Von spontanen Änderungen

Keine Zeit, keine Zeit, keine Zeit!

So sahen meine Gedanken fürs derzeitige Wochenende aus.

Arbeiten! Das Geld muss ja irgendwo herkommen!

Allerdings ist Geld bei mir erfahrungsgemäß im Falle nicht akuten Hungerleidens eher ein schlechter Motivator. Also besser als gar keiner, aber im Gegenzug zu einer Schicht im Taxi ist ein gemütlicher Abend bei gemütlichem Essen und einem Film mit Ozie zusammen dann halt doch ein wenig attraktiver. Und wird es hoffentlich immer bleiben.

Meine Lust aufs Arbeiten hielt sich am gestrigen Morgen in so engen Grenzen, dass ich angefangen habe, den Schichtbeginn mit Haushaltstätigkeiten und Einkaufen nach hinten zu verschieben. Samstag fällt das selbst mir mit meiner Faulheit nicht leicht, aber ich hab es geschafft. Am Ende sind wir vollgefuttert vor dem Bildschirm versumpft und es hat sich einfach nur gut und irgendwie richtig angefühlt. Gott sei Dank hab ich keinen vernünftigen Job!

Aber alles hat irgendwann ein Ende und so brachte ich Ozie kurz nach zwei ins Bett – so ganz meinen Schlafrhythmus hat sie schließlich auch nicht und außerdem ist bei ihr dank Weihnachtsgeschäft im Shop ja auch viel los.

Und dann stand ich plötzlich alleine in meinem Zimmer und wollte eigentlich nur eins: arbeiten!

Einfach so, spontan morgens um halb drei. Und wann, wenn nicht an einem Samstag geht das? Eine Coffee in den Rachen geschmissen, Geldbeutel geschnappt und einfach eine Runde auf die Straße. Nicht lange – und die lukrativsten Stunden dieses Monats waren es (obwohl grundsätzlich die besten der Woche) auch nicht. Aber es hat Spaß gemacht und es gibt andere Zeiten, in denen sich die 75 € Umsatz schwerer machen lassen. 🙂

Jetzt nehme ich mir noch zwei Feierabendbier aus dem Kasten und dann sehen wir mal, ob ich heute Abend Lust auf Arbeit hab. Oder wann.

Ein Jahr im Taxi (2)

Fünfzig, das Handy und die Polizei:

Die kleine 1925 gewann an Fahrt und die beiden Fahrgäste schienen guter Laune zu sein. Nach eigener Aussage wollten sie noch Feiern, alles spitze, nur „bisschen besoffen“. Na klar.

„Wo is‘ mein Handy?“

Oha. Ich hatte natürlich keine Ahnung, der zweite Fahrgast ebensowenig.

„Wo is‘ mein Handy?“

Ja nee, immer noch nicht!

Auf der Uhr standen gerade einmal 3,60 €, da wurde ich um folgendes gebeten:

„Halt mal an!“

Das Schlimme daran war, dass es auf einmal so klang, als würde es um den Mageninhalt gehen. Ich lasse meinen Finger auf den Knopf für die Warnblinkanlage niedersausen, halte an der rechten Fahrbahnseite und der junge Mann von hinten links beginnt, sich über seinen Kollegen einen Weg ins Freie zu suchen. Es lässt sich schwer vermeiden, beim Anblick der beiden ins Grübeln zu kommen, ob da nicht sexuelle Komponenten im Spiel sind, aber letztlich krabbelt der junge Mann mit den Händen voran aus meinem Taxi ohne unterwegs die Hose des anderen geöffnet zu haben. Wäre das geschehen, wäre die Fahrt jedoch nur unwesentlich seltsamer geworden. Der hinten rechts sitzende Fahrgast grinste und zeigte mir einen Geldschein:

„Fünfzig.“

„Naja, so viel brauchen wir jetzt ja erstmal nicht.“

Den Titel „Ein Jahr im Taxi“ habe ich übrigens gewählt, weil die Fahrt ansonsten so ziemlich alles abgedeckt hat, was einem binnen eines Jahres so in einem hellelfenbeinfarbenen Auto passieren kann.

