Alles eine Frage des Blickwinkels

Kommen wir nun zur Außenseitermeinung der Woche. Ein schwedischer Tourist bemerkte – leicht im Widerspruch zur mehrheitlichen Meinung in Deutschland – über Berlin:

„Man, I can’t believe, how fucking clean this city is!“

Hängt vermutlich auch ein wenig davon ab, wo man sich so rumtreibt. 😉

Donnerndes

Ich hab gerade ehrlich gesagt nicht mehr die Fitness, eine meiner Taxigeschichten niederzuschreiben. Was auch daran liegen könnte, dass ich heute aus dem Bett gedonnert wurde. Was es damit auf sich hatte, hab ich drüben in meinem privaten Blog niedergeschrieben:

Aus dem Bett gedonnert

Guter Anfang …

So kann es gehen: Ich fuhr zu Schichtbeginn zum Sisyphos und fand mich erschreckend alleine dort wieder. Was aber kein Problem war, da ich sofort rangewunken wurde. Perfekt! Die Tour ging zum Berghain und war dank eines Bankbesuchs zwischendrin schon 15 € wert. Der Teil bis dahin wurde umgehend bezahlt, dann aber wollte einer der illusteren Truppe noch seine Klamotten wechseln.

Ich hab ihm ganz uneigennützig vorgeschlagen, doch gleich mit mir weiterzufahren, da das deutlich billiger sei, als gleich ein anderes Taxi zu nehmen. Mit Erfolg. Und wohin ging’s? Zum Markgrafendamm. Für die Ortsunkundigen: das ist vom Berghain aus etwa zwei Drittel der Strecke zum Sisyphos zurück …

Damit aber nicht genug. Ich sollte kurz draußen warten und dann wieder zum Berghain fahren. Eine nette Zickzacktour, die mich mit 25,80 € auf der Uhr direkt an einer meiner Lieblingshalten aufschlagen ließ. Perfekt! Da ja trotzdem immer irgendwas ist: dass ich die Tour in zwei Etappen bezahlt bekam, war nur so semilustig – zwei Fuffis bei der ersten Tour. -.-

Aber wer will sich schon ärgern, wenn dann am Berghain nicht einmal ein Kollege (!) steht und man umgehend bezahlt weiterfahren kann?

Ich sag’s gelegentlich zur Erdung der Mitlesenden: Leider ist das alles andere als normal in unserem Gewerbe. Aber wenn’s mal so läuft, entschädigt das für so manche flaue Stunde …

Arbeitseinstellungen

Nachdem ich es heute morgen bereits darüber hatte – eines muss ich doch wirklich mal mit einem fetten „WTF?“ kommentieren:

Während ich heute Nacht mit Kundschaft durch die City cruiste, fiel mir ein Aufkleber auf der Heckklappe eines anderen Taxis auf. Ich hab da „fährt mit Erdgas“ stehen, viele Kollegen haben dort Hinweise angebracht, dass nur der Fahrer die Klappe öffnen darf. Aber auf diesem Taxi stand in epischer Breite:

„Taxifahrer werden bezahlt, um Ihren A… sicher zu befördern, nicht um ihn zu küssen!“

Nur echt mit dem Auslassungszeichen! Wer wird denn hier „Arsch“ sagen!?

Mal im Ernst: Geht’s noch?

Es ist nicht so, dass ich der Aussage des Aufklebers nicht zustimmen könnte. Natürlich bieten wir eine Dienstleistung an, die – inklusive einiger Nebenleistungen – doch recht scharf umgrenzt ist, und dass wir uns von Kunden selbstverständlich nicht alles gefallen lassen müssen, bloß weil sie uns fürs Fahren bezahlen.

Aber wie frustriert bitte muss man von seinem Job sein, um ausgerechnet diesen Spruch für alle sichtbar spazieren zu fahren? Ist „Ick hab keen Bock, mir rumkommandier’n zu lass’n!“ wirklich das, was man potenziellen Kunden als erstes auf die Nase binden muss – auch wenn die gar keine Anstalten machen, sich daneben zu benehmen? Wie ungefähr 90 oder 95% der Leute. Nee, das kann’s doch echt nicht sein!

Und liebe Kollegen, die ihr das „doch nicht schlimm“ findet: Wie sehr mögt Ihr die Kunden, die einsteigen mit den Worten: „Nee, mach mal Zehner Festpreis, Ihr Taxifahrer zockt uns doch eh alle ab!“?

Vielen Dank …

Was ich am Taxifahren nach wie vor mag, ist die Kundennähe. Natürlich ist das nicht ausnahmslos schön und ich hab mich sehr amüsiert über Eure Kommentare zum gestern geposteten Artikel. Aber es gibt so lustige Dinge, die halt einfach im Taxi zumindest mal wesentlich öfter passieren als bei anderen Dienstleistungsjobs.

So hatte ich dieses Wochenende Holländer im Auto. Inklusive der fußballerisch begründeten guten Laune. Leicht angetrunken, vier Jungs – und sie wollten ins Matrix. Hätte vom Klientel her auch eine Horrorfahrt werden können. Stattdessen lief es so:

Ich fragte, wie ich ranfahren soll. Natürlich fahre ich die Fahrgäste grundsätzlich bis ans Ziel, aber wenn man von der Warschauer Straße aus in Richtung Matrix zielt, muss man (so man sich an die Verkehrsregeln hält) einen ziemlichen Umweg machen, der sich durch knapp 100 Meter Fußweg vermeiden lässt. Als ich das erklärt hatte, wollten sie auch wirklich bereits am Durchgang von der Warschauer aus rausgelassen werden. Nun denn. Bringt mir 1,20 € weniger, freute diese Kunden aber wirklich enorm.

