Ehrlich, Kollege?

Das Schlimme am Taxifahren ist, dass es wahnsinnig oft mit Lügen zu tun hat. Der Kunde, den ich gestern erwähnt habe, ist ein klassisches Beispiel – aber natürlich nur eines von vielen. Dazu gehören ebenso die Millionäre am Taxistand und die Fahrer, die sich beim Funk Fahrten erschummeln, indem sie angeben, näher dran zu sein am Kunden, als sie es eigentlich sind. Und dann wieder Kunden, die „schon 20 Minuten!!!“ auf ein Taxi warten. Ganz abgesehen von denen, die jenseits der eigentlichen Geschäftsbeziehung lügen, was das Zeug hält

Ich mach’s kurz: Ich mag das nicht!

Und – wie in einem der verlinkten Artikel schon gesagt – natürlich sind wir alle mal unehrlich! Boah, voll schlimm! Auf die Frage „Wie seh‘ ich aus?“ hat noch jeder Gefragte mal gelogen, und ich brauch mir da auch keinen Heiligenschein aufsetzen, sowas kommt vor.

Aber eigentlich wollte ich das nur im Vorwort erwähnen. Denn: Ich weiß nicht, was es mit dem Wahrheitsgehalt der folgenden Geschichte auf sich hat. Eindrucksvoll genug, sie zu erwähnen, finde ich sie. Ich weiß allerdings nicht so recht, ob ich hoffen soll, dass sie wahr ist – oder eben nicht.

Mein Fahrgast schwankte bereits beträchtlich, artikulierte sich während der ersten Sätze eher lallend und ließ bei mir schon die ein oder andere Alarmglocke angehen. Da ich zahlendes Publikum aber nur ungerne vor die Tür setze, hab ich ihn mit dem üblichen Spruch bedacht:

„Nur damit wir uns einig sind: Zum Kotzen anhalten kostet 2 € für 5 Minuten! Ins Auto kotzen geht vielleicht schneller, kostet aber 200!“

Ich schaffe es offenbar immer noch, das mit genügend Sympathie rüberzubringen, denn auch er musste grinsen. Dann allerdings kam seine Geschichte:

„Ja, das weiß ich schon. Aber ich hoffe, Du hälst dann auch an. Ich hatte das wirklich mal – keine Sorge, heute geht’s mir gut! Aber als ich in Köln mal im Taxi saß, ist mir schlecht geworden. Jetzt nicht so gleich loskotzen und so. Mir war nicht gut und ich hab dem Fahrer gesagt, dass er anhalten solle – mir ginge es nicht gut. Da hat der einfach „Nein!“ gesagt. Ich so: „Bitte, mir geht’s echt nicht gut, ich glaub, ich muss kotzen!“ und er so: „Nee, da vorne, die Ampel krieg ich sonst nicht mehr!“. Ehrlich. Dann sind wir über die Ampel gebrettert, mit Mordsgeschwindigkeit noch dazu. Mir is‘ noch viel übler geworden und hab noch „Bitte, bitte, ich muss kotzen!“ gesagt. Er meinte nur: „Stell Dich mal nich‘ so an, in 5 Minuten sind wir doch da!“. Und dann hab ich ins Auto gekotzt. Echt jetzt. War mir ultrapeinlich und ich hab versucht, dass echt nix kaputtgeht. Einfach so, mehr auf mein Hemd, bisschen was auf Sitz und Fußmatte. Da hab ich dann – als er gesagt hat, dass das 50 € kostet – auch nur den Vogel gezeigt und ihn weggescheucht. Er is‘ dann auch weggefahren. Weißte, sowas versteh‘ ich dann nicht …“

Mir fiel – bei aller Wut auf die Leute, die im Taxi zu kotzen für selbstverständlich halten! – auch nix anderes ein als:

„Ich auch nicht. Wirklich nicht!“

Von mir!