Der junge Kunde im teuren Zwirn steht nun reichlich benebelt am Fahrbahnrand, offensichtlich in der festen Absicht, zurückzulaufen und sein Handy zu suchen. Während ich also mit Warnblinkanlage mitten im Wald stehe und der verbliebene Fahrgast selig grinst, rollt ein Streifenwagen heran und verlangsamt die Fahrt. Ich hab mir zunächst Gedanken gemacht, ob sie mich wegen meines ungünstigen Halts auf freier Strecke ermahnen wollten, dann wurde mir jedoch klar, dass wir hier fern jeder Zivilisation (also zumindest 400 Meter) durchaus den Eindruck erwecken konnten, dass etwas nicht stimmt. Panne, Überfall, hätte ja alles sein können!

Ich ließ die Scheibe herunter und versicherte den Beamten, dass alles in Ordnung sei und wir auch umgehend wieder weiterfahren würden. Gelassenheit breitete sich aus und der Wald verschluckte wenig später den silberblauen Wagen wieder.

Das Estrel in Lichtenberg

Immerhin ein Anfang: Am Flughafen Tegel werden jetzt offensichtlich Info-Plakate und Flyer zugänglich gemacht, die die Touristen davon abhalten sollen, bei den bekannten Abzockern ins Auto zu steigen. Das ist natürlich noch keine Gesamtlösung und es ist natürlich unabdinglich, dass man diese „Taxifahrer“ auch rechtlich belangt.

Aber ich finde das dennoch einen guten und wichtigen Schritt – denn wie ich schon oft geschrieben habe: Informationen sind wichtig!

Neben den potenziell abgezockten Touristen hab ich da ja selbst durchaus die durchschnittlich verängstigten Wenigfahrer im Kopf, die uns aus Unwissen schnell mal den dreifachen Preis unterstellen und deswegen so selten in ein Taxi steigen.

Gestern ist dann auch die Berliner Zeitung auf den Zug aufgesprungen und berichtet, natürlich traurigerweise auch erst einmal mit dem Aufhänger, dass in Tegel massiv betrogen wird. Aber immerhin ist der Artikel halbwegs informativ, das muss man ihnen lassen. Die weiter unten im Text eingebundene Grafik „So viel kosten Taxifahrten vom Flughafen Tegel“ ist mir besonders aufgefallen – zum einen, weil ich eine derartige Übersicht, so ungenau sie natürlich sein muss, echt schön finde. Zum anderen ist die Karte aber auch auf extrem lustige Weise völlig falsch, was die Lage der nach kuriosen Kriterien ausgewählten Objekte (U-Bahnhof Dahlem-Dorf, ehrlich?) angeht.

Der Alexanderplatz liegt ab heute in Pankow, das Estrel in Friedrichsfelde – warum auch nicht?
Und ich bin mir sicher, dass sich die Bewohner von Berlin-Lichtenrade über den Flughafen in ihrem kleinen Stadtteil freuen werden. 🙂

Für ein Fazit fehlt mir die Zeit.

 

 

Ein Jahr im Taxi (1)

Vorwort:

Ich hatte schon angekündigt, dass mein Text über die letzte Fahrt der Donnerstagsschicht ein Mehrteiler werden könnte. Ein paar von Euch mögen das nicht, aber an diesem Wochenende fehlt mir echt die Zeit, einen so langen Text am Stück runterzuschreiben. Wer sich also berufen fühlt, gleich im Kommentarfeld die Worte „Tom“ und „Cliffhanger“ zu benutzen, sollte sich jetzt einfach vorstellen, GNIT mache nach diesem Satz das Wochenende frei und schaut am Montag Morgen erst wieder hier rein. Dem Rest schon jetzt viel Spaß beim Lesen.

