Unentschlossen

Als sie mir am Ostbahnhof ins Auto stiegen, wirkten sie wie ein Vorzeige-Pärchen. Waren sie gewissermaßen auch. Nur anders. Sie gab gleich den Kurs an:

„In die Oranienstraße bitte!“

Alles klar. Eine der üblichen  7€-Touren am Ostbahnhof. Einmal über den Fluss und gut is.

Im Fond begann sich aber der männliche Teil zu regen, tuschelte dann sogar mit ihr, und letztlich meinte sie genervt:

„Dann sag du doch!“

Das tat er auch:

„Ja, ähm… wir fahren dann in die Lichtenberger Straße xy.“

OK, das ist vom Anfang her die gleiche Richtung, nur geht es gar nicht erst bis über den Fluss. Eher so die Größenordnung 5 €. Es wäre gelogen zu behaupten, ich sei begeistert gewesen, aber so ist das Leben. Ich hab dann noch kurz klären wollen, wo die xy genau liegt. Alles kann man ja auch nicht wissen.

„OK, wo liegt die xy denn genau?“

„Ist gleich das große Haus da vorne.“

„Ah, dann fahr ich also am Besten über die Holzmarktstraße?“

„Ja.“

Das ist nun wirklich kein Weg. Links, rechts, links, fertig. Also setze ich den Blinker und…

„Nein! Hier rechts!

Also doch nicht über die Holzmarkt. Wieso frage ich eigentlich? Ich bin also der Straße gefolgt, und hab mich schon halbwegs gefreut, weil das – wenn es wirklich das Haus sein sollte – ein ziemlicher Umweg sein müsste.
Meine Fahrgäste zankten sich inzwischen. Es ging irgendwie darum, warum sie jetzt nicht mit dem Taxi nach Kreuzberg fahren würden. Er wollte anscheinend selber fahren, sie wollte aber nicht mit ihm fahren. Ich war gerade dabei zu überlegen, ob es geschäftsbelebend wäre, mich auf ihrer Seite in die Diskussion einzumischen – da schrie es von hinten plötzlich:

„Links! Hier links!!!“

Also durch die Lange Straße? Hat das blöde Haus etwa einen Hintereingang?

„Entschuldigung! Aber wir streiten uns gerade ein bisschen…“

Ich hab also so mehr oder weniger gewendet und mich auf den Dienstleistungsgedanken zurückbesonnen:

„Das stört mich nicht, ich brauche bloß etwas Zeit, um auf eine Ansage zu reagieren.“

Ob das angekommen ist, weiss ich nicht. Die Diskussion auf der Rückbank ging gnadenlos weiter. Da ich an der nächsten Kreuzung aber wieder einen Richtungswechsel erwartete, hab ich mal besser vorher nachgefragt, ob ich rechts abbiegen soll.

„Nein, hier können sie uns rauslassen.“

Hier? Das bedeutet also, die Gesamtstrecke betrug etwa einen Kilometer, und die letzten 200 Meter laufen sie lieber. Manchmal verstehe ich meine Kunden nicht, ganz ehrlich. Aber gut, es gab ja letztlich noch ein Happy End. Also für mich. Bei den beiden bin ich mir nicht so ganz sicher.

„Stimmt so.“

meinte er und reichte mir einen Zehner nach vorne. Einen Zehner. Es gibt so Momente, da muss man das Erstaunen nicht einmal spielen. Super! Zu guter Letzt noch der Abschiedsspruch von ihr:

„Tut mir echt leid. Wir wollten dich nicht nerven!“

Äh? Ja. Wegtreten!

7 Kommentare bis “Unentschlossen”

  1. Rubbeldiekatz sagt:

    Ja, als Taxifahrer muss man schon so einigen nerv! Nerv nerv nerv nerv nerv nerv nerv! Nerv!

  2. Das Trinkgeld zählt doch in diesem Fall als Schmerzensgeld, oder?

  3. Tobias sagt:

    Hat sich doch alles zum Guten gewendet 🙂 Weitermachen!

  4. Sash sagt:

    @Rubbeldiekatz:
    Ja ja ja ja ja ja… 😉

    @Der Maskierte:
    Sicher. Zumindest werte ich es so…

    @Tobias:
    Ja, ich bin auch sehr froh darüber 🙂

  5. Marco sagt:

    Obwohl ich das Trinkgeld jetzt nicht sooo unverständlich finde. Wenn ich im Taxi mit meiner Freundin über die Route in Streit geraten würde (was ich mir schon kaum vorstellen kann, aber nehmen wir das jetzt mal als gegeben hin) und deshalb im Endeffekt nach ein paar Metern wieder aussteigen würde, dann würde ich wohl beim Bezahlen auch denken, dass zumindest der Taxifahrer nicht darunter leiden soll, der kann ja am wenigsten dafür…
    Ich hätte in dem Fall wahrscheinlich auch einen Zehner gegeben.

  6. Ana sagt:

    ich frag mich grad…
    hab ich nich auch hier mal hinweise auf sexuelle handlungen im fond gelesen?
    da stellt sich mir die frage ob das nicht mehr ablenkt als ein streit. das einzig miese durch die situation war wohl die strecke… hätten die sich wegen lichtenberg und pankow gezankt gäbs den blogeintrag vermutlich nicht.

  7. Sash sagt:

    @Marco:
    Es ist jetzt auch nicht so, dass ich noch nie einen Zehner für eine derart kurze Strecke bekommen habe – aber es ist doch eine eher seltene Geschichte. Und der Streit war jetzt auch nicht wild, war alles ganz ruhig – nur eben nicht friedlich 🙂

    @Ana:
    Oh, so eine lange Fahrt hätte sicher noch einige Stilblüten bezüglich Streitkultur hervorgebracht. Ich denke, gebloggt hätte ich das auch. Ist ja nicht das erste Mal, dass ich hier über Kleinigkeiten schreiben würde.
    Und ehrlich gesagt: Ich find Streit immer nerviger als gutes Auskommen miteinander. Ich würde jetzt zwar sagen, dass ich eine Grenze da ziehe, wo Körperflüssigkeiten mein Auto verunreinigen könnten, aber sonst… wozu blogge ich? 😀

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: