Viel Glück, liebe Uber-Fahrer!

Ich werde hier nicht nur noch mit Uber-Content um mich werfen, versprochen! Aber derzeit ist das ein heißes Thema im Taxigewerbe, also trage ich dem auch Rechnung.

Deswegen hier ein interessanter Link zu hr-online, deren Artikel vielleicht den ein oder anderen Interessierten davon abhalten könnte, sich als Uber-Fahrer sein Leben zu ruinieren. Und nein, es geht nicht darum, dass Angehörige eines ominösen aber angeblich existenten Taxi-Kartells einen zusammenschlagen:

hr-online.de – Uber-Fahrern droht der Ruin

Ich will nicht behaupten, dass ich alle Einzelheiten juristisch nachvollziehen kann. Aber ich weiß nun immerhin, weswegen ich meinen P-Schein gemacht habe: um nicht um mein Leben bangen zu müssen, falls bei mir im Taxi auch mal was schief läuft …

Besetzt

Gestern ist mir im Laufe der Debatte über Uber ein Kommentar von katapult aufgefallen. Ohne jetzt die ganze UberPop-Debatte nochmal zu wiederholen (Torsten kam mir zuvor. 😉 ) hat mich die Vorstellung davon, dass Uber sicher weniger Leerkilometer hätte als MsTaxi zuvor von ihrer letzten Nachtschicht berichtet hatte, fasziniert. Bei ihr waren das 49 Besetztkilometer von 121 insgesamt. War keine tolle Schicht, hat sie selbst auch geschrieben.
katapult setzte dann für Uber – sicher etwas vorschnell – 90% Besetztkilometer an, weil die ja effektiv ans nächste Auto vermitteln würden.

Nun ist das für Leute mit Ahnung vom Gewerbe natürlich als utopisch zu erkennen. Aber das ist ja genau so ein typischer Fall, wo sich andere Menschen – also auch Kunden – regelmäßig vertun: Sie haben eine unklare Datenlage, z.B. ihre letzte Fahrt oder auch mehrere; und rechnen das dann hoch. So landen manche auch bei der Einschätzung, wir verdienen 50 € in der Stunde: weil sie ja eben gerade in 20 Minuten für 20 € gefahren sind und der Sprit bei den paar Kilometern ja höchstens einen Zehner kostet … sehr grob vereinfacht. Aber manche rechnen wirklich so.

90% Besetztkilometer sind weder für Taxen, noch für Limousinen oder dergleichen auch nur annähernd erreichbar. Selbst wenn Uber statt einem illegalen MyTaxi-Klon etwas wirklich innovatives programmiert hätte, wäre an sowas im Traum nicht zu denken. Und die Begründung ist so simpel im großen Ganzen, wie sie im Detail kompliziert sein kann. Im großen Ganzen:

Wir sind Individualverkehr und die Kunden leben alle anders und nur bedingt berechenbar.

Ein klassisches, sehr modellhaftes Bild: Wenn ich Leute zu einem beginnenden Konzert fahre, werde ich dort vermutlich erst nach dessen Ende anderthalb bis vier Stunden später wieder Kundschaft haben, die heim will.

Ebenso ist z.B. zu meiner Arbeitszeit, am Wochenende nachts, in der Stadt viel Kundschaft unterwegs, aber ein nicht geringer Teil davon will in irgendwelche Außenbezirke nach Hause. Dann stehe ich da draußen in einem Wohngebiet, in dem ein Fenster erleuchtet ist: das meines Kunden eben, der bestimmt in den nächsten 48 Stunden kein Taxi mehr braucht. Natürlich gibt es dort immer wieder einzelne Fahrten – aber in der großen Masse müssen Taxen wieder in die City zurückfahren, um dort für die Kundschaft dazusein.

(Kleiner Tipp am Rande: wenn ihr nachts etwas weiter draußen ein Taxi nach noch weiter draußen braucht und schon mal loslauft – achtet auf den Gegenverkehr! Dort werden mit größerer Wahrscheinlichkeit freie Taxen fahren.)

