Wie ich neulich schon angekündigt hatte, haben heute europaweit in mehreren Städten Taxifahrer gestreikt und/oder demonstriert – im Wesentlichen gegen Uber und deren App UberPOP. Ein offenbar auch für Journalisten interessantes – und verwirrendes – Thema, wie mehrere Artikel gerade in den Berliner Zeitungen zeigen.
Der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband BZP hat in einer handlichen Pressemitteilung (.pdf) alle Fakten kurz und (fast schon zu) knapp dargelegt. Zum Beispiel:
„Der Rechtsbruch dieser Unternehmen besteht nicht darin, dass sie das Internet nutzen, um Beförderungsleistungen anzubieten.“
Entsprechend textsicher stellt die Berliner Zeitung in einem Artikel gleich zu Beginn folgendes fest:
„Das klassische Taxigewerbe in Europa macht mobil gegen seine rasant wachsende Internet-Konkurrenz.“
Darüber hinaus wird viel über Uber erzählt, am Rande werden sogar die Probleme erläutert. Der Unterschied zwischen UberBlack und UberPOP wird dabei mal wieder verhaspelt, aber da der Text offenbar aus den Meldungen mehrerer Pressedienste zusammengeschrieben ist, fällt das – ähnlich wie inhaltliche Wiederholungen – gar nicht groß auf.
Die taz beginnt ihren Artikel – Überraschung! – mit folgendem Satz:
„Tausende europäische Taxifahrer wollen am Mittwoch gegen die neue Konkurrenz aus dem Internet demonstrieren.“
Das böse Internet. Auch dieser Artikel zeichnet sich durch eine Erwähnung der einstweiligen Verfügung von Richard Leipold gegen UberBlack aus, während nebenbei die Nachteile von UberPOP erläutert werden.
Als Fazit bleibt bei mir hängen, dass die Zeitungen wie immer schon die beiden Apps durcheinanderbringen und sich irgendwie auf „das Internet“ als Gegner eingeschossen haben. Ein bisschen komisch, wo die Fahrtvermittlung per App – sei es mit taxi.eu durch die traditionellen Zentralen oder mit z.B. MyTaxi als neuem Anbieter – längst einen großen Raum einnimmt. Aber „das Internet“ ist ja auch im Journalismus Schuld an allem Übel, wie sollte es beim Taxigewerbe anders sein?
Nun sind das kleine Artikelchen mit mehr oder weniger viel Informationsgehalt und überwiegend neutral gehalten. Mehr Einblick in den emotional aufgeheizten Streit und eine deutlichere Positionierung versprachen dann die persönlichen Kommentare einiger Journalisten.
Einen solchen hat auch die taz parat. Hannes Koch stellt in seinem Text nach ein paar einleitenden Sätzen auch gleich treffsicher fest, was hier passiert:
„Die ‚traditionellen‘ Fahrer und Firmen wollen verhindern, dass Kunden mit Taxis fahren, die man mit Smartphone-Apps bestellt.“
Leute, was habt Ihr mit diesen Apps? Wir Taxifahrer sind bei Apps ganz vorne mit dabei. Quasi immer schon gewesen. Aber Koch nähert sich auch dem grundsätzlichen Thema immer mehr und verniedlicht UberPOP erst mal als eine Art Mitfahrzentrale. Die Fahrer seien ja eh unterwegs und ebenso wie Carsharing und die Wohnungsvermietung mit airbnb ist das toll und
„sollte auch von Lobbyisten nicht verhindert werden dürfen.“
Nein? Vielleicht irgendwie wahr, im Falle von UberPOP geht es aber wohl eher um Staatsanwälte und Richter, denn wenn ich mir die Versprechen von Uber anschaue und dann einen Blick ins Personenbeförderungsgesetz werfe, dann ist UberPOP offensichtlich ein Angebot, das sich den Spielregeln dieses Gesetzes unterwerfen müsste und eben KEINE Mitfahrzentrale:
„Den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, mit Oberleitungsomnibussen (Obussen) und mit Kraftfahrzeugen. Als Entgelt sind auch wirtschaftliche Vorteile anzusehen, die mittelbar für die Wirtschaftlichkeit einer auf diese Weise geförderten Erwerbstätigkeit erstrebt werden.“
– PBefG §1 (1)
Nun wird Koch prophetisch und postuliert, dass die Apps – wenn sie denn kundenunfreundlich seien – schon wieder von alleine verschwinden werden. Die Sorge der Taxler, die Uber-Fahrer seien unprofessionell, nennt er entsprechend „abstrus“.
Ein Schmankerl besonderer Güte ist der letzte Absatz des Kommentars, in dem Koch versichert:
„Ein paar staatliche Regulierungen werden kommen. Leute mit Alkoholproblemen beispielsweise sollten grundsätzlich nicht als Privattaxifahrer tätig sein dürfen, ebenso wenig wie Fahranfänger oder Lenker von Schrottlauben.“
Äh!? Diese Regulierungen existieren. Und sie sind genau in jenem Gesetz festgelegt, das Uber derzeit ohne ein Anzeichen von Reue ignoriert. Und an dieser Stelle sei nochmal auf die Pressemitteilung des BZP hingewiesen, in der (leicht zu finden) steht:
„Der Rechtsbruch besteht darin, dass diese Fahrten an nichtberechtigte Konkurrenten vermittelt werden. Private Fahrer haben nun mal keine Zulassung auf dem Taximarkt – und sie zahlen in der Regel keine Steuern auf diese Fahrten, sind oft nicht für die Beförderung versichert, unterziehen sich keinen regelmäßigen Gesundheitschecks und legen oftmals keine Prüfungen über ihre Ausbildung und den technischen Zustand des Autos ab. Uber vermittelt gezielt an illegale Anbieter, das ist ein Missbrauch.“
Die Taxifahrer haben heute nicht dafür demonstriert, dass man solche Regelungen einführt, sondern dass Uber diese einhält wie alle anderen auch. Aber, die frohe Botschaft zum Schluss ist laut Koch: Wir Taxifahrer werden auch weiterhin „nicht untergehen“, schließlich dürfen wir ja am Bahnhof stehen. Kannste Dir nicht ausdenken, sowas!
Richtig beeindruckend wird’s dann beim Tagesspiegel, wo Sidney Gennies die Feder schwingt. Er übergeht – wie alle anderen bisher auch – dass es eine Menge legale Konkurrenz zum Taxi gibt (Limousinendienste, Minicars aka. Mietwagen etc.), die sich längst etabliert hat. Er sieht im Taxigwerbe eine Branche, die bisher „um Marktanteile nur untereinander“ kämpfen musste. Uber hat bei ihm trotz 18-Milliarden-Dollar-Bewertung weiterhin das Prädikat „Start-Up“ und ferner ignoriert er dabei, dass das Unternehmen mit seinem Limousinendienst UberBlack seit Jahren legal und mit verblüffender Erfolglosigkeit den Taxifahrern Konkurrenz zu machen versucht. Darüber hinaus kommt er mit einer wirklich interessanten Rechnung daher:
„Die Unternehmen kassieren für die Vermittlung 20 Prozent des Fahrpreises, die Kunden zahlen deutlich weniger als für eine reguläre Fahrt. Das ist auf den ersten Blick gut für die Kunden, sogar gut für die Fahrer, die bei diesem Modell mehr verdienen dürften als die durchschnittlich 6,50 Euro pro Stunde, die man als Taxifahrer laut Deutschem Taxiverband verdient.“
Dass Uber 20% Provision kassiert und die Fahrten trotzdem billiger anbietet als Taxifahrer, ist laut Gennies gut für die Fahrer, weil die dann mehr verdienen? Mal ganz sachlich: Hä?
Wo wird dieses Geld herkommen, bzw. eingespart? Sind Hobbyfahrer betriebswirtschaftlich einfach per se besser als ein Taxiunternehmer? Scheint wohl so zu sein.
Was man Gennies zugute halten muss, ist, dass er fast alle Nachteile aufzählt, die UberPOP mit sich bringen wird. Leider vergisst er völlig, daraus irgendeinen nachvollziehbaren Schluss zu ziehen. Das seien
„gute Gründe, die Apps nicht zu benutzen. Es sind jedoch keine Gründe dafür, die Apps gesetzlich zu verbieten.“
Äh, doch. Lustigerweise genau das. Zumindest nach geltendem Recht.
Der Schluss des Artikels indes beruhigt mich. Gennies spricht uns Taxifahrern Mut zu. Das Ganze ist nämlich für uns richtig toll. Im Ernst. Wir haben dann nämlich „die Auswahl“, wo wir arbeiten wollen:
„Ob im klassischen Taxifunk oder von einer App vermittelt.“
Ach ja, ich hatte während der letzten 4 Absätze glatt vergessen, dass es eigentlich nur darum ging, dass UberPOP aus dem Internet kommt und unsere eigenen Apps wohl gar nicht existieren.
Und überhaupt, die Auswahl: Arbeite ich jetzt lieber sozialversichert mit einem Arbeitsvertrag in einem Taxi- oder Mietwagenunternehmen, das legal geführt wird oder fahre ich lieber im Privatwagen schwarz und mit sämtlichem Risiko auf meiner Seite für einen Anbieter, der mir für quasi nichts eine Menge Geld abzieht und dessen Geschäftsmodell in einem halben Jahr verboten wird. Hmmm?
Und:
„Dass sich dort ein Schattenmarkt etabliert, glaubt nur, wer auch glaubt, dass der Fiskus die Unternehmen gewähren lässt, ohne sich ein großes Stück vom Erfolg von Uber und Co. zu sichern.“
Bullshit! UberPOP IST genau das: ein Schattenmarkt. Privatleute, die ohne irgendwelche Regulierungen Geld verdienen, ohne ein Gewerbe anzumelden oder irgendwo angestellt zu sein, sind quasi die Definition eines solchen. Und genau das ist UberPOP. Wären das gemäß dem Gesetz qualifizierte Fahrer, selbständig oder in einer legalen Anstellung mit von Außenstehenden kontrollierten Fahrzeugen, dann wären sie – tada! – Mietwagen- oder Taxifahrer. Und kein Grund für eine Demonstration.
Fassen wir es kurz zusammen: es ist nicht so, dass die Journalisten sich gegen uns Taxifahrer verschworen haben oder sich auf die Seite von UberPOP stellen. Sie haben offenbar einfach noch nicht kapiert, worüber sie da eigentlich berichten.
Nachtrag 1: Die Tagesschau hat das Problem auch erkannt:
„Berliner Taxifahrer haben gegen neue Konkurrenz aus dem Internet demonstriert.“
Im Ernst: Das Video ist in Ordnung soweit. 😉
Nachtrag 2: Falls sich wer für den Grund des Ärgers interessiert und oben den Link nicht geklickt hat: Hier nochmal mein Artikel zur Frage, warum wir kein „Taxi-Kartell“ sind und gewisse Regelungen trotzdem Sinn ergeben.
Nachtrag 3: Sehr übersichtlich die rechtliche Lage erläuternd, beschreibt hier bei LTO Dr. Adolf Rebler die Situation.
(via Johannes in den Kommentaren)