Krrisensicher: Idiotie

Idioten hat man öfter mal an Bord als Taxifahrer, allerdings weniger als ich ursprünglich dachte. Klar, diese Einschätzung beruht auch auf der Tatsache, dass ich bei vielen Späßen mitmache und beispielsweise Kunden nicht gleich für Idioten halte, nur weil sie einen zuviel getankt oder Lust auf laute Musik haben.

Mein Fahrgast war an sich erstmal unauffällig und hat in keinster Weise schlimmes von sich gegeben. Er hat zwar hier und da mal über „die Politik“ gemeckert, ist dabei aber bei Allgemeinplätzen geblieben, die ich ohne allzu schlechtes Gewissen auch bestätigen konnte. Für ausschweifende Gespräche fehlte auch ein wenig die Zeit, denn wir fuhren vom Ostbahnhof aus nur bis zur Simon-Dach-Straße. Die letzten 10 Sekunden hat er dann allerdings genutzt, um sich als Vollidiot zu outen:

„Nee, is ja furchtbar, was hier so passiert. Aber das nicht mehr lange!“

„Wie meinen Sie das?“

„Widerstand, Junge! Et jibt massiven Widerstand! Googel mal ‚Kommissarische Reichsregierung‘! Da ist was janz Großes im Kommen!“

Nun, ich will ehrlich sein: Ich musste es nicht googeln. Ich bin mit allerlei Verschwörungstheorien und dergleichen auf Du, ich ziehe eine Menge meiner alltäglichen Belustigung aus der realen Blödheit der Menschen – da kommt Kabarett ohnehin nur selten ran. Und dass die „kommissarischen Reichsregierungen“ neben ihrer massiven Braunfärbung auch ein echt gutes Beispiel für die menschliche Blödheit sind, ist mir durchaus bekannt.

Zeit zum Widerspruch hatte ich kaum, der Fahrgast war zu sehr elektrisiert von der Idee, in mir einen Mitstreiter gefunden zu haben. Gab über 3 € Trinkgeld, dann entschwand er in der Nacht. Also der realen. In der geistigen ist er ja offenbar davor schon lange angekommen …

Für alle, die weniger Ahnung haben: Hier ein paar Infos zu den KRR.

Lachhaft schlechter Rotz

oder kurz LSR.

Nein, natürlich ist das ein Backronym, mal eben von mir erfunden und gar nicht so schwer zu konstruieren, weil man sich bei dem Thema beherzt in den tiefsten Schimpfwort-Niederungen der deutschen Sprache bedienen kann. Das Kürzel LSR steht vorerst noch für Leistungsschutzrecht, ich bin aber zuversichtlich, dass sich meine Interpretation bereits kurz nach Einführung desselben einbürgern könnte.

Warum ich das Thema hier aufgreife? Nun, zunächst mal geht es natürlich auch alle Leser und Schreiber im Netz was an, vor allem aber lässt sich die Geschichte wunderbar mit Taxi-Analogien erzählen. Sehr gekonnt hat es beispielsweise jetzt wieder Bulo gemacht:

Männschen und Medien: Das Wesen des Leistungsschutzrechts zusammengefasst in einem Cartoon

Wer sich mit dem Thema bisher nicht befasst hat: Es geht – ebenso vereinfacht augedrückt wie in dem Cartoon – darum, dass (je nach Entwurf) alle Autoren / gewerbliche Seiten / nur Google an die deutschen Zeitungsverlage zahlen müssen, so sie deren „Content“ nutzen. Dieser Content soll im Gegensatz zum normalen Urheberrecht (das das Zitatrecht beinhaltet und eine gewisse Schöpfungshöhe und damit auch eine gewisse Länge des „Contents“ voraussetzt) auch kleinste Info-Fetzen umfassen, ggf. würde schon das Erwähnen einer Überschrift reichen. Der Grund ist einfach: Google verdient im Netz Geld und die Verlage nicht. Deswegen wollen die Verlage, dass Google dafür zahlt, sie zu verlinken. Obwohl sie erst durch Google die Besucher kriegen, mit denen sie dann Geld verdienen. Klingt bekloppt? Ist es auch. Hochgradig. Immerhin so bekloppt, dass es relevante Teile der Regierung für sinnvoll halten. Und das – hierfür Respekt an die Verlage – muss man ja auch erst mal schaffen.

