Kleinlich bei Umwegen, Teil 2

Ich hab ja vorgestern schon so ein Beispiel für einen unnötigen Umweg gebracht. Das war wie das heutige nicht wichtig oder schlimm oder irgendwie von Bedeutung. Ich erwähne das nicht einmal, weil ich nicht gerne mehr Geld verdiene oder weil ich die Fahrgäste bloßstellen will. Ich will nur darauf hinweisen, dass das, was gemeinhin Ortskunde genannt wird und eine der Hauptqualifikationen von mir und meinen Kollegen ist, einfach einen Wert hat.

Ebenso wie ein Maler sich sicher wundern würde, wie langsam und unsauber ich meinen Flur streiche, bleibt bei mir als Taxifahrer halt ein komisches Gefühl zurück, wenn eine Kundin diesen Weg ansagt:

Kürzeste Strecke, sieht man sofort! Quelle: osrm.at

Kürzeste Strecke, sieht man sofort! Quelle: osrm.at

In dem Fall hat die Kundin die Ecke Rhinstraße/Allee der Kosmonauten (die Ecke oben links) als Ziel angegeben, sich dann aber („hier noch kurz rechts!“) an die Ecke ADK/Marzahner Chaussee bringen lassen. Auch hier ist nicht einmal ein ganzer Euro flöten gegangen, alles kein Thema für ein Gerichtsverfahren, schon klar. Aber es nagt an einem, wenn man es besser weiß.

Und, nur mal nebenbei: Das passiert ja dann manchmal auch in handfesten Größenordnungen.

Ich, das Arschloch auf dem Fahrradweg

„Das is’n Fahrradweg, Du Arschloch!“

Hab ich neulich wieder gehört und der eloquente junge Mann hatte sogar recht. Der Sicherheit wegen werden immer mehr Fahrradwege, bzw. -Spuren direkt auf der Straße angelegt und ich begrüße das auch sehr. Man sieht sich wirklich besser. Wenn ich allerdings Kunden auslade, fahre ich auch auf diese Spur, „ganz“ rechts ran.

Liebe Radler, ich tue das nicht, weil ich denke, dass man Euch eher behindern sollte als die Autofahrer. Das ist mir egal, da hab ich keine Präferenzen. Da ich allerdings nicht dafür garantiern kann, dass meine (gerne mal angetrunkene) Kundschaft beim Türöffnen auf Euch achtet, versperre ich diesen Weg mit voller Absicht.

Sicher ist es nervig und gefährlich, um ein so haltendes Taxi herum zu fahren. Aber Ihr seid die, die gerade aktiv am Straßenverkehr teilnehmen. Ihr müsst schon dem Gesetz nach nüchtern und aufmerksam sein, meine Kundschaft nicht. Links ist die Kindersicherung drin, da springt keiner unerwartet raus, das Halten am äußersten rechten Rand bietet sich da einfach an.

Wir alle ärgern uns über unnötige Hindernisse, schon klar, ich auch. In dem Fall versuche ich aber eigentlich nur dafür zu sorgen, dass die berühmt-berüchtigte plötzlich geöffnete Tür –sicher der Radler-Horror schlechthin – nicht passieren kann. Ich mach’s also auch für Euch, also bitte weniger Beleidigungen!

„Ja, dann zeigen Sie’s mir eben.“

Der Kunde ist König und ich fahre natürlich gerne so, wie sie wollen. Manchmal kommt mir die Hilfe sogar ganz gelegen, man weiß ja als Taxifahrer auch nicht alles. Und dann gibt es „noch kürzere“ Wege wie diesen:

Quasi Luftlinie, Quelle: osrm.at

Quasi Luftlinie, Quelle: osrm.at

Fairerweise sei gesagt, dass man dabei immerhin eine Ampel spart und der Umweg natürlich nur sehr klein ausfällt. Das waren 20 Cent mehr für mich, ich will da gar kein Faß aufmachen. Auf der Straße merkt man den Unterschied quasi nicht. Der Punkt ist: Ich hab bei der Routenplanung das obige Bild im Kopf. Und mal ganz ehrlich: Da sieht’s nicht gerade nach der cleversten Lösung aus.

