Schon etwas albern

Ich kann hier wirklich nicht genug betonen, wie egal mir Trinkgeld ist. Oder besser: Wie egal mir das Trinkgeld eines einzelnen Fahrgastes ist. Denn natürlich ist auch beim Taxifahren das Trinkgeld ein wesentlicher Bestandteil der Bezahlung, aber mein Blutdruck ist hoch genug, ich sollte mir keine Gedanken darüber machen, weswegen Kunde 1 oder Kunde 2 jetzt genau welche Summe gegeben hat. Am Monatsende ist der Schnitt eh grob der gleiche. Weil uns eben sowohl notorische Nichtgeber als auch sehr soziale Menschen in Anspruch nehmen.

Aber eigentlich hatte ich mir übers Trinkgeld noch wirklich keine Gedanken gemacht, als die Jungs mich rangewunken haben. Es waren Jugendliche, die sich noch ausprobierten, sie gaben damit an, was sie schon alles so genommen hätten und insgeheim war ihnen dann vermutlich doch eher peinlich, dass sie heute keinen mehr hochkriegen würden. Ich will ehrlich sein: Ich mutmaße das, weil ich das kenne.

Aber sie waren halt auch nett, haben sich gefreut, wie „cool“ ich sei, weil ich ihren Lieblingssender (die Jugend hört noch Radio? Ehrlich?) eingestellt habe – und waren für besoffene Achtzehnjährige überraschend hilfreich. Haben mich in ihrem Außenbezirk um ein paar Ecken gelotst, sind zur Mucke abgegangen, ohne was zu verschütten … arg viel mehr will ich ja gar nicht.

Am Ende wurde der Zielpunkt um mehr als einen Kilometer verschoben, aber mit rechtzeitiger Ansage. Ich hatte selten so wenig Stress mit Leuten oberhalb der zwei Promille.

Am Ende standen 24,90€ auf der Uhr – was auf 10ct genau dem entsprach, was ich für die Fahrt irgendwo anders hin vermutet hatte. Zielangaben waren nicht so ihr Ding.

„Alter, hier sind mal 25! Ich suche noch Kleingeld, Du kriegst Trinkgeld, weil Du so geil warst, Digger!“

Er kramte in seiner Hosentasche rum, streckte mir stolz was entgegen, steckt es dann aber wieder ein, weil:

„Haha, Digger! So’n Scheiß! Waren zwei Cent, das wär ja schon etwas albern …“

Ohne böse sein zu wollen: Ich verstand, was er meint. Hey: Hosentaschen sind Arschlöcher!

Beim zweiten Versuch wurde er aber fündig und überreichte mir sichtbar stolz … 10 Cent.

Wie gesagt: MIR ist das herzlich egal, und die üblichen 10% sind am Ende zusammengekommen.

Aber WTF geht in Menschen vor, die einen 15 Minuten zulabern, selbst von ihrer Weirdness überzeugt sind und dann 8 Cent Unterschied als angemessenen Ausgleich betrachten?

Eklig?

Ich hatte mir ein paar feierwütige Mädels eingebrockt. Auf etwas ärgerliche Weise, denn dem vorweg ging eine falsche Adressangabe via Funk und am Ende habe ich die Tour eingesackt, obwohl bereits ein weiterer Kollege geordert wurde. Ich war da nicht unbedingt im Recht, schätze ich – aber die Kundinnen wollten eh nicht mehr wechseln. Und bei über 20€ will ich mal auch nix gesagt haben. Der Kollege war immerhin nicht sauer. Oder besser gesagt: Er hat’s nicht gezeigt.

Naja, im Endeffekt war’s dann aber lustig. Gut, sie hatten einen Zeitwunsch, der tagsüber etwas ambitioniert gewesen wäre, aber es war längst Nacht, also reden wir nicht darüber … 😉

Interessant wurde es, als eine der Mitreisenden unbedingt dringend rülpsen musste und sich das nach einigem Zieren auch getraut hat. Was man jetzt nicht so als Kampfschrei mit Flüssigkeitsabgabe fehlinterpretieren sollte, ein kleiner Rülpser, allenfalls auffällig durch etwas mehr Alkoholgeruch im Wagen als vorher. Nicht die feine englische Art, aber mit dem beiliegenden „Sorry, ich muss mal aufstoßen“ nicht wirklich ein Ding. Interessant war dann eher, dass danach die Diskussion aufbrandete, ob es Frauen denn „erlaubt sein sollte“ zu rülpsen.

Mal abgesehen von sehr unpassenden Situationen (und damit auch wieder nicht nur für Frauen gültig): Was für eine bescheuerte Frage! Dinge eklig finden ist ja ok, aber diese Stereotype, dass manche Dinge „halt nichts für Frauen“ sind … ich hab anschließend auf die Frage, ob ich’s eklig fand, einfach mit Nein geantwortet. Schätze, ein paar von ihnen diskutieren meine Antwort immer noch …

Vertrauenswürdig (1)

Drei Jungs am Bahnhof. Alle so um die 20 rum und dementsprechend supercool unterwegs. Aber dann die Anfrage:

„Ey Digger, folgendes: Kannste uns zur XY-Straße bringen? Wir ham keine Kohle mehr, aber ich schwör, ich geb Dir meine Nummer, kriegste morgen!“

Ja nee, is klar!

