Überraschende Ansprache

Manchmal kommt man irgendwie auf ein uraltes Thema ohne das gewollt zu haben. So bei der jungen Dame, die mich in Friedrichshain herangewunken hatte und zunächst ein unklares Fahrtziel angab. Am Alex irgendwo. Daraus wurde dann nach einem Telefonat ein typisch kauderwel’sches

„Da direkt am Alex wo die Moll- zur Torstraße wird, Ecke Keibelstraße an der Bushaltestelle!“

Herrlich. Das ist so ziemlich genau das, was einem beim Lernen auf die Taxiprüfung aberzogen wird. Natürlich ist halbwegs klar, was sie meinte. Aber Keibel- Ecke Mollstraße ist 100 Meter weg von der Kreuzung, an der die Moll- zur Torstraße wird. Die Bushaltestelle liegt dazwischen und der Alex liegt mindestens zwei Häuserblocks weg.
Kleinigkeiten. Aber da ich unsicher war, an welcher Kreuzung ich sie rauslassen sollte, hab ich ein wenig vor mich hingemurmelt, dass ich jetzt mal gleich auf die Mollstraße fahre und sie ggf. auf der anderen Straßenseite rauslasse – um nicht unnötigerweise einmal um den Block zu fahren:

„Ich fahr‘ dann gleich hier lang. Ecke Keibel sollte zwar eher auf der Südseite sein, aber eine Bushaltestelle gibt es auf der anderen Seite ja auch. Und wenn se sagen, dass se an der Bushaltestelle sind …“

„UI! ICH WERDE GESIEZT!?“

Wie man auf Themen kommt, wirklich. 🙂

Nun musste ich aber leider zurückrudern. Also zumindest, wenn ich ehrlich bleiben wollte. Denn eigentlich hatte ich es bis dato ganz gut vermieden, mich zu entscheiden. Kein Du, kein Sie. Sie war Kundin, aber jünger, vielleicht jedoch auch in einer höheren Position – kannste ja nicht wissen, wer sich durch was auf die Füße getreten fühlt … ein nettes „Und? Party fängt erst an?“ reicht doch. 🙂
Und so gesehen war das – nach 5 Jahren Training – natürlich auch kein Ausrutscher:

„Nix gegen’s Duzen. Aber ausgerechnet jetzt hab ich eigentlich mit „Sie“ die nicht näher bekannten Leute am Telefon gemeint …“

Aber: 300 Meter vor dem Ziel, alle Ampeln waren grün und am Ende waren wir bei Du. Denke, das passt. 😀

Geschrieben hab ich über das Thema lange nix mehr, das letzte Mal war – Trommelwirbel! – im Jahre 2009. Manche Sachen verdrängt man halt im Alltag. Aber wer sich jetzt fragt:

„Und, wie isses jetzt mit dem Duzen und Siezen im Taxi?“

Hier ist der Eintrag: SuDie die Zweite. Und ich kann den noch heute weitgehend unterschreiben. Nur bei den Kollegen bin ich inzwischen völlig normal bei „ey Kollege“, wie es das geheime Protokoll des Taxikartells so vorschreibt. 😉

8 Kommentare bis “Überraschende Ansprache”

  1. elder taxidriver sagt:

    Und dann gibt es noch das sogenannte ‚ Uzen‘. Das geht sowohl per Sie als auch per Du.
    (Falls hier jetzt Ernst im Spiele war ist er jetzt perdu.)

  2. Mike sagt:

    Man hat das Problem mit dem „Du“ oder „Sie“ anscheinend immer im Kundenkontakt. Ich bin beispielsweise Apotheker in einer kleinen Apotheke mit viel Stammkundschaft. Normalerweise ist man da mit seinen Kunden per „Sie“. Ich kenne aber da durchaus einige Leute (Typ: Landwirt, Bauarbeiter oder auch älterer Taxifahrer), die einen wie selbstverständlich duzen. Die meinen das freundlich und jovial. Daher finde ich das völlig okay und duze dann auch zurück. Das bringt einem dort auch Pluspunkte.

    Es gibt aber da aber auch durchaus diesen Kundentyp (Typ: 50 Jahre, Privatpatient, oft weiblich, normalerweise Antidepressiva und Co.), die mich bewusst duzen, um mich quasi „als Verkäufer klein zu machen“. Noch extremer erlebe ich das von diesem Kundentyp gegenüber meinen technischen Mitarbeiterinnen (PTA), die manchmal als „kleines Mädchen“ wie selbstverständlich von diesen Leuten geduzt werden. Das finde ich dann nicht okay; die Einstellung dieses Kundentypus geht mir auch durchaus auf die Galle.

    Was mich interessieren würde: Kennst Du das als Taxifahrer auch? (oder alternativ: „Kennen Sie das als… ?“ 🙂 ) Wird man als Taxifahrer auch ab und wann mal geduzt, da man ja nur der „kleine Bringboy“ ist?

  3. Bernd K. sagt:

    Die Taxifahrer bei denen ich im Auto sitze, werden selbstverständlich gesiezt (gehöre altersmässig (>50) inzwischen auch schon mehr oder weniger zu den alten Säcken). Auch den Schaffner, der mir diese Woche im Zug begegnet ist und den ich ohne Uniform auf vielleicht 16 Jahre geschätzt hätte, würde ich siezen. Das hat einfach etwas mit Respekt dem Anderen gegenüber zu tun. Mike hat das hier oben schön beschrieben. Die „Privatpatienten“ haben ihn nicht, die erwähnten Landwirte, Bauarbeiter… haben ihn.