Ich hab dieses Jahr schon zwei Texte zum Leistungsschutzrecht geschrieben (hier Nummer 1 und Nummer 2)

Insbesondere im zweiten Text gibt es noch lesenswerte Links zum Thema. Hier wiederholen möchte ich natürlich zum einen die Taxi-Analogie, die ich bereits in einem der Texte erwähnt hatte:

Künftig könnten uns große Hotels Werbeflyer zustecken und wenn wir mit diesen Werbeflyern dann Kunden zu ihnen locken, kassieren sie von uns Taxifahrern noch kurz eine Gebühr, weil wir ihren Flyer genutzt hätten dafür. Obwohl wir die Kunden ansonsten ja auch zum Hotel mit der längsten Fahrt hätten bringen können.

Aber man kann das Ganze – das wäre dann meine Forderung 😉 – natürlich auch umkehren:

Wenn ich künftig vor einem Hotel halte und die Portiers geleiten einen Fahrgast zu mir, dann kassiere ich einfach noch ein kleines Trinkgeld – schließlich profitiert das Hotel außergewöhnlich davon, dass ich so schnell bei ihnen bin und ihren Kunden zufriedenstelle. Oder ich kassiere beim Hinbringen. Schließlich würde er ohne mich ja sicher ein anderes Hotel nehmen!

Zurück zum lachhaft schlechten Rotz: Auch wenn es nix mit dem Taxigewerbe zu tun hat (obwohl die Flughafengebühren für Taxen einige erschreckende Parallelen aufweisen), betrifft der Quatsch wirklich alle und ist bestenfalls zu blöd fürs Internet (und auch hier – das muss man mal schaffen!), andernfalls sogar schädlich. Stellt euch mal vor, ich zeige euch plötzlich an, weil ihr netterweise GNIT verlinkt habt … das könnte ich nach Einführung des LSR unter Umständen tun.

 Den paar Lesern, die auch meinen privaten Blog verfolgen, wird es klar sein – aber auch hier nochmal unmissverständlich: Ich bin gegen dieses Leistungsschutzrecht in allen bisher angedachten bzw. ohne Umwege über Neuronen hingekritzelten Variationen. Sollte es kommen, ist meine Position die von Thomas Knüwer (und hoffentlich die von Google): Ich werde nicht mehr auf Seiten von Verlagen verlinken – so lange, bis sie dank Besucherarmut eingehen. Meinem Blog wird’s nicht schaden und auf GNIT wird man immer verlinken, von GNIT wird man immer zitieren dürfen.

PS: bei netzpolitik.org findet sich eine tolle Auflistung von „Erklärungen“ zum Leistungsschutzrecht.

Sprachpoker die zweite

Als ich gestern nach der Jesberstraße gefragt habe, war das nur die halbe Wahrheit, aber um des Rätsels willen hab ich das Ganze abgekürzt. Die Familie, die mir am Ostbahnhof ins Auto fiel, gab als Fahrtziel zunächst den Viktoriaplatz an. Ich weiß nicht, wie es den Kollegen geht, aber ich komme da immer durcheinander. Ich hab mit all den alten Adelsgeschlechtern nix am Hut und so wiederholen sich manche Namen ständig.

Ist doch wahr: Man nenne seine Tochter Viktoria-Luise-Charlotte und nach drei Stadtbummeln glaubt die Kleine, ganz Berlin sei nach ihr benannt.

Aber da keiner der bekannten Doppelnamen gefallen war, hab ich mal kurz das Navi angeschmissen. Ein Ergebnis nur. In Lichterfelde. Wow! Eine Hammertour, locker 25 € und eine Verwechslung war offenbar ausgeschlossen. Während ich zunächst Richtung Westen fuhr, kamen mir leise Zweifel. Ich meine: Nichts ist unmöglich, aber was macht eine Touri-Familie in Lichterfelde?

Also hab ich nachgehakt, ob das richtig sei. Eine wirkliche Antwort bekam ich zunächst nicht, dann wurde mir die Jesberstraße genannt. Das alleine half – wie gestern geschrieben – auch nicht wirklich. Ich bat darum, ihre Aufzeichnungen einzusehen und als erstes fiel mir mal der Fauxpas mit dem Viktoriaplatz auf, denn dort stand laut und deutlich Viktoria-Luise-Platz. Obwohl die Sache da schon recht klar war, hab ich sie trotzdem gebeten, nie nie nie irgendeinen Adressteil unausgesprochen zu lassen und dass ich sie jetzt beinahe 10 Kilometer weiter ins Umland gefahren hätte.

„Nearby the KaDeWe!“

meinte die Frau noch. Naja gut, auch knapp einen Kilometer daneben, aber besser als Lichterfelde allemal!

Die Jesberstraße, Ortskundige werden es langsam erahnen, war natürlich die Geisbergstraße, die unweit des Viktoria-Luise-Platzes liegt. Immerhin war die Richtung zu Beginn nicht falsch, insofern war das wenigstens eine folgenlose Geschichte. Aber ja, hoch gepokert.

