Die Millionäre unter uns

Manchmal verstehe ich die Kollegen nicht so recht. Gut, das trifft auf Kollegen wie Nicht-Kollegen zu. Jeder Mensch hat so seine Eigenheiten und im Großen und Ganzen macht das unsere Welt ja erst interessant. Aber wie bei allen schönen Medaillen gibt es ja auch hier viele Kehrseiten. Eine Menge Leute sind einfach blöd und / oder nervig. Ich zähle sicher für einige auch dazu, damit muss man also offenbar leben. Was ich jetzt am frühen Morgen, bzw. für mich späten Abend, unbedingt mal anschneiden wollte, das sind die Millionäre unter uns. Besser gesagt: Die angeblichen Millionäre.

Holen wir etwas aus:
Ich schreib hier relativ offen über alles mögliche, auch über meine Umsätze. Mal sind sie scheiße genug, dass ich sie erwähnen muss, um Mitleid zu bekommen, mal möchte ich, dass sich die Welt mit mir freut, und manchmal dient es auch tatsächlich einer näheren Erläuterung. Außerdem kommt die Hälfte aller Google-User irgendwann bei mir im Blog vorbeigeschneit und erwartet eine Antwort auf die Frage, was Taxifahrer so verdienen. Ich hab da keine großen Hemmungen, ich weiss ja, welche Ämter ich um was bescheisse 😉
Nein, ich finde, dass der erzielte Umsatz natürlich ein markanter Punkt in dem Gewerbe ist. Als Taxifahrer treffe ich zig Entscheidungen täglich des Umsatzes wegen, also berichte ich auch hier und da über selbigen. Das tue ich wie hier auch gelegentlich auf der Straße. Mit ein paar Kollegen meines Vertrauens erörtere ich durchaus gelegentlich den eigenen Kassenbestand. Macht ja irgendwo auch Spaß.

Und natürlich haben eigentlich nie auch nur zwei Kollegen den selben Umsatz gemacht. Meist ist man noch nicht einmal zur selben Zeit gestartet und im Grunde ist jegliches Gerede darüber völlig belanglos und dient oberflächlichster Unterhaltung oder als guter Einstieg zum darüber reden, ob der Tag nun gut oder schlecht läuft.

Und ja, es kommt schon manchmal vor, dass man natürlich just in der schlechtesten Nacht des Monats einen Kollegen trifft, der gerade die Hammer-Tour hatte, einen Rekord-Umsatz und vom Trinkgeld will er ja gar nicht erst anfangen, um niemanden zu deprimieren. Das mag beim ein oder anderen auf Unverständnis stoßen, ich finde es in einem engen Kollegenkreis als kleine Stichelei völlig normal, und schließlich darf ja jeder mal austeilen oder muss einstecken.

Wenn da nicht die Millionäre wären. Die Kollegen, die einfach immer einen höheren Umsatz haben. Besser: die, bei denen man weiss, dass sie immer einen höheren Umsatz angeben, als sie tatsächlich haben. Nun bin ich ja wirklich kein allzu rekordversessenes Arbeitstier, ich habe also durchaus öfter Kollegen, die höhere Umsätze haben als ich. Das ist völlig ok, und ich gönne ihnen das auch. Aber dann gibt es eben auch die anderen.

„Und, wat hatteste Donnerstag?“
„350. Ich weiss nicht, ist das gut?“

Oder:

„Wie lief es bisher? Ich bin schon bei 120.“
„Oh, ich hab sogar 130. Ha, bin ich tatsächlich mal schneller als du…“
„Ach ich seh grad, ich hab doch schon 135!“

Und heute hatte ich wieder mal einen Kollegen, den ich noch gar nicht kannte. Der kam an und fragte, wie es läuft. Ich hab gesagt, dass es nicht so überragend wäre, aber ich wäre auch erst spät los. Dann meint er:

„Naja, bei mir isses gar nicht soo schlecht gelaufen. Ich hab um 21 Uhr angefangen, hab aber noch Pause bei nem Kumpel gemacht. Bin jetzt bei 180 €.“

Da hatten wir es kurz vor 2 Uhr. Also gut, ich kannte ihn nicht. Vielleicht fährt er ja wirklich jeden Tag 200 € ein, aber Montag Nacht in viereinhalb Stunden mal eben 180 aus dem Ärmel zu schütteln, 45 € pro Stunde… das klingt schon nach einer armseeligen Überspielung von schlechtem Umsatz. Oder es lässt schlimmstes befürchten, was die Wahl der Strecken oder die Einstellungen des Taxameters angeht…

