Der Witz mit dem Überfall

Schlosser hat mir eine lange Mail geschrieben. Nämlich die hier:

Hallo Sash!

Wie Du vermutlich weißt, lese ich seit einiger Zeit Deinen Blog und und
mit ein bissl Stolz kann ich auch sagen, dass ich mitlerweile jeden
Beitrag kenne.
Nun ist mir allerdings eine Frage gekommen…

In meiner relativ raren Freizeit surfe ich oft und viel im Internet,
wobei es mein größtes Ziel ist, mich unterhalten zu lassen, sprich ich
verfolge diverse Blogs und andere Seiten mit Comics, Witzen und
wer-weiß-was-noch-alles…

Nun bin ich bei „belauscht.de“ über die Zufällig-Funktion auf folgendes
Zitat gestoßen: http://www.belauscht.de/?p=478&rand=true

-Darmstadt.

-Unser Taxi hält am Ziel. Der Fahrer dreht sich erwartungsvoll um. Einer
der Fahrgäste auf der Suche nach Geld:

-“Können Sie auf 20 Messerstiche rausgeben?”

-Am Gesicht des Fahrers war abzulesen, dass er den Witz nicht sehr
lustig fand…

-belauscht in Darmstadt von Constantin

Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich das vermutlich saukomisch
gefunden, seit ich allerdings Torstens und Deinen Blog verfolge und aus
dem weiteren Grunde, dass mein Schwiegervater Taxifahrer ist, sehe ich
das Gewerbe mitlerweile aus einer völlig anderen Perspektive und kann
diesem Belauschnis (gibt es das Wort?) daher rein gar nichts komisches
mehr abgewinnen.

Sicher, je nachdem, wie die Fahrt vorher verlaufen ist, kann das schon
durchaus mehr oder weniger kritisch sein, aber ich würde gerne mal
wissen, was Du darüber denkst, oder auch, wie Du reagieren würdest.

gruß

Schlosser

Vorletzte Woche erst hat Torsten so etwas ähnliches bei sich im Blog geschildert. Die Beantwortung der Frage ist meines Erachtens nach dennoch gar nicht so leicht. Zum einen ist da die Frage nach der Angst. Wenn jemand ohne Anflug von Humor so einen Spruch reisst und davor schon angespannt und verdächtig gewirkt hat, dann ist das mehr als nur daneben, egal wie es gemeint war.
Taxi-Überfälle sind für uns in gewisser Weise der eine wunde Punkt. Und bei allem Tara, das wir deswegen schon mit unserer Kasse täglich veranstalten (wenig Wechselgeld mitnehmen, Geld verstecken etc.) sollte klar sein, dass dieses Thema ernst ist. Es sind tausendfach Kollegen verletzt worden bei Überfällen und leider ist tatsächlich hier und da auch einer gestorben für ein paar hundert Euro. Den meisten dieser Vorfälle gemein ist, dass man es vorher nicht geahnt hat. Deswegen ist es auch keine große Hilfe, wenn der Fahrgast vorher friedlich und lieb war.

Der andere Punkt ist die Frage, ob es deswegen ein Tabu-Thema ist – und das handhabt natürlich jeder Kollege anders. Selbst mit dem lustigsten Lacher dazu wird so ein Spruch bei einem Taxifahrer, der vielleicht mal einen Freund bei einem Überfall verloren hat, nicht gut ankommen und pietätlos wirken. Und das sind Dinge, die kein Fahrgast weiss. Also sollte man sich diese (ja auch sonst nur in Maßen lustigen) Sprüche besser verkneifen.

Wenn mir jetzt sowas mit ein paar angetrunkenen Spaßvögeln passieren würde, mit denen ich die ganze Zeit eine Menge Spaß hatte, dann würde ich da sicher nicht überreagieren. Ich kann mit Humor umgehen, auch wenn er mal nicht korrekt ist. Aber einen Hinweis auf o.g. Problematik würde ich wahrscheinlich auch mitgeben – schon damit es nicht nächstes Mal den falschen Kollegen erwischt.

Man sollte sich vor Augen halten, dass dieser Scherz eine ähnliche Qualität hat, wie jemandem Nachts in einer dunklen Straße aufzulauern und zu sagen:

„Rück mal dein Geld raus oder ich schlitz dich auf!“

Da würde auch niemand erwarten, dass man das lustig findet.

24 Kommentare bis “Der Witz mit dem Überfall”

  1. Flusskiesel sagt:

    Komisch. Eigentlich sollte man m.E. nach Fremden gegenüber niemals solche Scherze machen – egal, ober derjenige Taxifahrer oder Verkäufer oder einfach nur ein Passant ist.
    Bei Fremden kann man nicht immer einschätzen, ob jemand einen Witz gemacht hat oder nicht.

  2. MsTaxi sagt:

    Es gibt guten Humor, schlechten Humor, schwarzen Humor und gar keinen, die Belauschis sind zumindest keine Schlauis (ok., das war blöder Humor ;-)), aber jedem, der meint, sein Gegenüber wie hier der Taxifahrer müsse von solchem Humor auch noch positiv beeindruckt sein, würde ich eines wünschen. Nämlich dass er mal auf seiner Arbeit in die Bredouille gerät und Not am Mann ist.

    Einer unserer Funker meinte mal zu mir: „Manchmal könntet ihr euch ja echt alle gegenseitig an die Gurgel gehen, ihr Fahrer, aber wenn mal einer von euch ein Notsignal ausgelöst hat, hab ich plötzlich nach der Entwarnung die Autos alle in einem Bereich konzentriert, da haltet ihr alle zusammen.“ Ich hab ihm dann versucht verständlich zu machen, was für ein Sch..Kopfkino das gibt, wenn man als unbeteiligter Mithörer hört, wie bei einem Kollegen der stille Alarm losgeht und der nicht sofort dann auf die Ansprache durch die Zentrale eingeht.

    Ein Fahrgast, der mal meinte, er würde bezweifeln und daher mal ausprobieren wollen, nur so zum Spaß, ob wir Taxler wirklich so die Neigung hätten, füreinander einzustehen, gab ich den Rat, es besser nicht zu probieren, es könne für ihn überraschend enden

  3. Petra sagt:

    Knietief im Fettnäpfchen stehen kann man „humoristischen“ Äußerungen überall.
    Habe mal auf einer Tupperparty als lustige Einlage zum Handwerkerpfusch erzählt, dass der Elektriker in unserem Haus ein Erdkabel verlegt hat und nach der Bohrung durch den Keller das Loch nicht wieder richtig abgedichtet hat. Im Nachhinein war der Sturzbach im Keller eigentlich ganz lustig anzusehen. Als Hausbesitzer muss man ja vieles mit Humor nehmen, da Handwerker zu 90% nach Murphys Gesetz bauen. Auf besagter Tupperparty war allerdings die Schwägerin des Elektrikers, die das überhaupt nicht lustig, sondern eher geschäftsschädigend fand.
    Fazit: Ich habe recht wenig Plastikkram von Tupper.
    Man weiß nie, wer wen treffen kann mit unbedachten Äußerungen. Und an einem Tag lacht man drüber und am anderen Tag eben nicht.
    Allerdings ist das, was Torsten schildert schon echt deftig und kein Witz, absolut unlustig und erschreckend, was sich Leute raus nehmen.