Und derartiges gibt es am laufenden Band. Taxen müssen z.B. gelegentlich Tanken oder repariert werden. Alles Fahrten, die man ohne Kundschaft machen muss. Meist wohnen Taxifahrer auch nicht über einer Kneipe, sondern müssen erst einmal irgendwohin fahren. Überhaupt: selbst wenn es zahllose Taxen gibt: bei 90% Auslastung bedeutet das bei einer normalen Tour um die 5 km, dass man sowohl für die Anfahrt als auch die Abfahrt allerhöchstens 500 Meter fahren „dürfte“. Es gibt Gegenden, da findet man in dem Umkreis nicht einmal ein eingeschränktes Halteverbot. Geschweige denn einen Taxistand oder einen anderen Ort, wo man mit Kundschaft rechnen kann.

Ich hatte heute nacht zum Ende hin einen prima Lauf. Der Ostbahnhof war mir zu unsicher, die Schlange war mir zu lang, also bin ich mal losgefahren. 2 Kilometer leer. Dann Winker. 2 Kilometer etwa. Direkt am Ziel stiegen gleich wieder welche ein. Für nochmal 2 Kilometer. Dort das selbe: sofort eingestiegene Kundschaft. Mit einem Ziel in 5 Kilometern Entfernung. Perfekt! Aber das sind unter 90% Auslastung – noch gar nicht eingerechnet, dass ich zuvor bei der Tanke war und nach der letzten Tour 6 Kilometer bis zum Abstellplatz des Autos fahren musste.

Das mit eingerechnet war ich wieder bei unter 50% Auslastung. Und das ohne einen Umweg gefahren zu sein, der mich vielleicht näher an andere Kundschaft gebracht hätte.

Die Besetztkilometer notiere ich mir nicht gesondert. Auf den Abschreibern schon, aber für meine Statistik sind sie irrelevant. Am Ende kommt es darauf an, wie viel ich pro Kilometer verdient hab – und die Zahl hat nur indirekt damit zu tun. (kurze Fahrten sind z.B. pro km teurer)
Wenn ich schätzen müsste, liege ich auch bei 40 bis 50% mit Kundschaft an Bord. Das ist natürlich nur ein beispielhafter Wert. Schließlich arbeiten die Kollegen alle unterschiedlich. Da ich den Funk aushab, bekomme ich unterwegs sicher weniger Fahrten – andererseits fallen dafür Anfahrtswege und Fehlfahrten weg. Ich fahre gerne zu meinen Lieblingshalten in der Innenstadt zurück und dabei gerne Umwege, die erfahrungsgemäß bezüglich Winkern vielversprechend sind, andere Kollegen haben viel mehr und besser verteilte Halten oder Sektoren. Ich kann keine fürs Gewerbe gültige Durchschnittszahl nennen, aber ich bin mir 100%ig sicher, dass sie näher an 40% als an 90% liegt.
Um das zu erreichen, müssten die Kunden zu uns kommen und nicht umgekehrt. Und da sind wir dann bei dem, was man gemeinhin Linienverkehr nennt und mit Individualverkehr nicht viel gemein hat.

Und um nochmal auf Uber zurückzukommen: genau das Glück, das ich heute Nacht hatte, kann ein Uber-Fahrer nicht haben. Er mag unterwegs einen neuen Auftrag bekommen – aber dass Aus- und Einstiegsort derselbe sind, klappt vor allem, weil wir als Taxen erkennbar sind.
Außerdem: auch wenn Uber mit vermeintlicher Innovation rumprahlt: was die Fahrtvermittlung angeht, sind Taxen seit jeher sehr effizient gewesen. Wenn ich mich richtig erinnere, liegt die durchschnittliche Wartezeit in Berlin immer noch bei rund 4 Minuten oder so. Natürlich kann deswegen ein Großraumtaxi mit Kindersitz nach Marzahn-Nord trotzdem mal eine halbe Stunde brauchen oder sogar nicht verfügbar sein. Aber die vielen Leute, deren Taxi nach 2 Minuten da ist, gleichen das statistisch wieder aus. Und das ist eine logische Konsequenz aus der schieren Masse an Taxen, die rumfährt. Die – das sei hier ganz explizit erwähnt – einer der Gründe ist, weswegen es für den einzelnen Fahrer verhältnismäßig wenig zu holen gibt, bzw. die Taxipreise so hoch sind. Auch Effizienz hat zwei Seiten.

