Ich hab ja äußerst selten schlechte Laune bei der Arbeit. Vielleicht liest sich das hier und da mal anders, aber im Grunde bin ich meist der Ruhepol im hektischsten Treiben rund um mein Taxi. Das versuche ich auch durchzuziehen, wenn es mal unangenehm wird. Und unangenehm ist es vor allem, wenn…
Genau.
Ich hatte eine Sechsertruppe angeheiterter Engländer dabei, allesamt lustig drauf und bester Absichten. Ein Bisschen feiern wollten sie noch, aber dennoch waren sie nicht irgendwie auffällig. Zum Tresor sollte es gehen, was von ihrem Fundort aus etwa einen Zehner Umsatz bedeutete. Na denn!
Ich gurkte aus Mitte also in Richtung der gewünschten Lokalität und war frohen Mutes. Alle Insassen meines kleinen Taxis waren guter Laune und ich hatte nicht im Entferntesten eine Vermutung, dass sich daran etwas ändern wird. Aber so war es.
Am Molkenmarkt an der Ampel angekommen vernahm ich ein Geräusch, von dem ich heute nicht einmal mehr weiss, wie es sich angehört hat. Komisch jedenfalls, denn ich hab mich deswegen umgedreht. Und da saß nun einer der jungen Kerle und steckte sich seinen Finger in den Hals. Es war offensichtlich, dass er kotzen musste, mir erschloss sich nur noch nicht ganz, weswegen er das im Auto versuchte. Wir standen an der Ampel und seine Tür war nicht irgendwie gesichert.
„Fuck! Open the door!“
hab ich gebrüllt. Von der Rückbank schrien seine Kumpels:
„Ey, leave it out of the cab! Leave it out!“
Keine Chance. Er übergab sich zunächst mehr oder weniger über die heruntergekurbelte Seitenscheibe, kotzte dann aber weiter munter in den Wagen.
Bei mir hat sich da eine inzwischen ambivalente Haltung durchgeschlichen. Zum einen ist es immer noch das Schlimmste, was passieren kann. Kotze im Auto! Schichtende! Stress! Eklig!
Zum Anderen: Es bringt Geld, immerhin hat er mich nicht getroffen und außerdem bin ich abgehärtet. Was ist schon Kotze? Im Zweifelsfall ein Grund, sich die Finger zu waschen! Essen würde ich es nicht, ansonsten bin ich der rustikale Typ, der die Toilette auch ohne Handschuhe putzen kann…
Kaum dass er sich im Innenraum meiner schönen 1925 ausgekotzt hatte, öffnete mein Fahrgast auch die Türe und sprang raus. Er torkelte 3 Meter und fiel leblos in ein Gebüsch. Ich hab das Auto völlig illegal aber halbwegs verkehrsgerecht auf dem Gehsteig geparkt und den Jungs klargemacht:
„OK, as you see, we have a problem!“
5 bettelnde Jungs hatte ich um mich, die plötzlich Sorge hatten, ich wollte ihren Kumpel verprügeln. Wäre mir nie in den Sinn gekommen, der war eh schon halb tot. Selbst für diesen seltenen Fall (Kotzen bei Touristen) hab ich einen Standardspruch:
„Well Guys, that’s no big deal. 200 Euro or I’ll call the cops…“
Da ist sogar der Tote wieder aufgesprungen. Ob wir nicht einfach weiterfahren könnten? Na klar…
Das Problem an meiner Sicht der Dinge ist vor allem: Was sollen die Cops tun? Sicher, eine Anzeige wegen Sachbeschädigung können sie vielleicht aufnehmen, aber was interessiert das Touristen, die übermorgen wieder ausser Landes sind?
In einer kurzen und dennoch zielführenden Diskussion haben wir erörtert, dass 200 € nicht machbar sind. Ich vermute, ich hätte den Jungs diesen Betrag durchaus aus der Tasche zaubern können (schliesslich wollten sie noch feiern gehen und waren zu sechst), aber es kollidierte offenbar mit ihren Interessen. OK!
„No problem, guys. You just have to clean my car. Of course the meter’s still running when you do so, because it’s my working time. Otherwise: 200 €!“
Betretenes Schweigen, dann kamen die ersten Beschwichtigungsversuche. Ob 200 € jetzt wirklich…
Ich hab das im Keim erstickt und gesagt, dass es so sei und sie sich mal überlegen sollten, ob sie die Kiste in kürzester Zeit wieder geruchsneutral und sauber hinbekommen. Und ob sie das kostenneutral machen würden.
Vielleicht hab ich den sportlichen Ehrgeiz geweckt, jedenfalls waren 3 von ihnen bereit, mein Auto zu putzen. Gleich vorweg: Als ich das Auto abgestellt habe, war ich wirklich miesester Laune. Die Kiste war sauber, sogar geruchsneutral, aber irgendwie hab ich mich des Stresses wegen unterbezahlt gefühlt. Jetzt, zwei Wochen später, ist das schon ok. Sie haben die Kiste alleine saubergemacht und die komplette Zeit laut Taxitarif bezahlt – insofern kann es mir egal sein.
Der Weg dorthin war allerdings lang. An der nächsten Tanke putzten zwar alle mehr oder weniger fleißig, aber spätestens alle 5 Minuten kam die Frage, ob es jetzt ok sei. Und jedes Mal durfte ich ihnen zeigen, wo noch Suppe schwamm, wo noch Bröckchen hingen, und dass das jetzt natürlich noch überhaupt nicht ok sei.
Letztlich war ihr Arbeitstempo aber beachtlich. In nicht einmal einer Stunde haben sie das Auto tatsächlich soweit gereinigt, dass ich nicht nur sie, sondern danach auch noch einen anderen Kunden befördern konnte.
Das ändert indes freilich nichts daran, dass 200 € völlig ok sind, wenn ich das machen muss. Denn im Prinzip ist es nicht meine Aufgabe, und ich kann da völlig getrost die Preise weitergeben, die Profis verlangen und meinen Verdienstausfall noch draufschlagen. Wenn es nach meinem Chef gehen würde, dann würde die Kiste nämlich in einer Spezialreinigung für rund 400 € Grundpreis wieder hergerichtet werden und das Auto wäre locker 2 bis 4 Schichten nicht einsatzfähig.
Ich weiss, dass viele das für überhöhte Preise halten. Aber wer bitte will in einem Taxi sitzen, das nach Kotze riecht und wer ist ernsthaft (und das auch nach mehrmaligem Nachdenken) der Meinung, dass es völlig normal ist, in ein Taxi zu kotzen, bzw. dass der Fahrer das dann auch wegzumachen hat für die 7 € Bruttostundenlohn, die er so etwa durchschnittlich kriegt?
Am Ende waren es 35 € laut Taxameter, nicht einmal Trinkgeld gab es für meine Kulanz. Mir soll mal einer kommen und mich für unfair halten!
