Hektik

Hektik ist eine schlimme Sache in meinem Job. Insbesondere, wenn man ihn so ausübt wie ich: ohne Hektik.

Ich hab vor Ewigkeiten mal hier und da damit geprahlt, dass ich dank meines Jobs als Taxifahrer seit wasweißichwielang nicht mehr auf eine Bahn gerannt bin. Und das ist gut so. Aber manchmal haben es dann eben die Fahrgäste eilig.

Und da gibt es haufenweise Meinungen aus dem Gewerbe zu. Glücklicherweise geht der Tenor da in meine Richtung: Wir können nicht alles richten und unser Führerschein ist zweifelsohne mehr wert als ein lausiges Trinkgeld. Und selbst wenn lausig im ein oder anderen Fall mal in den zwei- oder (soll es alles schon gegeben haben) dreistelligen Bereich geht.

Dass Taxifahrer wie die Irren durch die Gegend heizen ist ein gängiges Klischee. Und wie immer gibt es natürlich auch hier Leute, die dies bestätigen. Das müssen nicht einmal die schlimmsten sein, ich kenne sogar nette Kollegen, die schon mehrmals eine „Auszeit“ vom Job nehmen mussten, weil sie wirklich schnell unterwegs waren.
Aber wie bei vielen irrationalen Verhaltensmustern von Taxen auf der Straße ist das mitunter auch den Kunden geschuldet. Das soll keine Rechtfertigung für mieses Verhalten sein, aber ja: Manchmal springen Kunden auf die Straße um uns anzuhalten und manchmal wollen sie „nach links“, wir setzen den Blinker und dann wird nach rechts gezeigt. Hatte ich alles auch schon und es ist manchmal wirklich schwer für uns, da die Kundenzufriedenheit und die Verkehrssicherheit unter einen Hut zu bringen. Letztere sollte immer im Vordergrund stehen, das ist klar – aber natürlich hab auch ich mich da schon mal falsch entschieden.

Ganz so wild war es bei der Tour nicht. Ich war bereits fast am Ostbahnhof, hab zumindest keine Winker mehr erwartet. Aber an einer Ampel stieg mir dann doch eine junge Frau zu und wollte nach Tegel. Na holla! Lockere 20 bis 25 €, das ist von der Straße weg Luftsprünge wert. Obwohl sie keinen Flieger erwischen musste, sondern nur wen abholen, war es natürlich dennoch eilig. Na klar …
Um 22 Uhr sollten wir da sein, aufgesammelt hab ich sie um 21.43 Uhr am Franz-Mehring-Platz. Dass das nix wird, hab ich ihr gesagt, aber es war ja auch klar, dass mit Landung, Gepäcksuche und Auschecken noch ein paar Minuten mehr übrig bleiben würden.

Wir haben verschiedene Routen diskutiert, sie war selbst passionierte Autofahrerin. Was schon mal schön war. Viele haben da sehr unrealistische Ideen …

Wir einigten uns auf die Linden und einen späteren Stich in den Norden, dann aber war natürlich dort Stau. Also Ausweg über die Friedrichstraße, letztlich folgten wir der Müller- bis zur Seestraße. Was für ein dusseliger Umweg! Aber vermutlich die schnellste Möglichkeit. Gibt ja doch mehrere Kenngrößen im Taxigeschäft – ich orientiere mich normalerweise halt eher am kürzesten und damit preiswertesten Weg. Da haben Tagfahrer natürlich ganz andere Gedanken, das weiß ich.

Durch das viele Hin und Her, teilweise mismutigste Ampelschaltungen und meiner Weigerung, in der Stadt schneller als 70 zu fahren, kamen wir tatsächlich erst um 22.10 Uhr an. Sollte gereicht haben. Mitbekommen habe ich es nicht mehr. Meine Kundin war so sehr in Eile, sie hat mir für die 25,40 € einfach 30 gereicht und „Stimmt so!“ gerufen, bevor sie rausgerannt ist.

Für den Preis hätte ich noch eine ganze Weile warten können und sie günstiger als die anderen Kollegen (kein Einstiegspreis, keine teureren ersten 7 km) heimbringen können. Aber um das zu sagen, hätte ich ja erst einmal die Zeit haben müssen.

Ihr merkt schon: Hektik ist nicht gut, ehrlich nicht …

9 Kommentare bis “Hektik”

  1. Senfgnu sagt:

    Ich kenn das in kleiner: Chefe hatte mal Panik, den ICE von Nürnberg nach München zu verpassen. Fährt ja auch nur alle 20 Minuten.

  2. Sash sagt:

    @Senfgnu:
    Naja, bei der Bahn gibt es ja wenigstens hier und da noch Zugbindung. Vielleicht war’s ja auch deswegen.