Uber versucht also nicht weniger als genügend Fahrer auf die Straße zu kriegen, um mit unseren Anfahrten gleichzuziehen. Dabei versprechen sie den Fahrern mehr Geld als ein Taxifahrer verdient, den Kunden mehr Qualität und niedrigere Preise – und sie selbst versuchen mehr Gewinn aus der Sache zu ziehen als z.B. meine Chefs, die das Gewerbe vor Ort seit 30 Jahren kennen. Man muss nicht mal an 90% Besetztkilometer glauben, um das für ein völlig bescheuertes Unterfangen zu halten. Was gibt’s nächste Woche? Wolpertinger-Steak mit Einhornsauce? Die eierlegende Wollmilchsau ist ja anscheinend schon überholt worden …

Hamburg verbietet Uber Pop

Na also. Während sich in Berlin der regierende Bürgermeister gerne mit einer „Love Uber“-Brille ablichten lässt, hat die Verkehrsbehörde in Hamburg etwas mehr Durchblick und nun die nicht genehmigte Personenbeförderung verboten. Genau genommen erwartet die Fahrer nun pro Verstoß eine Strafe von 1000 €.

Nichts, was einen überrascht, wenn man die Existenz eines Personenbeförderungsgesetzes in Deutschland auch nur erahnen kann. Fehlt vielleicht noch ein Bebürgermeisterungsgesetz, aber ich schweife ab …

Interessant ist die Reaktion von Uber. Laut dem verlinkten FAZ-Bericht verkündet der Europa-Chef des Unternehmens, das Unternehmen „respektiere den rechtlichen Rahmen“, werde aber „gleichwohl in der Stadt weiter seinen Dienst verkaufen“. Und, das muss man mal klipp und klar sagen: das ist nicht so widersprüchlich, wie es sich erst einmal anhört.

Uber braucht sich keine großen Sorgen machen. Es ist Teil ihres Geschäftsmodells, dass das Risiko komplett die Fahrer tragen. Uber stellt sie nicht an, Uber investiert nicht in Autos, eigentlich machen die kaum was für ihre 20% Provision. Das muss dieses „Innovation“ sein, das bei allem im Unternehmen offenbar vorinstalliert ist.

Wenn man als Fahrer dann noch berücksichtigt, dass, wie Torsten gestern schrieb, die Hamburger Behörde sich auch nicht zu fein ist, den Versicherungen Hinweise zu geben, dann wird eines für die Uber-Fahrer jetzt wohl etwas schwer, obwohl Uber ihnen genau das immer noch bei Facebook und co. verspricht: zuverlässig Geld verdienen.

PS: Danke an alle für die Hinweise!

Zitat der Woche

Ich muss einleitend ein wenig erklären, worum es geht. Am vergangenen Wochenende war in Berlin die Hölle los und an fast allen Clubs war die Schlange lang. Teilweise sehr lang. Ich selbst verstehe ja ehrlich gesagt auch nicht, weswegen man anderthalb Stunden mit Anstehen rumbringen muss, um eine Party zu feiern – aber für Besucher angesagter Clubs ist das wohl Teil ihres Lifestyles.

Die Truppe, die ich im Auto hatte, hab ich am Sisyphos eingesammelt, von wo sie offenbar wegen der zu langen Schlange geflohen waren. Eine bunte Gesellschaft, in verschiedenfarbige Gewänder gehüllt, eine Frau und vier Männer. Dazu teilweise englischsprachig. Hier und da hörte ich Beschwerden, dass das mit dem Schlangestehen ja soooo doof sei und ob es nicht einen Club gäbe, der gut wäre und keine Schlange hätte. Ansonsten sei Heimfahren eben das Gebot der Stunde.

Und dann sagte die einzige Frau in der Runde folgenden Satz:

„Guys, sorry, I try to be honest: you wanna go out in Berlin? Then grow some fucking balls!“

🙂

Kleiner Programmhinweis

Schon alleine die andauernde und wirklich Spam-Ausmaße annehmende Uber-Werbung in Facebook könnte mich dazu bringen, seitenweise immer mehr Texte zum Thema zu schreiben. Dabei sind alle Argumente im Wesentlichen inzwischen dargelegt und man läuft als Taxifahrer selbst Gefahr, sich ständig zu wiederholen und die Leute zu nerven.

