Wir Taxifahrer sind wie alle anderen Menschen natürlich auch schnell bei der Hand mit Schubladen, in die wir die Fahrgäste stecken. Wie gesagt: Wie alle anderen Menschen auch. Das macht die Sache nicht besser oder schlechter, aber natürlich versuchen wir – ja, wir müssen das als Dienstleister auch versuchen – die Menschen irgendwie einzuschätzen, die uns spontan ins Auto fallen.
Und ja, was denkt man sich schon, wenn zwei junge und angetrunkene Kerle einem im Herzen Neuköllns vor den (bei mir nur imaginären) Mercedesstern rennen und „Digger, Digger, fahr mal Alex!“ rufen?
Mal ganz ehrlich: Selbst ich rechne da mit einer eher stressigen Fahrt. Und ja, das kommt vor. Das kann schon mal in Preisfeilscherei oder dummes Rumgeprolle ausarten, bei dem man am Ende froh ist, dass man halbwegs seine Kohle bekommen hat. Das Entscheidende ist in meinen Augen das, was uns oft bei der Preisansage das Leben schwer macht: In Wirklichkeit macht man eher selten die selbe Tour zweimal kurz hintereinander, man kann das mitunter nur schwer einschätzen.
Aber die zwei waren nun schon so die Oberchecker-Super-Hardcore-Gangster, wenn man sie mal in Augenschein genommen hätte. Noch besser: Während der Fahrt wurde außerdem klar, dass sie im Taxi saßen, weil der eine von ihnen eine ansehnliche Summe in einem Automatencasino gewonnen hatte und sie von dem Geld Drogen kaufen wollten. Bei aller Faszination für andere Milieus wäre das Wort „seriös“ das letzte, was ich für die beiden verwendet hätte.
Wenn mich aber jemand fragen würde, wer die besten Kunden der letzten zwei Monate waren, dann würde ich mit dem Finger auf die beiden zeigen und sagen:
„Die da – mit weitem Abstand!“
Als sich der eine erkundigte, wie es in der Schicht so laufen würde, hab ich noch alle Überfalls-Präventions-Reflexe beisammen gehabt und gelogen, dass ich noch nicht lange unterwegs sei, also noch kaum Umsatz gemacht hätte. Zwei Kilometer weiter sah das Ganze schon komplett anders aus. Der eine interessierte sich dafür, wie wir Taxifahrer so arbeiten, wie das so wäre mit dem Job, ob das nun eher Sklaverei oder Freiheit sei. Der andere hatte inzwischen in Erfahrung gebracht, dass ich in Marzahn wohne, und versorgte mich mit geschichtlichen Infos zum Stadtteil, in dem er seine Kindheit verbracht hatte.
Und nebenbei beschlossen sie dann, dass es eigentlich ziemlich cool wäre, mit mir nach „dem Deal“ auch wieder zurückzufahren. Dass die Uhr dabei weiterläuft sei natürlich kein Problem. Vor Ort – wo es schwer war, den Typen zu finden, den sie treffen wollten – ist sogar immer einer im Auto geblieben, „nicht, dasste denkst, wir hau’n ab, Digger!“.
Sie haben beide verständnisvoll akzeptiert, dass ich nicht gegen Abbiegeverbote verstoßen darf und darüber gelacht, als ich an eine Einbahnstraße auf dem Weg nicht gedacht hatte und einen kleinen Umweg fahren musste. Sie haben mich gelobt, ganz ehrlich.
„Ach, Digger, besser mit Dir rumcruisen als mit einem, der wo nicht mal mit uns spricht, echt jetzt, Digger!“
Am Ende hat die Fahrt ziemlich genau 30 € gebracht, das kriegt man innerstädtisch ja nur selten hin. Und anstatt sich zu beschweren, zu seufzen oder dergleichen haben sie die Tour mit 35 € bezahlt und zuvor noch verschwörerisch gefragt:
„Aber das Trinkgeld geht auch wirklich an Dich, oder?“
Sicher: Bei solchen Typen springt nicht immer eine solche Tour raus.
Andererseits möchte ich zu bedenken geben: Extrem stressige Fahrten verblogge ich auch immer. Also viel Spaß beim Suchen! 🙂
