Redselige Kundschaft

Gequasselt wird ja viel im Taxi. Dieser Fahrgast jedoch hat es geschafft, mir ganze drei Minuten Gespräch unterzujubeln, bevor wir überhaupt losgefahren sind. Bevor er nämlich einen Zielort benannt hat, hat er erstmal erzählen müssen, dass er sein Handy, vermutlich, vielleicht, im Taxi hat liegen lassen und wollte nun von mir…

Eigentlich wollte er nur reden. Denn die Nummern der Funkzentralen und den Hinweis aufs Fundamt hatte ihm ein anderer Kollege bereits gegeben. Er wollte es einfach nochmal erzählen. Zwischen den Zeilen keimte bei mir bereits die Hoffnung auf, ihn zu seinem Hotel bis nach Siemensstadt fahren zu können, das wäre das Warten auf jeden Fall wert gewesen. Am Ende aber wollte er nur, naja:

„Dann bring mich mal zu dem Turm!“

„Zu welchem Turm?“

„Ach ja richtig, gibt ja ein paar Türme hier! Da zum, dem am Alex …“

„Zum Fernsehturm?“

„Ja, genau!“

Ob ich ihn direkt zum Turm oder doch zum Alex bringen sollte, beschäftigte ihn dann die ganze Fahrt über, am Ende hab ich ihn doch am Platz rausgelassen. Magere 6,80 € hatte ich auf der Uhr – aber wenigstens einen typisch klischeemäßigen gesprächigen Rentner im Wagen. Da sollte das mit dem Trinkgeld wenigstens …

Denkste.

„Machste sieben!“

Immerhin hatte ich nicht lange gewartet auf die Fahrt.

Die Geschmäcker sind verschieden …

Das jedenfalls konnte man aus der Tour lernen. Mami hatte Hunger und wollte zu einem Lokal in Prenzl’berg. Papi wollte nach der Reise lieber gleich nach Hause. Und Söhnchen? Der hat lautstark geflennt, weil niemand mit ihm Sushi essen gehen wollte …
Und ich meine das ehrlich: Der war vielleicht 5 Jahre alt, hat die Bude aber so nach Sushi zusammengeschrieen, dass ich das von anderen Kindern nicht mal bei Süßigkeiten kenne. Am Ende sind Mami und Papi eingeknickt und mit mieser Laune zum Japaner gegurkt. Der hatte nun aber dummerweise zu.

Da haben sie dann beschlossen, dass sie sich zu Fuß nach was essbarem umsehen. Und den quengelnden Jungen war ich damit auch los. So – und ich verwende ganz bewusst den Terminus meiner alten Heimat – schleckig war ich als Kind sicher nicht! Also nicht so ganz, ein bisschen vielleicht, aber nicht … 😉

Lesertour

Lange keinen von euch mehr im Auto gehabt? Nee, erst Mittwoch wieder. Florian, seines Zeichens treuer Stammleser seit geraumer Zeit, hat es geschafft, mit mir einen Termin zu finden, obwohl er nur kurz in Berlin war. War ein riesiges Durcheinander, weil bei sich bei mir mit freien Tagen, krankem Tagfahrer und allerlei sonstigem Wirrwarr, den ich mein Leben nenne, ständig was geändert hat. Aber am Ende hab ich ihn und seine Begleitung dann doch wie ganz ursprünglich angedacht nach einem Musicalbesuch zu einem Restaurant gefahren. Anbei ist folgendes Foto entstanden, zu dem ich anmerken muss, dass Aliens mir zufällig genau am Mittwoch meine Frisur entführt hatten. Aber es deswegen nicht zu zeigen, wäre ja auch doof …

1925 mit Frontbesatzung, Quelle: Bislang den Namen nicht genannt habende Begleiterin

War eine angenehme und leider viel zu kurze Tour und ich werde abstreiten, dass ich irgendeine Ahnung hab, wie das Auto dort ins Halteverbot gekommen ist …

Und wenn ich die Aliens erwische, is eh Sense! 🙂

Taxifahrer und Geld …

Es ist traurig. Verdammt traurig.

