(Don’t panic in Paderborn!)
Torsten hat es sich nicht nehmen lassen, und noch vor den Gewerbevertretungen auf meinen offenen Brief geantwortet. Dort hat er seinen anderen Standpunkt dargelegt, und als Freund gepflegter Diskussionen beteilige ich mich an dem Spielchen. Ich muss da auch nicht immer so einen rauen Ton an den Tag legen wie in dem Brief 🙂
Allerdings hat Torsten auch wahre Worte geschrieben, als er meinte, er könne und wolle sich meiner Argumentation nicht anschließen. Das gilt im Umkehrschluss auch und ich lege gerne dar, weswegen.
Torsten hat Recht: Wenn das Taxameter die Umschaltung der Tarife automatisch erledigt, dann ist die Möglichkeit zu Betrügereien im Falle des Nachttarifes nicht gegeben. Eine automatische Umschaltung am Flughafen stelle ich mir technisch schwieriger vor, ich vermute, das ließe sich nur durch neue Taxameter machen. DAS wird dann in der Tat eine teure Maßnahme, die die Unternehmen recht unsinnig Geld kostet. Und für den Nachttarif gibt es keine Grundlage, es sollen einfach alle Preise erhöht werden, und Nachts hat man halt auch noch die Option gesehen, was zu holen, weil es das anderswo auch gibt.
Der Streit in Schönefeld ist wirklich kein Aushängeschild fürs Gewerbe hier und in Brandenburg und ich habe nichts gegen einen gemeinsamen Flughafentarif. Warum man aber dann auch noch einen Nachttarif draufhaut, die Kurzstrecke abschafft… hier wird überall einfach nach den Rosinen gepickt.
Sicher, die Kunden rennen nicht weg, wenn sie ein paar Cent mehr bezahlen. Das viel davon der gepushte Sturm im Wasserglas ist, ist mir auch klar und ich will die Medien nicht in ihrer Panikmache unterstützen. Keiner, der davor mit dem Taxi vom Club heim ist, kann es sich nach einer Tariferhöhung nicht mehr leisten. Aber zum einen gibt es durchaus eine Signalwirkung. Die könnte man auch mal positiv erreichen, indem man lautstark auf eine Erhöhung verzichtet. Die letzte Erhöhung um ein paar Prozent fand 2009 statt. Jetzt dann 2012 wieder eine? Im zweistelligen (!) Prozentbereich?
Ein Tarifmodell ohne Zuschläge fände ich persönlich auch interessant. Aber die fallen ja nicht weg. Wir machen aus 2 Tarifen einfach 3. Davon komischerweise gleich 2 neue und alle sind sie teurer als das Davor. Zuschläge gibt es auch noch und sonst passiert nix!
Es geht darum, dass Tariferhöhungen hier immer noch das Mittel zur Wahl sind, wenn die Geschäfte schlecht laufen. Seit der letzten Tariferhöhung sind mehr als 200 neue Taxen in Berlin angemeldet worden, die geplanten Kontrolleurstellen gibt es immer noch nicht und bis auf eine „Schulung zu VIP-Taxis“ und einer kostenpflichtigen Kontrolle am Flughafen Tegel ist in Punkto Qualität nichts passiert. Ich fahre seit 3 Jahren Taxi und kein Schwein außer meinen Chefs weiss, dass ich einen P-Schein habe!
Eine Anpassung der Tarife ist notwendig von Zeit zu Zeit. Wir stehen hier in Berlin aber wesentlich mehr als in Paderborn in direkter Konkurrenz zum Rest des ÖPNV. Wer sich in Berlin auskennt, kommt eben wenn er will, fast immer überall hin. Ich bin nicht für Dumping-Preise und brauche auch gelegentlich einen Inflationsausgleich oder besser noch eine Gehaltserhöhung. Dummerweise nur haben wir hier in Berlin pro Taxi angeblich 1,1 Fahrten pro Stunde. Ich liege da selbst wesentlich drüber, aber selbst ich habe Stand-, bzw. unbesetzte Zeiten von 50% und mehr. Und die besetzte Zeit, die kriege ich fürstlich entlohnt. 5 Minuten Fahrt bringen mir Nachts schnell mal 5 €. Wenn man das auf einen Stundenlohn hochrechnet, komme ich mit 2 Arbeitstagen locker über die Runden. Tatsächlich verdient man nicht arg viel mehr auf die ganze Stunde, weil wir uns gegenseitig wie die Aasgeier die Kunden abjagen, die Reifen plattstehen, für unser Umsatzziel schnell mal noch eine Stunde dranhängen, damit nicht ein Kollege die Fahrt kriegt.
