Es ist traurig. Verdammt traurig.
Wir Taxifahrer verdienen – und zwar durch die Bank – alle zu wenig Geld. Das ist so und da gibt es nichts dran zu rütteln. Ich selbst hab zwar einen ganz passablen Stundenlohn, aber den erkaufe ich mir dadurch, dass ich zu den unlukrativen Zeiten gar nicht fahre. Sprich: Ich arbeite weniger als die meisten Kollegen und verdiene damit auch weniger. Das ist die Crux umsatzbasierter Bezahlung bei wechselhafter Auftragslage: Arbeite ich viel, hab ich am Ende ein mittelmäßiges Gehalt und einen schlechten Stundenlohn – arbeite ich wenig, ist der Stundenlohn zwar akzeptabel, das Gesamtergebnis dafür schlecht. Ist ja nicht so, dass ich grundlos auf meine Amazon-Wunschliste verlinke oder hier Werbung geschaltet habe. 😉
Und dass das Wörtchen „gut“ nicht aufgetaucht ist, ist kein Zufall: Wir reden hier immer von Beträgen, die pro Stunde einstellig bleiben. Dass ich das so locker sehe, liegt im Wesentlichen an meinem Fatalismus und der Tatsache, dass ich durchs Schreiben inzwischen ein paar Euro zusätzlich verdiene. Und beides ist nicht unbedingt eine Option für alle anderen Kollegen.
Einer jedoch hat mich letzte Woche ehrlich geschockt, bzw. betroffen gemacht. Er stand vor mir am Ostbahnhof und beschwerte sich über Probleme beim Funk. Es ging darum, dass eine Hammertour von über 50 € an einen Kollegen über den offenen Kanal abgegeben wurde, der 10 Minuten Anfahrtszeit verkündete. Das Problem dabei: Mehrere tausend Taxifahrer haben die Daten für diese (wirklich über alle Maßen lukrative) Tour mitgehört und bei der langen Anfahrtszeit ist einfach davon auszugehen, dass sich irgendein „Kollege“ mit fragwürdigem Verhalten zwar nicht meldet, die Tour dennoch nach Möglichkeit abgreift, wenn er in der Nähe ist, weswegen es – aus Sicht der Fahrer – tatsächlich ein Unding ist, bei so einer Fahrt gleich die Hausnummer und die Zieladresse mitzubenennen.
Es ging im Übrigen um den Funk, den ich auch nutzen könnte …
Besagter Kollege regte sich jedenfalls darüber auf und meinte immer wieder, er würde gerne zur anderen Zentrale wechseln. Dummerweise erlaubte ihm sein Chef das nicht, bzw. er sagte, das könne er gerne machen, aber aus eigener Tasche bezahlen. Also die Gebühren für den Funk, soweit ich weiß derzeit rund 150 € pro Monat. Diesen reichlich obszönen Vorschlag haben wir Kollegen natürlich entsprechend scharf beantwortet. Denn das ist ein Unding! Durch die umsatzbasierte Bezahlung tragen wir Fahrer im Taxigewerbe ohnehin einen erheblichen Teil des unternehmerischen Risikos, wenngleich wir nur angestellt sind. Der Vorteil, angestellt und nicht selbständig zu sein, ist im Taxigewerbe recht eng beschränkt auf das, was der Chef bietet.
Im Gegensatz zu Selbständigen treten wir rund die Hälfte der Einnahmen ab, im Gegenzug haben wir bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das Auto wird uns gestellt, und und und.
Und diese Rechnung ist für beide Parteien mitunter eng. Die Hälfte des Umsatzes ist auf der Fahrerseite meist zu wenig zum Leben, auf der Seite des Chefs bleibt am Ende aber auch nur genug übrig, wenn alles passt – sprich: Wenige Fahrer krank sind, der Umsatz stimmt, etc. Dass es aber zweifelsohne ins Aufgabengebiet der Chefs fällt, dem Fahrer eine vernünftige Arbeit zu ermöglichen, das steht außer Frage, denn das ist für uns erst mal die Hauptaufgabe eines Chefs.