Natürlich, es KANN sein. Ich will auch niemandem Unrecht tun mit diesem Artikel. Aber ich finde es erbärmlich, wenn man sich so sehr in Konkurrenz zu den Kollegen wähnt, dass man nicht mal zugeben will, dass sie mal mehr Glück hatten. Glück, liebe Kollegen! Das ist in der Regel Glück! Damit beweist man sich gar nix! Mir zumindest nicht. Ja, ich sag auch mal, „ich hab 90“, wenn ich weiss, dass ich 88,70 € und einen verlorenen Pfennig in der Kasse hab, aber doch nicht zum Rumprollen oder Kollegen lächerlich machen 🙁

Ich verstehe die Leute einfach nicht. Da labern sie an jedem Stand einen anderen Kollegen voll und alle lachen sie bloß über „Millionen-Kurt“ und darüber, was für widersprüchliche Angaben er so über die Nacht hinweg gemacht hat. Es arbeiten zweifelsohne eine Menge Volltöffel in dem Job, aber dass sich einer damit beliebt gemacht hat, hätte ich bisher noch nicht mitbekommen…

Nicht so lange gewartet…

Ja, das hab ich wohl nicht. Der Kollege vor mir war zwar nicht unfreundlich zu den Kunden, aber er hat sie nach hinten geschickt, was ich nicht machen würde. Und auch nicht gemacht habe, als die Kunden danach mich fragten. OK, man kann jetzt nicht sagen, dass man nach einer halben Stunde am Matrix von der Frage nach dem Fahrtziel „Watergate“ sonderlich begeistert ist. Aber mein Gott, wenn sie es wollen!

Ich verstehe zwar nicht wirklich, wieso man, wenn man noch tanzen gehen will, 400 Meter Fußweg für unüberwindbar hält, aber jeder hat so seine Macken. Ich hab den Kunden nur sagen können, dass die Strecke kaum der Rede wert ist, und sie sich überlegen sollten, ob ihnen das knapp über 4 € wert ist. Auf den Kilometerpreis runtergebrochen sind die kurzen Touren ja dank Einstiegspreis definitiv die teuersten. Und mir persönlich wären 400 Meter ohne Gepäck und Behinderung niemals 4 € wert. Aber sie wollten. Gut. Dann kamen noch zwei Kumpels, die mussten auch noch mit. Damit erhöhte sich der Preis dank Großraumaufschlag gleich nochmal um 1,50 €.

Damit waren wir am Ziel bei 5,70 €. Die haben sie zunächst mit 6 € beglichen, dann aber noch einen Zweier draufgelegt. Dass ich auf dem schwierigen Rückweg zum Matrix dann noch zwei Winker hatte, mit denen sich meine Einnahmen binnen einer halben Stunde auf über 27 € aufsummierten, werte ich mal als glückliche Fügung.

Mensch, was hätte ich wohl für eine tolle Tour bekommen, wenn ich wie der Kollege noch 3 Minuten länger gewartet hätte! 😉

Hart an der Grenze…

Mein Taxi ist ja nicht gerade die Perfektion. Wir sollten im Innern öfter Staubwischen als wir es tun, dank eines verbogenen Teils ist das Spaltmaß zwischen Motorhaube und Stoßstange ungewöhnlich groß und manche meinen ja, dank nicht vorhandenem Kartenleser hätte man so oder so keine Berechtigung, dieses Auto als Taxi zu unterhalten. Die ganz krassen behaupten das schon des Fabrikats wegen.

Der ein oder andere Mercedes-Fetischist wird mein Auto also nicht sonderlich mögen. Gestern hab ich allerdings eine Kiste gesehen, da hat es mich umgehauen. Wirklich. Na gut, nicht wörtlich.

An der Tanke hielt ein Kollege mir gegenüber und saß im Auto. Ich hab mir gar keinen Kopf darüber gemacht, mir ist nur aufgefallen, dass es noch ein W124 (T-Modell) war, also eine recht betagte Kiste. Das ist nicht wirklich dramatisch, gibt ja eine Menge alte Daimler, die ein paar hunderttausend Kilometer wesentlich besser wegstecken als mein Opel. Eigentlich ist mir mehr der Fahrer aufgefallen, der mich ein wenig missmutig ansah. Warum auch immer.