  3. chris232 sagt:

    Murphy’s Law besagt ja, dass man genau in dem Moment mit der größten Hast dann – um alle Klischees zu bedienen – den Taxifahrer mit Hut und Klopapierrolle auf der Gepäckablage erwischt. Und tatsächlich hatte ich auf einer Route, die ich beruflich bedingt oft mit dem Taxi gefahren bin, sehr viele Fahrer, die bei einer relativ großzügigen 30er-Zone so etwas wie rechts vor links komplett ignorierten und mit 60 weitergefahren sind. Egal ob rechts jemand kam.
    So ergab es sich, dass ich eines Tages relativ knapp dran war, aber unbedingt den ersten Zug in der früh erreichen wollte, um nicht wieder 50 min am Bahnhof zu frieren. Das hatte ich schon öfter; leider kann ich fast nicht beeinflussen, wann ich aus der Arbeit komme. Also gut 25 min vor der Abfahrt ein Taxi bestellt. Bei 10 min Fahrzeit zum Bahnhof sollte das um 4 Uhr früh wohl ausreichen, und früher ging einfach nicht. Knapp 10 min vor der Abfahrt erreicht ein älterer Mercedes das Betriebsgelände. Nachts ist die Einfahrt abgesperrt, allerdings gibt es zwei Straßen weiter eine Ausfahrt, die unbeschrankt ist. Deshalb gebe ich bei der Bestellung immer die Adresse der Ausfahrt an und erwähne, dass man trotz dem „Einfahrt verboten“-Schild reinfahren dürfe, da das ja Werksgelände ist und ich hiermit die Erlaubnis erteile. Mit ganz herkömmlichem Funk sollte das ja kein Problem sein. Die nette Dame hatte sich jedoch erst trotzdem nicht getraut und damit 5 min länger gebraucht, da sie trotzdem noch die Einfahrt gesucht hatte. Ich spring also ins Auto, ein mal zum Bahnhof bitte (was für eine blöde Aussage, wer würde denn mehrmals zum Bahnhof fahren) und mein Zug geht in 10 min. Und dann fährt sie los. Mit 45. Und zwar nicht in der 30er-Zone, sondern konstant. Das Ergebnis war eine Ankunft am Bahnhof 1 min nach der Zugabfahrt – vom Taxistand konnte ich noch den Zug bei der Ausfahrt bewundern. Das war das einzige Mal, dass ich auf der Strecke kein Trinkgeld gegeben habe. Selbst den Kollegen, bei dem auf ein mal die Tür nicht mehr einrastete sodass ich diese die ganze Fahrt zugehalten habe (!) hab ich noch aufrunden lassen – aber bei einer überflüssigen Stunde Wartezeit war ich dann doch zu sauer.

  4. Taxi 123 sagt:

    Wenn solche „sympathischen“ Fahrgäste ganz, ganz schnell irgendwohin wollen, sage ich immer: „Wenn hier vorn ein Monatseinkommen liegt, können wir auch noch schneller fahren.“ Meistens ist dann alles wieder gut. 🙂

  5. Sash sagt:

    @chris232:
    Ich kann’s nachvollziehen. 🙂

    @Taxi 123:
    So ähnlich handhabe ich das auch. Wobei ich es den meisten sogar wirklich sachlich nahebringen kann.

  6. MöchtegermProll sagt:

    @Taxi 123 und @Sash: Und was macht ihr, wenn dann wirklich mal einer fragt „Wieviel macht das?“ und dann ohne mit der Wimper zu zucken die Asche aus dem Aktenkoffer packt? „Unmoralisches Angebot“ annehmen und alle Verkehrsregeln ignorieren, oder nicht drauf eingehen und dafür mit der Gewissheit fahren, dass man eben doch noch rechtzeitig vor dem querschießenden Radfahrer/der an der Ampel mit dem Rollator in die Fahrbahn gestürzten Oma zum Halten kommt?

  7. Sash sagt:

    @MöchtegernProll:
    Es gibt Dinge, die gehen einfach nicht. Dass ich versuche, eilige Kundschaft schnell ans Ziel zu bringen, ist klar. Und ja, durchaus auch mal ein kleines bisschen schneller als erlaubt. Wie es wahrscheinlich jeder tut, der es mal eilig hat. Aber das hat bei mir sehr sehr enge Grenzen.

  8. Chris sagt:

    Ich bin ja selten in Berlin, was ich auch als nicht schlimm betrachte 😉 Im beschaulichen Bremen fahren 90% aller Taxifahrer wie die bekloppten. Es gibt kaum einen Verstoß gegen die STVO die diese Kamikaze nicht brechen. Der bisherige Höhepunkt war am Freitagabend gegen 21:30 Uhr einer der versuchte Fussgänger zu überfahren, die bei Grün(!!) die Strasse überqueren wollten. Und er kam aus einer Querstrasse, hatte vorher Rot um dann wie Schumi loszurasen! Leider (für ihn) war sein Kennzeichen lesbar und Bremen ist nicht so groß….
    Tempo 50 bzw die auf einigen Strassen erlaubten 60 und 70 km/h scheinen bei denen pro Seite zu gelten….Mir sind jedwede Tendenzen gegenüber Ausländern fremd, es fällt aber schon auf das fast alle dieser Irren keine gebürtigen Deutsche sind!

  9. Sash sagt:

    @Chris:
    Würde mich nicht wundern, wenn das ein klassischer Fall von confirmation bias wäre. Ich hab auch jede Menge rasende Kollegen im Gedächtnis, da ich aber grundsätzlich immer auf Taxen auf der Straße achte, merke ich, dass es nur die wenigsten sind, die irgendwie wirklich übertreiben. Gerade weil Taxen auffällige Autos sind, hat man sie in Extremsituationen schnell im Blick, man erinnert sich dran. Dass die letzten 5 Minuten zwei Taxen brav hinter einem hergezuckelt sind, vergisst man aber wieder.
    Und das ist im Übrigen meistens mit den „Ausländern“ nicht anders. 🙂

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