oder: Das sonderbare Verhalten von Laufkundschaft bei Taxiknappheit

Ich mag meine Donnerstage gerade. Eine regelmäßige Lesertour mit netter Unterhaltung über 15 Kilometer zum (auch noch reichlich späten) Schichtbeginn war die letzten Wochen immer der Einstieg. Gut, ein paar Leerkilometer kommen zusammen, weil ich dafür nach Tegel rausfahre, aber so eine halbe Donnerstagsschicht versaut mir meinen Schnitt nicht ernsthaft. Bin diesen Monat z.B. immer noch bei 0,97€/km, was ziemlich nahe am 1,00-Richtwert ist, der mir von meinen Chefs mal genannt wurde.

Da das insbesondere jetzt im Winter aber immer eine schwierige Sache ist mit dem genauen Timing am Flughafen – weniger von mir, die 1925 hat noch jedes Glatteis bezwungen! –stehe ich dort auch mal eine Weile rum. Das ist aus zweierlei Gründen ein bisschen doof:

  1. Ich habe nur die Wahl zwischen eingeschränktem und absolutem Halteverbot, und eingeschränktes ist meist belegt.
  2. Man kann sich vor Kundenanfragen kaum retten.

Das mit dem Halteverbot war bislang nicht wild. Gestern ist überhaupt das erste Mal wer vom Ordnungsamt aufgetaucht und die Frau hatte Verständnis und hat mich lediglich mit der wohl nur deutschen Ordnungsamtsmitarbeitern eigenen Logik gebeten, doch bitte aus dem absoluten Halteverbot (welches dort sinnigerweise in gekennzeichneten Parkbuchten gilt) rüber auf die Straße zu fahren, um in der Folge (nach etwas stehen im absoluten Halteverbot auf der Straße) die Chance zu bekommen, (für maximal 10 Minuten!!!) ins eingeschränkte Halteverbot zu wechseln. Sei es drum, besser als ein Ticket ist das allemal.

Die Kundenanfragen hingegen …
Ich bin ja ein netter Mensch und als solcher immer bemüht, Probleme zu klären. Der Taxistand befindet sich etwa 30 bis 40 Meter entfernt und dort schicke ich die Leute dann einfach hin. Ich erkläre das völlig selbstverständlich damit, dass ich bestellt bin – und meistens wird das immerhin verstanden. Aber es gibt natürlich auch andere. Ein Ehepaar ist letzte Woche stinkwütend abgezogen, weil ich (ich nehme mal an, sie meinten mit „Depp“ mich) so unverschämt sei und „keinen Bock“ zum Arbeiten hätte.

Da muss was dran sein – ist doch allgemein bekannt, dass das Rumlungern an verschneiten Flughäfen zu den tollsten Freizeitbeschäftigungen zählt. Ich chill da so hart wie Bruce Willis in „Stirb langsam 2“, ehrlich! 😉

Viel amüsanter als die Entrüstung über 40 Meter mehr Fußweg sind aber die ganz besonderen Kunden. So gestern ein etwa 50-jähriger Schauzbartträger, zwei Köpfe kleiner als ich und in edlen Zwirn gehüllt:

„Hallo, sind Sie frei?“

„Nein. Der Taxistand ist gleich da drüben. Ich bin bestellt.“

„Ja, von mir!“

Und dann will der glatt anfangen, seine Koffer einzuladen.

Es mag ja sein, dass er bestellt hatte. Aber ich hatte nun wirklich nicht das einzige Taxi dort. Eine Nachfrage, ob ich sein Taxifahrer bin, ist ja ok. Aber mutwillig anderen Leuten die bestellte Taxe zu klauen, um ja keinen Meter zu weit zu laufen … das ist schon dreist. Für eine passende Antwort war ich dann aber doch zu sehr Dienstleister und hab ihm nur gesagt:

„Nein, Sie sind nicht meine Kundin.“

Das hat glücklicherweise gereicht. Wie gesagt: Ich mag meine Donnerstage …

Antirutschmatten-Test

Direkt aus dem GNIT-Labor zu euch nach Hause!