Ich hab im Vorbeigehen realisiert, dass die Kiste reichlich ungewaschen ist, aber je nachdem, welches Schlammloch man als letztes passiert hat, kann ja auch das vorkommen.

Ich hab mir die Kiste aber nicht genauer angesehen. Altes Auto, mein Gott.

Als ich dann allerdings wieder rauskam, hab ich gleich zwei Sachen gesehen: Zum einen ist eine Kundin eingestiegen (die zeitgleich mit mir im Shop an der Tanke war) und zum andern hab ich festgestellt, dass das Taxi keine Heckscheibe mehr hatte. Gut, formschön mit zerknitterter Folie abgeklebt war es zwar, aber vom Eindruck her macht das nun wirklich nichts mehr wett. Über den Geräuschpegel im Auto kann ich nur mutmaßen. Meine Kamera lag leider im Auto, er war zu schnell wieder weg.

Also da verstehe ich es echt nicht mehr. Mir ist schon klar, dass wir alle unser Geld verdienen müssen. Und ich bin mit der verbeulten Motorhaube auch drei Tage auf Tour gewesen. Aber wenn eine Scheibe kaputt ist, dann lässt man das doch richten, bevor man sich mit dem Auto wieder unter Kunden traut. Ich persönlich hätte meine Grenze da jedenfalls gezogen. Und die „Wollte eigentlich zur Werkstatt“-Ausrede ist nachts um 3 Uhr auch nicht sonderlich plausibel…

N‘ Zehner für’n Umweg…

Nee, das wusste ich vorher schon.

Die Frau mittleren Alters erwischte mich am Ostbahnhof noch hinter der letzten offiziellen Rücke. Schwer bepackt mit Kleidung bat sie mich, sie doch bitte mitzunehmen, auch wenn ich so weit hinten stünde. Klar.

„Ich muss nur bis zum Mariannenplatz… aber ich zahl auch 10 €!“

„Vielen Dank, aber selbstverständlich müssen sie das nicht!“

„Ich weiss, aber ich mach das auch gerne. Und wenn es doch nur so eine kurze Strecke ist.“

Ein Gesprächsthema hatten wir also auch schon 🙂
Ich kann schon jetzt nicht mehr mitzählen, wie oft ich Kunden versichert habe, dass ich mit kurzen Fahrten kein Problem habe – auch wenn es natürlich nicht so lukrativ ist wie eine lange. Sie erzählte freudestrahlend, dass sie das immer mit einem guten Trinkgeld ausgleichen würde, wenn sie schon so faul sei. Sie hätte ja auch selbst mit dem Auto fahren können und und und… nur einmal hätte der Fahrer das nicht angenommen.

Und auch wenn ich inzwischen sicher bin, dass unsere Branche wie auch die komplette Menschheit ausschließlich aus komischen Käuzen besteht, so war mir das dann auch neu.

„Der wollte ganz strikt nur das haben, was auf dem Taxameter steht. Der hatte wohl seine Prinzipien.“

Und während ich darüber nachdachte, wie man Taxifahren auch noch ohne die Annahme von Trinkgeld bewerkstelligt, hab ich natürlich prompt vergessen, abzubiegen. Na gut, geht der Umweg eben von meinem Trinkgeld ab 🙂

Die Frau vermutete noch, dass der Kollege ihr deshalb nicht so viel Trinkgeld abnehmen wollte, weil sie schon so alt sei, aber sie sei noch topfit. Wie zum Beweis hat sie mir meinen Umweg auch gleich vorgehalten. Nicht im Bösen glücklicherweise, und so haben wir eben den längeren von 2 möglichen Umwegen genommen. 4 € für mich sind am Ende immer noch übrig geblieben…

Best Fail / Western Win

Zwei betrunkene Mädels aus dem Matrix. Zum Best Western Hotel am Spittelmarkt wollten sie. Und was macht Sash? Gurkt einfach mal drauf los und hat im Kopf das Novotel dort direkt ums Eck. Als ich gerade ranfahren wollte, fiel mir plötzlich ein, was sie gesagt hatten:

„Äh sorry? Did you say Best Western?“

Klar, natürlich hatte ich mich nicht verhört, sondern verfahren. Argh! Wo war das verdammte Hotel jetzt? Ach ja, Neue Grün… natürlich ein ziemlicher Umweg, den ich da jetzt fabrizieren müsste. Bin schließlich ressourcenschonend auf der grünen Welle am Ostbahnhof vorbeigeritten und nicht gleich mal hinten über die Köpenicker.