Wir Taxifahrer verdienen – und zwar durch die Bank – alle zu wenig Geld. Das ist so und da gibt es nichts dran zu rütteln. Ich selbst hab zwar einen ganz passablen Stundenlohn, aber den erkaufe ich mir dadurch, dass ich zu den unlukrativen Zeiten gar nicht fahre. Sprich: Ich arbeite weniger als die meisten Kollegen und verdiene damit auch weniger. Das ist die Crux umsatzbasierter Bezahlung bei wechselhafter Auftragslage: Arbeite ich viel, hab ich am Ende ein mittelmäßiges Gehalt und einen schlechten Stundenlohn – arbeite ich wenig, ist der Stundenlohn zwar akzeptabel, das Gesamtergebnis dafür schlecht. Ist ja nicht so, dass ich grundlos auf meine Amazon-Wunschliste verlinke oder hier Werbung geschaltet habe. 😉

Und dass das Wörtchen „gut“ nicht aufgetaucht ist, ist kein Zufall: Wir reden hier immer von Beträgen, die pro Stunde einstellig bleiben. Dass ich das so locker sehe, liegt im Wesentlichen an meinem Fatalismus und der Tatsache, dass ich durchs Schreiben inzwischen ein paar Euro zusätzlich verdiene. Und beides ist nicht unbedingt eine Option für alle anderen Kollegen.

Einer jedoch hat mich letzte Woche ehrlich geschockt, bzw. betroffen gemacht. Er stand vor mir am Ostbahnhof und beschwerte sich über Probleme beim Funk. Es ging darum, dass eine Hammertour von über 50 € an einen Kollegen über den offenen Kanal abgegeben wurde, der 10 Minuten Anfahrtszeit verkündete. Das Problem dabei: Mehrere tausend Taxifahrer haben die Daten für diese (wirklich über alle Maßen lukrative) Tour mitgehört und bei der langen Anfahrtszeit ist einfach davon auszugehen, dass sich irgendein „Kollege“ mit fragwürdigem Verhalten zwar nicht meldet, die Tour dennoch nach Möglichkeit abgreift, wenn er in der Nähe ist, weswegen es – aus Sicht der Fahrer – tatsächlich ein Unding ist, bei so einer Fahrt gleich die Hausnummer und die Zieladresse mitzubenennen.

Es ging im Übrigen um den Funk, den ich auch nutzen könnte …

Besagter Kollege regte sich jedenfalls darüber auf und meinte immer wieder, er würde gerne zur anderen Zentrale wechseln. Dummerweise erlaubte ihm sein Chef das nicht, bzw. er sagte, das könne er gerne machen, aber aus eigener Tasche bezahlen. Also die Gebühren für den Funk, soweit ich weiß derzeit rund 150 € pro Monat. Diesen reichlich obszönen Vorschlag haben wir Kollegen natürlich entsprechend scharf beantwortet. Denn das ist ein Unding! Durch die umsatzbasierte Bezahlung tragen wir Fahrer im Taxigewerbe ohnehin einen erheblichen Teil des unternehmerischen Risikos, wenngleich wir nur angestellt sind. Der Vorteil, angestellt und nicht selbständig zu sein, ist im Taxigewerbe recht eng beschränkt auf das, was der Chef bietet.
Im Gegensatz zu Selbständigen treten wir rund die Hälfte der Einnahmen ab, im Gegenzug haben wir bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das Auto wird uns gestellt, und und und.

Und diese Rechnung ist für beide Parteien mitunter eng. Die Hälfte des Umsatzes ist auf der Fahrerseite meist zu wenig zum Leben, auf der Seite des Chefs bleibt am Ende aber auch nur genug übrig, wenn alles passt – sprich: Wenige Fahrer krank sind, der Umsatz stimmt, etc. Dass es aber zweifelsohne ins Aufgabengebiet der Chefs fällt, dem Fahrer eine vernünftige Arbeit zu ermöglichen, das steht außer Frage, denn das ist für uns erst mal die Hauptaufgabe eines Chefs.

Besagter Kollege allerdings jammerte in einem fort: Den gewünschten Funk bekäme er nicht, das  Auto sei Schrott … und er erwähnte einige bemerkenswerte Mängel an seinem Fahrzeug. Dieses war zwar ein schicker Mercedes, aber so Kleinigkeiten wie eine defekte Klimaanlage, nicht funktionierende Fensterheber etc. würden einfach nicht behoben. Aus Prinzip. Dafür wäre kein Geld da.

Wir waren nun 3 Kollegen aus 3 unterschiedlichen Betrieben und wir alle haben einstimmig gesagt:

„Ey, scheiß auf die Firma! Wechsel zu jemand anders!“

Und was meint der Kollege:

„Würd ick ja, aber die zahlen 50%, das zahlt ja sonst keiner mehr heute! Ansonsten halten die nur die Hand auf, bis auf das Geld hält mich da nix!“

Zugegeben: Das ist eine Hausnummer! Ich selbst bekomme bei meinen Chefs 45% und war bislang überzeugt davon, dass das einer der höchsten Sätze überhaupt in Berlin ist – also zumindes legal und sozialversicherungspflichtig (was ja auch nicht alle so ganz einhalten…). Es gibt Kollegen, die arbeiten für 33% des Umsatzes, so rund um 40-42% liegt wohl der Mittelwert.

