Die Frau, die für alle Kollegen außer mir am Stand noch als junge Frau gegolten haben dürfte, hangelte sich bereits vom fünften zum sechsten Taxifahrer. Ich war der siebte in der Schlange. Dass mit ihrer Anfrage irgendwas nicht so recht koscher sein konnte, war unschwer abzusehen. Allerdings behalte ich meine Freundlichkeit und mein Pokerface gerne bei, denn manchmal sind es ja nur die kleinen Dinge. Selbst wenn Kartenzahlung gewünscht ist, ist unter Umständen ein Halt an einer Bank etwas, an das alle Kollegen noch nicht gedacht haben. Oder man kann mit drei Sätzen vernünftig erläutern, warum Kurzstrecke vom Stand aus nicht machbar ist und am Ende steigen die Leute dann doch zum Normaltarif ein. Ganz zu schweigen von den Kollegen, die Leute mit Hund / Rollstuhl / Dachschaden oder kurzen Touren aus Prinzip nicht mitnehmen wollen. Also hab ich abgewartet.
Auch beim Kollegen vor mir ist sie abgeblitzt, so dass sie mir endlich ihr Leid schildern konnte. Es ging um eine Tour nach außerhalb. Na gut, warum nicht. Dank S-Bahn-Ausfall war am vergangenen Samstag um den Ostbahnhof die Hölle los und mit dieser Fahrt hätte ich Feierabend machen können. Um halb zwei – mit einem Umsatz, den ich vielleicht für halb sieben erhofft hatte.
„Wir suchen nach einer Schwarzfahrt, muss also nicht auf der Uhr …“
Wegtreten, Flitzpiepe!
Hab ich so nicht gesagt, aber gedacht. Diplomatisch hab ich eingeworfen, dass wir nach außerhalb ja ohnehin verhandeln müssten.
„Naja, das sind 37 Kilometer und wir haben noch 40 Euro …“
Das ist immerhin mal nicht oberdreist und bei meinem Kilometerschnitt an dem Abend wäre das eigentlich vielleicht ganz ausnahmsweise und überhaupt … aber: nein!
Ja, irgendwie dringewesen wäre das. Sicher. Ich hab ihr auch angeboten, dass wir es umgehend machen könnten, wenn sie noch einen Zehner drauflegen würde. Nicht aus purer Geldsucht, damit läge ich immer noch unter dem, was mein Chef eigentlich von mir erwarten würde. Aber man muss die Kundenanfragen natürlich auch erstmal so lesen, wie sie dann in Realität aussehen. Die 37 Kilometer hab ich zwar nicht gleich überprüft, aber schon während unseres Gesprächs wurden sie zu 35. Wäre also nicht verwunderlich, wenn es eigentlich 50 sind. Vielleicht sogar 37 auf dem kürzesten Weg, aber über die Autobahn ist es ohnehin schneller, bla laber keks …
Und „wir haben nur 40 Euro“ kann ich auch lesen als „und Trinkgeld gibt es dann natürlich keines“. Muss nicht stimmen, man sollte aber vorsichtshalber damit rechnen.
Und außerdem war ihr (nur mal so: es waren insgesamt vier Leute!) einziges Problem, dass sie anderthalb Stunden auf den Zug warten mussten. An einem Bahnhof mit McDonalds, vielen Leuten und und und …
Auch wenn meine Artikel es manchmal vielleicht vermuten lassen. Ich geh nicht morgens ins Bett, hol mir einen runter und denk dabei daran, wie ich heute wieder den Taxitarif hochgehalten habe. Ich hätte den Leuten gerne einen Gefallen getan, aber es hätte sich – insbesondere in dieser Nacht! – nicht gelohnt für mich. Ich hab in der grob für die Tour veranschlagten Zeit ähnlich viel Geld – mit stattlichem Tip – eingefahren. Außerdem glaube ich auch, dass wenn 10 € für eine Fahrt von 40 Kilometern pro Person ok sind, 12,50 € kein allzu abbgehobenes Angebot sind. Dafür hätte es die Fahrt vor die Türe gegeben statt zum Bahnhof und es will mir doch keiner erzählen, dass von 4 erwachsenen Leuten, die in Berlin feiern gehen, nicht wenigstens einer noch einen Zehner bei der Bank abheben kann …
Am Ende haben sie wohl gewartet, die Taxi-Schlange endete kurz hinter mir. Ich hab es überlebt, sie haben es überlebt. So kann es eben gehen. Trotzdem schade.