Frühling.

Die Tatsache, dass das Thermometer inzwischen Sprünge in den zweistelligen Bereich – und zwar im Plus-Bereich – macht, erfreut mich auch. Ich hab es zwar gerne etwas kühler, aber zum einen war es ja heute Nacht nochmal eisig und zum anderen war dieser Winter geprägt von Ärger um die Heizung im Auto, ständig geschlossene Waschanlagen, etc. Außerdem fühle ich mit den Prostituierten, die sicher wesentlich angenehmere Arbeitskleidung als Skihosen haben. 🙂

Aber ein bisschen traurig stimmt mich der langsame Abschied vom Winter dann doch. In erster Linie geht es mir um die Dunkelheit. Schon jetzt kündigt die Sonne am Wochenende gegen Schichtende bereits wieder langsam ihr Aufgehen an, die Nächte werden kürzer. Ich weiß, viele freut das und aus Gründen des Stromsparens kann ich mich auch mit ein paar hellen Stunden mehr anfreunden.
Aber über die drei Jahre im Taxi ist mir die Nacht so dermaßen ans Herz gewachsen, dass die wenigsten Tagaktiven das wohl verstehen werden. Sicher werde ich immer noch hier und da nachts müde und ein schöner Sonnenaufgang erfreut auch mein gar nicht so kleines Taxifahrerherz – aber ich weiß nicht, ob ich jemals wieder meine Liebe zur Nacht loswerde.

Zum einen ist da die ganze Arbeit: Nachts sind die Leute lockerer und lustiger, die Straßen sind freier und man erkennt Querverkehr meist schon am Licht. Aber auch all das Nebenbei: Berlin ist ein Lichtermeer, das Grau der Stadt verschwindet im Nachtschwarz. Wenn mal nicht der (über Berlin natürlich magere) Sternenhimmel seine Pracht darbietet, führt selbst Regen nur zu tausenden glitzernden Spiegelungen, nicht zur Untermalung der Tristesse.

Mein Rhythmus IST inzwischen umgestellt. Es fällt mir nicht leicht, früh ins Bett zu gehen und die aufgehende Sonne veranlasst mich viel eher zu selbigem. Viel schlimmer: Im Sommer fühle ich mich in den taghellen Abend- und Morgenstunden viel eher dem geborgenen Vorhang der Nacht entrissen, mein Drang, die Arbeit niederzulegen wächst exponentiell mit jedem Lichteinfall.

Gut, ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich freuen, spätabends noch im Shirt im Café ihrer Wahl zu sitzen und darüber zu sinnieren, wie unanständig kalt das Herabsinken unseres Zentralgestirns die Welt werden lässt. Ich bin der Typ von der anderen Seite, der euch immerhin zu sagen weiß, dass die Gerüchte über Zombies und Werwölfe weiitgehend unzutreffend sind. Also wenn es in einem halben Jahr wieder früher dunkel wird, dann ärgert euch nicht – freut euch stattdessen für mich!

Seid ihr Tag- oder Nachtmenschen?

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Musikalisch breit (aufgestellt)

Kaum zwei Minuten auf der Straße durfte ich schon stoppen. Winker. Drei Personen nahm ich mehr aus dem Augenwinkel war, die Tür öffnete ein leicht verstrahlt wirkender Typ mit zerschlissenen Klamotten und unsortierter Dread-Mähne auf dem Kopf. Anstatt einzusteigen, schob er aber mit einem Kumpel zusammen einen noch verstrahlter wirkenden älteren Herrn ins Auto und nannten mir eine Zieladresse in einiger Entfernung vom aktuellen Geschehen.

Der alte Mann mit angehender Glatze und einem gemütlich wirkenden Bierbauch sah aus, wie ich mir einen griechischen Klischee-Opa vorstelle, tatsächlich war er Ungar, aber das kommt alles noch.

Er entschuldigte sich in gebrochenem Deutsch für seinen Zustand, was ich zurückwies. Ernsthaft nach Ärger sah er nun nicht aus und wenn ich mit betrunkenen Fahrgästen ein Problem hätte, dann würde ich wohl den falschen Job machen. Also haben wir uns ein bisschen dem Smalltalk gewidmet:

„Und, geht es jetzt nach Hause?“
„Nach Hause, bin ich voll, zu viel!“
„Gab es was zu feiern?“
„Nein, haben gefeiert. Zu viel.“
„Und weswegen?“
„Meine Sohn hatte Konzert und wir getrunken.“

Zu viel, ja ja. Das wirklich lustige an der Situation war, dass er seinen Sohn nicht etwa beim gemeinsamen Umtrunk nach einem Konzert unterstützt hatte, sondern dass das Konzert erst noch stattfinden sollte. Er jedoch hatte es beim Vorglühen etwas übertrieben und durfte nun mit dem Taxi die Heimreise antreten, anstatt die Band seines Sohnes live auf der Bühne zu erleben. Schien ihm aber scheinbar keine größeren Sorgen zu bereiten. So wie es aussah, begleitete er ihn ohnehin öfter. Er verlor sich aber stockend und in Gedanken in Lobeshymnen auf seinen Sohn und wie toll er es fände, dass er Musik macht.

