Ehrlich bleiben

Am Monatsanfang bei Cheffe

„Hey Christian, ich hatte da auch diesen Monat noch irgendwo 4 € Fehlfahrt*. Hab mir leider nicht notiert, wann das genau war. Im Notfall lass es drin, ist ja nicht die Welt!“

„Nee nee Du, streich ich dir raus. Wollen ja ehrlich bleiben hier!“

Einer der Gründe, weswegen ich gerne in der Firma arbeite …

*Fehlfahrt: Eine im Taxameter zwar gebuchte, aber nicht zu Einnahmen geführt habende Fahrt. In diesem speziellen Fall ging es um den/die freilaufendenen Deppen, wo ich die Tour für meinen Fahrgast gestoppt habe, dann aber dank zurücksetzen versehentlich den ganzen Betrag auf der Uhr genullt habe. Gewissermaßen Alltag – aber eben auch eine Portion Vertrauensvorschuss meiner Chefs.

Taxifahrer und Geld …

Es ist traurig. Verdammt traurig.

Wir Taxifahrer verdienen – und zwar durch die Bank – alle zu wenig Geld. Das ist so und da gibt es nichts dran zu rütteln. Ich selbst hab zwar einen ganz passablen Stundenlohn, aber den erkaufe ich mir dadurch, dass ich zu den unlukrativen Zeiten gar nicht fahre. Sprich: Ich arbeite weniger als die meisten Kollegen und verdiene damit auch weniger. Das ist die Crux umsatzbasierter Bezahlung bei wechselhafter Auftragslage: Arbeite ich viel, hab ich am Ende ein mittelmäßiges Gehalt und einen schlechten Stundenlohn – arbeite ich wenig, ist der Stundenlohn zwar akzeptabel, das Gesamtergebnis dafür schlecht. Ist ja nicht so, dass ich grundlos auf meine Amazon-Wunschliste verlinke oder hier Werbung geschaltet habe. 😉

Und dass das Wörtchen „gut“ nicht aufgetaucht ist, ist kein Zufall: Wir reden hier immer von Beträgen, die pro Stunde einstellig bleiben. Dass ich das so locker sehe, liegt im Wesentlichen an meinem Fatalismus und der Tatsache, dass ich durchs Schreiben inzwischen ein paar Euro zusätzlich verdiene. Und beides ist nicht unbedingt eine Option für alle anderen Kollegen.

Einer jedoch hat mich letzte Woche ehrlich geschockt, bzw. betroffen gemacht. Er stand vor mir am Ostbahnhof und beschwerte sich über Probleme beim Funk. Es ging darum, dass eine Hammertour von über 50 € an einen Kollegen über den offenen Kanal abgegeben wurde, der 10 Minuten Anfahrtszeit verkündete. Das Problem dabei: Mehrere tausend Taxifahrer haben die Daten für diese (wirklich über alle Maßen lukrative) Tour mitgehört und bei der langen Anfahrtszeit ist einfach davon auszugehen, dass sich irgendein „Kollege“ mit fragwürdigem Verhalten zwar nicht meldet, die Tour dennoch nach Möglichkeit abgreift, wenn er in der Nähe ist, weswegen es – aus Sicht der Fahrer – tatsächlich ein Unding ist, bei so einer Fahrt gleich die Hausnummer und die Zieladresse mitzubenennen.

Es ging im Übrigen um den Funk, den ich auch nutzen könnte …

Besagter Kollege regte sich jedenfalls darüber auf und meinte immer wieder, er würde gerne zur anderen Zentrale wechseln. Dummerweise erlaubte ihm sein Chef das nicht, bzw. er sagte, das könne er gerne machen, aber aus eigener Tasche bezahlen. Also die Gebühren für den Funk, soweit ich weiß derzeit rund 150 € pro Monat. Diesen reichlich obszönen Vorschlag haben wir Kollegen natürlich entsprechend scharf beantwortet. Denn das ist ein Unding! Durch die umsatzbasierte Bezahlung tragen wir Fahrer im Taxigewerbe ohnehin einen erheblichen Teil des unternehmerischen Risikos, wenngleich wir nur angestellt sind. Der Vorteil, angestellt und nicht selbständig zu sein, ist im Taxigewerbe recht eng beschränkt auf das, was der Chef bietet.
Im Gegensatz zu Selbständigen treten wir rund die Hälfte der Einnahmen ab, im Gegenzug haben wir bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das Auto wird uns gestellt, und und und.

