Reich werden mit Otto

Ob er Otto hieß, weiß ich gar nicht. Aber irgendwie fällt mir der Name so ein, wenn ich an ihn denke. Ein ziemlich stressiger Zeitgenosse, aber sowas kommt halt vor. Er war genervt, weil es Probleme mit seinem Bus gab und er deswegen letztlich im Taxi gelandet war, was ich verstehen kann. Warum er mir gegenüber damit angeben musste, wie er dem Busfahrer mit der Entlassung gedroht hat, verstand ich eher weniger.

Überhaupt schien „glücklich“ jetzt nicht so ganz das Wort der Wahl für seinen Gemütszustand zu sein, aber will ich’s ihm verdenken? Durch all die Verspätung hatte er nun „Entziehung, kennste?“ und brauchte dringend ein Bier. Ich bin dankbar, nicht mit ihm tauschen zu müssen.

Aber dass er ein stressiger Zeitgenosse war, stimmte halt auch. Er lotste mich verkehrtrum durch eine Einbahnstraße in eine Gartensiedlung, freute sich diebisch über den dadurch gesparten Euro und kam immer wieder auf den Busfahrer zurück, den er in einem weg beleidigte, wobei mir bis zuletzt echt nicht klar war, was ausgerechnet der Busfahrer falsch gemacht haben soll.

Irgendwann waren wir dann angekommen, dank des nicht ganz legalen Weges recht günstig. 10,70€.

Otto schwang seinen Geldbeutel aus der Hosentasche, wobei eine Münze hinausflog. Irgendwas kleines. Er tönte dann groß:

„Ha, was immer rausfällt, is für Dich! Mein Rücken is im Arsch, ich bück mich da nicht wegen so ’ne 20 Cent!“

Mit der Aussage steht er nun wirklich nicht alleine da, das sagen viele und die meisten meinen das sogar recht nett, obwohl man sich durchaus mal Gedanken machen kann, wie das rüberkommt.

Otto merkte gar nix mehr. Der beschränkte sein Trinkgeld lauthals auf die 30 Cent, die bis zum nächsten vollen Euro reichten und verkündete in einem fort, dass er ja stattdessen locker ein bis zwei, also mindestens zwei Euro hier ins Auto hat fallen lassen … und dann hat er natürlich mit gespielter Sorgfalt seine Börse geschlossen, um nicht noch mehr zu verlieren.

„Am Ende wirste noch reich durch mir hier, wa?“

Was am Ende im Auto lag:

„Mindestens zwei Euro!“ Quelle: Sash


 

Nur fair

Ich hab vor Jahren mal geschrieben, dass ich mir bei Festpreisverhandlern die Strategie „Platte mit Sprung“ angewöhnt habe. Einfach nein sagen, im Zweifelsfall dreißigmal hintereinander. Die dadurch verlorenen Fahrten kann ich an einer Hand abzählen, der Gewinn muss um Größenordnungen höher liegen, wenn man bedenkt, mit was für Fantasiebeträgen einige der Leute starten.

Ein gutes Beispiel heute Nacht waren zwei Leute, die mir am Bahnhof Marzahn eingestiegen sind.

„Sag mal, was kostet’s denn etwa zur Buschallee, Ecke Hansa?“

„Uff, bin mir nicht ganz sicher. 15 € etwa?“

„Zehn und wir haben einen Deal.“

„Dann nö.“

„Also 12.“

„Nö.“

„OK, dann halt 15.“

Glücklicherweise war er nur halb so beleidigt, wie sich das liest und als wir am Ende stoppten, erwies er sich zwar nicht als größter Trinkgeldgeber, aber als fairer „Verlierer“:

„So, dann sind wir bei 14,50 €.“

„Nee nee, 15 war der Deal! Fang jetzt nicht wieder mit rumhandeln an!“

Ganz ehrlich: So mag ich das. 🙂

Sammler

Es war eine kurze, vor allem aber schnelle Tour. Am Ende hatte das Taxameter etwa 12 Euro zusammengerattert und der Fahrgast war großzügiger als die meisten an diesem Abend:

„Mach mal 15.“

Er reichte mir einen Fuffi und verband das mit einer Bitte:

„Wenn Du mir rausgibst … wäre cool, wenn Du es in Fünfern hättest. Ich sammle die.“

Ich hab meine drei armseeligen bis dahin verbliebenen Fünfer angeschaut und ehrlich und mit nur etwas gespieltem Bedauern gemeint, dass ich so viele dann auch nicht hätte. Und er?