Torsten hat Recht: Es darf nicht sein, dass Unternehmen pleite gehen, weil sie an den Fahrerlöhnen ersticken. Aber um das zu erreichen, müssen in Berlin andere Stellschrauben bedient werden, nicht einfach nur die des Tarifs. Die meisten angestellten Fahrer arbeiten hier Vollzeit für 400 €. Der Rest schwarz oder vielleicht noch ein bisschen Hartz4.
Wenn ich überlege, dass ich in einer durchschnittlichen Schicht 50% stehe und maximal 1 bis 2 Kunden die Stunde habe, dann kann die Lösung doch nicht ernsthaft sein, diesen 2 Kunden noch je einen Euro mehr aus der Tasche zu ziehen! Dafür muss man sich um die Qualität ernsthaft sorgen. Und hier profitiert ein guter Unternehmer nicht zwingend von seinen Ambitionen, weil wir Großvermittlungen unabhängig vom Unternehmen haben, hier streiten sich die Kunden nicht um Taxen – außer mal für 5 Stunden an Silvester!
Ja, Berlin ist kaputter als Paderborn, hier gibt es einfach mehr zu tun. Wenn man in der Prärie alle paar Jahre die Preise erhöht, weil der Rest schon halbwegs läuft, dann ist es schön. Nehmt ihr unsere Gewerbevertreter bei euch auf, Torsten?
(So, das war jetzt ziemlich in Eile geschrieben, seht mir kleinere Fehler bitte nach…)
Vergiss es, Sash! Wir haben schon genug Probleme, da brauchen wir sicher nicht noch irgendwelche Funktionäre! 😉
Ansonsten unterschreibe ich diesen Eintrag mal vollinhaltlich. Speziell die fehlende Kontrolle und die damit verbundenen Möglichkeiten für Kriminelle im Gewerbe sind mir auch massiv ein Dorn im Auge. Und 200 neue Konzessionen? Das ist doch echt ein schlechter Witz. Da bin ich froh, daß bei uns immerhin eine Begrenzung der Konzessionen existiert. Berliner und Hamburger Kollegen (gibt es sonst noch irgendwo die Freigabe für jeden, der sich ein Auto leisten kann und den Taxi- und Unternehmerschein so grade eben besteht?).
Fortsetzung, hüstel:
Berliner und Hamburger Kollegen…. haben echt die Arschkarte.
Lange Rede, kurzer Sinn: Es gibt zu viele Taxen in Berlin. Oder?
Wenn es nur zu Silvester zu Engpässen kommt: Ja!
Hier würde ich sagen, daß es so rund 40-50 Tage gibt, an denen das vorkommt. Das ist schon eine ganz andere Situation.
@Torsten Bentrup:
Schade 🙂
Aber ja, die Freigabe in Kombination mit der wenigen Kontrolle ist sicher ein Problem.
@Will Sagen:
Teilweise stimmt das. Aber auch das ist kein Allheilmittel. Wir könnten sicher auch mehr Kunden haben. Ich merke das ja: Information! Aufklärung! Service! Ich hab schon einige Neukunden rekrutiert auf der Straße, das kannst du mir glauben.
@Torsten Bentrup:
Sicher betteln hier auch mal an einer Messe die Kunden nach Taxen. Aber gleichzeitig stehen am anderen Ende der Stadt 500 Kollegen leer rum. Das sind aber Maßstäbe, in denen das auch nicht mehr schnell zu koordinieren ist.
In Berlin kann jeder der über ausreichend Ortskenntnis verfügt, Taxifahrer werden. Nach dem Gesetz des Marktes würde eine Preiserhöhung dazu führen, dass Taxifahren als Beruf attraktiver wird. Ergo: es wird mehr Taxen geben, die Wartezeiten der einzelnen Taxifahrer steigt und am Ende verdienen alle wieder genausoviel wie vorher.
Eine Preiserhöhung bewirkt also in Berlin nur eines: mehr Taxen.
Sash, mich würde eines interessieren: Verdienst du aktuell genausoviel wie damals, als aktuelle Preissystem eingeführt wurde?
