisschen schwieriger isses für mich als Taxifahrer, weil ich gleich ein paar Stunden in der Kiste sitzen muss, gewisse Auflagen habe und gewisses Equipment.

Und nun musste ich die Kiste wegen des Ausfalls der 72 wechseln.

Und ausnahmsweise auch mal auf ein anderes Automodell – den VW Touran. Meine Chefs hatten mal eine Phase, wo sie die als gute Alternative zu den meist gekauften Zafiras gesehen haben – was sich (glücklicherweise, wie ich nach der Nacht sagen muss) inzwischen wieder geändert hat.

Der Touran hat Vorteile, keine Frage. Im Gegensatz zu Opel schafft VW es nämlich, Erdgasmotoren mit Automatikgetrieben zu verbinden – was die Fahrzeuge gegenüber den Zafiras unter Fahrern recht beliebt macht. Außerdem haben die bei uns in der Firma keine Zusatzsitze, was viele Fahrer auch total toll finden, weil große Gruppen ja so nervig sind.

Ähm ja …

Das is‘ jetzt halt leider so ein bisschen überhaupt nicht meine Prioritätensetzung. Nach 7 Jahren mal wieder einen Automatikwagen zu fahren ist ja ganz nett, aber große Begeisterungsstürme löste das bei mir einfach nicht aus. Und auf Großraumtouren zu verzichten ist für mich ein Manko, kein Vorteil. Außerdem: im Vergleich zu den Zafiras war dieser Touran jetzt echt eine Katastrophe. Nicht einmal technisch. Er war deutlich jünger, besser in Schuss als die 72, aber das glich nicht wirklich irgendwas aus. Zum einen sitze ich zu hoch in dem Auto. Ich passe rein, aber im Gegensatz zum Zafira nervt mich beispielsweise der Innenspiegel, weil er einen großen Teil meines Gesichtsfeldes einnimmt. Und meinem Rücken nach ist das Auto insgesamt nicht sonderlich gut auf mich ausgelegt. Dann die Ablageflächen!
Natürlich hab ich das Zeug, das ich so mit mir rumschleppe, inzwischen an einen Zafira angepasst, aber daran kann ich jetzt binnen einer Nacht nichts ändern. Die Trinkflasche musste ich irgendwo neben’s Portemonaie verkeilen, wo sie fast unzugänglich war, für den Handyakku war gar kein guter Platz zu finden und das kleine praktische Ablagefach in der Mittelkonsole war allenfalls eine fiese Erinnerung daran, dass das Auto nicht einmal ein eingebautes Navi hat. Dazu hinter mir weniger Platz im Fond, ein schwerer vorzurückender Beifahrersitz … ich hab nach einer Weile angenommen, die Kiste habe das Automatikgetriebe nur, um hier im Blogeintrag wenigstens einen Pluspunkt zu bekommen. Wobei ich zugegebenermaßen wenig dazu gekommen bin, an der Stereoanlage zumzuprobieren, vielleicht ist da ja noch ein Pluspunkt drin.

Da mir ein Kollege vor Ort den Schlüssel leihen konnte, hab ich mir ein bisschen Bahnfahren gespart und zudem ein paar völlig anders als bei mir im Auto angeordnete Schalter erklärt bekommen. Vielen Dank dafür!

Wofür mir dann aber leider wirklich wenig Dank bleibt, ist der miserable Sauberkeitszustand des Wagens gewesen. Und ich setze auf dem Gebiet gewiss keine neuen Standards …

Meine Chefs haben mir angeboten, wenn ich will, öfter oder gar regelmäßig auf den Wagen zurückzugreifen. Ich schätze, da werde ich wohl ablehnen. Obwohl es ein Automatik ist, obwohl er verkehrsgünstig steht und satte 145.000 Kilometer weniger auf dem Buckel hat als die 72.

Verzögerungen im Betriebsablauf

Eigentlich hätte ich die heutige Nacht ja wenigstens zu Teilen im Taxi verbringen sollen und eventuell eine nette Story für den Blog rausholen, aber daraus ist nix geworden. Mein Tagfahrer hat mir schon gesagt, dass das Auto „Jeräusche macht, dit haste noch nich‘ jehört“. Da war nach meiner Überprüfung durchaus ein bisschen was dran, denn von meinem Taxi hatte ich solche Geräusche wirklich noch nicht gehört. Allerdings waren sie sehr gut vergleichbar mit dem Sound alter Rennspiele auf dem Atari z.B.