Hat mich geärgert. Also hab ich mich entschuldigt, das Taxameter bei 10,40 € ausgemacht, gesagt, dass wir bei 10 € sind und gehofft, dass ich mein Trinkgeld damit nicht überstrapaziere. Die beiden waren kein bisschen sauer und haben am Ende mit 12 € bezahlt. Puh, danke werte Kundschaft! 🙂

Wie so Wochentage mit zwei drei Matrixtouren sind, hatte ich später noch eine weitere Tour zum selben Hotel. Diesmal war ich ja schlauer. Ein Kollege hat den Rest der verbleibenden Feierwütigen mitgenommen und so kam es dann dazu, dass wir an der Oberbaumbrücke getrennte Wege fuhren. Ich über die Brücke zur Köpenicker, er geradeaus, einen anderen Weg nehmend.

Umgehend meldete sich meine Kundschaft und fragte, weswegen wir nun abbiegen und die anderen nicht.

„Compare the prices…“

habe ich ihnen gesagt, und damit war Ruhe im Karton. Wir sind tatsächlich kurz nach der anderen Taxe angekommen und meine Kundschaft ist gleich aus dem Wagen gesprungen und hat die andere Gruppe gefragt, was die Fahrt gekostet hat. Ich lag mit 9,40 € noch unter dem, was ich eigentlich erwartet hatte.

Dann plötzlich spontaner Jubel auf der Straße, nachts um drei Uhr. Freudestrahlende Grimasse eines jungen Mädchens mit erhobenem Daumen und der Bestätigung:

„You won!!!“

Man kann ja wenigstens versuchen, seine Fehler auszubügeln.

Was mich danach am meisten beschäftigt hat, war der Gedanke, dass sie sich mit meinen ersten Fahrgästen unterhalten und am Ende würden die nie darauf kommen, dass das der gleiche Fahrer war 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Das kratzt am Selbstbewusstsein

Die Kunden haben die freie Fahrzeugwahl. Das ist eine in meinen Augen sinnvolle Regelung in der Taxiordnung, die für eine gewisse Kundenfreundlichkeit garantiert. Schließlich kann man so spätestens nachdem sich der gewünschte Fahrer als Depp geoutet hat, ein anderes Taxi nehmen. Oder man kann sich für sein sauer verdientes Geld den Luxus einer Fahrt im Mercedes statt im Dacia gönnen, bzw. auch mal würdigen, wenn Fahrer ihr Auto gut in Schuss halten.

Gut, es gibt aus unserer Sicht auch Nachteile. Klar. Kunden wählen das Auto oft aus Unwissenheit oder vermeintlichem Wissen nach kuriosen Maßstäben. Und natürlich ist es nicht schön, wenn man wegen eines hässlichen Pickels auf der Stirn als erster in der Reihe ständig übergangen wird.

Aber im Großen und Ganzen ermutigt es uns Fahrer, den Kunden was zu bieten. Ob das nun ein ordentliches Auto, ein gepflegtes Erscheinungsbild unser selbst oder das Präparieren für bestimmte Klientel bedeutet: Unser Ding!

Neulich hatte ich allerdings den wirklich fiesen Fall, dass ich in einer schlechten Nacht mehrfach übergangen wurde. Das passiert öfter, aber so auffällig war es noch nie.

Ich bin gerade nach zwei Stunden erfolglosen Wartens vom Ostbahnhof weggefahren. Keine Züge mehr, zu viele Kollegen da und sowieso nichts los. Bitter. Nach ein paar Minuten Herumgurken vor diversen Kneipen habe ich mich ans Matrix gestellt. Vor mir 2 Mercedes. Nach ein paar Minuten fährt ein Kollege aus unserem Betrieb – auch mit einem Mercedes – hinter mir ran. Kurz darauf löst sich aus dem Club eine „große“ Traube Menschen und ich freue mich, da ich das einzige Großraumtaxi bin, und man damit durchaus recht gute Chancen vor dem Matrix hat, als erster wegzukommen. Pustekuchen!

Alle 3 Daimler sind besetzt weggefahren und ich stand weiter da. Aber gut, alles nicht so wild. Dass aber mein Kollege nach einer Viertelstunde wieder hinter mir landete, und das nächste Mal wieder vor mir weg war, DAS hat echt wehgetan 😉

Vielleicht liegt es ja doch am Dachschild…