Ich bremse auch für Pokémon!

Der Hype um das Spiel PokémonGo hinterlässt derzeit immer noch Spuren der Ungläubigkeit. Was ist daran jetzt so toll/neu/besonders? Und die andere Hälfte der Menschheit zockt.

Ich muss für meinen Teil ehrlich sein: Ich spiele das Spiel nicht. Dennoch hab ich weit mehr als Hass oder Mitleid übrig für die Spieler, denn ich finde die Idee eigentlich ziemlich geil. Für mich, mit meinem Jahrgang und meiner Peergroup, sind Pokémon nie interessant gewesen. Man hat es mitgekriegt, vielleicht auch mal belächelt wie die Tamagotchis, aber das war es auch schon. Für echten Hass hat es bei mir nie gereicht, wozu auch? Als ob meine Sozialisation mit Knight Rider, MacGyver und GTA irgendwie weniger peinlich verlaufen wäre!

Und ebenso wie ich heute sehr gerne GTA V zocke, finde ich nix komisches dabei, meine bessere Hälfte auch mal zu begleiten, wenn sie den Weg zur Post ausdehnt, um ein paar Pokébälle zu sammeln. Ich verstehe, dass das das Spiel war, auf das eine halbe Generation unbewusst gewartet hat.

Im Taxi hatte ich letzte Woche das erste unterwegs von der Kundschaft gefangene Pokémon. Und ich weiß auch, dass ich das Spiel gerade mit meinem Job echt rulen könnte. Nicht von ungefähr: Etliche Leser haben mir den Link zu heise.de geschickt, hinter dem der Artikel erklärt, dass für ein Taxi-Unternehmen aus Manchester der Hype um PokémonGo inzwischen zu einer ernstzunehmenden Einnahmequelle geworden ist, weil sie Stundenpreise zu Pokéstops und co. anbieten.

Ganz so einfach wäre das in Berlin  nicht machbar, es gibt schließlich die Tarifbindung und einen Stundenpreis gibt es innerorts eigentlich nur bei stehendem Auto. Andererseits muss man auch anmerken, dass wir hier mit der ziemlich einmaligen Wartezeitunterdrückung (bei jedem Halt des Taxis ist die erste Minute Wartezeit umsonst) durchaus auch einen gar nicht pokémonuntauglichen Tarif haben.

So viel dazu.

Darüber hinaus ist mir aufgefallen, dass wir Taxifahrer uns ja eigentlich selbst nur unwesentlich unterscheiden von all den Gamern:

Sich durch die ganze Stadt wuseln, um irgendwelche Monster aufzuspüren, die einem einen Bonus verpassen? Wer hat’s erfunden? (Nur echt mit gerolltem R und der Ricola-Melodie!)

Die Taxifahrer! 😀

Immer zu Diensten

Eine Winkerin. Gar keine schlechte Fahrt, wenn auch nicht herausragend. Aber hey, 17 € sind 17 €.

„Jetzt … wow, schön, dass Sie angehalten haben. Ich wollte da gerade über die App … und dann kamen Sie aber schon.“

„Schneller als die App, da können Sie mal sehen!“

Da ist Berlin natürlich ein spezielles Pflaster, schon klar. Rund 8.000 Taxis können die wenigsten Städte vorzeigen. Natürlich klappt das mit dem Winken nicht überall so wie hier in der Innenstadt. Aus Sicht der Kunden: Leider. Natürlich.