Und „retro“ in allen Ehren: dass da was nicht stimmt, liegt auf der Hand. Nun wird das Auto heute nochmal einen Werkstattbesuch absolvieren und eventuell kriege ich einen Ersatzwagen. Wobei ich auch erst nachfragen muss, ob einer verfügbar ist. Wobei ich damit bei Nachtschichten bessere Chancen hab als ein Tagfahrer.

Alles in allem ist das mit der Arbeit dieses Wochenende also noch ein wenig unsicher, aber ich bin mal guter Dinge. Darüber, was nun das Problem bei der 72 war, werde ich Euch natürlich auf dem Laufenden halten – aber dass es irgendwas mit Kupplung und/oder Getriebe zu tun hat, kann ich schon mal als heißen Tipp abgeben.

Der ADAC-Taxi-Test 2014

oder: alles bleibt wie es war

Als wäre es nicht schon unfair, dass zwei Stubenfliegen im Kampfmodus mich vom Schlafen abhalten, hat der ADAC auch mal wieder einen Taxi-Test in Deutschland in Angriff genommen und die Ergebnisse heute veröffentlicht.

Nicht nur bleibt der ADAC sich selbst treu und liefert eine unfassbar grotesk verschachtelte Testauswertung ab – auch die Ergebnisse sind gelinde gesagt erwartbar gewesen. „Über Wohl und Wehe“ entscheide der Fahrer und zwischen einigen spektakulären Verfehlungen ist insgesamt doch auch einiges eigentlich ganz gut. Am Ende sind wir besser als unser Ruf, aber auch der wird wieder fleißig beim Test mitbearbeitet, indem die lustigsten Verfehlungen besonders ausführlich erzählt werden.

Natürlich ist der Test nicht per se unsinnig. Nach wie vor werden dort wichtige Probleme des Gewerbes angesprochen. Und dass der ADAC sich dabei (ebenso wie andere) manchmal methodisch verrennt, macht das Kommentieren ja auch immer wieder aufs Neue lustig.

Ich will’s heute nicht übertreiben, aber neben sinnvollen Forderungen wie mehr Kontrollen werden auch dieses Mal wieder die lustigsten Schlussfolgerungen gezogen wie beispielsweise die Vereinheitlichung der Tarife. Da kann man sich beim ADAC drauf verlassen, das finden die total dufte. Gut, mit etwas Ahnung fragt man sich vielleicht, wie ein Cuxhavener die Taxi-Tarife von München bezahlen will oder wie ein Münchner Taxifahrer von den Tarifen in Cuxhaven leben soll. Aber beim ADAC denkt man halt wie jedes Mal ganz groß.

Daneben sind meine persönlichen Highlights aus allen Kategorien:

  1. Unangefochten auf Platz 1 steht wie immer der Punktabzug für den fehlenden Fahrerausweis in Berlin, der schon bei den letzten paar Tests nicht mehr vorgeschrieben war, den der ADAC aber offenbar sehr mag.
  2. Der Stuttgarter Fahrer, der als Sehenswürdigkeit ein Bordell empfahl. Großartig!
  3. Punktabzüge für nicht erfolgte Restaurantempfehlungen. Wer das nicht versteht, empfehle mir doch mal einen schönen Strand. Aber einen, der mir auch gefällt, bitte!
  4. Der Fahrer in Frankfurt, der während der Fahrt den Fernseher (!) nicht leiser stellen wollte, „weil dann das Bild weggeht“. Kannste Dir nicht ausdenken!

Entsprechend des nur schwer zu interpretierenden Fazits berichten die Medien über den Test auch ungefähr das, was sie gerade eh berichten wollten. Ob jetzt „Bei fast allen Taxifahrten läuft etwas schief“ (SpiegelOnline) oder „Taxifahrten in Deutschland meistens gut“ (FAZ.net).

Da auf negative Berichte schon wieder Uber-Gläubige hämisch Beweise für ihre Thesen sehen und da selbst der ADAC im Test nicht an Verweisen auf neue Anbieter spart: durchsucht mal die amerikanischen Medien und Fahrerforen. Das was hier in Taxis an mangelndem Service übriggeblieben ist (und weswegen wir nach mehr und nicht nach weniger Kontrollen ob der Einhaltung der Regulierungen schreien) – das ist ein Automatismus, der nach ein paar Monaten Hype überall eintritt. Vor allem im Dienstleistungs-, vor allem im Niedriglohnbereich. Wird halt ohne Regeln nur noch lustiger …


Naja, ich jedenfalls danke dem ADAC für die Aufrechterhaltung des Rituals und vergebe ein +.

