Gibt es eigentlich noch dieses alte Klischee vom eigenbrödtlerischen Taxler, der mit Kippe im Mund als König der Straße durch die Nacht cruist? Auf die Kippe muss man heute ja verzichten, ansonsten mag ich dieses über alle Maßen hinaus romantisierende Bild durchaus ein Bisschen.
Die Realität sieht meistens anders aus. Natürlich ist das Taxifahren eine von Sachzwängen geprägte und mies bezahlte Lohnarbeit ohne viel soziale Sicherheit. Nicht jede lustige Betrunkenengeschichte in meinem Blog hab ich freiwillig erlebt und zweifelsohne sind Grinse-Smilies hinter Berichten über miesen Umsatz meist nur Selbstschutz.
Auf der anderen Seite: Wer kennt das nicht aus anderen Jobs? Ich bin ja nicht viel rumgekommen in der Arbeitswelt, aber ich höre mich ja genug um. Lohnarbeit ist immer Lohnarbeit und noch jeder Angestellte (und sicher auch die meisten Chefs) hatten ihre Momente, in denen ein psychologisch geschulter Mensch sie dazu gekriegt hätte, alleine für den Slogan „Arbeit ist scheiße!“ in die APPD einzutreten.
Deswegen gönne ich mir den Blick auf die Sonnenseiten meines Jobs – auch wenn die bei mir irgendwo in der Nacht liegen. Die Idee zu diesem Eintrag hatte ich auf dem Rückweg von meiner ärztlichen Untersuchung, als ich um 17 Uhr vom Alex aus nach Hause gefahren bin. Dürfte das erste Mal Rush Hour in vier Jahren Berlin gewesen sein. Dank einer Baustelle dauerte die Fahrt alleine zum Platz der Vereinten Nationen ziemlich genau 20 Minuten…
Ein Kollege ist rechts auf dem Fahrradweg an mir vorbeigeschossen, die Mehrzahl der Verkehrsteilnehmer wirkte übel gestresst und insbesondere der Inhaber eines kackbraunen VW Touran mit MOL-LY-Kennzeichen lieferte sich einen erbitterten Kampf darum, beim Reissverschlusssystem ja nicht diesem blöden Taxi mit der 1925 auf der Heckscheibe den Vortritt zu lassen. Da bekommt das Wort Straßenkampf eine ganz andere Bedeutung.
Und ich habe mich so gut gefühlt wie schon lange nicht mehr.
Meine Fenster waren bei gemütlichen 25°C heruntergelassen, die CD im Player wechselte irgendwann von der besten Version von Hotel California auf eine der besten Coverversionen von Wish you were here (die von Wyclef Jean, gibt’s bei Youtube nicht) und ich kroch so vor mich hin. Sicher: Während der Arbeit wäre ich durchgedreht!
Aber während ich nach nur 3 Stunden Schlaf versucht war, hier und da im Stillstand die Augen zu schließen, erinnerte ich mich an die letzten Schichten und wie schön es sein kann, nachts durch die City zu cruisen. Natürlich ebenfalls mit Musik im Auto und so oft wie möglich mit offenen Fenstern. Aus der spätjugendlichen Sturm- und Drangzeit im Straßenverkehr bin ich zweifelsohne und glücklicherweise raus, aber ein Stück weit liebe ich es, dass die Stadt nachts so oft befreit ist von der ganzen stickigen Atmosphäre und den unsagbar vielen Menschen. Und zugegeben: Auch ein paar engen Regelauslegungen 😉
Und ehrlich: Wenn man sich daran gewöhnt hat, dass man sich Sonntags um 5 Uhr nicht an die Spurmarkierungen zu halten hat und der neben einem das auch nicht macht, dann kann es sogar ganz lustig sein 🙂
Und auf Dauer wesentlich entspannter als Feierabend-Stau.
So, und jetzt wünsche ich euch allen einen guten Start ins Wochenende!