Besagter Kollege allerdings jammerte in einem fort: Den gewünschten Funk bekäme er nicht, das Auto sei Schrott … und er erwähnte einige bemerkenswerte Mängel an seinem Fahrzeug. Dieses war zwar ein schicker Mercedes, aber so Kleinigkeiten wie eine defekte Klimaanlage, nicht funktionierende Fensterheber etc. würden einfach nicht behoben. Aus Prinzip. Dafür wäre kein Geld da.
Wir waren nun 3 Kollegen aus 3 unterschiedlichen Betrieben und wir alle haben einstimmig gesagt:
„Ey, scheiß auf die Firma! Wechsel zu jemand anders!“
Und was meint der Kollege:
„Würd ick ja, aber die zahlen 50%, das zahlt ja sonst keiner mehr heute! Ansonsten halten die nur die Hand auf, bis auf das Geld hält mich da nix!“
Zugegeben: Das ist eine Hausnummer! Ich selbst bekomme bei meinen Chefs 45% und war bislang überzeugt davon, dass das einer der höchsten Sätze überhaupt in Berlin ist – also zumindes legal und sozialversicherungspflichtig (was ja auch nicht alle so ganz einhalten…). Es gibt Kollegen, die arbeiten für 33% des Umsatzes, so rund um 40-42% liegt wohl der Mittelwert.
Mehr als 10% mehr Lohn sind natürlich eine heftige Sache – aber mal ehrlich: Ist es das wert?
Ist es das wert, dass einen der eigene Chef – der sich letztlich über unsere Arbeit finanziert – nicht mal ernst nimmt? Nicht mal nach Lösungen sucht und Überlegungen anstellt?
Auch wenn ich durch meine Nebenverdienste ein bisschen priviligiert bin, möchte ich doch ausrufen:
„Scheiße nein!“
So sehr Taxifahren auch Spaß macht: es ist Arbeit, Lohnarbeit! Und wenn wir nicht daran kaputt gehen wollen, dann ist es wichtig, dass das wenigstens eine soziale Komponente hat, dass wir trotz beschissenem Lohn nicht nur davon, sondern auch damit leben können! Wenn ich glaube, mit einem anderen Funk mehr zu verdienen, dann möchte ich das mit meinem Chef besprechen können! Wenn es Probleme mit diesem oder jenem gibt, will ich, dass der Chef das angeht und wenn das Auto kaputt ist, dann muss mein Chef das verdammt nochmal reparieren lassen! Natürlich muss es mal Kompromisse geben. Natürlich muss jeder Taxifahrer damit leben, dass mal was unvorhergesehenes kaputt ist und vielleicht auch mal eine Schicht deswegen ausfällt. So ist das Leben und die Chefs sind natürlich auch keine Götter, die mal eben unmenschliches vollbringen können.
Aber verdammt nochmal, gerade das Taxigewerbe ist ein Bereich, in dem man als Angestellter erstaunlich viele Freiheiten hat. Bzw. haben kann. Manchmal ist das ein schwacher Trost für die mickrigen Einnahmen, das ist wahr. Aber wie ätzend muss dieser Beruf sein, wenn man sich nicht einmal auf den Termin bei Cheffe freut? Was würden mir 10% mehr Lohn dabei helfen?
Für 150 € im Monat sollte man nicht darauf verzichten, mit Cheffe auf Augenhöhe reden zu können!
Dieser Kollege hat mir wieder mal klargemacht, dass es nicht überall so ist wie bei uns im Taxihaus und wie froh ich sein kann, meine Chefs trotz natürlich überwiegend geschäftlicher Beziehung als Freunde und Ansprechpartner zu betrachten. Ich jedenfalls möchte mit dem Kollegen nicht tauschen. Und ich würd’s auch nicht für 55% tun! Traurig, dass es mehr als genug Leute gibt, bei denen es eng genug ist, dass sie da keine Wahl sehen.