Herr Taxifahrer

Meine bessere Hälfte fand es zumindest zu Beginn meiner Tätigkeit ziemlich lustig, dass Kunden mich oft mit „Herr Taxifahrer“ ansprechen. Was ein wenig verständlich ist, denn für jemanden, den man kennt, ist das schon eine komische Bezeichnung. Für die Kunden ist es, so lange sie meinen Namen nicht kennen, natürlich naheliegend. Selbst ich aber musste grinsen, als eine Kundin neulich das Gespräch wie folgt anfing:

„Sie, Herr Taxifahrer? Äh, … wäre es ok, wenn ich ‚Du, Herr Taxifahrer‘ sagen würde?“

Da wird’s dann wirklich absurd. 🙂

Der Uber-Uber-Artikel

Die aktuelle Debatte über den Fahrdienst-App-Anbieter Uber ist ein gutes Beispiel dafür, wie Vernunft im Keim erstickt werden kann, wenn die Ressourcen zu ihren Ungunsten ungleich verteilt sind. Und damit ist nicht einmal die gigantische Summe von 18 Mrd US-Dollar gemeint, die Uber angeblich wert sein soll. Obwohl die sicherlich hilfreich ist für die Firma. Denn damit kann sie den Hype am Leben erhalten, der dank PR die einzige wirkliche Stärke in ihrem Kampf ist. Nicht unähnlich einer Sekte, die mit absurden Heilsversprechen durch außerirdische Götter hausieren geht. Eigentlich nur eine App, ein schmuckes Design und viel Lust auf Grenzverletzungen. Im Grunde nichts, was nicht tausende Hinterhof-Schmieden im Koksrausch auch hätten machen können.

Die Anhänger rufen laut, man möge Innovationen nicht verbieten, dabei war Uber nur genau einmal in der Firmengeschichte tatsächlich kreativ: als sie in San Francisco einen Limousinendienst angeboten haben. In einer Stadt mit offenbar unzureichender Taxiflotte haben sie den jungen Hipstern ein neues Spielzeug geboten und haben vermutlich nicht zu Unrecht Erfolg damit gehabt. Die heute so bewunderte Expansion und das „innovative“ Konzept von UberPop sind indes nur ein Schatten ihrerselbst.

In den New Yorker Taximarkt wollte Uber eigentlich mit einer ganz normalen Taxi-App eindringen, wie sie dort GetTaxi einzuführen vorhatte. Statt das in der Eile sinnvoll zu planen, bot Uber die App den Yellow-Cabs an, die noch nie Bestellungen angenommen haben und dies auch nicht vorhatten. Dabei existieren in New York andere Fahrdienste, die so eine App vielleicht hätten gebrauchen können. Aber nicht mit Uber! Sie wollten die Yellow-Cabs und schoben ihr Scheitern auf eine innovationsfeindliche Branche. Sie brachen den Versuch ab und schmissen auch hier einfach ein paar UberBlack-Limousinen auf den Markt, beileibe kein neuartiger Dienst, schon gar nicht in NYC.

Dann stand Lyft kurz davor, eine lohnendere Variante einer Mitfahrzentrale auf den Weg zu bringen. Ubers Programmierer warfen einen offenbar nicht einmal sonderlich guten Abklatsch dieser Idee – vermutlich auch hier weil in Eile zusammengeschrieben – ein paar Wochen vor Lyft raus und nannten es UberX. Woraus in Europa dann UberPop werden sollte.

Natürlich verletzten sie mit einer App, die ungeschulten Fahrern ohne Lizenz oder Ausbildung die Personenbeförderung erlaubt, etliche Gesetze. Sie wurden hier und da verboten und überall wo sie auftauchten, haben sie auch Prozesse am Hals. Selbst die vermeintlichen Erfolge sehen bei gezielter Recherche schnell dünn aus. In NYC z.B. ist UberPop (also UberX) vertreten, allerdings müssen die Fahrer dort inzwischen auch eine Limousinen-Lizenz erwerben. Ein Kompromiss und ganz sicher kein waghalsiges Niederringen einer Branche, geschweige denn eine große Neuerung.

