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Griechische Taxi-Betrüger zocken Athen-Touristen ab (Welt online)
Wie man sieht, haben die Schreiberlinge da doch etwas völlig neues herausgefunden. Nicht? Ach ja…
Wie die Kollegen von bild.de damals beim großen Berliner Taxi-Murks haben sich ein paar „Wissenschaftler“ von der Universität Innsbruck in ein paar Taxen gesetzt und sind ein paar Runden gefahren. Dass das selbst bei respektablen 174 Fahrten keinesfalls repräsentative Ergebnisse haben kann, brauche ich sicher nicht nochmal zu schreiben.
Dass so viele Fahrer die vermeintlichen Touristen extra geschröpft haben, ist wahrscheinlich nicht von der Hand zu weisen. Wenn ich dann aber lese, dass die Taxikosten damit „bis zu 35%“ mehr betragen haben, dann kann ich mir ein Schmunzeln doch irgendwie nicht verkneifen. Ich bin ja wirklich hart gegenüber den Kollegen, die sich ungerechtfertigterweise durch Betrug bereichern, aber die wirklich schlimmen Abzocken in diesem Gewerbe sehen dann doch anders aus.
Nein, ich finde das schon erwähnenswert. Es ist ja die Aufgabe der Medien, auch mal hinzugehen, wo es weh tut und Missstände aufzudecken. In dem Fall vermute ich aber tatsächlich eher, dass es eine willkommene Füllmeldung für den Springer-Verlag war, der ja bekanntlich alles gebrauchen kann, um ein bisschen auf den Griechen rumzuhacken.
Wahrscheinlich gilt für Athen genau das, was auch für New York, Berlin und Mittelfischbach gilt: Die Qualität einer Taxifahrt steht und fällt mit der Qualität des Fahrers!
Besser kann man es nicht sagen…
Immer mal gut wenn ein Profi ein Auge über solche Artikel wirft.
Dass der Artikel haargenau in das momentan stattfindende „Griechen-Bashing“ und gleichzeitig auch noch ins Sommerloch passt war mir klar.
Nur die „bis zu 35%“ höheren Taxikosten konnte ich nicht so ganz einsortieren. Wenn`s schlimmeres gibt….
Und jetzt werde ich mich mal langsam durch die tausend Artikel hier arbeiten. Irgendwie.
Ich denke mit „Springer-Verlag“ ist alles relevante gesagt. 😉
@Stefan Grenz:
Ich denke ja, dass das schon das ganze Geheimnis ist, aber ansprechen kann man es ja mal…
@Big Al:
Ich meine, das ist nicht toll. Keine Frage! Ich will jetzt auch nicht kleinreden, dass viele Fahrer mit Fremden gerne mal eine Extrarunde drehen. Und das ist scheiße! Aber wenn selbst dabei nix wilderes als ein um 35% überhöhter Preis rauskommt (also die Rekordmeldung aus Berlin, die ich kenne, liegt bei etwa 750%), dann wirkt es eben sehr nach Füllmaterial.
@Der Maskierte:
Ich denke auch, aber man muss nicht alles unkommentiert lassen. 🙂
Wirklich furchtbar sind aber die Kommentare…
@ Wurstmann.
Bei der „Welt online“ (Springers Versuch mit mehr Buchstaben als Bildern) passt gelegentlich auch die in die Kommentare eingefügte Werbung wie die Faust auf`s Auge. Die Kommentare dort sind so vorhersehbar wie das Amen in der Kirche. Vorhersehbar primitiv. Sollte sich dort mal jemand mit (Fach-)Wissen versehentlich in die Kommentare verirren Gnade ihm Gott.
wie haben die es geschafft in athen 174x eine taxe zu bekommen?!?! das muss doch jahre gedauert haben… ich bekomme da fast nie eine! ausser die abzocker-taxen die immer vor den hotels und sonstigen „touri-hotspots“ stehen – die täte aber der athener nie nehmen und 35% mehr sind im schnitt ein echtes schnäppchen.
Toller Text!
