Nicht auskennen…

Ich gebe es ja wirklich offen und ehrlich zu, dass ich Berlin beileibe noch nicht wie meine Westentasche kenne. Einige Gebiete vielleicht ein bisschen besser als der durchschnittliche Bewohner, andere Ecken sehe ich selbst zu selten. Dementsprechend habe ich ziemlich scharf überlegen müssen, als mir eine Truppe Nachtschwärmer in Reineckendorf ins Auto gefallen ist und auf die Schnelle drei unterschiedliche Ziele von sich gegeben hat.

Dass ich mir so den Kopf zerbrochen habe, war im Nachhinein etwas sinnlos, da nach einer relativ hitzigen Diskussion erst geklärt werden musste, wohin wir nun zuerst fahren würden. Eine konkrete Zieladresse bekam ich nicht genannt, eher einen ganzen Haufen Stichworte, die sich aber – insbesondere da sie variierten und auch wieder ausgetauscht wurden – für mich nur schwer in eine vernünftige Reihenfolge bringen ließ. Als meine Konfusion diesbezüglich unüberschaubar wurde, hörte ich dankbar den Satz:

„Bist nicht oft hier in der Ecke? Kein Problem, ich zeig’s dir.“

Das muss irgendwie anders gemeint gewesen sein, als ich dachte. Denn die Ansagen blieben vage, ich orientierte mich letztlich doch mehr nach meiner groben Vorstellung. Als ich dann wirklich unweit des Ziels eine Kreuzung passierte, war ich natürlich der Depp, weil ich ja ganz offensichtlich einen Umweg zu fahren gedachte, schließlich hätten sie doch gesagt, wo sie hin wollten.

Das stimmte natürlich. Sie hatten tatsächlich das Ziel genannt. Neben ungelogen mindestens 15 anderen Ortsmarken und Straßennamen, sodass mein Fauxpas vielleicht etwas verständlicher erscheint. Hätte ich ein klares Ziel gehabt, hätte ich ja ohne weiteres kurz das Navi angeschmissen, denn für solche Situationen wurden die Dinger schließlich gebaut. Am Ziel wurde dann natürlich auch nochmal kurz über den ja viel zu hohen Preis gemeckert, ich verkniff mir einen ehrlichen Kommentar und bekam so immerhin noch einen Euro Trinkgeld. Dann sind sie alle ausgestiegen, einer hat sich unmittelbar danach sein Essen nochmal durch den Kopf gehen lassen und pünktlich nachdem ich mein Taxameter ausgeschaltet hatte, wurde mir auch bedeutet, dass einer der Typen noch weiterfährt. Na logisch.

Glücklicherweise beschränkte er sich auf ein einzelnes Ziel, das wir ohne Probleme, ohne Meckern und ohne irgendwas erwähnenswertes auch gleich erreichten. Dieser Teil der Fahrt war noch dazu in gleich zweifacher Art eine Entschädigung für mich. Da ich dafür – und auch das war ja nicht wirklich meine Idee! – eine neue Tour gestartet habe, schlugen die 900 Meter nochmal mit 4,60 € zu Buche. Es ist wie üblich nicht alles schlecht gewesen 🙂

Ansonsten möchte ich dieses Beispiel für einen ehrlichen Apell nutzen: Ja, es kann schon sein, dass auch der Taxifahrer nicht alles kennt. Am praktischsten ist es dann allerdings, einfach eine vernünftige Adresse zu benennen. Ob das nun Straße und Hausnummer, eine Kreuzung oder das große bekannte Hotel direkt am Eck sind, das muss man im Einzelfall entscheiden. Bei völliger Planlosigkeit kann man es natürlich auch mal mit einem bekannten Objekt nur grob in derselben Richtung versuchen. Ein gleichzeitiges Herumbrüllen von 2 Himmelsrichtungen, einem Stadtteil auf dem Weg dorthin, 5 Straßennamen, einem Platz in 2 Kilometer Entfernung, 2 unbekannten Bars, einer U-Bahn-Station und „Zuhause“ ist leider eher kontraproduktiv 🙁

16 Kommentare bis “Nicht auskennen…”

  1. Taxi 123 sagt:

    Du hättest sämtliche Ziele in der richtigen Reihenfolge abfahren müssen!! Dann wäre das der Jackpot gewesen.