„Ja ja, ich weiß. Niemand hat die. Ist ja logisch, die hab ich ja alle!“

Der war so trocken, der könnte geplant gewesen sein. 🙂

Schon etwas albern

Ich kann hier wirklich nicht genug betonen, wie egal mir Trinkgeld ist. Oder besser: Wie egal mir das Trinkgeld eines einzelnen Fahrgastes ist. Denn natürlich ist auch beim Taxifahren das Trinkgeld ein wesentlicher Bestandteil der Bezahlung, aber mein Blutdruck ist hoch genug, ich sollte mir keine Gedanken darüber machen, weswegen Kunde 1 oder Kunde 2 jetzt genau welche Summe gegeben hat. Am Monatsende ist der Schnitt eh grob der gleiche. Weil uns eben sowohl notorische Nichtgeber als auch sehr soziale Menschen in Anspruch nehmen.

Aber eigentlich hatte ich mir übers Trinkgeld noch wirklich keine Gedanken gemacht, als die Jungs mich rangewunken haben. Es waren Jugendliche, die sich noch ausprobierten, sie gaben damit an, was sie schon alles so genommen hätten und insgeheim war ihnen dann vermutlich doch eher peinlich, dass sie heute keinen mehr hochkriegen würden. Ich will ehrlich sein: Ich mutmaße das, weil ich das kenne.

Aber sie waren halt auch nett, haben sich gefreut, wie „cool“ ich sei, weil ich ihren Lieblingssender (die Jugend hört noch Radio? Ehrlich?) eingestellt habe – und waren für besoffene Achtzehnjährige überraschend hilfreich. Haben mich in ihrem Außenbezirk um ein paar Ecken gelotst, sind zur Mucke abgegangen, ohne was zu verschütten … arg viel mehr will ich ja gar nicht.

Am Ende wurde der Zielpunkt um mehr als einen Kilometer verschoben, aber mit rechtzeitiger Ansage. Ich hatte selten so wenig Stress mit Leuten oberhalb der zwei Promille.

Am Ende standen 24,90€ auf der Uhr – was auf 10ct genau dem entsprach, was ich für die Fahrt irgendwo anders hin vermutet hatte. Zielangaben waren nicht so ihr Ding.

„Alter, hier sind mal 25! Ich suche noch Kleingeld, Du kriegst Trinkgeld, weil Du so geil warst, Digger!“

Er kramte in seiner Hosentasche rum, streckte mir stolz was entgegen, steckt es dann aber wieder ein, weil:

„Haha, Digger! So’n Scheiß! Waren zwei Cent, das wär ja schon etwas albern …“

Ohne böse sein zu wollen: Ich verstand, was er meint. Hey: Hosentaschen sind Arschlöcher!

Beim zweiten Versuch wurde er aber fündig und überreichte mir sichtbar stolz … 10 Cent.

Wie gesagt: MIR ist das herzlich egal, und die üblichen 10% sind am Ende zusammengekommen.

Aber WTF geht in Menschen vor, die einen 15 Minuten zulabern, selbst von ihrer Weirdness überzeugt sind und dann 8 Cent Unterschied als angemessenen Ausgleich betrachten?

Vertrauenswürdig (1)

Drei Jungs am Bahnhof. Alle so um die 20 rum und dementsprechend supercool unterwegs. Aber dann die Anfrage:

„Ey Digger, folgendes: Kannste uns zur XY-Straße bringen? Wir ham keine Kohle mehr, aber ich schwör, ich geb Dir meine Nummer, kriegste morgen!“

Ja nee, is klar!