Erschreckend finde ich die Kommentare bei dem weltonline Bericht. Meine Güte- ein Mensch ist dümmer als der andere. Hauptsache man kann seinen Frust irgendwo rauslassen…. schrecklich.
@Vernonique:
Trotz der Hinweise hier werde ich mir die Kommentare nicht reinziehen. Ich will mich nicht fertigmachen damit, dass ich das ja „eigentlich richtigstellen müsste“… lasst sie schreiben, sie lesen Springer-Presse, was erwartet man da?
174 Fahrten bringen durchaus repräsentative Ergebnisse. Das ist nämlich nichts weiter als die 1%-Zufallsstichprobe in der Qualitätssicherung. Ja, und da kann man von einem Prozent durchaus mathematisch auf die Gesamtheit schließen.
@Zero the Hero:
Dass man mit kleinen Proben durchaus auf die Gesamtheit schließen kann, ist mir schon bewusst. Bisher gab es trotzdem noch nicht einen „Taxi-Test“, der ernsthaft wissenschaftlich betrieben wurde. Denn letztlich sind Studien mit derart wenigen Teilnehmern eben nur bei wirklich durchdachter Auswahl sinnvoll. Tests, die nur Fahrten tagsüber von Touri-Taxihalten berücksichtigen, sind genauso wenig repräsentativ, wie welche, bei denen die Tester nicht ebenfalls unterschiedlich auftreten. Es geht bei einer Dienstleistung schließlich auch um eine psycholgische Beziehung zwischen den Protagonisten. Jetzt mal egal, in welcher Form. Und wenn ich nur eine Handvoll „gleicher“ Touren habe, ist die Fehlertoleranz immer noch ziemlich hoch…
Für ein Paper in Wissenschaftszeitungen, welches von der Fachwelt nicht wegen methodischen Mängeln zerissen wurde, scheints aber gereicht zu haben;)
Zum Ausdrucken und nachlesen:
http://ftp.iza.org/dp5700.pdf
Ja, sonderlich überzeugend muss ich es persönlich trotzdem nicht finden. Es ist schön, dass sie schreiben,
„In order to minimize the potential for confounding effects of a passenger’s age or
gender on driver behavior, all three experimenters were male and in the late twenties.“
Und damit haben sie für sich auch eine vernünftige Auswahl getroffen. Eine allgemeingültige Aussage funktioniert so trotzdem nicht. Aber da liegt wahrscheinlich die größte Diskrepanz zwischen der Zielsetzung der Wissenschaftler und dem, was die Medien mal wieder rauslesen. Denn dort wird spätestens aufs Große Ganze geschlossen.
@Zero the Hero:
Im Übrigen ist das natürlich dennoch der beste Test, den ich bisher gesehen habe, keine Frage. Die 29 Fahrten pro „Gruppe“ sind natürlich weit überdurchschnittlich. Aber es ist eben so, dass 29 Fahrten bei 14.000 Taxen ein recht dünner Wert sind.
Was gar nicht heißt, dass ich die Ergebnisse unglaubwürdig finde. Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass die Verhältnisse so sind. Ob die Zahlen allerdings deswegen allgemeingültig sind, ist die andere Frage.
Aber danke fürs Raussuchen der Studie. Ist interessant gewesen, sie mal im Original zu überfliegen.
„In order to…“: ein schöner Satz, diese three experimenters waren sie ja selber, sprich sie haben sich selber ausgesucht;)
Hätten die 3 Wissenschaftler unterschiedliches Alter/Geschlecht gehabt, hätten sie irgendwas von „deswegen waren Geschlecht und Alter der Experimentatoren stark gestreut“ geschrieben.
Was die Medien draus machen: sie produzieren halt Schlagzeilen.
Übrigens:
in Prag ist Abzocke nicht nur bei den Taxis auch verbreitet, das ging soweit, daß der Bürgermeister sich einen falschen Bart angeklebt hat und einfach mal als ausländischer Tourist getestet hat, ob und wie er übern Nuckel gezogen wird (sowohl beim Taxifahren als auch in Restaurants).