Ins Auto gefallen ist mir die attraktive Mittdreißigerin als Winkerin im Boxhagener Kiez. Sie hat sich von ihrer männlichen Begleitung recht ungalant verabschiedet, was wortwörtlich etwa so klang:
„Ssississ mir scheißejaaal. Ick jeh poofen, ’sch bin knülle, du Knallkopp! Fickse dich selba du Lulli!“
Na Prost Mahlzeit.
Als sie sich halbwegs aufgerichtet, und ihre makellosen und größtenteils unbekleideten Gliedmaßen sortiert hatte, nannte sie mehr oder weniger schwungvoll den Namen eines recht bekannten Hotels. Ich warf im Gegensatz zu ihr noch kurz einen Blick auf den traurig dreinblickenden Lulli und hab dann die knapp 100 Pferde unter der Motorhaube losgaloppieren lassen.
„Kannse msch weggn, wenn wrn Hotell sin?“
Klar wecke ich dich, wenn du ein Hotel bist.
„Selbstverständlich.“
„Weisse, warn büschen viel, der Lutscher wollte mich wohl abfllllllnn!“
Gute Arbeit, Lulli! 🙁
Aber es war mir nicht wirklich unangenehm, dass sie geschlafen hat. Ihre Kommunikationsversuche waren nicht so sonderlich leicht zu verstehen, und noch mehr Lutscher-Stories wollte ich mir eigentlich gar nicht anhören. Das Hotel lag eine knappe 15€-Tour entfernt, und so blieben ihr durchaus ein paar Minuten dringend notwendige Ruhe.
Als wir ankamen, hatte ich so etwas wie ein Déjà-Vu.
„Ssississ jetzn büschen komisch, abersch hab keene Knete, Jungsche!“
Das erinnerte mich doch stark an den Briten von neulich. Gut, der hat sich noch ein wenig unverständlicher ausgedrückt, aber gerade weil ich den Stress schon neulich hatte, bin ich eben kurz ins Hotel rein. Mit ihr.
„Issja okeeheee! Natürlich habsch Jeld inn Zimma!“
antwortete sie auf meinen Wunsch nach baldiger Begleichung der Rechnung. Warum es sie so genervt hat, dass ich die Fahrt bezahlt haben wollte: Keine Ahnung! Ich bin jedenfalls festen Schrittes voraus ins Foyer gelatscht und hab dem Portier mein Leid geklagt. Hintendrein kam dann die volle Trulla mit einem beeindruckenden Repertoire an Ausfallschritten an und verkündete:
„Issokeehee! Schmachdattja!“
Sie fiel nahezu auf den Tresen, was den Portier beunruhigt einige Unterlagen von dort entfernen ließ, dann fragte ich, in welchem Zimmer sie denn nächtigt.
„Schabne Idee! Mussja nich mit ins Zimma komm. Niemand kommt in mein Zimma!“
„Zahlen sie einfach, dann sind sie mich los.“
„Issgutt!“
Bevor der Portier es in Sicherheit bringen konnte, nahm sie ein prall mit Bonbons gefülltes Glas vom Hoteltresen, hantierte damit für ihren Zustand erstaunlich sicher und griff sich eine Handvoll Bonbons heraus.
„Hier! Kannse ham wieviel de wills! Bezahlschdir mit Bomboms!“
An dieser Stelle kam mir der Portier entgegen und fragte die „werte Dame“, ob sie vielleicht auf ihr Schließfach mit den Wertsachen zurückgreifen möchte, um mich zu bezahlen. Dann müsse sie nicht bis in ihr Zimmer.
„Könn wa machen, wie wa wolln! Machen wa datt!“
Binnen zwei Minuten hatte ich 20 Euro in der Hand und hab in meinem Geldbeutel nach 5 Euro Rückgeld gesucht.
„Kannsmich auch mitde Bomboms bessahln!“
gröhlte sie ziemlich lautstark. Ich hab dem Portier einen fragenden Blick zugeworfen, denn er hatte das Glas inzwischen sicher auf seinem Schreibtisch hinter dem Tresen untergebracht. Er lächelte etwas nervös, reichte mir das Glas, und ich griff hinein. Etwa 7 oder 8 Bonbons angelte ich heraus und wollte sie der Trulla in die Hand drücken.
„Na dann. Bitte!“
„Wills misch wohl va-aaschn! Ick jeh poofen! Nacht, ihr Lullis!“
war das letzte, was ich von ihr hörte, als sie gen Aufzug stiefelte.
„So kann’s gehen.“
meinte ich zum Portier.
„Da haben sie ihre Bonbons wieder.“
„Nein, nehmen sie die nur mit. Als Entschädigung oder so…“
Irgendwie müssen die Nachtschichtler ja zusammenhalten 🙂
Erinnert mich ein wenig an heute Nacht. Andere Stadt, ähnlich besoffen.
Und wir ..in den Hotels …haben dann den Spass mit solchen leicht angeheiterten Menschen.Was haben wir da schon erlebt.
