Beinahe schon so etwas wie eine Sensation …
Das Trinkgeldverhalten bei Touristen ist so eine Sache für sich. Eigentlich nicht einmal nur bei Touristen. Man sollte meinen, dass die Trinkgelder im Taxigewerbe irgendwie nach dem Verlauf der Fahrt ausfallen. Dem ist nicht so. Sicher, die regelbestätigenden Ausnahmen gibt es, meist aber spielen bei der Frage, wie viel Trinkgeld gegeben wird, ganz andere Dinge eine Rolle: Wieviel Geld der Fahrgast gerade hat, wie seine Einstellung zum Trinkgeld überhaupt ist, welche Summe gerade auf der Uhr steht, etc. pp.
Ich wünschte, es wäre nicht so, aber man kann nicht viel machen. Ziemlich zu Beginn meiner Arbeit als Taxifahrer hatte ich zum Beispiel mal einen unangenehmen Typen, der mir kurz nach dem Start einen Betrug unterstellte, weil mein Taxameter angeblich bei einem zu hohen Startpreis zu zählen angefangen hätte. Da es das weder davor noch danach je tat, kann man diese Behauptung ins Reich der Legenden einordnen, ich habe nämlich keinen Zauberknopf, an dem ich sowas einstellen kann. Die Taxameter gehören ohnehin zu den am meisten überprüften Dingen im Taxi. Aber egal, nach einer Weile Gezeter über meine Unverschämtheit gab mir jener Fahrgast damals tatsächlich Trinkgeld. Nicht viel, aber die Höhe hätte an der Beklopptheit auch nix mehr geändert.
(Ich hab da auch einen Eintrag zu geschrieben, finde ihn aber nicht mehr.)
Zurück zu den Touristen: Die Kollegen unterscheiden am Taxistand recht genau zwischen den Nationalitäten der Fahrgäste, denn zumindest gefühlt besteht da ein Zusammenhang. Obwohl mir da jede Verallgemeinerung fern liegt, stelle ich durchaus fest, dass Spanier und Italiener meist kein Trinkgeld geben, Briten hingegen ziemlich viel. Meine Vermutung ist, dass da tatsächlich die Sozialisation eine Rolle spielt, die durchaus mal ländertypisch sein kann.
Amerikaner gelten – soweit ich meinen Kollegen glauben darf – auch eher zum besseren Publikum im Trinkgeldsinne. Mir persönlich sind all die Amerikaner in meinem Wagen bislang weder besonders positiv noch negativ aufgefallen. Es war immer von allem was dabei.
Was mir dieses Wochenende allerdings das erste Mal passiert ist, war die Nachfrage.
Ich hatte drei Amis an Bord, zwei Jungs und ein Mädel. Partylaune pur, und einer der drei war bereits das zweite Mal hier und ließ (auf durchaus liebenswerte Art) den Chef raushängen und erklärte den anderen, wo es hier in Berlin lang geht. Das Ziel war tatsächlich ein kleiner Underground-Club, den weder ich noch das letzte Taxihandbuch mit Namen kannten. Fernab von Touripfaden wandelten sie also schon mal. Die Fahrt selbst war unspektakulär, sie unterhielten sich meist untereinander. Und knappe 10 € Umsatz sind auch gerade mal durchschnittlich.
Der selbsternannte Chef zahlte artig und ließ sich das Rückgeld auf den Cent genau rausgeben. Ich hab das Trinkgeld schon abgeschrieben, da fragte er mich, wie denn hier die „tipping policy“, sprich das Verhalten beim Trinkgeldgeben so sei. Ich war im Grunde viel zu ehrlich und hab ihm gesagt, dass es hier keine festen Regeln gäbe und man durchaus auch mal nichts bekommen würde als Taxifahrer. Dass der Durchschnitt so bei etwa 10% liegt, habe ich natürlich auch erwähnt. Von höheren Beträgen hab ich gar nix erzählt.
Ich Depp.
Das Ergebnis allerdings konnte sich sehen lassen. Er reichte mir 3 € nach vorne und bedankte sich für die nette Fahrt. Da hat jemand es wohl wirklich über-über-durchschnittlich gut gemeint. Da freue ich mich natürlich besonders. Aber da es bekanntlich immer noch schöner kommt, wenn man nicht daran glaubt, stellte ich im Nachhinein fest, dass mein Beifahrer mir offenbar zusätzlich noch einen Zweier auf’s Armaturenbrett gelegt hatte.
Wie eingangs erwähnt: Meist hat das Trinkgeld nichts mit der Leistung zu tun. Aber wenn sich die Fahrgäste unsicher sind, dann aus meinem Mund die „10%-Regel“ hören und ich anschließend 50% Tip in der Kasse habe … dann hab ich wohl doch auch was richtig gemacht. 🙂