Ich hab ja vor einiger Zeit mal meine Antirutschmatte fürs Handy im Auto begeistert gelobt und bin dabei nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. Das ist schlecht, den Gegenliebe ist fast so toll wie richtige Liebe. Insbesondere wurde angemerkt, dass die Teile im Sommer vielleicht doch nicht so empfehlenswert sind, weil sie ja eventuell schmelzen könnten und dabei im schlimmsten Fall Auto und Handy versauen.

Die Theorie fand ich interessant und wollte das natürlich mal rausfinden. Auf der Suche nach einem handelsüblichen Sommer bin ich in Berlin dieses Jahr bislang noch nicht fündig geworden, da wir jedoch gestern nur rund 5 Zentimeter Neuschnee hatten, könnte es bald soweit sein. Aber immer noch viel zu lange für richtige Forschung. So stand zunächst die Frage im Raum, wie man einen Sommer vernünftig imitieren könnte und da hab ich mich für die naheliegendste Lösung entschieden: mit Wärme.

Und wie erzeugt man Wärme? Klar, durch Reibung, Blitzeinschläge und Einpinkeln. Weiß ja jeder. Am Ende haben Ozie und ich uns für den Backofen entschieden:

Braten sie das Handy währenddessen mit ein paar Zwiebeln … Quelle: Sash

Ursprünglich war ein Vergleichstest mit Aros Alternativvorschlag geplant, leider hielt keiner unserer Sekundenkleber die Frösche sicher am Backpapier fest.

Auf der Suche nach den sommerlichen Temperaturen in Autos sind wir nur auf mäßig aussagekräftige Artikel gestoßen, es war jedoch schnell klar, dass man mit irgendwas zwischen 50 und 100°C rechnen kann – also auf der Oberfläche von Armaturenbrettern und im Hirn von Eltern, die ihre Kinder im Sommer im Auto lassen.
Also haben wir den Backofen zunächst auf 50°C erhitzt und gewartet. Nach einer halben Stunde haben wir nachgesehen und festgestellt, dass nix passiert war. Außer dass es mindestens 50°C im Backofen hatte. Andere Quellen sprechen von über 320 Kelvin und die Amerikaner rechnen immer noch in Fahrenheit um.
Deswegen haben wir die Ofentüre wieder geschlossen und den Regler auf 100°C gestellt. Die Beobachtungen haben wir zeitweilig unterbrochen, da ich noch einkaufen musste und Ozie dringend einen Film schauen. Am Ende haben wir doch nach rund 45 Minuten abermals nachgesehen und es war immer noch nix passiert. Die Matte haftete gut, war nicht geschmolzen, es war total langweilig.

Da echte Forschung aber bekanntlich irgendwas kaputtmachen muss, haben wir das Spielchen bei 150 Sachen weitergespielt. Und hier dann – endlich, so viel Recherche ist echt langweilig – hat das Testobjekt begonnen, sich auf molekularer Ebene umzuorganisieren und ein wenig zu riechen:

Ab 200°C als Brotaufstrich verwendbar. Quelle: Sash

Wir haben das Experiment an dieser Stelle abgebrochen, denn die Backkartoffeln (hier nicht im Bild) waren langsam fertig und wir hatten Hunger. 😉

Interessanterweise ist die Transformation in ein Schleimpad offenbar irreversibel. Auch nach dem Abkühlen hinterlässt unser Back-Gummi nun schwarze Spuren. Vermutlich wären die – eben weil sie nicht aushärten – aber sogar recht gut mit einer Bürste entfernbar. So bekloppt, das auszuprobieren, waren wir dann aber nicht auch noch.

Fazit

Ja, wir haben es letzten Endes kaputt gekriegt – allerdings nur, weil wir von irrationaler Zerstörungswut befallen waren. Diese Temperaturen dürften so im Auto nicht auftreten, auch im Sommer nicht. An meinem Fazit bezüglich der Matte ändert sich nichts, das Teil ist spitze!

