Manchmal muss man um weniger Geld betteln

Der Plan ging voll auf: Statt einfach weiter die Prenzlauer Allee gen Süden in Richtung Innenstadt zu brezeln, bin ich auf Winkersuche in die Danziger abgebogen. Und siehe da, nach nur zweihundert Metern, an der Ecke Winsstraße, winste winkte es.

Ein reichlich alkoholisierter Mittvierziger stieg ein und bedeutete mir, nach rechts abzubiegen. Kaum, dass ich das getan hatte, meinte er:

„Thule 13!“

„Ähm, meinen Sie die Thulestraße?“

„Thule 13!“

Man sehe mir bitte nach, dass ich unsicher war, ob es noch eine Thulechaussee oder eine Kneipe namens Thule13 gab! Also fragte ich abermals nach:

„Sie meinen die Thulestraße zwischen Schönhauser und Prenzlauer?“

„Ja.“

„Gut, dann fahre ich also gleich wieder rechts und dann auf die Prenzlauer …“

„Nee nee, fahr mal geradeaus!“

„Ähm, das ist aber die komplett falsche Richtung!“

„Nee, fahr mal, ich zeig’s Dir dann!“

„Die Prenzlauer Allee läuft hier parallel und wir fahren Richtung Süden. Die Thulestraße ist aber nördlich von hier.“

„Na, fahr einfach mal. Wenn Du’s nicht kennst, zeig ich Dir’s!“

„Ich kenne die Thulestraße und ich hätte eine Bitte: Dürfte ich ab jetzt in die richtige Richtung fahren?“

„Ach, Du machst das schon … ich weiß doch eh nicht, wo ich hier bin!“

„Danke!“

Seien wir nicht albern: Ich hab die 800 Meter Umweg bis dahin gerne mitgenommen. Ist schließlich schnell und sicher verdientes Geld. Und ich hab bei dem Kerl keine Sorge gehabt, dass ich es bekommen würde (gab am Ende auch gutes Trinkgeld) – aber wie hätte das weitergehen sollen? Noch einen Kilometer in die falsche Richtung, noch zwei oder fünf? Und wer wäre der Arsch gewesen, wenn die Fahrt nachher wirklich 20 oder 30 € statt der eigentlichen 10 gekostet hätte?

Nee, zusätzliches Einkommen in allen Ehren – aber dann doch lieber als Tip mit einem „Boah Fuck, wir sind ja schon da!“ 🙂

Menschen, mit denen man nicht kann

An sich kann ich über meinen Fahrgast kaum meckern. Es war eine lange Tour, wir haben uns durchgehend unterhalten, es gab immerhin ein bisschen Trinkgeld – im schlimmsten Fall also Dienst nach Vorschrift. In der Tat war es aber auch keinen Deut besser. Er gehörte einfach zu der Sorte Mensch, mit der ich nichts anfangen kann.

Ein wenig skeptisch war ich schon beim Einstieg. Vor mir standen noch zwei Kollegen, die waren aber gerade in ein Gespräch mit potenziellen Fahrgästen außerhalb ihrer Autos verwickelt. Als ich ihm dann zusagte, ich würde ihn fahren, fing es nämlich schon damit an, dass er nicht mit mir zu meinem Auto lief sondern an dem vom Kollegen davor stehen blieb. Die Situation war für ihn sicher unübersichtlicher als für mich, aber er blieb da wirklich trotzig stehen und schien zu hoffen, dass ich mich spontan noch für das andere Auto entscheiden würde.

Dann sagte er mir an, dass er nach Marzahn wolle, und eine Straße gleich anbei. Ich hatte den Namen schon gehört, hatte aber ein paar potenzielle Kandidaten dazu im Kopf. Um da nicht die große Irrfahrt zu starten, hab ich ihn gefragt, ob er mir das zeigen könne. Natürlich könne er das, er wohne ja da.

Also hab ich das Navi ausgelassen und – weil ich mir bis auf etwa einen Kilometer Radius sicher war – gesagt, dass ich dann die Landsberger entlang fahren würde.

„Hihi, ja die Landsberger …“,

kicherte er vieldeutig. Ich fragte vorsichtshalber nochmal nach, ob das richtig sei.

„Wie, richtig?“

„Na, wenn wir zu Ihnen in die Straße wollen.“

„Ach, kennste nicht, oder was?“

Das ist wirklich unangenehm. Ich kläre die Adresse auch deswegen so gerne vor Fahrtbeginn, weil es mir durchaus reicht, einmal zuzugeben, sie nicht zu kennen. Ist ja nicht so, dass ich stolz drauf wäre. Ich find’s nicht schlimm und ich kann’s erklären – aber mir erst zu sagen, mir den Weg zu zeigen und dann drauf rumhacken finde ich bescheuert.

