Ich suche schon seit einigen Tagen Bestätigungen für etwas, das ich von nur einer – wenn auch sehr vertrauenswürdigen – Quelle gehört habe. Dabei geht es um die Ortskundeprüfung hier in Berlin. Die meisten meiner Leser wissen es, aber ich erkläre es noch einmal kurz: Die Ortskundeprüfung ist so ziemlich das größte Hindernis in Berlin auf dem Weg zum Taxifahrer. Da wir hier keine Begrenzung der Taxikonzessionen oder vernünftige Kontrollinstanzen haben, ist diese Prüfung die eigentliche Hürde, wenn man hier Taxi fahren will. Entsprechend hoch sind die Hürden, es gibt so viel zu lernen, man glaubt es kaum. Ich hab das während meiner Lernphase (siehe die Kategorie Ausbildung) auch oft genug thematisiert. Auch auf der Seite meiner Chefs hab ich im Blog (beginnend hier) ein paar Worte dazu verloren.
Diese Ortskundeprüfung wurde bislang vom Gewerbe selbst organisiert.
Denn zusätzlich zu tausenden (überwiegend Einzel-)Unternehmen im Berliner Taxigewerbe haben wir natürlich auch Interessenvertretungen. Jawohl, Mehrzahl! Zum einen wären da die beiden „Big Player“ Innung des Berliner Taxigewerbes e.V. und der Taxi Verband Berlin Brandenburg e.V. Die beiden haben das mit der Ortskundeprüfung jahrelang im Alleingang geschmissen. Halbjährlich wechselnd haben sie die Prüfungen in durchgeführt. Das war der Stand, als ich den P-Schein 2008 gemacht habe.
Kurz danach hat TaxiDeutschland, eine weitere Vertretung mit zumindest damals zunehmenden Einfluss, auf eine Mitwirkung geklagt. Seitdem sind auch sie berechtigt, die Ortskundeprüfung abzunehmen. Wie das seitdem organisiert ist, weiß ich allerdings nicht genau, gerade die Seite von TaxiDeutschland ist ein Aktualitätsdesaster.
Aber gut. Als wären drei Gewerbevertretungen noch nicht genug, um niemals zu einer Meinung zu kommen, gibt es auch noch die BTV (Berliner Taxi Vereinigung e.V.), den BTB (Berliner Taxibund e.V.) und die IITB (Interessengemeinschaft iranischer Taxiunternehmer Berlin e.V.). Das ist verwirrend und bekloppt, aber so ist es. Wir haben in Berlin 6 Gewerbevertretungen, die im Einzelfall natürlich alle was anderes wollen. -.-
Nun hat der BTB offenbar erwägt, Klage einzureichen, um ebenfalls die Ortskundeprüfung durchführen zu dürfen; was für das LABO (Landesamt für Bürger- und Ordnungs-Angelegenheiten, die verwalten unseren Taxi-Saustall hier) zu viel war. Mal abgesehen davon, dass das ohnehin ein einziges Kuddelmuddel ist, muss man auch anmerken, dass der BTB in der Vergangenheit durch unschöne Äußerungen aufgefallen ist. Im Gegensatz zu den anderen Gewerbevertretungen haben sie offenbar – ich behaupte das nicht, ich hab das nur gehört – verlauten lassen, dass man ja „ohne Schwarzarbeit in dem Gewerbe eh kein Geld verdienen“ könne. Ein Schlag ins Gesicht aller Beteiligten, drückt die Schwarzarbeit hier doch fleißig mit die Verdienstmöglichkeiten …
Das LABO jedenfalls hat nun offenbar von seiner Weisungsbefugnis in dieser Angelegenheit Gebrauch gemacht, und allen Verbänden die Berechtigung entzogen, die Ortskundeprüfung durchzuführen.
