An seinem Hotel angekommen, fragte ich ihn dann, wie viel er eigentlich sehen würde.
Das war keineswegs böse gemeint, es ist eine Frage, die sich aufdrängt, wenn der Kunde das Taxi nur unter Zuhilfenahme eines Stocks findet. Er grinste und meinte:
„Naja, hell/dunkel.“
„Dann zeige ich ihnen wohl besser, wo es langgeht, oder?“
Der sympathische junge Mann hätte sicher auch andere Leute um Hilfe bitten können, aber ich war ja nunmal schon da und hatte seine Tasche ohnehin in der Hand. Das Hotel, das er sich ausgesucht hatte, war zudem eines der komplizierteren Sorte: Keine Doormen, ein kleiner Eingang mit Stufen und – da merkt man mal, wie weit man an Barrierefreiheit vorbeiarbeiten kann – die Rezeption war von der Tür aus nicht einmal wirklich in Rufweite. Drei teilweise mit Mauervorsprüngen versehenen etwa 10 Meter langen Gängen mussten wir folgen, bis wir den rettenden Tresen erreicht haben.
Ich hoffe mal, der Weg zu seinem Zimmer bestand dann nicht aus einer Kombination von Abwasserkanälen und Wendeltreppen!
Ich habe einmal einen Blinden zur Gemäldegalerie gebracht, gegenüber der Philharmonie.
Habe nicht gefragt, wieso er überhaupt dahin will. Ihn aber auch die ganze lange, buchstäblich schräge Wegstrecke
bis zum Eingang gebracht. Die ist ja mehr für Skateboardfahrer geeignet als für Fußgänger.. Dann gefragt, ob ich ihn noch bis zur Kasse begleiten solle, die nun noch mal zwanzig Meter weiter entfernt ist. Das wollte er nicht. Ist dann aber stracks
mit seinem weißen Stock auf den nächsten dicken Pfeiler mitten im Weg zugesteuert.
(Hinterher erfuhr ich: Es Führungen dort für Blinde, am Wochenende, glaube teilweise mit Gemälde-Berührungserlaubnis))
@elder taxidriver:
Manche Ecken sind wirklich eine Herausforderung für Blinde 🙁
Das mit den Führungen find ich gut, obwohl ich mir auch nicht wirklich vorstellen kann, was einem das bringt. Aber so lange es das Publikum gibt …
Hotel X: Der neue Freizeitpark für Blinde!
Klingt zumindest so 😉
Ich denke an Barrierefreiheit muss in Deutschland noch ordentlich gearbeitet werden. Das fängt teilweise schon an kleineren Bahnhöfen an. Ich kenne zum Beispiel einen, in dem ich früher oft umgestiegen bin, in denen es keine Fahrstühle zur Unterführung gab. Und das ist noch immer so.
Genauso Bahnhöfe, deren Bahnsteige deutlich näher am Gleis liegen, als in den üblichen Bahnhöfen, wodurch es eine hohe Kante aus den Zügen heraus gibt.
Unsere Praxis beginnt auch mit einer Stufe, ist sehr eng und hat auch zwei Stufen zu den eigentlichen Behandlungsräumen hin usw.
Aber ich denke trotzdem, dass wir hier in D-Land auf den richtigen Weg sind. Insbesondere wenn es dann noch hilfsbereite Menschen gibt, die einem bei solch schwierigen Bedingungen Hilfe anbieten (im Sinne von „Darf ich helfen?“ und nicht „ich helf mal“)
@Wolfy:
*zustimm*
Mehr brauche ich eigentlich nicht zu sagen.
Ich sehe gerade auf der Seite der Gemäldegalerie, dass das Handwerkszeug der Maler und Kopien der Bilder
berührt werden dürfen und mit Hilfe von Relief-Zeichnungen die Umrisse der Motive ertastet werden können.
An dem Tag als ich den blinden Fahrgast da hin gebracht habe , wäre ich beinah mitgegangen um mir das
mal anzusehen, aber manchmal ist die Arbeitsmoral eben größer, oder das ‚Taxiportmanee‘ eben leerer.
Generell ist es aber ganz praktisch, sozusagen eine Idee der Fahrgäste aufzugreifen und auch sich das Gleiche
anzusehen. Und vielleicht kann man sie später sogar zurückbringen. Man muss nicht extra wo hinfahren,
man ist schon da und das noch mit Bezahlung.
wie hat er denn zu (d)einem taxi gefunden, wirklich mit ausschließlich dem stock? (also wie hat er erkannt dass du ein taxi bist, oder wie hast du erkannt dass er mit dir fahren will?)
@leserin:
Zum Taxistand kam er alleine, allerdings war gerade viel Betrieb und wir waren hektisch am Vorrücken und Wenden und dergleichen. Da hat letzten Endes eine Passantin mir kurz zugewinkt, dass ich bei ihm anhalte. Ins Nichts gewinkt hat er also nicht 🙂
Blinde kommen in der sehenden Welt allerdings erstaunlich gut zurecht. Ich habe eine Zeitlang in Marburg gelebt, dort leben unheimlich viele Blinde und die Stadt ist für Blinde wirklich gut eingerichtet. Stufen sind für Blinde grundsätzlich nicht das Problem, manchmal, wenn zuviel los ist, sind die Fußgängerüberwege problematisch. Da habe ich schon erlebt, dass sich Blinde unangemeldet bei mir eingehakt haben „nimm mich mal eben mit rüber, ja?“ 😆
In der Stadt sind allerdings überall so geriffelte Steine die man als Führung für den Blindenstock nutzen kann, die Aufzüge können alle sprechen und so weiter. Da hat man wirklich mitgedacht. Für Rollifahrer ist die (Ober-)Stadt nix, zuviele Stufen, aber Blinde kommen sehr gut zurecht, das hat mich immer wieder fasziniert.
Klasse fand ich, als ich im Kino mal neben ein paar Blinden saß. Die hatten vorher das Buch gelesen und es gab im ganzen Film (Harry Potter 4 auf Englisch) nur eine Szene, wo der neben mir nachgefragt hat, was gerade passiert weil die Szene vom Buch abwich.