Die Ausgangslage:

Nach meiner über alles erhabenen Leser-Tour schob ich mich von Zeuthen nach Berlin, immer auf der Hut vor glatten Straßen und Blitzern. In Gedanken schon auf dem Weg nach Hause schaltete ich trotz allem pflichtbewusst am Ortseingang die Fackel ein. Mein Weg sollte mich übers Adlergestell nach Schöneweide, am Taxihaus vorbei, die Treskowallee hoch und durch Karlshorst über Friedrichsfelde nach Marzahn führen. Feierabend! Nach 6 Stunden mit mehr als einem Hunni in der Tasche war ich satt für den Abend. Aber man nimmt ja mit, was geht. 😉

Ohne Wildschweinkontakt erreichte ich den Bahnhof Grünau und dort fiel mein Blick auf zwei halbjugendliche Anzugträger, die sich gegenseitig darin überboten, mich an den Straßenrand zu winken. Auch nachdem ich den Blinker setzte, auch nachdem ich rechts ranfuhr. Die beiden wirkten ziemlich angeschlagen, aber nach dem etwas unbeholfenen Kraxeln ins innere des Fahrzeugs wirkten sie recht zuversichtlich, dem zweifelsohne schon ereignis-, zumindest aber getränkereichen Abend noch die Krone aufzusetzen:

„Sky.“

„Sky?“

„Sky. Am Alex.“

Nun gut, man kann nicht sagen, dass der Alexanderplatz wirklich auf meinem Weg lag, aber die Jungs hatten eben eine glatte 30€-Tour geordert. Und dem Kilometerschnitt gut tun würde das Ganze auch noch. Hell yeah! Ich trat das Gas durch, die Reifen drehten ein kleines Bisschen hohl, aber nach 2 Sekunden waren wir auf dem Weg in die City.

Eine Frage der Höflichkeit

Ich hab echt nichts gegen den familiären Tonfall auf Berlins Straßen. Gestern allerdings ist mir aufgefallen, wie sehr ich mich daran gewöhnt habe. Da stand plötzlich am Bahnhof eine junge Frau an meinem Auto und fragte:

„Entschuldigen Sie, dürfte ich Sie um eine Auskunft bitten?“

Und das kam mir irgendwie sehr seltsam vor. Normalerweise kommt doch eher:

„Sag mal, weißte wo hier die nächste Brücke über die Spree ist?“

Antworten gibt’s nach wie vor auf beides. 🙂

Einfach perfekt.

Vorbestellungen sind immer so eine Sache. Inzwischen hatte ich ja einige von euch im Auto – und das hat auch immer alles gut geklappt. Ein bisschen ein flaues Gefühl habe ich dennoch immer, weil der Versuch einer Planung immer auch die Möglichkeit birgt, dass etwas anders als geplant läuft. Klassischerweise ist es z.B. so, dass man kurz vor einer vereinbahrten Fahrt einen Winker ans andere Ende der Stadt kriegt. Am Besten noch mit einer Tour, die vielleicht sogar mehr bringt als die Vorbestellung – oder aber mit einem Fahrgast, der gleich beim ersten Räuspern mit der Keule „Beförderungspflicht“ wedelt.

Von diesen Horrorszenarien ist heute Nacht keines eingetreten und ich hab mich auf die Tour wirklich freuen können. Ein Leser mit dem ich im Vorfeld bereits einige nette Mails gewechselt hatte, wollte meine Wenigkeit für eine Fahrt nach Zeuthen buchen und für mich war damit klar, dass ich mir in den Stunden davor nicht viel Sorgen um meinen Umsatz machen müsste. Der Donnerstag war noch nie der wichtigste Tag in der Woche und bei einer 45€-Tour um halb eins ist eigentlich alles geritzt.

Es klappte mehr als nur perfekt. Ich bekam in der kritischen Stunde davor genau eine Tour – und zwar zumindest mal in den richtigen Stadtteil. Das Warten beschränkte sich auf eine knappe Viertelstunde – Zeit genug, um den Nikotinspiegel obenzuhalten – und die Fahrgäste waren pünktlich und den Umständen entsprechend noch ausreichend nüchtern.

Peinliches Schweigen kam gar nicht erst auf, die Wegfindung war kein Problem, der Preis lag 1,20 € unter meiner Schätzung, das Trinkgeld war jenseits von Gut und Böse und weitere Touren dieser Art könnten in Zukunft folgen.