„Was für Musik macht ihr Sohn denn so?“
„Oh! Isse Heavy Metal macht meine Sohn. Gefallt mich sehr gut seiner Musik!“

Ach, immer wieder schön zu sehen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man mit Metal zwingend seine Eltern vergrault hat. Er hat sich dann weiter über Musik ausgelassen und mir erklärt, dass er hauptsächlich Metal und – fast schon logisch – ungarische Volksmusik hört. Wo die Liebe so hinfällt 😀

Ich selbst hab mich nach der Tour dann erstmal mit dem ungarischem Metal vergnügt, den ich kenne. Mit der wohligen Erkenntnis, dass auch andere Söhne korrekte Eltern haben…

Metal aus Ungarn? Hier, bitte:


Kartografisches Gedächtnis?

Es gibt eine Kleinigkeit, die uns Taxifahrer vom Rest der Bevölkerung unterscheidet. Zumindest vermute ich das, das ist eine rein subjektive Feststellung meinerseits:

Wir denken „in Karten“.

Im Gegensatz zu vielen anderen Leuten werden wir sehr oft mit neuen Adressen konfrontiert, die wir anfahren müssen. Zudem müssen wir auf dem kürzesten Weg dorthin gelangen. Ohne eine Ortskundeprüfung und ein tickendes Taxameter im Rücken (oder vor sich) navigiert man meist von bekanntem Punkt zu bekanntem Punkt. Da kommen dann Routen wie diese hier heraus, einfach weil sie logisch und schnell sind. Mögliche Abkürzungen treten zurück beim Blick auf bekanntes Territorium, man fährt schlicht und ergreifend den einfachsten Weg.

Nun orientiere ich mich als Taxifahrer natürlich auch an bekannten Orten, keine Frage. Aber in meinen Gedanken taucht dennoch immer wieder der Stadtplan auf. Nicht immer detailliert genug, manchmal falsch oder ungenau – aber egal, was der Kunde für eine Ansage macht, denke ich darüber nach, wo das Objekt sich genau befindet, zu dem ich fahren soll. Das gleiche ich dann ab mit den mir bekannten Straßen – so wenige es im Einzelfall auch sein mögen – und überlege mir dann eine sinnige Route.

Und ich merke, dass viele das nicht tun.

Da hatte ich neulich eine Tour, bei der mir die Straße nur sehr grob etwas sagte. Die Kundin versprach, mich zu lotsen und ich sagte zu. Ihr selbst kam es bei diesem durchaus klar quaderförmigen Häuserblock/Straßenverlauf nicht in den Sinn, es komisch zu finden, mich zweimal links abbiegen zu lassen – anstelle von einmal links und dann rechts.

Auch wenn ich in Mathe ein Loser erster Güte bin, ist mir doch bewusst, dass diese Strecke NIEMALS die kürzeste sein kann (und nein, es existierten hier keine Abbiegeverbote oder Einbahnstraßen!).

Als mein geschätzter Ortskundelehrer in den heiligen Hallen meiner Chefs irgendwann mal einen kurzen Ausflug in die Geometrie unternommen hat, um zu zeigen, dass man beim Wechsel in eine nicht ganz parallel verlaufende Straße immer die Querstraße nimmt, die am kürzesten ist, dachte ich noch, er will mich verarschen. Tatsächlich aber ist vielen Menschen diese Denkweise fremd. Das oben verlinkte Beispiel mit dem Hermannplatz ist zweifelsohne ein Extrem, aber im Kleinen passiert es immer und immer wieder, dass Leute ihrer Intuition folgen, anstelle sich auf eine objektiv bessere Route zu stürzen. Wahrscheinlich ist es ein ähnlicher Mechanismus, der Leute dazu bringt, sich der Homöopathie zuzuwenden, wenngleich selbige objektiv sinnlos ist: Es ist ein Mangel an Fachkenntnis. Den werfe ich niemandem vor, schließlich haben wir Taxifahrer ja unsere Ausbildung gemacht, um auf dem Gebiet der Ortskenntnis gewissermaßen Koryphäen zu sein.

Befremdlich wird es aber dann, wenn Menschen ihr Halbwissen noch verteidigen.