Ohne weiteres Bohei wie zum Beispiel eine Ausschreibung wurde diese jetzt offenbar an TÜV und Dekra abgegeben, was die nächsten Jahre spannend machen dürfte. Denn wer weiß schon, was die sich unter einer Ortskundeprüfung vorstellen und wie das in Zukunft laufen wird? Als Außenstehende könnten sie die Prüfung wesentlich schwerer oder leichter machen, und keiner weiß, was kommen wird. Ich möchte nicht mit jemandem tauschen, der jetzt darüber nachdenkt, in Berlin Taxifahrer zu werden …
Wie gesagt: Das ist noch nicht bestätigt, leider. Soweit ICH weiß, ist es so. Aber Vorsicht bitte mit Zitaten dieses Beitrages!
Was folgt?
Ich halte die Abgabe an eine unabhängige Einrichtung teilweise für sinnvoll. Gerade wegen des Vertretergerangels in Berlin. Um das Gewerbe steht es schlimm genug, da brauchen wir wahrlich nicht auch noch am bislang entscheidenden Punkt eine „undichte Stelle“. Langfristig ist das natürlich trotzdem bescheuert. Schließlich wissen die Verbände ja dann doch am besten Bescheid über das, was in einer Ortskundeprüfung abgefragt werden sollte. Die sind auf Augenhöhe mit den Unternehmen – und auch den anderen Vertretungen. Anstatt dieser Weitergabe der Befugnisse wäre es nach wie vor sinnvoller, das Grundproblem hier in Berlin anzugehen:
Taxifahrer werden kaum kontrolliert, die Unternehmen ebensowenig. Dadurch, dass illegales Arbeiten so lukrativ wird und nebenbei Betrug leicht möglich ist, leidet das Gewerbe insgesamt. Dadurch, dass wir nach Umsatz bezahlt werden, sind schwarz arbeitende Kollegen mehr als in anderen Branchen direkt an der Lohndrückerei beteiligt. Ich will jetzt keine Fantasie-Zahlen durch die Gegend werfen, aber wenn ich mir ansehe, wie viele Kunden von mir erwarten, dass ich die Uhr ausmache, „weil das eh jeder macht„, dann sehe ich da Potenzial.
Und dazu: Ich als Linker tue mich schwer damit, nach Kontrollen zu schreien. Als ob ich den armen Kollegen, die hier illegal ihr Geld verdienen, grundsätzlich mies gesonnen wäre. Die meisten versuchen bloß irgendwie zu überleben. Tatsächlich bescheißen sich in unserem Job die meisten selbst damit. Sicher, da bleibt am Ende ein Zehner mehr, wenn es schwarz läuft. Aber was ist mit Krankengeld? Mit Urlaub? Mit Rente? Mit einer Absicherung, falls mal irgendwann was schief läuft? Es ist ja nicht so, dass die armen Schweine, die sich in den illegal operierenden Unternehmen als Fahrer verdingen, am Ende wirklich die Nutznießer wären. Auch wenn sie das teilweise selbst glauben mögen: Am Ende sind es ja doch die Unternehmer, die da mehr Geld rausziehen.
Schön zu sehen, dass seitens der Politik wenigstens einmal mit den Augenbrauen gezuckt wird, wenn Leute, die mit Betrug prahlen, auch noch die Zugänge zum Gewerbe kontrollieren wollen. Langfristig würde mich trotzdem interessieren, ob irgendwer sich mal wirklich fürs Taxigewerbe interessiert. Die jetztige Abgabe der Ortskundeprüfung ist allenfalls ein Not-Aus kurz vor dem Zusammenbruch gewesen – der auf der anderen Seite alle Taxischulen Berlins vor das Problem stellt, dass sie jetzt nicht wissen, wie es weitergeht. Wieder mal ganz großes Kino, wenn Ihr mich fragt …
PS: Links, die das o.g. bestätigen oder widerlegen könnt Ihr gerne in den Kommentaren posten. Dasselbe gilt für verbale Entgleisungen von Beteiligten.
*Kopfschüttel*
Wir sollten eine Gewerbevertretung gründen, die mit dem Saustall aufräumt 😉
Also sollte das wirklich so kommen, das TÜV und Dekra die Ortskundeprüfung übernehmen, kann es für die Prüflinge eigentlich nur besser werden. Vor allem bei den Prüfstandards und bei der Organisation der Prüfungsdurchführung gab es doch erhebliche Mängel.