„Ey, ehrlich! Die Bahn ist gerade raus und meine Freundin wartet auf den Döner. Ich geb Dir meine Nummer, kannste anrufen, um zu checken, ob’s meine is!“

Ach fuck! Ich hätte sie gerne abgelehnt, aber das klang scheiße ehrlich. Ich wollte mir den Stress eigentlich nicht aufhalsen, andererseits stehe ich ja dazu, dass Leuten gerne helfe. Ich hab ihnen zudem sehr übel genommen, dass sie andere Fahrgäste abgewimmelt haben („Ey nee, wir nehm’n den hier!“), aber ich bin ja am Ende doch eher Mensch als perfekt funktionierende Taximaschine. Und ironischerweise fand ich es überzeugend, dass ihre Strecke eh eher kurz war.

Ich hab das mit der Telefonnummer wirklich geprüft und die drei waren ernsthaft dankbar, dass ich am Ende mit schwerem Herzen angenommen habe. Inklusive Handschlag am Ende und mit dem Lob, dass ich mal keiner sei, der in ihnen

„nur so drei Kanaken, die voll scheiße sind, weißte, Alter?“

sieht.

Wie es ausgeht, weiß ich noch nicht. Wir haben ein Telefonat heute Abend vereinbart.

Ich will ehrlich sein: Die letztlich aufgelaufenen 7,70€ Umsatz würden mich nicht umbringen, aber ich bin sehr gespannt, ob ich die Tour am Ende als super oder als Fehlfahrt verbuchen muss …

Passt doch …

„Hey! Du free?“

Ich war etwas überrascht, als Zweiter am Stand angequatscht zu werden, aber man ist ja Dienstleister.

„Sure. Where to go?“

„Bringe uns Station Pankof, wieviel?“

„Bahnhof Pankow? Maybe … like 25€.“

„OK, we do.“

Etwas hakelige Verständigung, aber recht gut in Anbetracht der Umstände: Es waren zwei angetrunkene rumänische Bauarbeiter. Also ich wäre wesentlich aufgeschmissener, wenn ich nüchtern in Rumänien ein Taxi besteigen würde. Und der ungefähr wie Mitte 70 wirkende Typ neben mir versuchte sich auch noch zu rechtfertigen:

„Entschuuldigen!“

„Was denn entschuldigen?“

„Daas nicht sprechen. Ich speak Sprache, verstehen?“

„Ach, das geht doch! It’s ok, as long as we can communicate …“

„Schwer for mick! Hier work, Romania CA-TA-STRO-FAL!“

Während er sich Gedanken über sein schlechtes Deutsch machte, fürchtete ich, dass ich das mit den 25€ Fahrtpreis schwer würde einhalten können. Ich war da reichlich optimistisch gewesen und hätte vielleicht sogar eine etwas bessere Route wählen können. Ich hatte zwar schnell beschlossen, dass ich ggf. die Uhr früher ausmachen würde, wenn es nur um einen Kilometer ginge, aber selbst da war ich kurzzeitig nicht mehr sicher. Und die beiden sind auch immer nervöser geworden, weil die Fahrt halt ein wenig gedauert hat. Und soo dicke schien es mit der Kohle dann bei ihnen auch nicht zu sein.

Und am Ende? Hab ich die beiden am Bahnhof bei exakt 24,90€ abgesetzt und sogar ein mittelgutes Trinkgeld bekommen. Es sieht ja oft schwieriger aus als es ist … 🙂

„Einfach geradeaus …“

Ich dachte, ich kenne so langsam alle Strecken in Berlin, bei denen „Einfach geradeaus“ eine eher ungute Idee ist. Aber dieser Kunde hatte mich erwischt. OK, es lag auch daran, dass er den Zielort nur ungenau benannt hat, aber immerhin. Von Friedrichsfelde nach Weißensee, Pistoriusstraße. Als ich auf die Hauptstraße links abbog, fragte er kritisch:

„Ach, Du willst nich‘ hier über die Umgehungsstraße?“

Ich hatte das nicht einmal in Erwägung gezogen. Aber gut, ein Blick auf den Stadtplan:

Meine kürzeste Strecke. Quelle: Google Maps

Was der Kunde im Kopf hatte. Quelle: Google Maps

Aber auch ihm fiel vor dem Ziel bereits auf:

„Ach, wir sind schon hier? Du, dit haste aber … nee ehrlich, haste jut jemacht!“

PS: Ja, ich hab die Bilddateien beim Erstellen falsch beschriftet, es ist trotzdem so herum wahr. 🙂

Ach der, na dann is ja klar!

Das alte Pärchen fragte mich, ob ich sie in die Jungstraße bringen könnte.

„Die in Friedrichshain?“

„Haben wir noch eine?“,

fragte sie.

„Ich weiß es nicht, aber ich wollte auf Nummer Sicher gehen. Wo in der Jungstraße denn genau?“

„Beim Bäcker.“

An der Stelle stieg ihr Mann ins Gespräch ein:

„Haha, ‚Beim Bäcker‘ …“

Aber sie toppte das:

„Na selbstverständlich! Jeder kennt den Bäcker!“

Ich hab’s nicht hingekriegt, die Klappe zu halten und gesagt, dass leider nicht jeder diesen Bäcker kennt.

Kennst Du diesen Bäcker?

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Trinkgeldgeben für Mutige

„Dann sind wir bei 19,30€.“

„Hier schon mal ein Zwanni. Aber warte kurz …“

Er nestelt in seiner Hose und kramt eine Handvoll Münzen hervor.

„Hier, ich geb Dir … ich … ach, ich geb Dir einfach alles, was ich hier hab. Auch wenn ich nicht weiß, wie viel es ist.“

Hört man selten, wenn nicht einmal ein Stück Rotgeld dabei ist. 🙂

Allerdings waren es am Ende irgendwas um die drei Euro, einen neuen Rekord kann ich also leider auch nicht vermelden.