Und diese Rechnung ist für beide Parteien mitunter eng. Die Hälfte des Umsatzes ist auf der Fahrerseite meist zu wenig zum Leben, auf der Seite des Chefs bleibt am Ende aber auch nur genug übrig, wenn alles passt – sprich: Wenige Fahrer krank sind, der Umsatz stimmt, etc. Dass es aber zweifelsohne ins Aufgabengebiet der Chefs fällt, dem Fahrer eine vernünftige Arbeit zu ermöglichen, das steht außer Frage, denn das ist für uns erst mal die Hauptaufgabe eines Chefs.

Besagter Kollege allerdings jammerte in einem fort: Den gewünschten Funk bekäme er nicht, das  Auto sei Schrott … und er erwähnte einige bemerkenswerte Mängel an seinem Fahrzeug. Dieses war zwar ein schicker Mercedes, aber so Kleinigkeiten wie eine defekte Klimaanlage, nicht funktionierende Fensterheber etc. würden einfach nicht behoben. Aus Prinzip. Dafür wäre kein Geld da.

Wir waren nun 3 Kollegen aus 3 unterschiedlichen Betrieben und wir alle haben einstimmig gesagt:

„Ey, scheiß auf die Firma! Wechsel zu jemand anders!“

Und was meint der Kollege:

„Würd ick ja, aber die zahlen 50%, das zahlt ja sonst keiner mehr heute! Ansonsten halten die nur die Hand auf, bis auf das Geld hält mich da nix!“

Zugegeben: Das ist eine Hausnummer! Ich selbst bekomme bei meinen Chefs 45% und war bislang überzeugt davon, dass das einer der höchsten Sätze überhaupt in Berlin ist – also zumindes legal und sozialversicherungspflichtig (was ja auch nicht alle so ganz einhalten…). Es gibt Kollegen, die arbeiten für 33% des Umsatzes, so rund um 40-42% liegt wohl der Mittelwert.

Mehr als 10% mehr Lohn sind natürlich eine heftige Sache – aber mal ehrlich: Ist es das wert?

Ist es das wert, dass einen der eigene Chef – der sich letztlich über unsere Arbeit finanziert – nicht mal ernst nimmt? Nicht mal nach Lösungen sucht und Überlegungen anstellt?

Auch wenn ich durch meine Nebenverdienste ein bisschen priviligiert bin, möchte ich doch ausrufen:

„Scheiße nein!“

So sehr Taxifahren auch Spaß macht: es ist Arbeit, Lohnarbeit! Und wenn wir nicht daran kaputt gehen wollen, dann ist es wichtig, dass das wenigstens eine soziale Komponente hat, dass wir trotz beschissenem Lohn nicht nur davon, sondern auch damit leben können! Wenn ich glaube, mit einem anderen Funk mehr zu verdienen, dann möchte ich das mit meinem Chef besprechen können! Wenn es Probleme mit diesem oder jenem gibt, will ich, dass der Chef das angeht und wenn das Auto kaputt ist, dann muss mein Chef das verdammt nochmal reparieren lassen! Natürlich muss es mal Kompromisse geben. Natürlich muss jeder Taxifahrer damit leben, dass mal was unvorhergesehenes kaputt ist und vielleicht auch mal eine Schicht deswegen ausfällt. So ist das Leben und die Chefs sind natürlich auch keine Götter, die mal eben unmenschliches vollbringen können.

Aber verdammt nochmal, gerade das Taxigewerbe ist ein Bereich, in dem man als Angestellter erstaunlich viele Freiheiten hat. Bzw. haben kann. Manchmal ist das ein schwacher Trost für die mickrigen Einnahmen, das ist wahr. Aber wie ätzend muss dieser Beruf sein, wenn man sich nicht einmal auf den Termin bei Cheffe freut? Was würden mir 10% mehr Lohn dabei helfen?

Für 150 € im Monat sollte man nicht darauf verzichten, mit Cheffe auf Augenhöhe reden zu können!

Dieser Kollege hat mir wieder mal klargemacht, dass es nicht überall so ist wie bei uns im Taxihaus und wie froh ich sein kann, meine Chefs trotz natürlich überwiegend geschäftlicher Beziehung als Freunde und Ansprechpartner zu betrachten. Ich jedenfalls möchte mit dem Kollegen nicht tauschen. Und ich würd’s auch nicht für 55% tun! Traurig, dass es mehr als genug Leute gibt, bei denen es eng genug ist, dass sie da keine Wahl sehen.