Mehr als 10% mehr Lohn sind natürlich eine heftige Sache – aber mal ehrlich: Ist es das wert?

Ist es das wert, dass einen der eigene Chef – der sich letztlich über unsere Arbeit finanziert – nicht mal ernst nimmt? Nicht mal nach Lösungen sucht und Überlegungen anstellt?

Auch wenn ich durch meine Nebenverdienste ein bisschen priviligiert bin, möchte ich doch ausrufen:

„Scheiße nein!“

So sehr Taxifahren auch Spaß macht: es ist Arbeit, Lohnarbeit! Und wenn wir nicht daran kaputt gehen wollen, dann ist es wichtig, dass das wenigstens eine soziale Komponente hat, dass wir trotz beschissenem Lohn nicht nur davon, sondern auch damit leben können! Wenn ich glaube, mit einem anderen Funk mehr zu verdienen, dann möchte ich das mit meinem Chef besprechen können! Wenn es Probleme mit diesem oder jenem gibt, will ich, dass der Chef das angeht und wenn das Auto kaputt ist, dann muss mein Chef das verdammt nochmal reparieren lassen! Natürlich muss es mal Kompromisse geben. Natürlich muss jeder Taxifahrer damit leben, dass mal was unvorhergesehenes kaputt ist und vielleicht auch mal eine Schicht deswegen ausfällt. So ist das Leben und die Chefs sind natürlich auch keine Götter, die mal eben unmenschliches vollbringen können.

Aber verdammt nochmal, gerade das Taxigewerbe ist ein Bereich, in dem man als Angestellter erstaunlich viele Freiheiten hat. Bzw. haben kann. Manchmal ist das ein schwacher Trost für die mickrigen Einnahmen, das ist wahr. Aber wie ätzend muss dieser Beruf sein, wenn man sich nicht einmal auf den Termin bei Cheffe freut? Was würden mir 10% mehr Lohn dabei helfen?

Für 150 € im Monat sollte man nicht darauf verzichten, mit Cheffe auf Augenhöhe reden zu können!

Dieser Kollege hat mir wieder mal klargemacht, dass es nicht überall so ist wie bei uns im Taxihaus und wie froh ich sein kann, meine Chefs trotz natürlich überwiegend geschäftlicher Beziehung als Freunde und Ansprechpartner zu betrachten. Ich jedenfalls möchte mit dem Kollegen nicht tauschen. Und ich würd’s auch nicht für 55% tun! Traurig, dass es mehr als genug Leute gibt, bei denen es eng genug ist, dass sie da keine Wahl sehen.

Brazilian Way of Life

Manchmal läuft es einfach. Ich bin am Montag rausgefahren, was ich ja eigentlich gar nicht mehr mache. Zu beschissen die Umsätze, zu schade meine Zeit dafür. Aber da am Freitag das Autochen gestreikt hatte, fehlte mir noch ein kleines bisschen Geld für meinen Wochenumsatz. Nicht viel, mehr als 55 € wollte ich nicht einfahren, aber an Montagen kann sich sowas eben auch mal ziehen. Wie erwartet winkerlos bin ich also am Ostbahnhof angekommen. Dort jedoch konnte ich mich nicht mal in die Schlange einreihen, da ein Kollege mich gleich rangewunken hat.

„Sach mal Kollege: Du kannst fünfe mitnehmen, oder?“

„Jepp, kann ich.“

„Dann nimm doch hier mal die 5 Leute mit.“

Fantastisch.

Die Kommunikation war nicht eben einfach, denn die fünf laberten mich einfach mal selbstverständlich in einer fremden Sprache zu. Was ich zunächst für italienisch hielt, stellte sich im weiteren Verlauf als portugisisch heraus, denn die Familie kam aus Brasilien. Es war der Tag vor ihrer Abreise und sie hatten unbedingt noch eines zu erledigen: Ein Foto von der Siegessäule machen!

Und exakt deswegen nahmen sie ein Taxi. Ich sollte sie zur Siegessäule bringen, ihnen dort Zeit für ein Foto geben und sie anschließend in ihr Hotel am Potsdamer Platz bringen. Was für eine geile und irgendwie absurde Tour!