Alles in allem ist das so gelaufen als ob man vor der Eisdiele steht, sich 2 € für ein Eis wünscht und am Ende von 5 netten Leuten eingeladen wird und auf dem Heimweg noch einen Zehner auf dem Gehweg findet: mehr als nur perfekt.

An meine Fahrgäste gerichtet noch zwei Dinge:

1. Nur mal keine Sorge wegen den Kilometern! Wenn ich sage, das passt, dann passt das! Ich hab ’nen echt passablen Schnitt und ich überlege mir das vor den Fahrten gründlich. Mein Chef hat sich in vier Jahren noch nicht einmal zu den Kilometern geäußert, ich darf das Auto ja ohnehin auch privat nutzen. Also wenn wir einen Preis vereinbaren (ob nach Uhr oder nicht), dann ist das immer in Ordnung!

2. Als kleiner Service – weil wir es im Auto davon hatten: Hier ist der Artikel zur Sitzplatzwahl. Ist zwar wie erwähnt schon 2 Jahre alt, aber mitsamt den vielen Kommentaren immer noch eine hervorragende Antwort auf alle Fragen rund darum, wo man im Taxi am Besten einsteigt.

Wider Erwarten hatte ich auf dem Rückweg noch eine Tour – und die hatte es richtig in sich. Ich warne schon mal vor, dass es ein Mehrteiler werden könnte. Aber das sehen wir die Tage dann …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Gaga-Meilensteine

Manchmal ist auf die Medien ja schon Verlass. Die meisten werden es gestern im bildblog schon gelesen haben, dass die Bild ihre Qualität im Grundschulrechnen mal wieder gnadenlos überschätzt hat und eine (vielleicht ohnehin nie stattgefundene) Taxifahrt mal eben von den Kosten her verdoppelt hat.

Das ist natürlich eine Meldung, die egaler nicht sein könnte. Ich möchte trotzdem anmerken, dass hier – sehr Bild-typisch – mal wieder das gemacht wird, was mir nicht nur als Taxifahrer übel aufstößt: durch lächerliche Übertreibungen blödsinnig Stimmung machen. Dass die Bild den im Artikel erwähnten Balotelli nicht sonderlich gut leiden kann, ist fast schon zu banal. Aber trotzdem, man muss ja nochmal draufhauen. Dieser Idiot gibt 2000 € dafür aus, dass ein Taxi vor ihm herfährt! Haha!

Im Umkehrschluss ist man also blöd, wenn man das macht.

OK, ich würde für die Strecke keine 2000 € ausgeben, auch keine 1000. Und schon gar nicht für eine Lotsenfahrt, ich kann via Karte navigieren und wäre bereit, diese Fähigkeit einzusetzen. Aber für mich sind 1000 € auch eine Menge mehr Holz und meine Zeit ist entsprechend weniger wert als die von Balotelli. Und wenn ich mich beim Einkaufen mal für ein bisschen Luxus entscheide und einen Zehner mehr zahle, dann sei das einem Fußballer in seinem Universum auch gegönnt.

Ich hatte ja auch schon mal einen Fußballer an Bord, der mir gerne 10 € für eine Fahrt zum nächsten Geldautomaten gegeben hat.

Taxen sind sicher nicht die erste Wahl, wenn es um längere Strecken geht. Da sind wir einfach ein recht teures Personal, weil wir recht schnell sind und sich unser Preis in erster Linie nach Kilometern berechnet. Je nach Lebensumfeld ist das aber vielleicht auch gar nicht so entscheidend. Schicke ich jemanden nicht vielleicht doch lieber mit dem Taxi nach Hause, als ihm einen Tag Verdienstausfall und eine Übernachtung in seinem 4-Sterne-Hotel zu zahlen? Da werden 500 € schnell wieder zu einer gar nicht so abwegigen Lösung.

Eigentlich wollte ich gar keine langen Reden schwingen. Ich würde nur dazu raten, niemanden ernst zu nehmen, der einfach weiterverbreitet, dass ein Taxi irgendwo in Europa mal eben über drei Euro pro Kilometer kostet. Ich will es nicht ausschließen, aber ich würde zumindest mal recherchieren. Aber ich bin ja auch nur Blogger.