Ubers aggressive Expansionsstrategie brachte sie schnell nach Europa, wo ihre Innovation im Wesentlichen daraus bestand, mit Geldscheinen zu wedeln. Zwar wurden die Sprecher auch hier nicht müde, die Taxibranche zu beschimpfen und „verkrustete“ und „überholte“ Gesetze anzuprangern, wo immer man ein Mikrofon fand, allerdings ist auffällig dabei, dass sie nicht etwa tatsächlich an den vorhandenen Hürden ins Gewerbe gescheitert wären – sie haben es schlicht nie versucht. Die Gesetze in Deutschland sehen Ausnahmen für neue Technologien und Angebote vor. Kein Fall, für den man nicht eine Genehmigung beantragen hätte können. Was Uber aber soweit bekannt nie getan hat. Stattdessen haben sie sämtliche Arbeit in die PR gesteckt und irgendwelche Taxi-Kartelle erfunden, die die Taxifahrer in Deutschland heute noch vergeblich suchen. Aus dem erwartbaren Gegenwind der Branche und der Politik ließ sich dann das tolle Märchen weiterspinnen vom kleinen Startup, das an einer Politik scheitert, die ewiggestrig ist. Sicher hätten sie mit ihren Anträgen scheitern können, aber die Begründungen der Gerichte wären vermutlich inhaltlich zu kompliziert gewesen, um sie einfach in die Legende einzubauen.

Und überhaupt: die Taxifahrer! Während Uber vor geneigtem Publikum gerne verkündet, mit „einem Arschloch namens Taxi“ Krieg zu führen, ist das ein beim zweiten Hinsehen mehr als billiger Trick. Uber hat gar kein Interesse an einem deregulierten Taxigewerbe. Es müsste ihnen gut in den Kram passen, dass Taxen reglementiert sind, weil es Uber die Konkurrenz erleichtert. Wenn Uber in der gewerblichen Personenbeförderung eine Rolle spielen will, dann als Mietwagendienst. Der unterliegt weit weniger strengen Bestimmungen, aber das macht sich schlecht als Feindbild, denn wer kennt denn bitte überhaupt Mietwagen oder hatte in einem solchen mal eine schlechte Erfahrung, die Uber nun für sich verwenden könnte? (Und wie viele davon wären UberBlacks gewesen, mit denen Uber seit Anfang 2013 in Berlin erfolglos ist?)

Taxifahrer kennt jeder – und da das Gewerbe immer schon auch Schattenseiten hatte, hält es als Sündenbock halt gut her.
Was auch auf andere Weise kurios ist, denn Uber kämpft PR-mäßig an vielen, sich widersprechenden Fronten. Zum einen der Krieg gegen Taxis, der Kampf gegen die Taxi- und Mietwagenregulierungen und nicht zuletzt behaupten sie zusätzlich (!), dass sie ja gar nichts mit diesem Gewerbe zu tun haben, weil sie nur eine Art Mitfahrzentrale sind. Was zwar dreist gelogen ist wie vieles andere, aber darauf kommt’s nicht mehr an. Selbst manche Berichte über ihre Einnahmen sind bestenfalls ein wenig unglaubwürdig, wenn man mal ein bisschen nachrechnet.

Eine Mitfahrzentrale ist man, wenn die Fahrer Leute mitnehmen, die sowieso in die selbe Richtung wollen und sich dafür ein wenig Spritgeld zahlen lassen. UberPop verspricht seinen Fahrern ein Einkommen von 100 € am Tag und vermittelt entsprechende Aufträge. Und wenn man sich wie ich als Taxifahrer ein bisschen näher mit dem Thema auskennt, dann weiß man, dass 100 € in der Personenbeförderung ein ansehnlicher Betrag ist, für den man ein ganzes Weilchen arbeiten muss; nix, was man mit 2 oder 3 Fahrten in einer Stunde mal locker nebenbei einfährt.

Aber da ist das nächste Problem: das Wissen. Das ist recht nutzlos, wenn es dem Glauben gegenüber steht. Jeder, der schon mal eine (in welcher Art auch immer) schlechte Taxifahrt hatte, jubelt Uber nun zu und wünscht den Siegeszug jener „innovativen“ App. Wie sich das damit vertragen soll, dass Uber die Qualität im Gewerbe ausgerechnet dadurch verbessern soll, dass die paar qualitätssichernden Regularien abgeschafft werden, interessiert Gläubige nicht. Und meine Meinung als Taxifahrer mit entsprechendem Wissen zählt natürlich ebensowenig, weil ich ja der Feind von Uber und damit per se unglaubwürdig bin. Hier kommen Argumentationsmuster zum Vorschein, die denen von Verschwörungstheoretikern nicht unähnlich sind.