  4. Lutz sagt:

    Auf solche unbedachten,dummen Sprüche habe ich auch schön öfter mal reagieren müssen. Schwierig ist dabei, in Sekunden-Bruchteilen ei zuschätzen wie es gemeint ist. Ich mache immer deutlich,das es nicht witzig ist über so etwas Witze zu reißen. Aber noch schwieriger finde ich Situationen,in denen ich Kundschaft habe,die ich nicht „nett“ finde,schlecht einschätzen kann und die dann beunruhigende Fragen stellen. Etwa wieviel Umsatz man denn so einfährt, ob es stimmt,dass es einen Arlarmknopf gibt oder direkt fragen,was ich denn jetzt täte,wenn er mich bedrohen würde. Da geht dann der Adrenalinspiegel sowas von hoch… Bis jetzt hatte ich ja nur solche ‚Witzbolde‘. Nie einen echten Räuber. Aber bei solchen unbedachten Fahrgästen kommt schon mal die Angst hoch,die man sonst ausblendet.

  5. Flusskiesel sagt:

    @Petra:
    Ja, vor allen Dingen _Fremden_ gegenüber sollte man keine solchen Scherze machen, genauso wie man darauf verzichten sollte, ironisch zu sein. Solche Dinge sind eben von der Situation abhängig.
    Freunden gegenüber mache ich ja auch ganz andere Witze als z.B. auf der Arbeit.

  6. Daniel sagt:

    Schließe mich der allgemeinen Meinung an. Solche Scherze können ziemlich in die Hose gehen, wenn man sein Gegenüber nicht richtig einschätzen kann in Bezug auf die Frage, wie der darauf reagieren wird. Einem mir fremden Taxikollegen gegenüber würde ich so einen Spruch nicht bringen.

  7. Christian H. sagt:

    Nicht ganz unverständlich, dass Taxifahrer sowas nicht lustig finden.
    Genauso könnte man in einem Drogeriemarkt mit den blauen Buchstaben (die Kette, die laut Gewerkschaft in Deutschland täglich überfallen wird) sagen, dass man gerne die Kasse hätte.
    Solche Witze macht man einfach nicht.

  8. Ja, solche Scherze sollte man sich bei Fremden echt zwischen die Gesäßbacken klemmen. Wenn man den Taxifahrer schon seit Jahr und Tag kennt und miteinander scherzt, dann ist das was anderes.

  9. Schlosser sagt:

    N´abend zusammen!
    Schönen Dank für die ausfürhliche Antwort und auch für die vielen Meinungen in den Kommentaren.
    Wie schon gesagt, früher hätte ich das wohl lustig gefunden, aber mit meiner heutigen Einstellung dazu stehe ich offenbar nicht allein da 😉

  10. nadar sagt:

    Der Fahrgast wäre garantiert erfreut ob Würdigung seines ach so lustigen Scherzes, wenn der Taxifahrer notwehrbereit ist und den Fahrgast entweder ruhig stellt oder mit Reizgas (tolle Idee in geschlossenen Räumen!) oder ähnlichem versucht in Schach zu halten.
    Leute gibts…

  11. Seismo sagt:

    Mir wurde schon oft die Frage gestellt was ich denn tun würde wenn mich der Fahrgast denn jetzt überfallen würde. Diese Frage beantworte ich meistens mit einer Gegenfrage: „Was würdest du tun wenn ich jetzt in eine dunkle Ecke fahre mit dir, dir dort eins auf den Schädel gebe und dir das Geld abnehme?“ Damit ist die Diskussion meistens recht schnell beendet.

  12. Taximann sagt:

    Als Kollege kann ich von einem ähnlichen mir widerfahrenen Erlebnis berichten.
    Nachts um ca. 2 Uhr. Unbekannter Fahrgast, Fahrziel nach Anweisungen (ich liebe das).
    Fahrtende auf einem Feldweg kurz vor einem Wald.
    „Das sind dann 35,80 bitte“

    Er greift in die Innentasche seiner Jacke und sagt: „Ich zahl mit meiner 38er“.

    Und…. Nein, das ist definitiv nicht lustig…. auch wenn er NUR einen Scherz machen wollte, ich fand´s nicht lustig.