Sprachpoker

Die Truppe, die ich plötzlich im Auto sitzen hatte, sprach überwiegend portugitalospanisch, etwas außerhalb meiner Kernkompetenz deutsch. Mit der jüngsten Mitreisenden konnte ich mich auf englisch einigen und so ging es nun daran, ein gemeinsames Ziel zu definieren. Ist in der Regel ja keine große Sache.

Nun wollten die Leute aber – und ich lass sie hier mal selbst zu Wort kommen – folgendes:

„We go to Jesberstraße.“

Ich will nicht einmal ausschließen, dass es eine gibt, aber ich hab beschlossen, dass jetzt auch ohne Navi bereits zu hoch gepokert würde, gestand mir innerlich ein, passen zu müssen und wollte nun sehen. Die Adresse, die sie mir zeigten, war in Anbetracht der englischen Aussprache sogar fast identifizierbar.  Na, jemand eine Ahnung?

Nicht sehr hilfreicher Tipp: Sie liegt im Westen – die Jessnerstraße ist es also schon mal nicht 😉

Die Auflösung gibt es im Artikel morgen früh …

Zuckunglücke

Ich hab den Artikel über die 5 besten Methoden, ein Taxi heranzuwinken nicht zufällig geschrieben.

In letzter Zeit treiben mich die Zucker in den Wahnsinn. Ich bin ja nun wirklich mit offenen Augen unterwegs und ich bin nach nunmehr bald 4 Jahren im Taxi auch recht geübt darin, potenzielle Kunden zu erkennen. Leute, die in Erwägung ziehen, ein Taxi heranzuwinken, verhalten sich am Straßenrand anders als sonstige Spaziergänger. Selbst wenn sie einem nicht das Gesicht zuwenden. An der mangelnden Übung kann es also kaum liegen, meist habe ich Recht.

Allerdings passieren in der Stadt eine Menge komische Dinge. Menschen winken sich gegenseitig über die Straße hinweg zu, manche scheinen tatsächlich unter unkontrollierbaren Zuckungen zu leiden, manche winken sogar tatsächlich nach einem Taxi – das aber nur zum Spaß.

Man kann als Taxifahrer also auch schlecht bei jeder seltsamen Bewegung anhalten. Der Zeitverlust wäre verkraftbar, aber allzu oft bedingt ein solcher Stopp, dass sich ein Kollege vor einen setzt und damit nunmehr die besten Karten hat, die nächsten zu erwischen.

Und ich erwarte von Kunden nicht viel. Ehrlich nicht. Niemand muss sich Leuchtbändchen umhängen, wie wild mit den Armen fuchteln oder sich sonstwie zum Klops machen. Ein sichtbar ausgestreckter Arm, vielleicht eine leichte Bewegung dabei (optional) und Blickkontakt. Das reicht!

Aber in letzter Zeit hatte ich mehrmals Leute, die z.B. kurz die Hand in Schritthöhe anheben als eine Art Bremssignal, das ja keiner mitkriegen soll. Wenn ich sie dann fixiert habe in der Hoffnung, sie meinten mich, blickten sie weg. Um dann – wenn ich vorbeifuhr – Zeter und Mordio zu schreien, mir hinterherzuwinken oder mir nachzublicken.

Mich reizt es oft, in solchen Situationen eine Vollbremsung hinzulegen, die Tour noch zu retten, ja: meinen Umsatz und damit mein Gehalt aufzubessern. Meist indes fahre ich weiter und ärgere mich über die Blödheit dieser Zeitgenossen. Meist dem Verkehr geschuldet, manchmal aber auch aus Trotz. Ich meine: Mal im Ernst – was soll das? Auch wenn ich es gerne wäre: Ich bin kein Gedankenleser und ich habe zudem auf den Verkehr um mich herum zu achten. Wenn man ein Auto aus so einer Situation heraus anhalten möchte, dann ist es nunmal unabdinglich, das irgendwie kenntlich zu machen!

Wenn wir Taxifahrer bei jedem Schulterzucken und jeder kurz zuckenden Hand anhalten würden, dann ginge wirklich gar nichts mehr in den Straßen Berlins. Ehrlich! Denkt daran, wenn ihr euch ein Taxi ranwinken wollt. Wir Fahrer sind sicher die letzten, die sich diese Chance entgehen lassen. Aber ihr müsst sie uns auch geben …

Haariges Kriterium

Zwei Touris aus dem Süden Deutschlands. Nett, höflich und mit einer kurzen Tour im Gepäck. Warum sie aber mich als ca. 13. aus der Schlange gepickt haben – ohne dass ich an einer Position stand, die suggerieren konnte, dass ich erster bin – das musste ich sie dann doch fragen. Die Antwort war ebenso überraschend wie überhaupt nicht einleuchtend:

„Wir nehmen immer die mit Bart. Das sind die nettesten.“

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Viel Reden für nichts

Die Frau, die für alle Kollegen außer mir am Stand noch als junge Frau gegolten haben dürfte, hangelte sich bereits vom fünften zum sechsten Taxifahrer. Ich war der siebte in der Schlange. Dass mit ihrer Anfrage irgendwas nicht so recht koscher sein konnte, war unschwer abzusehen. Allerdings behalte ich meine Freundlichkeit und mein Pokerface gerne bei, denn manchmal sind es ja nur die kleinen Dinge. Selbst wenn Kartenzahlung gewünscht ist, ist unter Umständen ein Halt an einer Bank etwas, an das alle Kollegen noch nicht gedacht haben.  Oder man kann mit drei Sätzen vernünftig erläutern, warum Kurzstrecke vom Stand aus nicht machbar ist und am Ende steigen die Leute dann doch zum Normaltarif ein. Ganz zu schweigen von den Kollegen, die Leute mit Hund / Rollstuhl / Dachschaden oder kurzen Touren aus Prinzip nicht mitnehmen wollen. Also hab ich abgewartet.

Auch beim Kollegen vor mir ist sie abgeblitzt, so dass sie mir endlich ihr Leid schildern konnte. Es ging um eine Tour nach außerhalb. Na gut, warum nicht. Dank S-Bahn-Ausfall war am vergangenen Samstag um den Ostbahnhof die Hölle los und mit dieser Fahrt hätte ich Feierabend machen können. Um halb zwei – mit einem Umsatz, den ich vielleicht für halb sieben erhofft hatte.

„Wir suchen nach einer Schwarzfahrt, muss also nicht auf der Uhr …“

Wegtreten, Flitzpiepe!

Hab ich so nicht gesagt, aber gedacht. Diplomatisch hab ich eingeworfen, dass wir nach außerhalb ja ohnehin verhandeln müssten.

„Naja, das sind 37 Kilometer und wir haben noch 40 Euro …“

Das ist immerhin mal nicht oberdreist und bei meinem Kilometerschnitt an dem Abend wäre das eigentlich vielleicht ganz ausnahmsweise und überhaupt … aber: nein!

Ja, irgendwie dringewesen wäre das. Sicher. Ich hab ihr auch angeboten, dass wir es umgehend machen könnten, wenn sie noch einen Zehner drauflegen würde. Nicht aus purer Geldsucht, damit läge ich immer noch unter dem, was mein Chef eigentlich von mir erwarten würde. Aber man muss die Kundenanfragen natürlich auch erstmal so lesen, wie sie dann in Realität aussehen. Die 37 Kilometer hab ich zwar nicht gleich überprüft, aber schon während unseres Gesprächs wurden sie zu 35. Wäre also nicht verwunderlich, wenn es eigentlich 50 sind. Vielleicht sogar 37 auf dem kürzesten Weg, aber über die Autobahn ist es ohnehin schneller, bla laber keks …

Und „wir haben nur 40 Euro“ kann ich auch lesen als „und Trinkgeld gibt es dann natürlich keines“. Muss nicht stimmen, man sollte aber vorsichtshalber damit rechnen.

Und außerdem war ihr (nur mal so: es waren insgesamt vier Leute!) einziges Problem, dass sie anderthalb Stunden auf den Zug warten mussten. An einem Bahnhof mit McDonalds, vielen Leuten und und und …

Auch wenn meine Artikel es manchmal vielleicht vermuten lassen. Ich geh nicht morgens ins Bett, hol mir einen runter und denk dabei daran, wie ich heute wieder den Taxitarif hochgehalten habe. Ich hätte den Leuten gerne einen Gefallen getan, aber es hätte sich – insbesondere in dieser Nacht! – nicht gelohnt für mich. Ich hab in der grob für die Tour veranschlagten Zeit ähnlich viel Geld – mit stattlichem Tip – eingefahren. Außerdem glaube ich auch, dass wenn 10 € für eine Fahrt von 40 Kilometern pro Person ok sind, 12,50 € kein allzu abbgehobenes Angebot sind. Dafür hätte es die Fahrt vor die Türe gegeben statt zum Bahnhof und es will mir doch keiner erzählen, dass von 4 erwachsenen Leuten, die in Berlin feiern gehen, nicht wenigstens einer noch einen Zehner bei der Bank abheben kann …

Am Ende haben sie wohl gewartet, die Taxi-Schlange endete kurz hinter mir. Ich hab es überlebt, sie haben es überlebt. So kann es eben gehen. Trotzdem schade.