Faktenresistent wird dabei darüber hinweggesehen, dass UberPop – angeblich ja nette Mitfahrzentrale eines kleinen lieben und von Kartellen bedrohten Startups – beileibe nicht billiger ist als ein Taxi. Sicher, hier und da mal 20% – was jedoch nix ist gegen das „Surge Pricing“, das bei hoher Nachfrage die Fahrer auf die Straße locken soll, weil der Preis vervielfacht wird. Vervielfacht, nicht etwa moderat erhöht! Die Frage, wieso knuffiges Ressourcenteilen so viel kosten muss wie professionelle Personenbeförderung, geht im „Armes Uber, böse Taxifahrer!“-Geschrei natürlich unter. Da wird der Raubtierkapitalismus plötzlich zum Schmusetier, weil irgendwann mal einer der letzten Taxifahrer ein Arschloch war. Dass Uber, würden sie alle Gesetze zu Gunsten UberPops einreissen, auch Mitbewerbern Tür und Tor öffnen würde, denen dann wirklich alles scheißegal ist, ist natürlich auch nur eine düstere Dystopie, die ich als Taxifahrer ungerechtfertigt aus Angst um mein Geld in die Welt setze und nicht etwa, weil das zum einen auf jedem komplett deregulierten Markt passiert und ich zum anderen aus mehrjähriger Erfahrung weiß, wie schwer es in diesem Gewerbe ist, irgendwelche qualitätssichernden Regeln auch nur durchzusetzen.

Und als ob das nicht schon ein viel zu langer Text wäre, den kaum jemand bis hierhin durchlesen wollte, ist der wichtigste Punkt noch überhaupt nicht angeschnitten: dass das Kernkonzept von UberPop darin besteht, Menschen auf die Straße zu schicken, die weder ein Gewerbe angemeldet haben, noch bei Uber beschäftigt sind. Die Fahrer werden abgespeist mit einem allem Anschein nach sittenwidrigen Vertrag, der ihnen quasi alle Rechte nimmt, und sind damit nicht einmal Angestellte. Wer es versäumt, oder – was wahrscheinlicher ist – sich absichtlich dagegen entscheidet, ein Gewerbe anzumelden und dort die Gewinne seiner Tätigkeit abzurechnen, arbeitet schwarz. Nicht dunkelgrau oder ein bisschen schwarz – sondern zweifelsfrei.
Und tatsächlich wird aber nicht etwa darüber diskutiert, dass sich da einige im Grunde bedauernswerte Gesellen fremde Leute ins eigene Auto laden, damit oft ihre Versicherung riskieren und am Ende im kargen Niedriglohnbereich (Tja, keine Angestellten, kein Mindestlohn!) Sklaven ohne Rechte spielen, ohne dabei ihr Einkommen zu versteuern oder wenigstens in die Sozialkassen einzuzahlen. Nein, die Profis unter den Gläubigen sagen, dass das „vielleicht schon etwas schlecht“ sei, „aber mit Mindestlohn und Steuern“ wäre es voll dufte. Klar, ein Banküberfall mit Bankkarte statt Pistole und Zugriff nur aufs eigene Konto ist auch voll in Ordnung. Aber bei UberPop ist diese lockere Anbindung das Konzept, darum geht’s hier! Nicht darum, was UberPop vielleicht sein könnte, wenn es anders wäre. Etwas, das überall geächtet und als gesellschaftliches Problem anerkannt ist, wird bei Uber ruck-zuck zu einer leider unterdrückten Innovation erklärt.
Etwas, das vermutlich wirklich nur mit einer Milliarden-Propagandakasse erklärt werden kann.

Natürlich bin ich in meiner Position als Taxifahrer befangen. Man wird mir zumindest immer vorwerfen können, dass es mir eigentlich nur um meine eigene Kohle geht bei der Sache. Nichtsdestotrotz habe ich auch einfach Ahnung vom Geschäft:

Ich weiß, dass es zumindest hier in Berlin kein Taxi-Kartell gibt. Hier bekriegen sich 5 oder 6 Gewerbevertretungen gegenseitig und liegen zudem im Clinch mit dem LABO und dem Gewerbe in den umliegenden Gemeinden. Und in den Gewerbevertretungen sind tausende (ja, tausende – in Berlin alleine!) Unternehmen unterschiedlichster Meinung organisiert.