Tage wie dieser …

Freitag der dreizehnte … blödes Geschwätz mit dem Unglückstag! Es geht einem auf Dauer auch auf die Nerven. Das Zauberwort für alle tatsächlichen Unglücksfälle an dem Tag ist „confirmation bias„, soll ja auch lehrreich sein hier.

Aber gestern war dennoch nicht so recht mein Tag, wenn man ehrlich ist.

Angefangen hat alles damit, dass ich bester Laune und geradezu übermotiviert für die Arbeit war. Das hätte mir verdächtig vorkommen können. Gut zwei Stunden vor Arbeitsbeginn meldete sich dann mein Chef und teilte mir mit, dass mein Tagfahrer mit der guten alten 1925 in der Werkstatt wäre. Ich solle ihn mal anrufen.
Ich tat wie mir geheißen und erfuhr, dass der Anlasser streikt. Dauernd. Ein Ersatzteil jedoch sei bestellt, wäre in einer Stunde da und der Mechaniker würde dann Überstunden machen, um dat Dingens in den Wagen zu dengeln. Super!

Das nächste Gespräch folgte dann um 19.30 Uhr, da wäre ich eigentlich schon unterwegs gewesen. Da ereilte mich dann die schreckliche Nachricht, dass das Ersatzteil wohl völlig gruseligerweise auch defekt war.  Ergo: Autochen bleibt über Nacht in Schöneberg.

Dann hab ich ein Weilchen gebraucht, um Cheffe zu erreichen. Sie hätten ein Auto für mich gehabt, nicht nur eines sogar. Das muss ich mal positiv anmerken. Alleine der Weg zu jedem einzelnen – und noch viel schlimmer: morgens nach getaner Arbeit zurück! – wäre auf ein bis anderthalb Stunden hinausgelaufen. Also vor allem mit Schlüsselabgabe und all dem Kram. In solchen Momenten merkt man dann, wie groß Berlin und wie klein die Lust zu arbeiten ist. 🙁

Also hab ich es aufgeschoben. Arbeite ich halt einen anderen Tag. Ein Ersatz ist das nicht wirklich, die Freitagsschicht ersetzt sich nicht so leicht. Aber was soll man machen? Die Krönung bot dann die Bastelaktion am PC meiner besseren Hälfte. Dort stellte sich nämlich der Prozessorlüfter als zu groß fürs Gehäuse heraus. Und nicht, dass aufgeschobenes Aufrüsten nicht schon schlimm genug wäre: Beim Zusammensetzen in den Ursprungszustand hat er sich auch noch gewehrt. Also bisher hat es noch kein PC gewagt, uns zwei Stunden zu widersprechen …

Und so war ich jetzt nicht arbeiten und der Tag ist trotzdem halb hinüber – und nix hat sich irgendwie wirklich geändert. Doof das, irgendwie.

Was im Weg …

Es war ein eher pflichtbewusster Anruf meines Tagfahrers. Er wolle mir mitteilen, dass er wegen der Delle diese Woche mal zu unserem Schrauber fährt. Delle? Welche Delle?

Es ist mir schon öfter so gegangen, dass ich Kratzer am Auto nicht gleich wahrgenommen hab. Bei allen guten Vorsätzen läuft man dann vor Schichtbeginn eben doch nicht einmal komplett ums Taxi und begutachtet allerlei kleine Kratzerchen. Aber unsere 1925 hatte in den dreieinhalb Jahren jetzt ja durchaus auch immer mal wieder größeres zu bieten.

Nun jedenfalls entschuldigte sich mein Kollege, dass er mir nicht gestern schon Bescheid gesagt hätte …

OK, das heißt also, ich habe eine komplette Schicht lang eine Delle übersehen. Wo denn? Kofferraum! Aha. Ein wenig später hab ich diese Delle dann auch gefunden und extra für GNIT fotografisch festgehalten:

Boing. Quelle: Sash

Aha. Ich will ehrlich sein: Es hat mich mehrere Aufnahmen gekostet, bis man dank der Verzerrungen der Umgebungsspiegelung überhaupt auf einem der Fotos wahrnimmt, dass da eine Schramme ist. Schön ist sowas zweifelsohne nie, aber wenn man mich fragt, darf ein Auto mit einer drittel Million Kilometer auch mal das ein oder andere Andenken behalten, so lange es nicht allzu negativ auffällt oder sonstwie stört oder gefährlich ist. Ach so, was ist jetzt eigentlich passiert?