Trotz allem Wissen über abzockende Kollegen und aller Achtung vor der Ortskunde meiner Kunden (die vor allem direkt in ihrem Wohngebiet beispielsweise meiner sicher überlegen ist):

Nehmt auch mal den Rat oder die Routenwahl von uns Taxifahrern an!
Ortskunde ist ein gar nicht so einfaches Fachgebiet und in der Regel wissen wir sehr wohl, was wir tun.

Und wenn wir schon…

dabei sind. Heute Morgen hatte ich den Artikel mit dem Polizisten, der gerne mal Kollegen anpöbelt. Auch sonst neigt die Truppe ja gerne zu Humor in seltsamen Lebenslagen. Der Beweis ist wohl ein Brief, den ich vor Ewigkeiten mal von ihnen gekriegt habe:

Zielgruppengerechte Werbung

Angepöbelt

Manchmal treibt das Leben schon seltsame Blüten. Glücklicherweise kann man einige davon rauchen und sie werden dadurch lustig… ähm, nein! Falsches Thema. Und zu metaphorisch. Eigentlich geht der Blogeintrag von heute so:

Erinnert sich noch wer an den letzten Samstag? Warnstreik der BVG? Einige Leute mussten ebenso wie ich letzten Endes aufs Taxi ausweichen, um zur Arbeit zu kommen. So auch mein gesprächiger Fahrgast morgens um 5 Uhr. Sonderlich angetan war er vom Streik nicht, aber das traf auf einige zu, die sich eine halbe Stunde früher aus dem Bett quälen und zudem noch einen Zwanni fürs Taxi zahlen mussten.

Wir haben uns die ganze Fahrt über unterhalten, sehr lange Zeit davon über die Nachtschicht, Vor- und Nachteile, seltsame Gestalten unterwegs und den Umgang mit angetrunkenen Spaßvögeln. Sein Respekt für die Arbeit eines Nachtschichttaxlers war meines Erachtens nach echt, wenngleich ich das Gefühl hatte, er malte sich das auch in viel zu dunklen Farben aus.

Aber er hatte selbst beruflich hier und da in der Nacht mit meiner potenziellen Kundschaft zu tun, so ganz fremd war ihm das Umfeld dann also auch nicht. Und so plätscherte das Gespräch, meist trotz des Themas eher seicht, vor sich hin und umkurvte die Thematik Aggressionen, Alkohol, die unheilige Allianz zwischen beiden, die Schattenseiten der Nacht eben. Und irgendwann fiel dann der Satz, bei dem ich mir auf die Lippen gebissen hab und mir nur dachte:

„Blogeintrag! Blogeintrag! Muss schreiben! Boing Boing!“

Also so ähnlich. War schon spät, ich wollte nur verdeutlichen, dass meine Gedanken ohnehin nicht mehr ganz zusammenhängend waren. Jedenfalls meinte er im Rahmen des Gesprächs:

„Weißte, kenn ick‘ ja auch. Ick würde zwar nie wat tun, aber wenn ick total besoffen bin, dann hab ick auch schon ab und zu Bullen angepöbelt.“

Lustig? Der Brüller?

OK, nicht wirklich. Aber wie ist es, wenn ich erwähne, dass mein Fahrgast Bereitschaftspolizist war? 😀

Hab Acht!

„Hey du, dein Auto ist ja ein 8-Sitzer…“

Klar. Und wenn wir den Dachgepäckträger aus dem Anhänger nehmen, passen nochmal 10 aufs Schiff, das sich darin befindet… 😉

Zugegeben: Mein Auto hat 7 Sitze, soweit daneben waren sie also gar nicht. Aber es ist lustig, dass manche gleich noch ein bis drei (!) Sitze mehr vermuten, als da sind – andere wiederum völlig überrascht sind, wenn ich sage, dass 5 Leute kein Thema sind.

Im Übrigen war die Truppe auch nur zu fünft, ich hab sie also durchaus mitnehmen können.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Himbeeren

Was zählt das Taxameter eigentlich genau? (Link zu den GNIT-FAQ)

Nicht nur Kinder (die bisweilen glauben, es zähle die Ampeln) irritiert das oft. Manchmal reicht auch eine handelsübliche Menge Alkohol (5 bis 15 Bier), um auf komischen Gedanken zu kommen. So hatte ich vergangenes Wochenende eine Truppe feierwütiger Jungs im Auto, die eine ganz nette Tour von Mitte bis fast nach Marzahn für mich auf Lager hatten. Es entspann sich folgender Dialog zwischen zwei der Protagonisten im Fond meiner guten alten 1925:

„Was’n das da für Zahlen?“
„Zahlen?“
„Da oben im Spiegel!“
„Dat sin Preise!“
„Preise?“
„Preise!“
„Für Himbeeren?“
„Ja genau, dat sin‘ Preise für Himbeeren…“