Ich weiß, dass wir Taxifahrer nie ohne Konkurrenz waren – egal ob seitens der Mietwagen, dem Carsharing, Bus und Bahn, dem Privat-PKW oder am Ende durch uns selbst.

Ich hab schon schwer schlucken müssen, als ich gelesen hab, dass Uber für die Vermittlung 20% Provision kassiert, weil ich weiß, dass man nach so einem Abzug einfach beschissen wenig Geld verdient, so lange man es wenigstens legal meldet. Die anderen Abzüge, die Uber hier und da darüber hinaus einführt, mal gar nicht einberechnet.

Auch über die uns vorgeworfenen festen Preise wüsste ich zu referieren, dass sie zum einen dafür sorgen, dass Taxifahren nicht noch teurer ist als ohnehin. Und noch dazu, dass Uber das gar nicht stören muss, weil sie ja sowieso keine Taxis im Sinne öffentlicher Verkehrsmittel (wie wir es sind) anbieten will und damit natürlich auch nicht der Tarifpflicht nicht unterliegt. Wir sind die, die weiter für 15 € fahren müssen, wenn bei Uber 120 € angesagt sind. Und laut Uber-Kunden sind wir dafür immerhin auch gut genug. Messen mit zweierlei Maß made bei Uber-Fans.

Und mir fallen ebenso für all die Gerüchte über unsere Einnahmen, unsere Auslastung und das, was Uber da reissen könnte, zig Gegenargumente ein, warum genau dieses oder jenes nicht oder nur teilweise stimmt. Einfach weil das seit 5 Jahren als Taxifahrer und Taxiblogger mein Leben ist.

Aber das alles hat ein großes Problem: es beschreibt eine komplizierte rechtliche und gesellschaftliche Situation, die nicht ganz so sexy wie die David-gegen-Goliath-Geschichte ist, die Uber frei erfindet und unter den Gläubigen streut.

Wie bei anderen Religionen scheint es ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Ich kann nur immer wieder sagen, dass man sich selbst informieren sollte, bevor man die einfachste Lösung akzeptiert. Aber das ist halt kompliziert und der große Schwarm der Leute, der weder Zeit noch Lust hat, einen Mythos zu entzaubern, weil es ja immerhin eine Flasche Wasser gratis gibt, schwimmt halt mit im Strom der 18 Milliarden Argumente. Da strampelt man sich mit einem Zehner Stundenlohn ziemlich ab um dagegenzuhalten. Wohl dem, der keine Ahnung hat; denn das ist weit weniger anstrengend …


Nachtrag: Seht Euch die USA an, schaut in die Foren der Fahrer! Lest mal, wie die abgezockt und ignoriert werden! Obwohl Selbstausbeutung via selbständigem Drittjob dort viel akzeptierter ist als hier. Und auch wie die Fahrer dort über Kunden und ihren Service denken. Wo ist das gehypte Kuschel-Startup mit den ach so viel besseren Bedingungen? Zuschläge für hinterlistig konzipierte und beinahe nutzlose Versicherungen, willkürliche Preissenkungen, jetzt dann Miete für ein nur für die App nutzbares Telefon usw. usf. … da bleibt kein lustiges Shareconomie-Märchen am Ende. Die ziehen Geld aus jedem Cent von jedem, der ihnen über den Weg läuft. Moral hingegen kostet Geld, ist also unnötig. Wenn wir Taxifahrer schon Monopole und ein Kartell haben, was baut Uber da gerade auf? Gibt’s dafür schon einen Namen?

Never

„Could you bring us to the Berghain?“

Nicht wirklich das, was man sich als am Ostbahnhof wartender Taxifahrer verspricht. Aber mal ganz abgesehen von Beförderungspflicht und so sahen die beiden auch etwas verwirrt aus. Jetzt nicht die drogeninduzierte Verwirrtheit, die man von manchen Clubbesuchern kennt, sondern fast schon Verzweiflung.

