Resolute Leser

Ich hatte ja schon viele lustige Touren, darunter auch viele lange. Als mich in Prenzl’berg ein Anruf ereilte, ob ich vielleicht gerade Zeit hätte, vom Bahnhof Friedrichstraße nach Falkensee zu fahren, freute ich mich dennoch ungemein. Dankbarer Gruß an entsprechenden Leser an dieser Stelle! 🙂

Was jedoch für mich auch neu war, war die erste Ansage:

„So, jetzt erstmal zum Hauptbahnhof. Da hol‘ ich mir’n Taxigutschein!“

Die Bahn hatte mal wieder Mist gebaut, soweit nichts neues. Dass das mit dem Gutschein so gut klappte, hat mich dennoch überrascht. Aber mein eigentlich recht gut gelaunter Kunde gab zu, diesbezüglich Profi zu sein. Und zwar mit allem, was dazugehört. Am Hauptbahnhof fragte er gleich noch:

„Soll ich besser gleich einen Teil zahlen – für den Fall, dass die mich festnehmen?“

Ich habe verzichtet. Und am Ende war es mit Wartezeit eine fast glatte 50€-Tour. Ich beschwere mich über gar nichts – aber ich selbst bin ja ohnehin nicht wirklich der Typ, der gerne irgendwo Stress macht. 🙂

Kein Taxi | Glücklich in Berlin

GNIT existiert ja nicht ohne Grund. Tatsächlich vertreiben ich und meine Kundschaft uns auch im Taxi viel Zeit mit den Geschichten rund ums angeblich zweitälteste Gewerbe der Welt. Ich hab inzwischen die ein oder andere lustige Fahrgaststory zu bieten, das wisst Ihr ja besser als alle Kunden. Auch nicht ohne sind allerdings die Erlebnisse der Kunden mit Taxifahrern. Zugegeben: Vielfach sind es ebenso wie bei mir kleinere Missverständnisse oder – traurig, aber wahr – die berüchtigten Abzockgeschichten. Ein paar hab ich hier verewigt, eine besonders lustige wollte ich verlinken, finde sie allerdings nicht mehr. Naja.

Eine Taxigeschichte in dem Sinn hatte mein Kunde nicht zu bieten. Er stieg ein und erkannte gleich, dass ich nicht aus Berlin komme. Ein bisschen Smalltalk während der Fahrt, darunter das Übliche: Ja, Berlin ist super, natürlich nicht mehr so toll wie früher, aber trotzdem. Ob’s mir denn gefalle, ob ich mich nicht unwohl fühlen würde, da hinten dann links ab, bitte!

Ich bestätigte ihm, dass mich auch während der Nachtschicht nicht die nackte Panik umtreiben würde, da fing er an zu erzählen, dass er ja auch schon so einiges mitgemacht hätte. Und dann schilderte er mit einer seltsamen Mischung aus Distanz und Begeisterung, wie er sich einmal in den frühen 90ern ein Taxi heranwinken wollte und zu spät bemerkte, dass es eigentlich kein Taxi war. Stattdessen soll es sich um ein ähnlich aussehendes Fahrzeug gehandelt haben, besetzt mit einer Bande Räuber, die ahnungslose Touristen mehr oder minder wortwörtlich ausgezogen haben. Er wurde – so man ihm glauben darf – mit vorgehaltener Waffe in den Wagen gezerrt und in den Fußraum gedrückt, während seine Taschen entleert wurden, in denen sich sein ganzer Tagesumsatz befand, den er sich als Kellner mühsam verdient hatte. Sie haben ihm anscheinend alles abgenommen, was irgendwie von Wert war, um ihn danach recht rüde an einer Straßenecke aus dem Fahrzeug zu stoßen.