Die Verbände werden sich zudem nach neuen Einnahmequellen umsehen müssen. 😉
Paßt jetzt nur bedingt zum Thema, aber bei Thorsten drüben im Taxiblog fragt ein Kommentator nach Informationen um Taxifahrer in Berlin zu werden. Vielleicht kannst du ihm ja mal helfen?
Moin…. Wäre mal interessant zu wissen bei wem in Berlin die Prüfung zur Zugangsverordnung abgelegt wird und wer, soweit nötig, den Vorbereitungskurs anbietet… Bei uns in Bayern ist für die Zugangsverordnung Taxi – Mietwagen und EU – Lizenz ( Transportbereich ) der jeweilige Verband für die Vorbereitung zuständig und Prüfung bei der IHK. … Da ich beides abgelegt habe,habe ich Klüngel durch und durch erlebt. … Der Lieblings – Verband der jeweiligen Branche durfte gewisse Vorteile genießen die ich hier nicht näher erläutern möchte 🙂 … Wäre Vorbereitung und Prüfung eine Monopolstellung von der IHK gewesen, hätte ich fleißiger lernen müssen….
@Sash: Man könnte mit viel gutem Willen den o.g. Satz als ironisch-sarkastisch angehauchte Kritik an den Zuständen im Gewerbe verstehen – aber du kannst als Betroffener sicher besser abschätzen, wie weit der geistige Horizont dieser Personen reicht 😉
@Olli: ja ja, es gibt sie überall, die bunten Wunschzettel mit den Zahlen drauf – ehrlich gesagt wäre es mir fast lieber, wenn die Korruption wenigstens offen stattfände, wie ich es am eigenen Leib in der Ukraine erfahren habe … da weiss man wenigstens von anfang an, was Sache ist.
@Aro:
Au ja! Am besten eine mit noch mehr Buchstaben. Um uns abzusetzen! 😀
@daju77:
Das mit dem Geld ist ein interessanter Punkt. Da wird’s Gejammer geben. Bei den Standards hast Du Recht, ich bin bloß mal gespannt bei den Inhalten.
@streckenweise:
Uff, muss ich mal sehen. Bin ich aber bislang auch nicht dazu gekommen. Die Leute, die sich bei mir melden, reichen mir normalerweise …
@Der Olli:
Da bin ich ehrlich gesagt auch überfragt.
@SaltyCat:
Welchen Satz? Und ironische Kritik übe ich fast immer, wenn ich über unser Gewerbe schreibe. 😉
@sash – dass DU der Grossmeister der versteckten Andeutung bist, weiss ich ja 😉 nein, ich meinte die Aussage des BTB zur Schwarzarbeit. Möglicherweise der Versuch, durch die Blume zu sagen „Ändert was, dann MÜSSEN wir das nicht mehr tun“ …
Ich weiss, der Beitrag ist ja schon alt eigentlich….
Als Beispiel nehme ich hier mal die Handwerker Innung, zb. Schornsteinfeger (deren Monopol mittlerweile ja gefallen ist). Bei der Meisterprüfung ist die Handwerkskammer zuständig, und nun kommts, das sind in der Regel die Schornsteinfegermeister selbst. Wenn man nun jemanden einen Meistertitel zu erkannte, musste man ihm auch einen Schornsteinfeger Bezirk geben. Ein Schelm wer nun böses dabei denkt… 😀
Gleiches gilt ja auch in anderen Branchen, Ärzte fordern eine bessere Ausbildung… Ist klar macht es den neuen schwerer damit die, die es bereits geschafft haben eine größere Marge behalten 😉 Mit Verbesserung der Qualität hat das ja erst sehr langfristig etwas zu tun, und trotzdem wird so etwas immer wieder von Verbänden gefordert. Die Gründe dürften hier wohl eher im eigenen Portemonnaie liegen.
@Thorsten:
So gesehen müsste die Vergabe an Außenstehende also gut sein, ja? Das Fazit blieb irgendwie aus. 🙂
@all:
Und ich hab immer noch nicht gehört, was daraus geworden ist. Hab allerdings auch mit keinem Insider mehr darüber gequatscht. :/
@Sash habe ich bewusst offen gelassen 😉
@Thorsten:
😀