Gut beschrieben und sehr nah an der Realitaet wie sie sich tagtaeglich abspielt.
Und die viel spannendere Frage: Haste jetzt 5 Euro Trinkgeld + Bonbons abgesahnt oder nur die Bonbons? 😉
Poofen? Übriggebliebener Schalkefan?
Und ich habe jetzt beim Titel an etwas anderes gedacht :/
ick oooch !
@Der Maskierte:
Das passiert sicher überall mal 🙂
@micha:
So ähnlich sage ich es immer zu den Gastronomiemitarbeitern: „Seht mal: Die sind schon besoffen, wenn sie bei euch sind – was meint ihr, wie die dann erst im Taxi drauf sind…“ 😉
@Chefarbeiter:
Ich hab 5 € plus Bonbons. Nur weil sie letztere nicht mehr wollte, hab ich doch nicht noch das Geld rausgesucht 🙂
@Nick:
Keine Ahnung. Wirkte eher wie eine Ex-Berlinerin auf Heimatbesuch. Aber ich weiss es nicht. Die Dialoge waren doch recht kurz…
@Matthias und Jungo:
Das war auch nicht so ganz unbeabsichtigt 🙂
Poofen ist auf jeden Fall nach meinen Recherchen Ruhrgebieterisch.
Ich kenns nämlich nicht.
Vielleicht wohntse ja auch jetze da.
Du Lulli! Super, ich habe ein neues „Schimpf“wort, gefällt mir. 🙂
Irgendwie müssen die Nachtschichtler ja zusammenhalten
Genau. Nie wieder Tagschicht! Nie wieder halbe Umsätze. Nie wieder Dauerstau! Nie wieder nüchternde … ach ne, sorry.
Aber so einen Nachtportier kenne ich auch, in einer LV, der manchmal sehr genervt die Augen verdreht, wenn er manche Fahrgäste zum Taxi schickt. Wir verstehen uns prima 😀
@Nick:
Kann schon sein. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung. Aber ich kenne das Wort schon seit Stuttgart…
@Nils:
Na das ist doch schön 🙂
@Aro:
Ach, als ob ich solche Verbrüderungsaussagen sonderlich ernst meine…
Es ist nur gelegentlich schön, auf Leute zu treffen, die mit der gleichen Kundschaft zu kämpfen haben 🙂
Alternativgeld habe ich durchaus schon mal angenommen. Ich war als Student mal Nachtkassier an einer Tankstelle, da kam ein Typ rein mit einem angebissenen Hamburger in der Hand; ein kurzer Blick in den Überwachungsmonitor zeigte, dass in seinem Auto noch drei Leute saßen, die ebenfalls an Burgern nagten, und in noch halbwegs verständlichem Tonfall [s]lallte[/s] fragte er mich, ob ich ihm zwei Raider (die damals noch nicht Twix hießen, oder doch schon, und er nannte sie Raider) verkaufen würde.
Na klar doch, gerne.
Die Suche nach der Geldbörse oder wenigstens etwas Kleingeld in seinen diversen Hosen- und Westentaschen gestaltete sich einhändig etwas schwierig, und ich beschloss, ihn zu bitten, doch seine Freunde im Auto zu fragen, ob die bezahlen könnten, weil ich angesichts seiner Hamburger-Nagerei und des nicht mehr ganz sicheren Standes um die Reinlichkeiot meiner Auslage besorgt war. (Ich hasse Putzen.)
„Klar, masch’sch“, sprachs und wankte von dannen, ließ aber brav die Raider-Riegel liegen.
Ich dachte, die fahren davon, aber auf dem Überwachungsbildschirm sah ich, wie einer der Rückbank-Passagiere meinem Kunden ein kleines Päckchen überreichte und sich noch ein kurzes Gespräch entspann, dann wankte der Kunde wieder zu mir hinein und fand erstaunlich zielsicher den Verkaufstresen.
„Hier, könnwa vielleisch so machen, wir ham kein Geld, aber 20 Chicken MgNuggets mit Wawekju-Soße, die wolln die nich mehr. Sin ganz frisch. Bekomm ich dann die Raiders?“
Aber klar, mein Freund, you saved my night.
Und jetzt die Preisfrage: Warum tauscht ein Typ morgens um drei Chicken McNuggets gegen Süßigkeiten?
Er war übrigens der Fahrer.
@Cliff McLane:
Der Grund würde mich auch interessieren 🙂
Geile Geschichte!
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“Weisse, warn büschen viel, der Lutscher wollte mich wohl abfllllllnn!”
Gute Arbeit, Lulli! 🙁
“
kann noch so „alt“ sein, bleibt so unglaublich witzig!!!
@leserin:
War aber auch eine hervorragende Aussage 😀
„Etwa 7 oder 8 Bonbons angelte ich heraus und wollte sie der Trulla in die Hand drücken.“
Das toppt echt alles bisher, ich habe Tränen in den Augen vor Lachen. xD
@Andre:
EINMAL schlagfertig gewesen. 🙂