Andererseits muss ich an der Stelle auch mal wieder anmerken:

Alle Firmen, die in den letzten Jahren mit schneller Fahrtvermittlung Werbung gemacht haben – und da schmeiße ich, ohne sie gleichstellen zu wollen, sogar MyTaxi und Uber in einen Topf – bieten ihre Dienste in genau den Städten an, in denen es so viele Fahrer und so viele Kunden gibt. Aus deren Sicht verständlich, keine Frage. Mehr Umsatz, mehr Gewinn. Kenne ich so aus meinem Alltag auch. Die eigentliche Kunst wäre trotzdem, eigentlich unausgelasteten Fahrern Kunden und lange wartenden Kunden einen Fahrer zu vermitteln.

Insofern auch mal: Danke an all die Kollegen auf dem Land und in kleinen Städten, die den Job auch ohne all das gemeistert kriegen!

Die Verkehrsteilnehmer der Woche

Gleich vorweg: An diese Liste wird nie wieder jemand rankommen, wir müssen uns also auch diese Woche mit etwas weniger Glamour zufrieden geben.

Nummer drei: Nostalgiebeschriftung

Damals, als ich noch jung war … so fange ich nicht viele Texte an. Aber in dem Fall muss ich es, denn ich hab seit Jahren das erste Mal wieder eine A-Klasse gesehen, die statt der Typenbezeichnung einfach „ELK“ am Heck kleben hatte. Da hab ich mich doch gleich mal wieder alt und jung zugleich gefühlt.

Platz zwei: Der Extrem-Twitterer

Bei Twitter besteht die große Kunst ja, seine Texte in höchstens 140 Zeichen zu pressen. Noch weniger Platz bieten andere öffentliche Plattformen, zum Beispiel die Textfelder an Bussen, die im Normalfall für Linienbezeichnung und Fahrtziel verwendet werden. Gestern kam mir einer  der zahlreichen Ersatzbusse für die S-Bahn entgegen, dessen Schild „S7 Ich habe fertig“ verkündete. Chapeau!

Number One: Der gewitzte Schleicher

Als ich hinter ihm her bin, hab ich noch überlegt, Lichthupe zu geben. Selbst auf der Darßer Straße nachts um zwei Uhr ist eine vollkommen uneingeschaltete Beleuchtung nämlich ein bisschen arg wenig. Andererseits war’s ein Streifenwagen und weder weiß ich, wie undercover die Beamten glaubten, unterwegs zu sein, noch, ob sie mit Kritik angemessen umgehen würden. Als sie aber an der Falkenberger Chaussee/Hansastraße kurz stoppten, dann aber beschlossen, die menschenleere Kreuzung mit Blaulicht zu überqueren, war mir auch klar, dass die fehlende Gefechtsfeldbeleuchtung eher ein Versehen war. War jetzt halt blöd, ich konnte ihnen ja schlecht bei rot über die Ampel folgen, um ihnen das mitzuteilen.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Don’t judge a book by its cover!

Er machte die Tür auf, tat zwei bis fünf Ausfallschritte und stand dann erst einmal orientierungslos in der Gegend rum. Und das junge Pärchen, das fünf Meter entfernt stand, rief aus zweierlei Kehlen:

„AH! OH MY GOD!“

Ja, man konnte den Typen schon leicht mit einem psychopathischen Serienmörder verwechseln. Ich sag nur: „Trevor Philips“. Für mich indessen war längst klar, dass der Kerl völlig ok war. Natürlich hatte er zu viel getrunken und das hatte er mir auch unnötigerweise schon gebeichtet. Aber er war ein extrem Lieber. Er hat mit mir um den Namen einer Straße gewettet (ich hab gewonnnen), mir das höchste Trinkgeld der Nacht vermacht und hätte wahrscheinlich einen Cage-Fight gegen zwei fünf Wochen alte Kätzchen verloren.

OK, wollen wir ehrlich bleiben: Niemand würde den zwei Kätzchen was tun, aber trotzdem!

Obwohl ich die Angst des Pärchens nachvollziehen konnte: Ich hab mich gefreut, es besser zu wissen. 🙂