Kundenwunsch = Kassenglück

Irgendwo in der grauen Vorzeit dieses Blogs hab ich mal geschrieben, dass sich die meisten Streckenvorschläge von Kunden für uns lohnen. Sicher, es gibt die berühmten Ausnahmen, in denen mir mal ein kleiner Schleichweg gezeigt wird. Meist sind das dann aber Strecken, die mein Navi an sich völlig korrekt als Schifffahrtsrouten ausgibt und die man nur wegen langanhaltender Trockenheit zurzeit ohne Amphibienfahrzeug befahren kann.

In der Regel ist es so, dass ich den Weg kenne, oder eben meinem Navi den Vortritt lasse, wenn ich mir nicht sicher bin, welches nun wirklich die kürzeste Strecke ist. Die Fehlerquote meines Navis ist klein, und vermutlich kenne ich die meisten Tücken zumindest im inneren Stadtbereich so langsam. Ergo: Die meisten Streckenwünsche sind Umwege. Hier und da gibt es mal ein paar sinnvolle Umwege (Baustellen etc.), aber überwiegend ist es Unsinn.

Klar, viele Menschen vergessen gerne, dass Nachts der kürzeste Weg gefahren werden kann, weil die Straßen frei sind. Das lässt sich klären. Manche beharren allerdings auch vehement auf ihrer Route, weil sie ja sooo viel besser sei. Also hab ich neulich ein älteres Ehepaar nach ein paar abgeschmetterten Umstimmungsversuchen vom Ostbahnhof über den Alexanderplatz und dann über Greifswalder Straße, Berliner Allee und Rennbahnstraße nach Heinersdorf gebracht. Das ist im Vergleich zur Prenzlauer Allee ein riesiger Haken. Mit dieser Fahrt wäre ich bei der Ortskundeprüfung sowas von knallhart durchgeflogen und wahrscheinlich hätte jede Betrugsanzeige für diese Fahrt eine gewisse Erfolgsaussicht. Aber was will man gegen „50 Jahre Autofahren in Berlin“ als Argument anführen?

Mir persönlich kann es nur Recht sein. Mein Kontostand wird dadurch erhöht. Aber muss man sein Unwissen dann echt noch mit Adjektiven wie „dumm“ und „unverschämt“ bekräftigen? 🙁

Etwas ähnliches hatte ein Kollege aus derselben Firma bereits am ersten Tag im neuen Job. Er sollte vom Alex aus nach Hohenschönhausen. Neu-Hohenschönhausen wohlbemerkt. Er war schon richtig happy, dass er den kürzesten Weg kennt, als von hinten beim ersten Abbiegen der für uns wohl schlimmste Satz nach „Rück mal die Kohle rüber!“ fiel: „Sagen sie mal: Wie fahren sie denn???“
Der Kollege hat sich nach dieser Fahrt mit unserem Chef und unserem Lehrgangsleiter unterhalten, um sich die Bestätigung geben zu lassen, dass der Routenwunsch der Kunden etwa doppelt so lang war wie sein Vorschlag. Als Faustregel kann ich mit auf den Weg geben, dass es keine kürzeste Strecke von irgendwo in Mitte nach irgendwo in Hohenschönhausen gibt, bei der man am Frankfurter Tor und irgendwo in Marzahn vorbeikommt. Versprochen!

Ich hab meine beiden Rentner ordnungsgemäß in Heinersdorf abgeliefert und sogar wieder halbwegs beruhigt gehabt. Bringt einem ja nichts, in so einem Fall Recht zu haben. Mitleidsvolle Grüße an den Kollegen, der sie auf dem Hinweg über die Prenzlauer gefahren hat und nach Angabe des streitlustigen Pärchens ohne Trinkgeld weiter musste. Und mit 3 € weniger auf der Uhr…

Die spinnen, die Römer Berliner!

7 Kommentare bis “Kundenwunsch = Kassenglück”

  1. Lisa sagt:

    Ohjeh, klingt wie meine Großeltern…hoffentlich waren sie es nicht… o.O;
    hehe
    ^^

  2. Seismo sagt:

    Ich lass mich da auf gar keine Diskussionen mehr ein. Wenn jemand seinen „Wegwunsch“ rechtzeitig sagt fahre ich dort. Wie du ja richtigerweise schreibst ist der im Normalfall sowieso weiter als der von mir gewählte. Wer allerdings nichts sagt wo ich fahren soll hat meinen Weg zu akzeptieren. Da kann nachher geschimpft werden so viel sie wollen. Das wird ignoriert.

  3. Des Kunden Wunsch ist sein Himmelreich. Ich würde seine Routenanweisung auch stets nur mit einem Schulterzucken quittieren.

  4. Luci sagt:

    Ich bewundere auch immer wieder, was für wahnsinnige Wege meine Mutter durch Berlin fährt.
    Da werden dann weite Umwege in Kauf genommen, nur um „so zu fahren, wie ichs kenne“. Also quasi statt quer durch die Stadt erstmal zu einem bestimmten Punkt (der nicht in der Nähe einer halbwegs vernünftigen Route liegen würde) um von dort dann weiter zu fahren.

    Na wenns denn Spaß macht…

  5. Matthias sagt:

    Ich habe sowas auch mal gebracht. Da habe ich nachts um 23 Uhr am Flughafen Tegel darauf bestanden, dass mich der nette türkische Taxifahrer über die Autobahn nach Hause in Johannisthal bringt statt die kürzeste Tour zu nehmen. Die 4 km habe ich ihm gerne gegönnt.

  6. Kraven sagt:

    Vermerkt man das dann auf einer Quittung eigentlich irgendwo, dass die Route auf Kundenwunsch gefahren wurde? Sonst könnte ein Kunde ja theoretisch auf Umwege bestehen und hinterher mit der Quittung zur Taxiinnung gehen und eine Anzeige wegen Betrugs machen. Gut die Wahrscheinlichkeit, dass jemand das macht ist zum Glück sehr gering, aber da dann das Gegenteil zu beweisen dürfte für euch Taxifahrer ziemlich schwer sein, oder?

  7. Sash sagt:

    @Lisa:
    Das hoffe ich auch 😀

    @Seismo:
    Manchmal juckt es halt doch in den Fingern…

    @Der Maskierte:
    Sollte ich öfter machen, ich weiss 🙂

    @Luci:
    Ja, aber das manche noch Geld dafür ausgeben wollen…

    @Matthias:
    Naja, bei solchen Strecken hat man ja wenigstens einen Geschwindigkeitsvorteil. Das ist ja wirklich eine der klassischen Strecken, bei denen es auch was bringt. Aber du würdest dich ja sicher nicht über Weissensee fahren lassen, oder? Das wäre ähnlich lang, aber eben unsinnig 😉

    Kraven:
    Ich hab nur gelegentlich mal darüber nachgedacht, aber nie die Notwendigkeit gesehen, da irgendwas gesondert einzutragen. Nur einmal, da hab ich dann anstelle von Start- und Zielpunkt auch noch einen dritten Punkt eingetragen. Und wer jetzt welche Motivation hatte, wohin zu fahren, ist ja auch sonst nicht ersichtlich. Theoretisch könnte ein Kunde ja auch mit einer ordnungsgemäßen Quittung ankommen und behaupten, er wollte ja eigentlich gar nicht dorthin – mit manchen „Unsicherheiten“ muss man wohl leben 😀

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