„We, we know that it’s not far, must be somewhere here, but on our maps the street doesn’t exist …“

Und sie wedelten mit einem Stadtplan, der langsam Benutzungsspuren aufwies wie meiner beim Lernen auf die Ortskundeprüfung damals. Nachdem sie versichert hatten, dass sie es nicht nochmal mit Laufen versuchen wollten, bin ich kurz rüber gefahren. Ob sie das erste Mal in Berlin seien, wollte ich wissen.

„Oh, no! I’ve been here eight times. And for him it’s the sixth time! But not to the Berghain yet.“

Da es zum Berghain ja kaum länger dauert als diese Sätze ausgesprochen werden, rollten wir ran und die Schlange war für einen Sonntag beeindruckend. Ich hätte auch nicht gedacht, dass so viel los wäre dort.

„Oh my god!“

Die beiden baten mich zu warten und kamen überein:

„No. We and the Berghain – that will never happen, I guess.“

Also einmal im Kreis und dann runter zum Watergate. Immer noch keine sonderlich lange Tour, aber mit am Ende 8,60 € immerhin eine der längsten vom Ostbahnhof zum Watergate. Mit Trinkgeld ein Zehner. Und wieder ein Grund mehr, keine kurzen Touren abzulehnen

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Ich als Taxiblogger

Habe ich schon mal gesagt, dass ich das Internet liebe?

Ja, natürlich. Aber ich bin ja auch in einer komischen Situation: ausgerechnet, dass ich das Schreiben als Hobby (genau genommen als freiberufliche Nebentätigkeit) habe, sorgt für Kundschaft in meinem Hauptjob. Und das auf oft so kuriosen Umwegen …

Als ich neulich in Friedrichshain umherfuhr, eigentlich in der Hoffnung auf eine Kippenpause nach mehreren Winkern, klingelte mein Telefon. Die meisten Menschen finden das vielleicht normal, bei mir ist das nicht so. Ich bin ein ausgesprochener Telefonmuffel und schätze, dass ich nur ungefähr 10 bis 15 Anrufe im Monat bekomme. Wenn nicht weniger.
Und nun auch noch eine unbekannte Nummer. „Na gut, das schreit geradezu nach Lesertour!“, dachte ich mir und ging mal ran, nachdem ich rechts rangefahren war. Eine Frauenstimme verkündete, Mischa hätte ihr gesagt, sie solle doch mal mich anrufen. Aha.

Nein, im Ernst: der Name hat mir was gesagt. Obwohl die einzige Fahrt mit ihm an Bord 2011 stattfand (die Fahrt mit der „Diskutierband“ Rubicon), gab es seitdem ein oder zwei Anfragen von ihm, der Inbegriff der entferntesten Bekanntschaft. Aber dennoch hatte er an mich gedacht. Sehr nett, danke!

Wie der Zufall so wollte, war es eine Fahrt von Kreuzberg aus, nicht allzu weit weg. Eine ganze Stange junger Frauen, ein Großraumauftrag unproblematischster Art mit netten Gesprächen und – wie ich hoffe – Zufriedenheit auf allen Seiten. Ein Zwischenstopp, ansonsten kürzeste Route, und am Ende einmal Händeschütteln mit dem Initiator der Fahrt, der meinen Tracker genutzt hatte, um zu sehen, wann ich die Mädels aufpicke. So gut passt es leider nur selten zwischen Lesern und mir, meistens bin ich ja außer Dienst oder wenigstens am anderen Ende der Stadt bei solchen Anfragen.

Dank meiner Gesichtsblindheit hätte ich Mischa mit ungewohnt kurzen Haaren sicher auf der Straße nicht erkannt, aber das ist bei so einer Fahrt ja glücklicherweise egal. 🙂

Am Ende stand folgende Frage:

„Ich hoffe, Du hast anständig Trinkgeld gegeben?“

Ich sprang ein:

„Ja, hat sie!“

Und sie wiederum war sich unsicher:

„Jetzt, so gesagt, also eigentlich glaube ich, dass ich das nicht getan habe …“

Ach herrje! Ja, zugegeben: das Trinkgeld lag unter meinem Durchschnitt. Aber es war ok, ausreichend, gut, in Ordnung, alles bestens. Ehrlich!
Für mich als Taxiblogger ist das Trinkgeld manchmal auch einfach nur eine Fahrt, bei der ich weiß, dass sie super wird und mir nicht wegen diesem oder jenem Sorgen machen muss, weil ich die Leute nicht einschätzen kann. Und das ist bisweilen mehr wert als ein Euro extra, wirklich! 🙂