„Ey, ehrlich! Die Bahn ist gerade raus und meine Freundin wartet auf den Döner. Ich geb Dir meine Nummer, kannste anrufen, um zu checken, ob’s meine is!“

Ach fuck! Ich hätte sie gerne abgelehnt, aber das klang scheiße ehrlich. Ich wollte mir den Stress eigentlich nicht aufhalsen, andererseits stehe ich ja dazu, dass Leuten gerne helfe. Ich hab ihnen zudem sehr übel genommen, dass sie andere Fahrgäste abgewimmelt haben („Ey nee, wir nehm’n den hier!“), aber ich bin ja am Ende doch eher Mensch als perfekt funktionierende Taximaschine. Und ironischerweise fand ich es überzeugend, dass ihre Strecke eh eher kurz war.

Ich hab das mit der Telefonnummer wirklich geprüft und die drei waren ernsthaft dankbar, dass ich am Ende mit schwerem Herzen angenommen habe. Inklusive Handschlag am Ende und mit dem Lob, dass ich mal keiner sei, der in ihnen

„nur so drei Kanaken, die voll scheiße sind, weißte, Alter?“

sieht.

Wie es ausgeht, weiß ich noch nicht. Wir haben ein Telefonat heute Abend vereinbart.

Ich will ehrlich sein: Die letztlich aufgelaufenen 7,70€ Umsatz würden mich nicht umbringen, aber ich bin sehr gespannt, ob ich die Tour am Ende als super oder als Fehlfahrt verbuchen muss …

Passt doch …

„Hey! Du free?“

Ich war etwas überrascht, als Zweiter am Stand angequatscht zu werden, aber man ist ja Dienstleister.

„Sure. Where to go?“

„Bringe uns Station Pankof, wieviel?“

„Bahnhof Pankow? Maybe … like 25€.“

„OK, we do.“

Etwas hakelige Verständigung, aber recht gut in Anbetracht der Umstände: Es waren zwei angetrunkene rumänische Bauarbeiter. Also ich wäre wesentlich aufgeschmissener, wenn ich nüchtern in Rumänien ein Taxi besteigen würde. Und der ungefähr wie Mitte 70 wirkende Typ neben mir versuchte sich auch noch zu rechtfertigen:

„Entschuuldigen!“

„Was denn entschuldigen?“

„Daas nicht sprechen. Ich speak Sprache, verstehen?“

„Ach, das geht doch! It’s ok, as long as we can communicate …“

„Schwer for mick! Hier work, Romania CA-TA-STRO-FAL!“

Während er sich Gedanken über sein schlechtes Deutsch machte, fürchtete ich, dass ich das mit den 25€ Fahrtpreis schwer würde einhalten können. Ich war da reichlich optimistisch gewesen und hätte vielleicht sogar eine etwas bessere Route wählen können. Ich hatte zwar schnell beschlossen, dass ich ggf. die Uhr früher ausmachen würde, wenn es nur um einen Kilometer ginge, aber selbst da war ich kurzzeitig nicht mehr sicher. Und die beiden sind auch immer nervöser geworden, weil die Fahrt halt ein wenig gedauert hat. Und soo dicke schien es mit der Kohle dann bei ihnen auch nicht zu sein.

Und am Ende? Hab ich die beiden am Bahnhof bei exakt 24,90€ abgesetzt und sogar ein mittelgutes Trinkgeld bekommen. Es sieht ja oft schwieriger aus als es ist … 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Trinkgeldgeben für Mutige

„Dann sind wir bei 19,30€.“

„Hier schon mal ein Zwanni. Aber warte kurz …“

Er nestelt in seiner Hose und kramt eine Handvoll Münzen hervor.

„Hier, ich geb Dir … ich … ach, ich geb Dir einfach alles, was ich hier hab. Auch wenn ich nicht weiß, wie viel es ist.“

Hört man selten, wenn nicht einmal ein Stück Rotgeld dabei ist. 🙂

Allerdings waren es am Ende irgendwas um die drei Euro, einen neuen Rekord kann ich also leider auch nicht vermelden.