Wer sich nach dieser hochwissenschaftlichen Untersuchung noch umentschieden hat: Hier kann man die Antirutschmatte ungetoastet kaufen. Wer noch unsicher ist, jetzt aber trotzdem was kaufen will, der sollte es mal mit meinem Buch versuchen. Das klebt auch nicht.

Schlüsselerlebnisse

„Du?“

„Jepp!“

Blöde Frage, blöde Antwort. Altes Spiel. 🙂

„Du!“

„Ja …?“

„Du bringst uns heim!“

„Darauf können wir uns einigen.“

„Was macht das bis Hermann-, Ecke Flughafenstraße?“

„Ach, so 11 bis 12 € etwa.“

Da fiel seine Begleitung uns ins Wort:

„Sagen wir doch einfach 10. Los jetzt!“

„10 sagen wir nicht, das wird nicht ganz reichen. Aber ich kann Sie gerne bei 10 € rauslassen, wenn Sie nicht mehr dabei haben.“

„Nee nee, 12 is‘ ja völlig ok. War nur’n Spaß!“

Und was für ein ausgefallener und amüsanter Spaß. -.-

Aber egal. Auch wenn sie zu Beginn ein wenig reserviert wirkte, sollte das nicht die schlechteste Fahrt sein. Er hatte definitiv ein Bisschen einen im Tee und ließ sich nicht davon abbringen, zu erzählen, dass es voll toll wäre, dass ich sie jetzt heimbringen würde. Lob für recht banale Dinge kann ja auch mal erfrischend sein.
Bereits nach mehreren Metern allerdings bekamen sie einen Anruf von Freunden, die wohl mit ihnen im FritzClub waren und der warf – wie auch immer – irgendwie die Pläne durcheinander. Dass die anderen jetzt schon in der Bahn saßen war wohl irgendwie falsch, sollte doch eigentlich die Anita bei ihnen pennen, nur der Klaus musste ja nach Steglitz. Ähm, ja. Die Relevanz des Ganzen war mir nicht ganz klar, aber ich muss ja nicht alles verstehen. Eine sehr direkte Auswirkung allerdings war wichtig: im Laufe des Telefonates nämlich merkte mein fröhlicher Beifahrer, dass er seinen Schlüssel vergessen oder verloren hätte. Ach nee, den hätte ja die Anita. Die jetzt aber mit Klaus nach Steglitz fuhr.

„Schatz, hast Du ’n Schlüssel?“

„Nee. Du, mein Lieber, hast gesagt, ich soll ihn nicht mitnehmen, Du hättest ja einen dabei!“

Perfekt. Dann bräuchten sie halt den von Anita. Nun fing „Schatz“ an zu lamentieren, sie könne ja dann kurz nach Steglitz fahren, sie sei ja noch fahrtüchtig – was auf lauten und sehr sehr albernen Widerspruch stieß. Nach einem kurzen Halt zum Nachdenken beschlossen sie dann, dass das ohnehin alles irrelevant sei, weil der Autoschlüssel ja bei ihnen in der Wohnung liegen würde. In die sie ja nicht reinkommen würden. Es war offensichtlich, dass sie sich mit Anita treffen sollten. Also mir war das klar. Bei den beiden Helden in meinem Auto hat diese Erkenntnis ein wenig Zeit gebraucht. Ein Telefonat später wussten wir dann aber, dass die gerade in der Bahn zwischen Jannowitzbrücke und Alex wären. Dann legte er auf und dachte weiter nach, ob wir bis nach Steglitz fahren sollten. Binnen weniger Sekunden kam er zu einem Entschluss:

„Gut, wir fahren nach Steglitz.“

Aus meiner Tour für knapp über einen Zehner wurde plötzlich irgendwas in der Größenordnung 30 bis 50 Euro. Oha! Das war soweit prima, danach hätte ich umgehend Feierabend machen können, aber ein bisschen absurd schien mir das Ganze schon. Auch wenn wir den Weg der S-Bahn nicht nochmal gekreuzt hätten – eine halbe Stunde mehr oder minder einer Bahn hinterherzufahren, um am Ende wieder umzudrehen … also ich wär da nicht drauf gekommen. Schon gar nicht in einem Taxi, das mal eben 1,28 € pro Kilometer kostet. Also hab ich mich ein wenig eingemischt und dem Typen klargemacht, dass zumindest finanziell alles andere als Steglitz deutlich sinniger sei. Das hat er auch eingesehen und mich nebenbei ermahnt, er wolle sich jetzt bitteschön nicht den geilen Abend kaputtreden lassen.

Es waren noch zwei Telefonate mit ziemlich hanebüchener Gesprächsführung notwendig, um einen ziemlich einfachen Entschluss zu fassen: Anita und Klaus sollten am Hackeschen Markt aussteigen und kurz die Schlüssel übergeben. Manchmal frage ich mich zwar auch, warum ich so nett bin – auf der anderen Seite war mir die Unterhaltung in Kombination mit einer einstündigen Tour vielleicht auch einfach zu anstrengend.

Die Übergabe klappte problemlos, ich durfte endlich Anita und Klaus kennenlernen, von denen ich schon so viel gehört hatte, am Ende haben wir sie sogar noch zur nächsten S-Bahn-Station mitgenommen. Nach einer abermals lautstarken und mittlerweile völlig unwichtigen Diskussion, ob Madame noch fahrtüchtig sei und ob sie das einfach mal probieren sollten, erreichten wir das Ziel bei von mir vorher recht gut geschätzten 25,40 €.

Die bekam ich dann auch prompt ohne irgendwelches Trinkgeld und war doch relativ froh, die beiden loszusein. Auf dem Rückweg hab ich vorsichtshalber mal in meiner Hosentasche nachgesehen, ob mein Schlüssel da ist. Er war es, wenigstens ich müsste in dieser Nacht keinem Kollegen auf die Nerven gehen … 😉

PS: Auch von vergessenen Schlüsseln erzählt der Eintrag „Schlüsselkinder“ von 2010.

Chefs und Überweisungen

Auch wenn ich sicher bin, dass nicht alles im Leben zwingend einen Sinn ergeben muss – dass ich Taxifahrer geworden bin und noch dazu bei meinen jetztigen Chefs gelandet, das hat seine Richtigkeit.

Wie die meisten wissen dürften, werde ich nach meinem Umsatz bezahlt, habe also keinen festen Lohn. Ich habe schon von ziemlich vielen Leuten gehört, dass sie sich das nicht vorstellen könnten, immer diese Unsicherheit und so …
Nun, das ist nicht weiter schlimm. Für mich zumindest. Eine wirklich große Unsicherheit gibt es nicht dabei. Letzten Endes ist es nur so, dass ich mir während des Monats überlege, wie viel ich arbeite. Läuft es gut, arbeite ich mal einen Tag weniger – läuft es schlecht, dann muss ich hier und da mal eine Stunde ranhängen oder euch anbetteln, dass ihr mehr über meinen Amazon-Link kauft. Oder beides 🙂

Am Ende sehe ich für mich vor allem den Vorteil, meinen Lohn selbst bestimmen zu können. Brauche ich gerade einen Fuffi mehr, dann ab auf die Straße! Freiheit bedeutet halt auch Eigenverantwortung, da liegt der Hase im Pfeffer.

Das wirkliche Drama dieser ganzen Unsicherheit spielt eigentlich im Chefbüro. Denn ausrechnen, wer jetzt wann wie viel Geld kriegt – das muss nicht ich. Diesbezüglich kann ich meine Chefs nur loben. Auch wenn ich mal im Einzelfall am sechsten des Monats erst Abrechnung mache, landet der Lohn pünktlich zum fünfzehnten (meist eher am zwölften oder dreizehnten) auf meinem Konto. Verspätungen und Irrtümer sind quasi inexistent. Und dass das bei rund 40 Fahrern Arbeit ist, glaube ich gerne und ich bin wirklich froh darum, dass ich den Papierkram nicht an der Backe habe.

