Kein Taxi | Glücklich in Berlin

GNIT existiert ja nicht ohne Grund. Tatsächlich vertreiben ich und meine Kundschaft uns auch im Taxi viel Zeit mit den Geschichten rund ums angeblich zweitälteste Gewerbe der Welt. Ich hab inzwischen die ein oder andere lustige Fahrgaststory zu bieten, das wisst Ihr ja besser als alle Kunden. Auch nicht ohne sind allerdings die Erlebnisse der Kunden mit Taxifahrern. Zugegeben: Vielfach sind es ebenso wie bei mir kleinere Missverständnisse oder – traurig, aber wahr – die berüchtigten Abzockgeschichten. Ein paar hab ich hier verewigt, eine besonders lustige wollte ich verlinken, finde sie allerdings nicht mehr. Naja.

Eine Taxigeschichte in dem Sinn hatte mein Kunde nicht zu bieten. Er stieg ein und erkannte gleich, dass ich nicht aus Berlin komme. Ein bisschen Smalltalk während der Fahrt, darunter das Übliche: Ja, Berlin ist super, natürlich nicht mehr so toll wie früher, aber trotzdem. Ob’s mir denn gefalle, ob ich mich nicht unwohl fühlen würde, da hinten dann links ab, bitte!

Ich bestätigte ihm, dass mich auch während der Nachtschicht nicht die nackte Panik umtreiben würde, da fing er an zu erzählen, dass er ja auch schon so einiges mitgemacht hätte. Und dann schilderte er mit einer seltsamen Mischung aus Distanz und Begeisterung, wie er sich einmal in den frühen 90ern ein Taxi heranwinken wollte und zu spät bemerkte, dass es eigentlich kein Taxi war. Stattdessen soll es sich um ein ähnlich aussehendes Fahrzeug gehandelt haben, besetzt mit einer Bande Räuber, die ahnungslose Touristen mehr oder minder wortwörtlich ausgezogen haben. Er wurde – so man ihm glauben darf – mit vorgehaltener Waffe in den Wagen gezerrt und in den Fußraum gedrückt, während seine Taschen entleert wurden, in denen sich sein ganzer Tagesumsatz befand, den er sich als Kellner mühsam verdient hatte. Sie haben ihm anscheinend alles abgenommen, was irgendwie von Wert war, um ihn danach recht rüde an einer Straßenecke aus dem Fahrzeug zu stoßen.

Nun hatte er aber offenbar Glück im Unglück und konnte bereits Sekunden später einen Streifenwagen anhalten, dessen Besatzung den Hinweis nicht nur ernst nahm, sondern ihn gleich mit, um das von ihm beschriebene Auto mit dem eher seltenen Fabrikat ggf. schnell zu identifizieren. Einfach nur ein Taxi nach Hause haben wollend saß er jetzt zum zweiten Mal auf dem Rücksitz eines Autos, das ihn nicht heimbringen sollte. Tatsächlich soll es nur wenige Minuten gedauert haben, bis eine andere Streife verkündete, sie hätten einen auf die Beschreibung passenden Wagen gestoppt. Die Fahrt, die von Kreuzberg nach Neukölln führen sollte, endete nun in Lichtenberg. Mein Fahrgast trug seinen Teil zur Identifizierung der bösen Buben bei, offenbar hauptsächlich dadurch, dass er den Beamten zutreffend schilderte, welche Form von Leergut und Unrat sich im Fußraum hinter dem Beifahrersitz des Autos befunden habe. Die Polizei stellte dann mehrere tausend Mark Bargeld sicher, von denen der arme Kellner offenbar recht unbürokratisch einen Hunderter zugesteckt bekam, was ungefähr die Summe war, die er zuvor als fehlend gemeldet hatte.

Waren offenbar andere Zeiten damals.

Lustig fand ich, wie er das erzählte, als sei das einer der besten Gründe, Berlin zu lieben. Ich bin ja auch irre und hab vielleicht nicht die Bedürfnisse der Bevölkerungsmehrheit – aber das fand ich doch erstaunlich. Natürlich, was davon wahr ist, kann ich schlecht sagen. Aber es war eine zu schöne Geschichte. Ich hab mich prächtig unterhalten gefühlt. Zu guter Letzt klopfte mir mein Fahrgast auf die Schulter und wünschte mir, dass ich in der Stadt so glücklich werde wie er. Ich für meinen Teil habe beschlossen, auf bestimmte Aspekte seiner glücklichen Beziehung mit Berlin nach Möglichkeit zu verzichten. Ansonsten aber gerne! 🙂

2 Kommentare bis “Kein Taxi | Glücklich in Berlin”

  1. elder taxidriver sagt:

    Das erinnert mich an die märchenhafte Geschichte von den drei Russen im Taxi, kurz nach der Wende. Einer kotzt und der Fahrer:
    ‚Das kostet 200 Mark‘.
    Darauf zieht einer der Russen eine Pistole, hält sie dem Taxifahrer an den Kopf und fragt:
    ‚Was kostet es jetzt?‘.

  2. whiskey sagt:

    „Wenn sie abdrücken nochmal 1000 Mark für den Tatortreiniger.“

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