Man könnte fast schon sagen, dass man aus den Dilemmas, in denen das Taxigewerbe steckt, einen betriebswirtschaftlichen Grund- und Aufbaukurs mit lebensnahem Bezug ableiten könnte.
1. Die Faustformel „Ein Taxi auf je 1.000 Einwohner“ stimmt m.E. schon lange nicht mehr. In Großgemeinden noch weniger als auf dem flachen Land. Wo vor ca. 25 Jahren ein alleinfahrender Unternehmer mit einem Taxi locker eine Familie ernähren konnte, ist er heute nur noch Zweiteinkommen in der Familie. Dieses Schicksal teilt er ja mit vielen anderen Werkenden aus Industrie und Handel. Dafür hält er dann mind. 60 Stunden die Woche seine Knochen hin und soll permanent Spitzenleistungen in Sachen Kenntnis, Sicherheit und Service bieten – alles Dinge, wofür die Vorbereitung zur Unternehmerprüfung nicht unbedingt hilfreich ist.
Einen Fahrer einzustellen, ist nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss. Den korrekt anzumelden und zu bezahlen, ist oft schwierig. Schließlich ist Taxifahren, da keine Berufsausbildung notwendig ist, ein klassischer Nebenjob, auch für Leute, die nicht zuviel dazu verdienen wollen oder wollen dürfen. Die Gehälter sind nicht dolle und entsprechend ist es schwierig, wirklich hochklassiges Personal zu bekommen.
2. Auch in einem kontigentierten Konzessionsmarkt gibt es kaum ein Gesundschrumpfungsprinzip. Bei uns in der Stadt würden nur Konzessionen von Unternehmen, die insolvent werden, nicht mehr weiter vergeben. Sehr häufig kommt diesem Gesundschrumpfungsprozess (zuwenig Geschäft für zuviele Unternehmen = Pleite von einigen Unternehmen) der „Betriebsverkauf“ zuvor, was nur zu oft bedeutet, dass ein weiterer hoffnungsvoller Jungunternehmer in derselben mühselig zu ziehenden Ackerfurche Geld versenkt. Ad infinitum…
Es soll ja keiner irre Reichtümer anhäufen können als Taxiunternehmer (ok, warum eigentlich nicht, dann würde ich mir das mit der Selbstständigkeit nochmal überlegen :-)), aber ein erträgliches Auskommen mit dem Einkommen sollte schon sein.
Nur… Tariferhöhungen sind nicht Allheilmittel, „VIP-Taxis“ auch nicht, das ging schon an vielen Orten schief, eine Anpassung der Gewerbevorschriften an moderne Zeiten wäre schon viel Wert.
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Sorry, wurde ein langer Beitrag, liegt aber am Thema …. vielleicht sollte ich einen eigenen Blog aufmachen *lol*
Sash, mich würde interessieren, ob ihr in der Großstadt ähnlich stark unter der festpreisigen Mietwagenkonkurrenz (Minicar, Citycar etc) zu kämpfen habt? Oder gibt es sowas nur in so geringem Umfang, dass es nicht weiter auffällt? Bei uns auf dem flachen Land gab es in meiner Zeit als Taxifahrer (also seit 2002) zwei große Umsatzverhinderer. Der erste war die Gesundheitsreform, die unsere Zahl an Krankenfahrten empfindlich schrumpfen ließ. Der zweite das Minicar-Unternehmen, das den Betrieb wenig später aufgenommen hat. Wobei die damals mit ihren pauschalen 5 Euro pro Stadtfahrt nicht zwingend billiger waren – die Hälfte meiner Stadtfahrten lag beim damaligen Tarif zwischen 3,70 und 4,60 Euro – aber sobald der Kunde einen Festpreis sah, rannte er hin. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass in einer Großstadt das Winker- und Laufkundengeschäft eine wesentlich größere Rolle spielt als bei uns, wo nahezu 80% der Fahrten telefonisch bestellt werden (und daher auch von einem Mietwagenunternehmen gefahren werden können, das ja nur auf Bestellung tätig werden darf). Würde mich mal interessieren, wie sich das in Berlin verhält.
Ein Fahrgast, der neulich mit mir fuhr, erzählte mir, dass Flugzeuge für gewerbliche Flüge keine Kerosin-Steuer zu zahlen bräuchten, warum kann man das nicht bei Taxen einführen? Es wäre eine enorme Entlastung für die Unternehmer – somit bräuchten wir die Tarife nicht erhöhen sondern könnten sie evtl. sogar noch senken.