    Als eher zurückhaltender Mensch fallen mir nur wenige Gelegenheiten ein, wo ich fremde Menschen (situationsabhängig) duze: vor allem in der Kneipe und beim Radausflug andere Radler. Letzteres ist ähnlich wie in den Bergen, wo es heisst, ab 1000m gibt es kein „Sie“.
    Bei einem privaten Treffen mit ehemaligen Kollegen, mit einigen war ich gerne per „Sie“, ging es neulich in zwangloser Atmosphäre ganz locker zum „Du“. Dagegen bin ich mir sicher, bei einem geplanten Treffen mit einem weiteren ehemaligen, sehr zurückhaltenden Kollegen wird es auch nach ein paar Bier beim „Sie“ bleiben.

  4. Mic ha sagt:

    Ich finde das ne gute Diskussion zur Fixierung des Blickwinkels auf die moderne Umgangsweise und Liebhaberei. Ich will nix vermiesen, aber kann mitlerweile die Miesepeter meiner Arbeitskollegen insofern verstehen, dass es einfach nervt immer Leuten Nähe zu gewähren, die das aus falschen Gründen machen. Z.B. weil Berlin das von ihnen verlangt oder weil wir alle so lässig sind (und von mir aus knallt der Wasserball nun auf meinem Kopf).
    Ich bleib aber beim DU. Es ist einfach mein ‚Ding‘. Und ich finde die Welt einfach zu kalt.
    Leider vermießen einem die Idealisten wieder alles. Zum Glück gibt es sie!

  5. Blogolade sagt:

    Ich lasse mich gern duzen, solange die Person mit sympathisch ist. Umgekehrt kommt es immer ein bisschen auf die Situation an. Im privaten Rahmen duze ich eher. Wenns ein bisschen offizieller ist, sieze ich höherrangige und ältere Personen, bis sie mir das Du anbieten. Oder ich frage fix nach „Du oder Sie?“

  6. metro sagt:

    Am Anfang meiner Taxifahrer Zeit, Ende der 90er, selbst noch ein junger Spunt, war man schnell beim DU, heute würde ich vom Party Volk wahrscheinlich mit Sie angesprochen werden…So vergeht die Zeit!

  7. Ex-Taxlerin sagt:

    @ Mike

    „Wird man als Taxifahrer auch ab und wann mal geduzt, da man ja nur der “kleine Bringboy” ist?“

    Das haben sich mir gegenüber nur Fußballfans erlaubt. Bei denen wäre ich allerdings auch beleidigt gewesen, wenn sie mit dem „Sie“ dahergekommen wären.

    Fußballfans sind ’ne sehr spezielle Klientel, von der man auch ein entsprechendes Verhalten erwartet. Kommt dieses Verhalten nicht, stimmt irgendwas nicht, und das ist dann meist ’ne ziemlich unangenehme Fahrt. Mindestens 98 % aller Fahrten zum Stadion waren allerdings die Highlights des jeweiligen Tages. Machte einfach Spaß, diese Typen durch die Gegend zu kutschieren. Besonders, wenn sie Bayern-Fans waren. Falls nicht, fiel mir aber immer noch ’ne positve Bemerkung zur gegnerischen Mannschaft ein – sowas kommt dann immer gut. Gibt auch Trinkgeld.

  8. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Elegant! 😉

    @Mike:
    Das ist selten. Könnte mich jetzt auf Anhieb konkret an keinen Fall erinnern. Eher eben so das deutlich ältere Semester, dann aus einer großväterlichen Perspektive – aber nicht so abwertend gemeint. Dieses „Das kannst Du ja nicht mehr wissen …“
    Ich meine, sicher könnte man sich da angegriffen fühlen, aber es ist halt doch was ganz anderes als das, was Du so nennst.

    @Mic ha:
    Es ist aber auch eine schwierige Sache mit diesen sozialen „Regeln“. Im Grunde ist das doch mit dem „aufgezwungenen“ Duzen innerhalb unseres Gewerbes auch so eine Sache. Als ich damals vor 5 Jahren raus auf die Straße bin, hab ich auch versucht, eine konkrete Ansprache zu vermeiden. Als 25 Jähriger Anfänger einfach mal so einen 60-jährigen Kollegen, den man nie gesehen hat, „hast Du mir ’n bisschen Wechselgeld?“ anzuquatschen, kam mir persönlich unhöflich vor. Bzw. ich hatte die Befürchtung, es könne unhöflich aufgefasst werden. Ich persönlich lasse mich ohne weiteres duzen.

    @Blogolade:
    Das sollte ich auch öfter machen. 🙂
    Aber da die Konversationen bisweilen so kurz sind, drücke ich mich manchmal einfach vor einer direkten Ansprache …

    @metro:
    Ich bin ehrlich gesagt sehr gespannt, wie sich das im Laufe der Jahre ändern wird bei mir. Fleißig graue Haare sammle ich ja bereits um älter zu wirken. 😀

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