Nun hatte er aber offenbar Glück im Unglück und konnte bereits Sekunden später einen Streifenwagen anhalten, dessen Besatzung den Hinweis nicht nur ernst nahm, sondern ihn gleich mit, um das von ihm beschriebene Auto mit dem eher seltenen Fabrikat ggf. schnell zu identifizieren. Einfach nur ein Taxi nach Hause haben wollend saß er jetzt zum zweiten Mal auf dem Rücksitz eines Autos, das ihn nicht heimbringen sollte. Tatsächlich soll es nur wenige Minuten gedauert haben, bis eine andere Streife verkündete, sie hätten einen auf die Beschreibung passenden Wagen gestoppt. Die Fahrt, die von Kreuzberg nach Neukölln führen sollte, endete nun in Lichtenberg. Mein Fahrgast trug seinen Teil zur Identifizierung der bösen Buben bei, offenbar hauptsächlich dadurch, dass er den Beamten zutreffend schilderte, welche Form von Leergut und Unrat sich im Fußraum hinter dem Beifahrersitz des Autos befunden habe. Die Polizei stellte dann mehrere tausend Mark Bargeld sicher, von denen der arme Kellner offenbar recht unbürokratisch einen Hunderter zugesteckt bekam, was ungefähr die Summe war, die er zuvor als fehlend gemeldet hatte.

Waren offenbar andere Zeiten damals.

Lustig fand ich, wie er das erzählte, als sei das einer der besten Gründe, Berlin zu lieben. Ich bin ja auch irre und hab vielleicht nicht die Bedürfnisse der Bevölkerungsmehrheit – aber das fand ich doch erstaunlich. Natürlich, was davon wahr ist, kann ich schlecht sagen. Aber es war eine zu schöne Geschichte. Ich hab mich prächtig unterhalten gefühlt. Zu guter Letzt klopfte mir mein Fahrgast auf die Schulter und wünschte mir, dass ich in der Stadt so glücklich werde wie er. Ich für meinen Teil habe beschlossen, auf bestimmte Aspekte seiner glücklichen Beziehung mit Berlin nach Möglichkeit zu verzichten. Ansonsten aber gerne! 🙂

Sammeln ist was feines …

Moin allerseits!

Ich hoffe, Ihr habt die letzten Tage auch ohne GNIT gut rumgebracht. Ich nicht wirklich. Wenn ich mal wirklich nicht mehr schreiben kann, dann liegt wirklich einiges im Argen. Tut es auch jetzt noch, gesund würde ich mich nicht nennen. Andererseits hab ich die Hoffnung, dass ich mich morgen vielleicht wieder auf die Piste wagen kann. Es wird immerhin von Tag zu Tag besser und man wird ja mal optimistisch sein dürfen.

A prospos optimistisch:

Das war ich auch bei einer Truppe französischer Jugendlicher. Also … „Jugendliche“. Alt genug zum Trinken waren sie offenbar, was sie auch schon reichlich hinter sich hatten, als sie mir am Berghain vors Auto watschelten. Sie sind sicher nicht des Alkoholpegels wegen abgewiesen worden, aber ihre Unterhaltungen waren doch schon etwas lauter. Glücklicherweise nicht, weil sie gefrustet waren oder so. Nein, dass sie nicht reingekommen sind in den Club, das hat sie nicht schockiert, aber weitergehen sollte es natürlich trotzdem. Wie das sei mit dem „Tresor“, ob das arg weit wäre und wie viel das mit 5 Personen kosten würde, fragten sie nach einer ziemlich aufgeregten Gackerrunde. Ich entgegnete, dass das wohl etwas über 8 € werden würden, was – wie zu erwarten war – dazu führte, dass ich sie in Sekundenbruchteilen im Auto hatte. Auch nachdem wir losgefahren waren, wurde ich noch einmal ungläubig gefragt, ob ich das mit dem Preis ernst meinen würde.

Tja, was willste sagen? So ist der Tarif und der Tresor liegt nur knapp 2 Kilometer entfernt. Aber klar, für mich sind die Taxipreise natürlich weit weniger eine Überraschung als für Touristen auf der Durchreise. Am Tresor angekommen kam dann, weswegen ich eingangs behauptete, optimistisch zu sein: Sie fingen an, nach Kleingeld zu graben. Das mit dem Wechselgeld ist ja immer mal wieder Thema, in dieser Nacht hat es mich auf die verhältnismäßig hinterhältige Art erwischt: Bei den Münzen.