Aber auch bei den Besten läuft mal was schief.

Als ich Mitte des Monats auf mein Konto gesehen habe, war ich geringfügig verdutzt. Dass ich für den Februar nur sehr wenig Geld kriegen würde, war mir bewusst. Immerhin war ich anderthalb Wochen krankgeschrieben und konnte auch sonst nicht gerade mit übermäßiger Arbeitslust punkten. Dass aber nur halb so viel wie erwartet auf dem Konto landet … ähm ja, so sehr hatte ich mich noch nie verrechnet. Also hab ich gestern mal angerufen. Ich vermutete, dass vielleicht das Krankengeld vergessen wurde oder so. Aber als ich Christian am Telefon hatte, stellte der fest, dass das gebucht wurde.

Hm. Das war kurios.

Wir gingen kurz die Posten durch, alles schien ok. Bis er meinte:

„Und dann hast Du 515 € Vorschuss genommen …“

Bitte was?

Dazu muss man sagen, dass dergleichen ständig passiert. Mir zumindest. Wenn ich Abrechnung mache und mein Key z.B. 2000 € Umsatz geloggt hat, dann hab ich schon mal was davon ausgegeben und gebe nur 1900 € ab. Das ist gar kein Problem, Christian speichert das ab und ich kriege dann 100 € weniger überwiesen als ich eigentlich kriegen würde. Das ist quasi die absolute Krönung finanzieller Flexibilität. Besser haben es nur noch die Kollegen, die ihren Anteil Pi mal Daumen gleich nach der Schicht einbehalten.

Vorschuss kommt also vor, absolut regelmäßig sogar. Aber 515 €?

Die Lösung war recht schnell gefunden: mein zweiter Key. Als ich noch kaum Geld mit dem Schreiben verdient habe, hatte ich mir ja einen zweiten Key erbeten – und ihn bekommen. Seit ich nur noch wenig fahre, wird der von mir nicht mehr wirklich genutzt, sondern liegt im Auto – wo ihn mein Tagfahrer gelegentlich in Gebrauch hat. Das lässt sich auch alles gut umbuchen, aber eben nur, wenn man es weiß und nicht irgendeine Info verloren geht. Und so war es in dem Fall: mein Tagfahrer hat auf dem Key, der offiziell mir zugeordnet ist, mal eben runde 500 € Umsatz gespeichert. Diese wurden bei der Abrechnung mir zugewiesen.
Ist natürlich erst einmal nett, da sieht der Monat in meiner Statistik doch gleich viel besser aus. Da ich aber natürlich rund 500 € weniger im Büro abgegeben hatte, wurde mir das am Ende vom Lohn abgezogen. Weil es für die Firma ja nun mal so aussah, als hätte ich dieses Geld zwar eingefahren, aber schon ausgegeben …

Das kann man ärgerlich finden, das ist es natürlich auch. Ich zitiere kurz Christian:

„Orrrr! Krätze!!!“

Aber wir haben da eben auch eine Firma, in der so ein bedauerlicher Fehler schnell geklärt werden kann. Cheffe erbat sich etwas Zeit und eine Stunde später kam der Anruf, dass das fehlende Geld bereits überwiesen ist. Alles also halb so wild. Eine Ausnahme, die ich in Anbetracht des Durcheinanders bei der Abrechnung verstehen kann.

Und wahrlich tausendmal besser als die Kirchengemeinde in Stuttgart, die damals meinen Sold für den Zivildienst zahlte: regelmäßig zwei Wochen zu spät und auch dann nur vollständig, wenn ich Glück hatte.

Nee nee, Fehler dürfen passieren! Es ist nur die Frage, wie man damit umgeht …

Vier Junkies

Nee, wat niedlich!