  13. Sash sagt:

    @Taximann:
    Isses auch nicht. Ich bin zwar echt hart im Nehmen und gut im Verzeihen. Aber ich weiss noch nicht, was ich machen werde, wenn ich das das erste Mal erlebe…

  14. Flo sagt:

    Heut hat es mich auch erwischt, der erste Fahrgast meinte, er sei besonders komisch…

    FG: „Was kostet das bis nach sowieso?“
    Ich: „drölfzig €“
    FG: „Du fährst mich umsonst!“
    Ich: „Nein, sicherlich nicht…!“

    FG: „Nagut, dann bring ich dich halt um!“ (Total ernst, 2 Köpfe größer als ich, relativ starke Alkoholfahne)

    Ok, da hab ich mir dann kurz überlegt, wie ich weiter vorgehen soll. Als einziges Taxi im Dienst bringt der Funk nix. Vollbremsung, damit der Übeltäter in den Gurten hängt und ich die Gunst der Stunde zum Abhauen nutzen kann?

    Schlussendlich hab ich dann so selbstbewusst wie möglich gefragt, was das ihm bringen soll, und ob er sich der Konsequenzen bewusst sei. Als Antwort kam dann nur nen „War nur nen Spass…“
    Bravo, so fängt eine gelungene Schicht an…

  15. Sash sagt:

    @Flo:
    Das scheint ja echt häufiger zu sein als ich dachte 🙁

  16. Flo sagt:

    Vor allem entdecke ich darin nicht einen Funken Humor. Und ich habe bei Leibe keinen zimperlichen, und davon sehr viel.
    Ich frage mich, ob solche Leute sowas auch beim Bäcker oder Arzt sagen?

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  23. K. aus A. sagt:

    Auch wenn es ein alter Post ist, du hast es gerade so schön verlinkt:

    Mir ist es mit einem komischen Scherz im Taxi auch schon passiert, aber umgekehrt. Der Fahrer sagte plötzlich so aus dem Lameng „Oh man, heute habe ich echt die Gelbsucht!“.
    Meine Reaktion muss für ihn saudämlich ausgesehen haben, weil ich ihn bewegungslos sekundenlang wie eine Kuh bei Vollmond angespannt anstarrte. Was er nicht ahnen konnte: Ich bin Zahnarzthelferin, also irgendwie medizinisch unterwegs. Und als solche habe ich gelernt, wieviel ansteckender Hepatitis ist, im Vergleich zu HIV. Ein Nieser, einmal an der Nase gekratzt oä und ich fasse auf die selbe Stelle usw.

    Bei mir kam „Ich…habe….Gelbsucht!“ an, und so startete in meinem Kopf der Film, wie ich am besten und schnellsten aus diesem kleinen Raum mit einem infektiösen Erkrankten raus komme. Und ob ich bei voller Fahrt gut abrollen kann, wenn ich mich rauswerfe.
    Zum Glück drang neben der Panik noch die Stimme der Vernunft durch, die mir erklärte, dass das irgend ein Scherz sein soll. Bis dahin hatte ich den Spruch nämlich nie gehört. Danach auch nie wieder ehrlich gesagt.

    Mir dämmerte ziemlich spät, dass damit nur die gelben Ampeln gemeint waren.

    Noch heute, gut 20 Jahre später, muss ich über meine Überreaktion lachen. Stell dir das Szenario bitte mal vor, wie ich bei voller Fahrt rausspringe und weglaufe, der Fahrer mit quietschenden Reifen hält und mir hinterher rennt. Bezahlt hätte ich vor Fluchtgedanken schließlich nicht. Vermutlich hätte er mich jahrelang um die Alster gejagt, ich die Panik im Gesicht und er mit einem „Haltet den Dieb“ auf den Lippen.

    So kanns gehen, schon ist man in ein Fettnäpfchen getreten mit einem nicht wirklich witzigen Spruch und der andere hat leider im eigenen Mikrokosmos überreagiert. Und there you have the Salat lol

    LG
    Katja

  24. Sash sagt:

    @K. aus A.:
    Ich danke Dir von ganzem Herzen für die herrliche Schilderung! 🙂

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