Binnen kürzester Zeit hatten wir uns auf Englisch als Sprache zur Verständigung geeinigt und ab da kannte die Mutter kein Halten mehr. Sie war offenbar die einzige der Sprache wirklich mächtige und hat mich ausgequetscht wie sonstnochwas. Ein Großteil des Gesprächs drehte sich letztlich darum, warum Deutschland so ein schönes, sauberes und wirtschaftlich starkes Land ist – und ja, sie kannten nur Berlin!
Ein bisschen zurechtrücken musste ich ihre Meinung da, kann ich als Linker ja gar nicht anders 😉

Allerdings ist es auch immer wieder horizonterweiternd, mal mit Menschen zu reden, die unsere Probleme als Luxusprobleme wahrnehmen. Und so hatten wir eine angenehme und dennoch angeregte Diskussion über die richtige Mischung von Glück und Ordnung. Zugegeben: Ein bisschen anstrengend war es auch, denn mein Englisch versagt auch irgendwann, wenn es um Vokabeln zu „deutschen Tugenden“ geht.

Schade war indes, dass ihre Reisekasse zu knapp befüllt war, um mir endlich mal mein brasilianisches Geld abzukaufen, das ich seit dieser Tour immer mit mir rumtrage, ohne es jemals losgeworden zu sein – was aber auch daher rührt, dass ich es oft einfach vergessen habe …

Das Trinkgeld war zwar am Ende unterirdisch, aber das macht die Tour nicht schlecht. So viel kultureller Austausch in einer halben Stunde, so schnell Montags mal 21 € verdient, es gibt genügend Gründe, abschließend zu sagen, dass das eine gute Geschichte war.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Sash, der Kasten-Weise

Manchmal sind sogar Idioten ein Grund, sich zu freuen. Ehrlich!

Klar, ein bisschen kennen wir das alle, wenn wir uns schadenfroh irgendwelche Epic-Fail-Videos auf Youtube anschauen, aber das Reallife ist da nicht unbedingt weniger so. Zum Beispiel am Taxistand. Ich kam gerade am Ostbahnhof an und hab mich gefreut, dass gerade einmal drei Kollegen dort standen. Das versprach eine kurze Wartezeit – und da Zeit bekanntlich Geld ist, war ich eben happy.

Gar nicht happy sahen aber drei Jungs aus, die dort am Stand rumlungerten. Erstaunlicherweise, denn jeder von ihnen hatte einen ganzen Kasten Bier bei sich. Es war dann ein bisschen so, wie es immer beim Flirten ist: Ein paar erwartungsfrohe Blicke wurden ausgetauscht und irgendwann bewegten sich die beiden Seiten aufeinander zu. In diesem Fall kam einer der Jungs zum Taxi und fragte an, ob ich sie denn auch mit den Kästen mitnehmen würde. Was sollte ich da sagen:

„Natürlich. Es sei denn, ich soll die alle trinken. Da müsste ich nach spätestens einem halben Kasten aber ernstlich passen!“

Die Jungs waren – wie man eigentlich schon daran erkennen konnte, dass die Kästen noch voll waren – völlig nüchtern. Chips hatten sie auch noch am Start, es war also ganz offensichtlich der Auftakt zur Party. Die Tour sollte in die Axel-Springer-Straße gehen. Keine rekordverdächtige Tour, aber mit knapp 9 € auch nicht gerade das Schlimmste, was einem passieren kann.

Dennoch hatten alle drei Kollegen die Fahrt abgelehnt. Alle drei!

Keine Ahnung, was die Herren Elite-Chauffeure sich dabei gedacht haben, sie waren schlichtweg Idioten. Die Jungs waren nämlich nett, ruhig, angenehme Fahrgäste in jederlei Hinsicht. Die Kästen haben sie selbst in den Kofferraum gewuchtet und sogar ein durchschnittliches Trinkgeld haben sie am Ende gegeben. Alles nicht aufsehenerregend, aber genau deshalb auch eines: kein Grund, die Tour abzulehnen! Ganz normale Fahrgäste. Nur hatten sie statt Koffern Bierkästen dabei und wollten statt für 8 € zum Paul-Lincke-Ufer für 9 € zur Axel-Springer-Straße.

Ich könnte mich jetzt hier noch eine Weile lang auskotzen darüber, was für arrogante Arschlöcher besagte Kollegen waren. Und das völlig zu Recht. Hab ich aber nicht vor. Denn ich hab mich gefreut, die Kunden haben sich gefreut und am Ende hatten somit alle etwas davon, dass ich die Tour bekommen habe. Abgesehen von den paar Euros, die ich schneller als die Kollegen verdient habe, bleibt mir zudem aber noch etwas, das die drei sicher eher selten zu hören bekommen:

„Yeah, immerhin ein korrekter Taxifahrer in Berlin!“