Zwei Jungs hab ich eingeladen. Beide ungefähr 1,95 Meter groß, blondierte Haare. Schlank, aber muskulös. War fast schon schwierig, die im Auto gut unterzubringen – obwohl meine Kiste ja recht geräumig ist. Die beiden hätten eine Traumbesetzung für Baywatch abgegeben, ich musste tatsächlich umgehend an Surfer denken, als ich sie gesehen hab. Ganz aus Hawaii oder Florida hat es sie aber nicht nach Berlin verschlagen, es waren Holländer. Der blondere der beiden hat ein zwar einfaches, dafür aber fast akzentfreies Deutsch gesprochen, der zweite hat offenbar nur niederländisch und englisch verstanden. Wie dem auch sei: Genügend Sprachfertigkeiten für die übliche Taxikonversation waren gegeben.

Ins Berghain wollten sie. Die Uhr zeigte kurz nach Mitternacht, der Club hatte folglich gerade aufgemacht. Von der Simon-Dach-Straße – wo ich sie aufgegabelt hatte – liegt das Pi mal Daumen eine Kurzstrecke entfernt, nach einer solchen haben sie aber gar nicht gefragt. War auch gut, dass ich keine angeboten habe, denn es ging zwischendurch noch zu einer Bank. Ich hab scharf überlegen müssen, dann ist mir die Sparkasse in der Grünberger Straße eingefallen. Ohne Umweg, alles bestens.

Ich halte also an, zeige dem Sunnyboy die Bank und er geht kurz rüber. Ich sehe, wie er vor der Bank steht und zögert. Ich hab mich innerlich darauf vorbereitet, auch auszusteigen. Ging die Tür dort nur mit Karte auf? Oder was war sonst so verwirrend? Als er wieder zum Auto trottete, fragte ich ihn umgehend.

„Da sind vier Junkies in der Bank.“

Ich hab einen Blick an ihm vorbeigeworfen und festgestellt, dass vier Obdachlose am Fenster der Bank saßen und sich dort aufwärmten. Das hab ich meinem Fahrgast auch so gesagt – ohne jetzt ein Fass aufzumachen und eine Diskussion über die Begriffe Obdachloser und Junkie zu starten. Der Kerl – dieser Brecher von Kerl! – hatte Schiss vor ein paar alten bärtigen Männern mit Bier in der Hand …
Ich hab ihm Mut zugesprochen, da hat er es noch einmal versucht. Tapfer ist er reingegangen und hat sich an den Automaten gestellt. Und ich hab ihn beobachtet. Sicher aber nicht, um aufzupassen, ob die „Junkies“ ihm was antun. Die Typen haben nicht einmal aufgesehen, als er rein ist.

Und dann?

Hat er sich ein Herz gefasst, sich umgedreht und sich mit ihnen unterhalten. 🙂
Nicht lange, ein zwei Sätze hin und her. Dann hat er ihnen ganz offensichtlich was von seinem Geld gegeben und ist mit guter Laune wieder rausgekommen. Ich mag diese kleinen Momente, in denen man sieht, wie Vorurteile zerbröckeln. Wenn einen etwas an das Gute im Menschen glauben lässt, dann sowas!

Wieder im Auto sitzend hat er seine Erlebnisse mit seinem Kumpel teilen müssen. Ich hab nicht viel verstanden. Aber er hat ihn offenbar darüber aufgeklärt, dass die „Junkies“ keine Wohnung hätten, ihm aber einen schönen Abend gewünscht haben. Und dass er ihnen fünf Euro gegeben hätte, einfach so. Und ich wusste in dem Moment nicht, für wen ich mich eher freuen sollte …

Der Rest der Fahrt war in zwei Minuten erledigt. Ich hab am Ende der Tour finanziell etwas schlechter abgeschnitten als die „Junkies“, aber das war selbstverständlich in Ordnung. Und bei einem Zehner für 7,80 € auf der Uhr kann ich mich ohnehin nicht beschweren. War die Tour des Abends für mich, ganz ehrlich!