„Darfen wir Dich ein Lied singen? Den kennst du sicher: Vielen Dank …“

Und die ganze Rückbank stimmte mit ein:

„… FÜR DIE BLUMEN! VIELEN DANK, WIE LIEB VON DIR!“

Und dann haben wir uns die letzten 3 Minuten darüber unterhalten, wie alt wir waren, als wir regelmäßig „Tom & Jerry“ im Fernsehen angeschaut haben.

Für mich als Nachtfahrer fast noch halbwegs normal. Fast noch. Halbwegs. Mein größter Spaß in dem Moment bestand darin, mir zu überlegen, wie das bei anderen Berufen aussehen mag: Der Chor für den Anwalt im Gerichtssaal, weil er eine geringere Bestrafung erstritten hat; das Gesinge in der Pizzaservice-Hotline, weil es heute zwei Extra-Zutaten zum Preis von einer gibt; und die Blicke des Bankberaters, wenn man so auf die Genehmigung eines Dispositionskredites reagiert.

Ja, manchmal bin selbst ich froh über den dreizeiligen Smalltalk, der distanzierend beim „Sie“ bleibt und einfach nur eine professionelle Dienstleistung abrundet. Dass das aber nicht der Grund ist, warum ich den Job mag und warum ich hier blogge, das ist vermutlich trotzdem recht einleuchtend …

Eins über Soll

Während ich z. B. dem Schichtumsatz eigentlich nie eine Grenze nach oben setze, versuche ich andere Dinge besonders selten vorkommen zu lassen oder einzuschränken. Ich versuche beispielsweise Umwege gering zu halten oder nehme nie mehr Personen mit, als mit meinem Fahrzeug erlaubt. Ebenso versuche ich, die Zahl ausgepackter Geschlechtsorgane auf ungefähr null zu halten. Wobei ich da in der letzten Reihe z.B. wirklich überhaupt keinen Einfluss drauf habe.

Nun hab ich’s letzte Schicht dann trotz besseren Wissens nicht aktiv unterbunden. Einfach weil ich dem angetrunkenen und nicht mehr auf der Höhe seiner sexuellen Leistungsfähigkeit befindlichen jungen Mann die Pein ersparen wollte, dass ich durchaus gesehen habe, was er da ungelenk zu verstecken suchte.
Seine Entblößung hatte auch nix mit meiner Wenigkeit zu tun, sondern eher mit seiner Freundin neben ihm. Man mag den beiden mangelnde Rücksicht bescheinigen, aber wenn ich ehrlich bin, hab ich als Taxifahrer schon viel schlimmeres gesehen als einen verstörten Typen, der sich seine Nudel beim Versuch einklemmt, mich nix sehen zu lassen.

Und bevor jetzt die Schreie kommen von wegen „Verunreinigung“ des Autos: da hab ich ein Auge drauf gehabt. Also währenddessen eher im übertragenen Sinne. Aber den Geräuschen nach war das wohl der erste Fall, wo der Mund einer alkoholisierten Dame mein Auto vor Verunreinigung bewahrt hat, statt eine solche herbeigeführt zu haben. Und über diese Ironie alleine kann ich mich schon genug amüsieren.

Abgesehen von der spärlichen Unterhaltung (man beachte: es gab dennoch eine!) war es eine angenehme und lange Tour und die beiden müssen jetzt im schlimmsten Fall (eines der wenigen Beispiele, in denen das Lesen von GNIT den worst case darstellt) damit leben, dass ich offenbar mehr über ihr Sexualleben weiß als ihnen lieb ist. Aber dafür haben sie mir auch die schöne Statistik bezüglich ausgepackter Geschlechtsteile versaut, da ist das nur fair.

Grüße in den Bezirk Tempelhof-Schöneberg an dieser Stelle! 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Botschaften, die einen das Gruseln lehren

Die recht begrenzte Kommunikation mit meinem Tagfahrer ist manchmal auch etwas kurios. Entweder ruft er mich an und fragt, ob ich heute auch wirklich fahre – oder er sagt mir, dass das Auto aus diesem oder jenem Grunde kaputt ist. Ansonsten läuft es so: wir schreiben uns ganz altmodisch Zettelchen, die wir im Auto hinterlegen. Der Kollege hat’s nicht so mit dem Internet, zumindest mal hat er keine eMail. Und auch mein einziger Versuch, ihm eine SMS zu senden, war irgendwie ergebnislos. Aber wir kommen schon klar und es ist jedes Mal schön, bei Schichtantritt einen Zettel vorzufinden. Meist steht dann nämlich drauf, dass er am nächsten Tag nicht fährt – was bedeutet, dass ich das Auto mit heimnehmen kann.

So im Grunde auch heute. Davor aber noch eine Notiz, die mich schlimmstes befürchten ließ:

„Hallo Sascha!
Sollen eine neue Kupplung haben.
Kommt mir ein bisschen komisch vor.“

Äh, what?

Nachdem ich dann ein paar Meter gefahren war, war mir aber klar, dass das wohl rein subjektiv war. Natürlich fuhr sich das Auto anders, aber das bin ich inzwischen gewohnt. Unser Mechaniker hat genau zwei Lieblingseinstellungen für neue Kupplungen: Einmal ist der Schleifpunkt 5 cm unter dem Bodenblech, ansonsten 5 cm über dem Pedal. 😉
Diesmal halt zweiteres. Hab’s mit der Routine langsam raus. Und den Wagen nicht einmal abgewürgt.