Mein Tagfahrer versuchte es mit Pragmatik:

„Naja, war mal wieder wat im Weg …“

Womit das auch geklärt wäre 😉

 

Nicht durchdacht

oder warum ich nun mein Auto irgendwo anders wasche

Ich verliere gerne ein paar nette Worte über meine Stammtanke am Ostbahnhof. Das tue ich insbesondere des Personals wegen, zumindest in der Nachtschicht hab ich das Gefühl, dort als Taxifahrer ein gern gesehener Gast zu sein. Eine Wahl hatte ich lange Zeit kaum, denn die 24h-Erdgastanken sind in Berlin nicht an jeder Straßenecke zu finden. Im innerstädtischen Bereich gab es lange Zeit gar keine und ich hab immer dort getankt, wenn ich nicht zufällig mal in Schönefeld oder am Blockdammweg vorbeigekommen bin. Zugegeben: Ein paar Cent mehr kostet das Kilo Gas dort, aber da ich nach einer Schicht selten auch nur auf 10 Kilo komme, sind auch recht kurze Umwege schnell unrentabel. Wenn Erdgas dort 5 Cent mehr kostet, gebe ich insgesamt 0,50 € aus – ein Betrag, der etwa deckungsgleich ist mit den Gaskosten für 10 km zum Blockdammweg (hin und zurück). Vom Verschleiß und vom Zeitaufwand mal ganz zu schweigen. Ich kann also auch meinen Chefs gegenüber sehr gut begründen, warum dort recht oft tanke.

Aber ich wollte eigentlich übers Waschen schreiben.

Es ist angenehm, das Tanken und Waschen miteinander zu kombinieren. Kurz vor Feierabend noch kurz einmal 20 Minuten Zeit am Stück investieren, um das Auto in ordentlichem Zustand zurückzubringen, ist wesentlich angenehmer als dafür zwei Adressen anfahren zu müssen. Die Waschanlage an „meiner“ Tanke wurde allerdings vor etlichen Monaten abgerissen um Platz für eine neue zu machen. So weit, so gut. Und seit kurzem: Tada!

Blick von der Zapfsäule zum Reinheitspark, Quelle: Sash

Sieht ja alles recht nett aus. Im Gegensatz zu früher ergibt sich allerdings ein kleines Problem: Die Waschanlage ist (zumindest war sie das kürzlich) nachts geschlossen. Viel nerviger aber ist: Die Kärcher zum selbst reinigen sind nur noch mit Münzen zu bezahlen. Das konnte man früher auch schon, aber alternativ dazu wurden auch an der Kasse erhältliche Jetons angeboten. Diese entfallen jetzt. Das Problem sollte offensichtlich sein: Ohne irgendeine Form von Beleg kann ich die Kosten nicht an  meine Chefs weitergeben.

Die ermahnen uns zwar ständig, kein privates Geld ins Auto zu investieren, da das ihre Aufgabe sei, aber natürlich wollen sie die Ausgaben auch absetzen können und bei aller vertrauensvollen Atmosphäre bei uns im Büro erwarte ich trotzdem, einen Vogel gezeigt zu bekommen, wenn ich einfach reinspaziere und frag, ob sie mir mal eben einen Zehner geben könnten, weil ich öfter mal das Waschen privat gezahlt habe. Im Winter mal kurz für 50 Cent den groben Dreck wegspritzen mache ich natürlich auch mal so, wenn mir das Geld kein Schlangestehen an der Kasse wert ist, aber eine gründlichere Reinigung muss ja nun wirklich nicht zu meinen Lasten gehen.

Aber aus o.g. Gründen werde ich dafür jetzt wohl woanders aufschlagen müssen. Schade eigentlich.

Und sonderlich clever von der Tankstelle vielleicht auch nicht. Schließlich gibt es ein paar Taxifahrer, die prinzipiell die gleichen Probleme haben …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

…und das gibt es wirklich!

Es gibt Geschichten, die zu schön sind für das wahre Leben. Insbesondere für das Leben von Taxifahrern. Manchmal allerdings scheinen sie dann doch zu stimmen…

Bei solchen Meldungen bin ich immer sehr skeptisch, aber es ist wohl wahr: Es gibt Menschen, die freiwillig Taxi fahren. Also RICHTIG freiwillig! Die Geschichte spielt in meiner Firma und ist deswegen auch drüben im Firmenblog vom Taxihaus-Berlin erschienen. Trotz des leichten auflodernden Neidgefühls möchte ich klarstellen, dass ich es irgendwie doch auch wie der Kollege halten würde – schon wegen GNIT 😉

Aber lest selbst: Freiwillig Taxifahren?