Ich selbst hab das vor einer Weile auf Facebook versucht zu durchbrechen, indem ich nicht nur die Fakten runtergebetet habe, sondern den Fokus auf die Kundschaft gelegt habe, die Uber toll finden, weil sie an Taxis einiges auszusetzen haben – und dass das zusammen leider eine leidlich schlechte Argumentation ist.

Wesentlich interessanter aber noch ist der Blogeintrag „uberhaupt ned“ von meinem geschätzten Taxibloggerkollegen Reinhold aus München, der aus aktuellem Anlass wie nebenbei schildert, was man als Taxifahrer (und in seinem Fall -Unternehmer) eigentlich so alles tun muss, bis man sein Taxi endlich auf der Straße hat – und dabei immer mal wieder darauf verweist, dass genau das bei der angeblich so großartigen Konkurrenz natürlich keine Rolle spielt.

Uber Überhaupt kann ich Reinhold nur nochmal allen Lesern empfehlen. Sein Blog ist anders als meiner, aber auch er spiegelt das Taxifahren in Deutschland wieder. Er schreibt etwas seltener, aber dafür sind seine Einträge auch immer sehr interessant zu lesen. Ich jedenfalls freue mich, am anderen Ende der Republik so einen Kollegen zu haben, denn ich selbst lerne bei ihm immer noch einiges neues. Also hier klicken: taxi-online.blogspot.de – und am Besten abonnieren!

Monstertour

Winkertouren sind immer toll, weil man nicht auf sie wartet. Wobei das nur teilweise wahr ist. Manchmal fährt man als Taxifahrer ja auch ganz gezielt Umwege, weil man auf der Route hofft, noch jemanden zum Mitnehmen zu finden. Die optimale Fahrt ist also eigentlich eine Winkertour, für die man nicht weit gefahren ist.

Bei dieser Fahrt galt das wohl. Denn gefahren bin ich ungefähr 25 Meter. Ich hatte nach dem ganzen Papierkram noch direkt auf dem Parkplatz Winker. So lobt man sich das! 🙂

Noch besser wäre es gewesen, wäre bei dem jungen Pärchen das Geld nicht knapp gewesen, denn sie fragten mich allen Ernstes, wie viel es bis zum ZOB kosten würde. Bei der Tour wären fast 30 € aufgelaufen, ganz grob jetzt. Davon haben sie dann jedoch lieber Abstand genommen und sich nur zur nächsten S-Bahn bringen lassen. In dem Fall zum Bahnhof Landsberger Allee, von wo aus sie die Ringbahn zu nehmen gedachten. So blieben für mich nur 6,60 € plus 40 ct Trinkgeld. Aber das ist ok, hätte sonst ja sogar eine Kurzstrecke werden können.

Das titelgebende Monster war übrigens der eine Koffer, in dem sie offenbar beide lebten der das Gepäck beider beherbergte. Sie haben ihn selbst so betitelt. Hat mich gewichtsmäßig fast ein wenig an den schwersten aber lukrativsten Koffer ever erinnert. Nur muss ich über das Monster jetzt ohne Prosecco hinwegkommen. Aber das sollte gehen. 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

A Day in the Life

Ich hab’s schon fleißig bei Facebook und Twitter geteilt. Aber weil es wirklich Spaß macht, will ich es auch hier nochmal tun:

Ein Tag im Leben eines New-York-City-Taxis

Obwohl ich manchmal ein wenig an der Genauigkeit der Daten zweifele (sonderbare Sprünge zwischendrin) und mich manches Mal über die Fahrtwege wundere, finde ich das doch eine obergeniale Datenvisualisierung. Ich jedenfalls hab schon viel zu viel Zeit damit verbracht, auf die Karte zu schauen und den Umsatz am Tagesende abzuschätzen … 🙂

Und falls irgendwer Ahnung vom Thema hat: Ich bin bereit, mich an sowas auch zu beteiligen. 😀