Schnarchzapfen und Handys

Herzlich willkommen in einer weiteren Woche. Während ich gerade Wochenende habe, fehlt euch wahrscheinlich die GNIT-Morgenlektüre. Ich hab den Veröffentlichungstermin extra verschoben, um diese Zeile mal schreiben zu können. Fies, oder?

Aber gut. Ich will euch ja nicht enttäuschen. Das wollte mein Kunde vor… lasst mich lügen… knapp 2 Wochen auch nicht. Er bedauerte beim Einstieg gleich, dass er zu wenig Geld hat, nur noch 15 €, wir also noch zu einer Sparkasse müssten. Sein Zustand war je nach Auslegung höchst bedenklich oder weit über dem Zenit.
Er war sich aber sicher und ich muss zugeben, dass mich eine 30€-Tour ja durchaus auch finanziell gereizt hat. Glücklicherweise sah das ein Freund von ihm nicht so locker. Wenn das mit dem Geld klappen sollte, dann würde er mitfahren.

Gott sei Dank!

Zunächst hatte ich eher die Befürchtung, dass es mehr meinetwegen war, damit ich den armen Jungen nicht völlig ausziehe – aber es war verdammt gut, dass er mitgekommen ist. Der Schnarchzapfen auf der Rückbank war im Grunde erstmal unproblematisch. Kaum, dass wir eingestiegen sind, schloss er die Augen und war ruhig. Da mir auf die Schnelle keine andere Sparkasse eingefallen ist als die an der Revaler und die beiden nichts gegen den kleinen Umweg hatten, war dort unser erster Zwischenstopp.

(Als Alternative ist mir die Bank hier bei mir ums Eck eingefallen. Das wäre zwar wesentlich weniger Umweg gewesen, allerdings ist sie mit dem Auto nicht zu erreichen. Die am Bersarinplatz hatte ich schlicht vergessen, das war keine Absicht…)

Schon hier war der Rückbankbewohner nur unter größter Kraftanstrengung seitens meines Beifahrers wachzubekommen. Das allerdings sollte nicht die letzte Schwierigkeit sein. Als sie nach 10 Minuten wieder aus der Bank kamen, war der Schläfer zwar ein kleines bisschen fitter als im Schlaf, dafür hatte er inzwischen 3 mal seine PIN falsch eingegeben und folglich kein Geld bekommen…

Erstklassig! Dabei hatte sein Freund sogar sicherheitshalber das Tippen übernommen.

Während ich noch einen kurzen Stop einlegte, um der Schlafnudel im Fond zu erklären, dass sie nur mit Gurt ans Ziel gebracht wird, beruhigte mich der Freund mit der Erklärung, er hätte auch noch ein paar Euro parat und wir könnten jetzt ohne weitere Probleme fahren. Als wir dann schon auf der Landsberger Allee waren, kam eine leicht gegensätzliche Meldung. Beim Durchforsten beider Geldbeutel (die Schlafmütze hatte ihren schon weitergereicht) kam plötzlich nicht mehr genug zusammen. Irgendwie hatten sich die Anfangs vorhanden geglaubten 15 € verkrümelt.

Naja, nun konnte der fürsorgliche Freund mit allem auffindbaren Kleingeld noch 22 € anbieten. Dass das nicht bis Eiche reichen würde, war klar und er kam nicht einmal auf die Idee zu handeln:

„Dann schmeiß uns halt raus, wenn die 22 € erreicht sind.“

Ich hab dann darauf hingewiesen, dass ich ihnen gerne ein bisschen entgegenkomme, aber dass ich sie selbst bei 25 € kilometerweit vor dem Ziel rauswerfen müsste und der Schnarchsack nicht mehr gehen könne. Nach eingehender Überlegung meinte er dann, dass ich sie besser nach Lichtenberg fahren sollte – zu ihm.

Wenn wir nicht schon auf der Landsberger gewesen wären und davor einiges an Wartezeit und Umweg für die Bank in Kauf genommen hätten, wäre das eine gemütliche 13€-Tour vom Ostbahnhof aus gewesen. Jetzt aber reichten nicht einmal die 22. Da sich der besorgte Freund wirklich bemühte und sich auch für alle Selbstverständlichkeiten permanent bedankte, hab ich letztlich die Uhr knapp 2 Kilometer vor dem Ziel ausgemacht, als die magische Grenze erreicht war. Wie hätte er auch die Kartoffel noch bis nach Hause schleifen sollen?

Klar, trotz aller Freude gab es kaum Trinkgeld, aber wir haben uns an diesem Morgen nicht das letzte Mal gesehen…

Vor der nächsten Tour entdeckte ich ein Handy im Fußraum, mit dem ich leider überhaupt nichts anfangen konnte. Alle Anrufe auf das Ding waren zu kurz zum Rangehen, und alles weitere verhinderte eine ziemlich hartnäckige Tastensperre. Erst Mittags nach etlichem Hin und Her, einer ziemlichen unsinnigen Recherche bei Facebook und einer durchwachten Nacht wegen ständigem Handyklingeln gelang es mir, einen der kurzen Anrufe entgegenzunehmen.

Ausgerechnet der weitestgehende nüchterne Freund von dieser Tour war es, der sein sicher nicht billiges Gerät bei mir hat liegen lassen. Er kam umgehend bei mir zuhause vorbei um es abzuholen, und das Trinkgeld für die nette Tour und meine Ehrlichkeit gab es in Form einer Flasche Wein auch gleich noch dazu.

Ich könnte mich jetzt beschweren, wie stressig die Tour war. Und ja: Bitte nicht dauernd solche Fahrten! Aber im Endeffekt freue ich mich, dass ich erst dem einen und dann dem anderen helfen konnte. Vielleicht wiegt der Zehner Nettoverdienst und die Flasche Wein nicht wirklich auf, was ich an Stress mit den beiden hatte – aber Arbeit hin oder her: Darum geht es ja auch nicht alleine, oder?

9 Kommentare bis “Schnarchzapfen und Handys”

  1. Richtig. Es geht auch darum, dass man mal 5 gerade sein lassen kann, wenn jemand Hilfe brauch. Und wenn eben jene diese Hilfe zu schätzen wissen, was eine Flasche Wein deutlich zeigt.

  2. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Es ist immer wieder aufmunternd, diese Meinung gelegentlich bestätigt zu bekommen.

  3. Maik aus Wilhelmshaven sagt:

    Denke auch, wenn man nicht gerade das Gefühl hat, jemand will einen austricksen,
    dann kann man auch mal ein Auge zudrücken. Im Endeffekt zahlt es sich doch irgendwann wieder aus…

  4. Flo sagt:

    Solche Fahrten machen das Ganze doch erst richtig interessant. Da zählen dann solche netten Gesten mehr als muffiges Bares 🙂 Das ist der Karma-Ausgleich für die Typen, die einen um jeden Preis in selbigem runterdrücken wollen!

  5. ednong sagt:

    Arbeit hin oder her: Darum geht es ja auch nicht alleine, oder?

    Du sagst es – der Spaß ist ebenso wichtig. Und das man ab und an Leuten helfen kann – und natürlich ebenso Hilfe angeboten bekommt, wenn man ebenfalls mal in einer NOtlage ist.

  6. nadar sagt:

    Am Wochenende hatte ich etwas ähnlich Nettes.
    Von einem Dorffest sollte ich den letzten Gast abholen, der war noch gut beieinander. Allerdings hatte sich ein paar Meter weiter ein Betrunkenerer liegenderweise an den Zaun gekuschelt. Bei 5°C ist das ein ungesunder Aufenthaltsort. Ein weiterer Typ hatte ergebnislos versucht, ihn zu wecken.
    Wir erwogen, den Rettungsdienst zu rufen – aber ich wollte erstmal schauen, ob der Schläfer wirklich nicht ansprechbar war.
    Ich zog ihn mit dem Rettungsgriff in die Senkrechte, der weitere Typ meinte, ach das ist der Xyz, der wohnt daundda.
    Dem Fahrgast machte es nix aus, ihn mitzunehmen.
    Also kippte ich den etwas munter gewordenen Schläfer ins Auto. Was macht man nicht alles aus Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft…

    Bei ihm angekommen fragte ich, ob er 5,- für Fahrt geben wollte, (damit der andere Fahrgast nicht auch noch den Umweg bezahlen muss).
    Der Betrunkene reichte mir 25 EUR „hier, haste“.
    Ich sagte extra langsam, klar und deutlich: „Das sind fünfundzwanzig Euro!“
    Er meinte „Passt!“
    🙂

    (Danke, dass ich dein Blog für mich missbr^W^benutzen darf ;))

  7. Sash sagt:

    @Maik aus Wilhelmshaven:
    Klar, Ehrlichkeit ist Pflicht. Aber ich hab selten soviel Demut, Verzweiflung und Unsicherheit auf einem Haufen gesehen. Da konnte ich echt nicht anders 🙂

    @Flo:
    So sehe ich das auch!

    @ednong:
    Manchmal ist Schema F eben nicht das alleinig glücklich machende Prinzip. Ein bisschen mitdenken und -fühlen gehört dazu – und am Ende hat man eine Flasche Wein 😀

    @nadar:
    Ach, je mehr Leute hier gelegentlich Anekdoten schreiben, desto unterhaltsamer isses doch. In den Kommentaren hier kann man sich austoben. Ich befehle nur oben im Text, was da steht 🙂
    Aber coole Aktion – vor allem, dass dein „eigentlicher“ Fahrgast da mitgespielt hat.
    Dass es sich am Ende ausgezahlt hat, ist natürlich immer das nette i-Tüpfelchen, das einen bestätigt, dass es so falsch nicht war – ganz egal, was irgendwelche Kollegen sagen, die immer nur „kein Stress“ haben wollen.

  8. Aro sagt:

    Ja, ja, Ihr wollt ja nur alle nett sein, damit es sich lohnt. 😉

  9. Sash sagt:

    @Aro:
    Klar, was denn sonst? Ärgern und damit noch Einbußen haben?

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