  2. Du verlangst aber auch immer Sachen von deinen alkoholisierten Kunden.

  3. WIE BITTE?!
    Du findest „Zuhause“ nicht hilfreich? Unverständlich sowas…

  4. Aro sagt:

    Da fällt mir doch wieder (c)TOM ein:

    „Wohin?“
    „Heim.“
    „In welches?“

  5. ednong sagt:

    Einfach Navi anschmeißen und die Ziele der Reihe nach einprogrammieren. Und dann einfach abfahren. Die werden sich dann sicher etwas schneller auf ein Ziel einigen, ganz bestimmt 😉

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  7. „Reinickendorf“ bitte. Mit „i“. Ich wohne zufällig da — also im Bezirk, nicht im Ortsteil.

  8. Sash sagt:

    @Taxi 123:
    Naja, so weit lagen sie ja nicht auseinander.

    @DualerPfleger:
    Tja, meines schon. Aber in Anbetracht dieser Kunden schien mir das dann doch zu weit zu sein. Außerdem wollte ich die da nicht haben 🙂

    @ednong:
    Schön, wenn meines das könnte…

    @buntklicker.de:
    Ich weiß. Sowas schleicht sich halt manchmal ein…

  9. highwayfloh sagt:

    Oooch, sowas ist doch kein Problem…

    ich habs zu meiner Fernverkehrszeit immer so gehalten, und der Dispo diesen Spruch zum Besten gegeben, wenn mir eine Adresse / ein Ziel unbekannt war: „Also grobe Richtung „Ausland“ …, gelle?“ …

    War immer eine Schau in deren dumme Gesichter zu gucken… 😉

  10. Luci sagt:

    Ja also dass zu Hause keine für dich verwertbare Angabe ist… Versteh ich nicht *lach*
    Ansonsten wäre die Ubahnstation ja vielleicht ein Anhaltspunkt gewesen. Andererseits, kenne ich auch ein paar, die „da so bei“ wohnen und das dann mehrere Busstationen davon entfernt ist ^^

  11. Aro sagt:

    Da fällt mir doch nochmal (c)TOM ein:

    “Wohin?”
    “Nach Hause.”
    “Zu dir oder zu mir?”

  12. Sash sagt:

    @highwayflo:
    Uh, der käme natürlich auch nicht schlecht. Muss ich mal probieren 🙂

    @Luci:
    Das mit den U-Bahn-Stationen ist allerdings noch ein wenig vielschichtiger. Zum einen gibt es auch U-Bahn-Stationen, die ich nicht kenne. Viel wichtiger aber: Manche Station erstreckt sich von Eingang zu Eingang über bis zu 3 Kreuzungen inkl. Nebenstraßen. Wenn man dann noch die 500 m Radius dazugibt, die so als „Bei Station X“ noch anfallen können, dann kommt man – insbesondere bei kürzeren Touren auch mal auf unterschiedliche Wege, sie anzufahren. Und laut Murphy wählt man dann ja bekanntlich den schlechtesten 😀

    @Aro:
    Haben wir den nicht alle schon gebracht? 🙂

  13. Achim sagt:

    Hätte der zweite Typ eigentlich auch eine Kurzstrecke nehmen können? Schließlich hat er Dich ja nicht vom Taxistand geholt oder angerufen, sondern in freiem Zustand auf der Straße angetroffen. Und die 4 Euro für den Tarif hätten sogar 2 Kilometer weit gereicht, also doppelt so weit, als er es brauchte.

  14. wahlbremer sagt:

    Hier muss ich spontan an meine lieben User denken, wenn sie anrufen und beispielsweise eine Druckerstörung melden. Da der Techniker wissen muss, wo er das Gerät findet, erfolgt selbstverständlich die Frage nach dem Standort:

    „Wo steht das Gerät?“
    „In meinem Büro.“

    Mit dieser Info kann man unheimlich viel anfangen :-P.

  15. Sash sagt:

    @Achim:
    Hätte er können. Also meinetwegen zumindest. Aber nach der Tour hab ich mir ganz besonders gedacht, dass er gefälligst was sagen soll – sonst bin ich da ja nicht so und schlag es auch mal vor. 🙂

    @wahlbremer:
    Ja, das ist ähnlich sinnvoll 😀

  16. highwayfloh sagt:

    @sash:

    kleiner Tipp unter „Kollegen“ so von 40-Tonner zu Taxi (sind ja beide im Transportgewerbe):

    *flüster*:

    Wenn Dich die Dispo mal fragt, „wo“ Du grade bist, obwohl sie es eigentlich wissen sollte…

    2 – 3 Sekunden warten … und dann: „bin grade an Kilomter 324,4 vorbei, ciao!“ und auflegen…

    Das ganze mal über zwei bis drei Monate wiederholen…

    Das ist echt Spaß! Vor allen Dingen, wenn der gleiche Disponent dann mal nach 3 Monaten zurückfragt: „sag mal – verarscht Du mich eigentlich?“ 😉

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