Im Gegensatz zu den Scheinen hab ich bei den Münzen keinen Überblick, wie viel ich genau dabei habe. Da lasse ich mich gerne mal wochenlang treiben und es gleicht sich wirklich erstaunlich gut aus. Sicher, ich bin nicht der Überlebenskünstler unter den Münzbesitzern, manche Kollegen schaffen es wirklich, mit 4 Münzen im Geldbeutel rumzufahren. Pi mal Daumen würde ich vermuten, dass ich zwanzig Euro dabei habe. Das ist zwar mehr als man gemeinhin braucht – mehr als 4,90 € pro Tour benötigt man ja nicht, so lange man entsprechend Scheine hat. Aber manchmal kriegt man drei Touren hintereinander und gibt bei jeder Münzen raus. Und so war es an jenem Abend. Hier 2 €, da 2,50 €. Selbst für die Tour zu 13,80 € kurz davor bekam ich 16 €. Schön, nicht die üblichen 15 € zu bekommen, bedeutet aber eben gleich 4 € weniger Münzbestand.

Um es kurz zu machen: Hartgeldmäßig ging ich auf dem Zahnfleisch und die Jungs wühlten in ihren Portemonnaies nach den 8,30 €, die auf der Uhr standen. Sehr schnell kullerten zwei Zweier in die Hand meines Beifahrers. Dann hier noch 50 Cent, da ein Schwall Kleingeld. Das Ganze zog sich erstaunlich lange und wurde nicht eben dadurch erleichtert, dass z.B. der strubbelige Geselle hinter mir zwar eine Münze zu 2 € hinzugab, aber unbedingt Rückgeld haben wollte – schließlich wäre sein Anteil ja geringer.

Ich hab mich bewusst rausgehalten. Sollten sie doch erst einmal sammeln. Besser als dass jeder bei mir seinen Anteil zahlt. Das hab ich auch schon gemacht, das ist allerdings wirklich verheerend fürs Münzfach. Nie wieder!

Mein Beifahrer war nun, kaum 3 Minuten nach Beginn der ganzen Aktion, im Besitz einer ganzen Hand voller Münzen. Überwiegend kleinere, aber soweit ich das sehen konnte, immerhin kaum Rotgeld. Yeah! Während ich mich innerlich freute, dass das mit dem Ausgleich ja irgendwie wirklich immer klappt, zählt der Spaßvogel den Haufen durch und kommt auf 7,80 €. Respekt.
Und dann reicht mir einer von der Rückbank einen Zwanni und steckt im Gegenzug den Berg an Kleingeld ein. Tip gab es auch nicht, also hatte ich wieder 1,70 € weniger.

Also bin ich schnell zweimal ums Eck zu meiner Tanke und hab einen Kaffee geordert. Ein paar Cent in die Kasse der Mitarbeiter im Gegenzug für die Bitte, mir auf 10 € klein rauszugeben. Es geht ja immer irgendwie. Unnötig zu erzählen, dass der Ausgleich auch so gekommen wäre: Drei Mädels ließen bei einer Fahrt in den Wedding ganze 8,50 € an Kleingeld im Wagen. Außerdem hab ich im Laufe der Schicht noch 1,30 € gefunden. Irgendwie klappt es doch immer.

So, und jetzt drückt mir bitte die Daumen, dass ich morgen wieder so fit bin, dass man es als arbeitsfähig durchgehen lassen kann. Genügend Kleingeld hab ich jedenfalls … 😉

Und Sie so?

Ich bin ja manchmal neugierig:

„Und, Sie sind in Eile? Oder weswegen jetzt ein Taxi?“

„Ja, komische Sache eigentlich: Eigentlich wollte ich mit dem Rad fahren, aber dann hab ich das Schloss nicht aufgekriegt. Dann bin ich zur Bahn gerannt und hab erst zu spät bemerkt, dass es die in die falsche Richtung war. Und jetzt isses auch noch so saukalt …“

Da soll nochmal jemand versichern, „niemals, auf gar keinen Fall jemals“ ein Taxi zu nutzen. Irgendwann geht halt doch mal alles schief. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

… oder eben nicht.