Und noch ein kleines PS dazu: Ich seh so viele Obdachlose da draussen und ich werd auch oft genug von ihnen angeschnorrt. Das fühlt sich nicht immer gut für mich an, noch weniger aber wahrscheinlich für die Leute selbst. Und während ich mich darüber freue, dass wir nochmal Schnee haben, müssen sich manche Menschen um Plätze in Notunterkünften streiten. Ich hab echt ein paar nette Typen unter den Wohnungslosen getroffen und im Nachhinein keinen einzigen Euro bereut, den ich abgegeben hab. Und wenn’s für ein Bier war! Scheiß drauf! Wenn’s für ein paar schöne Augenblicke gereicht hat, dann isses doch ok, so lange es mir nicht wehtut.
Ich hab schon ganze Nächte mit „Pennern“ verbracht und am Ende sind es – Überraschung! – Menschen wie wir auch gewesen. Die wollen wie ich auch leben, und ja: auch mal Spaß haben. Die meisten, die ich kennengelernt habe, waren echt nette Leute, ich hab sogar schon Trinkgeld von Obdachlosen bekommen.

Wir alle haben Vorurteile, natürlich. Aber wir haben auch alle die Möglichkeit, sie zu überprüfen, gegen sie anzugehen. Das wollte ich unbedingt mal gesagt haben.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Na dann halt nicht …

Über die Gründe, weswegen Kollegen Fahrten ablehnen, lässt sich ja manchmal nur spekulieren. Meistens ist Geld im Spiel, das heißt: Ihnen ist die Tour zu kurz. Manchmal ist sie auch zu lang – im Falle von Touren ins Umland ist das Ablehnen dann ja auch rechtlich in Ordnung. Selten ist hingegen, dass extrem lukrative kurze Touren weitergereicht werden. Was natürlich noch wesentlich seltener ist als diese Touren ohnehin.

Meine Fahrgäste jedenfalls näherten sich nur mit Bedacht, sie wurden vom Fahrer vor mir offenbar wenig freundlich abgewiesen. Vielleicht konnte er kein Englisch, vielleicht hatte er auch moralische Bedenken, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die vier Jungs aus Dänemark trotz leichtem Schwips recht gut artikulieren konnten, dass sie Interesse daran hätten, viel Geld zu investieren, um sich mit unbekleideten Damen zu verlustieren. Und das kann für uns Taxifahrer ja bisweilen recht, ähm … einträglich, sein.

Es gibt einige Nachtclubs und Stripbars, die sich unsere Gunst sichern, indem sie die Eintrittsgelder unter der Hand und nicht wirklich legal an uns weiterleiten – was insbesondere bei gleich vier Kunden schnell mal unsere Schichteinnahmen verdoppeln kann.

Meines – sicher nicht umfassenden – Wissens nach liegen die wirklich üppig zahlenden Etablissements allesamt im Westen, weswegen ich nur recht selten in den Genuss dieser Zahlungen komme. In erster Linie bin ich nämlich Taxifahrer und hab trotz des ganzen zwielichtigen Gemauschels durchaus noch einen Rest Anstand, der es mir verbietet, Leute durch die ganze Stadt zu karren, bloß um mir ein paar Euro extra zu sichern. Ich fahre schließlich auch keine Umwege, bloß damit es bei mir auf dem Taxameter besser aussieht.

Aber wenn es die Kundeninteressen erlauben, dann würde ich sagen, dass ich ja blöd wäre, wenn ich die Kohle nicht annehmen würde. 🙂

Bis in den tiefsten Westen bin ich nicht gefahren. Es gibt schließlich Mittelwege. Dass ich keine Namen schreibe, sollte verständlich sein. Am Ende hatte ich jedenfalls einen Zehner auf der Uhr und das achtfache an „Trinkgeld“. Und bin weiterhin überzeugt davon, dass man sich keinen Gefallen damit tut, Fahrten abzulehnen …