In Berlin – so sehe ich das – sind die Mietwagen schon eine enorme Konkurrenz.
@Knut:
Schwierige Frage, weil ich so unregelmäßig arbeite. Die Stundenumsätze sind etwas besser. Aber inwiefern das dem Tarif, meiner Erfahrung (die Erhöhung kam ja nach einem halben Jahr bei mir) oder der Anzahl der Touristen geschuldet ist, weiss ich nicht.
@MsTaxi:
Wir sind hier ja schon bei 1 Taxi auf 500 Einwohner…
@Daniel:
Schreib ich morgen oder übermorgen mal was zu.
@Taxijule:
Also ich finde Steuersenkungen auf Sprit Irrsinn, sorry. So gerne ich unser Gewerbe habe, aber Umweltverschmutzung muss teurer werden! Gerade in den Branchen, die sie massiv betreibt. Anders scheint es nicht zu funktionieren.
Ich finde das bei Kerosin ziemlichen Wahnsinn – wer Geld für’s Fliegen ausgibt, kann nicht noch vom Staat „subventioniert“ werden. Wir hingegen gehören immerhin zum Öffentlichen Personennahverkehr und wenn Du es mal so siehst, wenn es keine Taxen gäbe, hätten wir noch mehr Autos auf den Straßen. Ich fahre auch einen Opel Zafira Erdgas und wenn ich sehe, wie uns die Gasag hier in Berlin abzockt empfinde ich das als schamlos. Da sollte mal die Taxiinnung und Verband versuchen drauf Einfluss zu nehmen. Es gibt viele Möglichkeiten den Unternehmer zu entlasten und darauf Einfluss zu nehmen, dass die Fahrer ordentlich bezahlt werden – dies muss nicht immer durch eine Tariferhöhung passieren. Umgekehrt wäre auch ne Möglichkeit!
@Sash
Die Faustformel wurde in Messe-/ Großstädten schon oft anders gehandhabt, Begründung war dann der hohe Touri-Anteil. Funzt ja offenbar bis zu einem gewissen Punkt auch.
@Steuer auf Kraftstoff
Hm, ob der gesenkte Preis nun zu mehr Kilometer führen würde, würde ich mal bezweifeln. Ich weiß nur: in unserem Unternehmen bedeutet ein Cent hoch oder runter im Spritpreis, auf den Monat bezogen, 5€ Unterschied minus oder plus in der Tankrechnung.
@Taxijule:
Ich bin mir des umweltschonenden Faktors im Taxigewerbe schon bewusst und halte ihn für eine sinnvolle Alternative zu all den sinnlos angeschafften Autos, die recycelt werden müssen, bevor es sich gelohnt hat, sie zu produzieren. Aber deswegen ist die Subvention von Sprit dennoch in meinen Augen der falsche Weg. Bezuschussung von besonders umweltfreundlichen Konzepten ist eine gute Idee – ohne die würde es kaum Hybrid- und Gas-Taxen geben. Aber selbst die sind insgesamt ja immer noch „nur weniger schlimm“.
Die Subventionierung von Kraftstoff macht unnötiges Herumfahren finanziell besser als sinnvolle Haltekonzepte. Das mag gerade nicht unbedingt aus dem Rahmen fallen, aber da würde ich lieber an irgendwelchen Anschaffungskosten oder so denken. Meinetwegen an eine Auszahlung pro Auto oder Fahrer, nicht aber an eine pro Liter.
@MsTaxi:
Ja, dass das funktioniert, sieht man ja 🙂
Was den Preis für Sprit angeht: Ich weiss, dass das Kosten sind. Und zwar deutliche, ernsthafte und mitunter existenzbedrohende. Alles schön und gut. Aber es gibt übergeordnete Probleme und alternative Lösungswege. Bessere Auslastung sorgt auch für mehr Gewinn pro Kilometer und die 5 € bringen auch kein Öl zurück…
[…] schrieb gestern einen Kommentar, nämlich diesen […]
Hier das Thema in der Kleinstadt:
http://www.taxiblog-lg.de/aktuelles-aus-lueneburg/des-einen-freud/
@Nessa LG:
Danke für den Link!
Da scheint die Stimmung ja gelassener zu sein 🙂