Wird schön werden“ hab ich gestern geschrieben. Himmel hilf! So wirklich zu getroffen hat das nämlich nicht.

Ich will nicht allzu viel jammern, da sind die Kollegen meist besser drin. Aber es lief gestern nicht. Nach dem Start in die Schicht meine Lieblingsumwege abgeklappert und doch keine Winker gefunden, danach über einstündiges Warten auf eine Tour von sage und schreibe 7,60 €. Die war für sich genau genommen schon in Ordnung, auch wenn der Fahrgast ein eher ruhiger Zeitgenosse war. Wir sind gut miteinander ausgekommen, alles lief prächtig und Trinkgeld gab’s ganz ordentliche 1,40 €. War halt jetzt mit fünfeinhalb Minuten Beschäftigung nicht gerade der große Motivator nach so langem Warten.

Meine Planung für gestern war locker und völlig stressfrei. Ich wollte zwar gerne nur etwa 5 Stunden rausfahren, aber finanziell war es mir eigentlich egal. Ich freu mich ja auf meine Wochenendschichten heute und morgen, wahrscheinlich reichen die für das, was ich mir vorgenommen hab ohnehin. Und den Sonntag hab ich ja auch noch …
Als eine Art Wunschtraum hatte ich rund 90 € Umsatz im Kopf, dann wären die Zahlen für den Monat und die kommenden Schichten fast alle ziemlich rund gewesen. Stattdessen stand ich nach der hälfte der eigentlich veranschlagten Zeit zwar auf Position 1 am Stand, aber immer noch bei 7,60 €. Fünf Stunden zuvor hatte ich in einer nur Minuten andauernden Aktion 3,45 € durch Pfandwegbringen verdient. Mein Zimmer war also lukrativer als Taxifahren – und es ist nicht so, dass ich da nicht noch ein paarmal 3,45 € zusammenbekommen würde … 😉

Natürlich dauerte das nicht ewig. Kurz darauf hatte ich eine Tour für 17 €, noch dazu mit einem zwar gestressten, dafür aber umso humorvolleren Typen. Ganz anders als der erste hat er gleich über den ersten blöden Spruch meinerseits schmunzeln können und wir haben es am Ende geschafft, einen sinnfreien Wetter-Smalltalk so unterhaltsam zu machen, dass die Zeit weniger verloren schien, als mir das manchmal nach Gesprächen mit Kollegen am Stand vorkommt. (Wobei ich da gestern immerhin Glück hatte!)

Naja, hat aber nicht gereicht, mich zu motivieren. Das Wetter war ja zudem nasskalt und ich schleppe immer noch einen ganzen Korb Müdigkeit mit mir rum, vielleicht Nachwirkungen der Erkältung neulich, im Zweifelsfall sogar mit freundlicher Unterstützung seitens des Besäufnisses am Wochenende. Man weiß es ja nicht.
Jedenfalls bin ich dann heim, wo ich meine bessere Hälfte vier Stunden mit dem Wohnungsputz wegen anstehendem Familienbesuch alleine gelassen hatte, um rund 13 € zu verdienen …

„Man muss schon Überlebenskünstler sein, wenn man Taxifahrer ist …“

meinte ein netter Kollege gestern am Stand. Da hat er wohl recht. Ich hab mich trotz Müdigkeit foglich in meine Zweitbeschäftigung gestürzt, wobei ich immerhin bei der Korrektur und Überarbeitung der Leseprobe für meine Literaturagentur sowas wie einen kleinen Durchbruch hatte. Und dieser Text hier ist ja auch in jener soeben ausklingenden Nacht geschrieben (allerdings eher, hüstel, weniger korrigiert) worden.

Müde bin ich allerdings immer noch. Das kuriere ich jetzt durch lesen im Bett ein wenig aus. Vielen Dank hierbei übrigens an meinen treuen Literaturlieferanten elder taxidriver: Gestern habe ich erst den Bennett beendet, momentan lasse ich mich von Ditfurths Der Geist fiel nicht vom Himmel unterhalten und bilden. Und richtig los geht es dann halt wieder heute Abend.