So ganz der hellste war der Kandidat aber auch nicht. Das mit der Landsberger fand er nach wie vor super, also hab ich mich auf den Weg gemacht – und nur die Augen verdreht, als er mich zwischenzeitlich scheinbar stichelnd fragte, ob wir jetzt im Westen seien und wo ich ihn hinfahre.

Man muss dazu sagen, dass der Kerl stocknüchtern und um die 50 war – beileibe nicht das Klientel, dem ich aus Vorsichtsgründen einfach nicht vertraue. Er missverstand das ein wenig als Einladung, mir seine unglaublich sinnigen Thesen zu erläutern. Das Grundprinzip war so ein verschwörungstheoretisches „Die da oben“-Konstrukt, wobei er sich besonders dafür fürchtete, dass Ursula von der Leyen die nächste Kanzlerin werden könnte. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich die Vorstellung ungruselig finden würde, aber als er dann angefangen hat, sich auszumalen, wie besagte Politikerin den Mann unserer derzeitigen Kanzlerin daten würde und dabei könnten sie ja erwischt werden … da hab ich einfach mal auf Durchzug gestellt. Ich hab ja nix dagegen, mich über Politik im weitesten Sinne zu unterhalten, aber was bitte war das?

Am Ende waren wir dann kurz vor seiner Straße und ich fragte, ob ich an dieser Kreuzung rechts ab müsse, ich hätte das so im Kopf.

„Mach mal!“,

sagte er, nur um dann hundert Meter weiter einzuwerfen:

„Na, dit is‘ nu wohl völlig falsch, hier kenn‘ ick mir nicht aus!“

Ich war wirklich kurz davor, ihm zu sagen, dass das dann halt blöd gelaufen wäre und ich ihn zum Ostbahnhof zurück bringe. Hätte ich nie im Leben gemacht und außerdem hatte ich auf der Karte meines Trackers die richtige Adresse längst ausgemacht und sogar festgestellt, dass es gar kein Umweg war, den ich gefahren war, sondern nur eine sehr bescheuerte Variante. Aber Spaß gemacht hätte es schon. Wenn es ihn nicht interessiert, was ich ihn frage … warum dann umgekehrt?

Am Ende war’s dann unspektakulär, wie eingangs erwähnt. Trotzdem sind das so Kunden, die ich mir nicht wirklich ins Auto wünsche – so wie andere vielleicht 4 besoffene Holländer, die einen Zwischenstopp beim Burger King einlegen wollen. Ich muss höflich sein und die Leute an Ziel bringen – und ich muss es auf dem kürzesten Weg tun. Hab ich gemacht, aber mögen muss ich dann auch nicht alle, die ich fahre.

Unzufrieden mit der Gesamtsituation

Selbst hier im Blog kommt gelegentlich zu kurz, dass Taxifahren mehr ist als Kundenerlebnisse + Umsatz + Trinkgeld. Wie überall sonst gilt auch hinterm Lenkrad, dass man sich an seinem Arbeitsplatz wohlfühlen sollte. Das tue ich normalerweise ja im Wesentlichen. Trotz Opel, trotz kalter Nacht, trotz Kopfsteinpflaster.

Aber es gibt eben solche Tage und solche. Und gestern war SOLCH ein Tag!

Angefangen hat alles mit Schlafmangel. Seit dem Buch-Countdown schlafe ich irgendwie in ziemlich ungesunden Häppchen und tendenziell eher etwas zu wenig. Müdigkeit bei der Arbeit ist mies und im Zweifelsfall nicht ungefährlich. Dann haben sich noch vor der Bahnfahrt zum Auto mein Handy und sein Ladekabel gestritten und ich konnte es während der Fahrt nur angeleint nutzen, was zumindest mal für die beiden Kiddies neben mir mit ihren 700€-Smartphones reichlich bekloppt ausgesehen hat.

Habe überlegt zu knurren, aber ich vermute, dann wären sie durch die geschlossenen Fenster gesprungen.

Am Auto hat mich dann eine mit Fingerabdrücken übersähte Scheibe empfangen. Ich mag da pingeliger sein als manch Kollege, aber als ich dann zusätzlich ein von Kunden vergessenes Zugticket gefunden hab, das mir sagte, dass jene am 22.2. am Ostbahnhof angekommen waren, hat mich mehr über die letzte Reinigung des Autos nachdenken lassen, als ich eigentlich wollte.

Während ich nebenbei bemerkt hab, dass ich ausgerechnet die dringend nötigen Coffees vergessen hatte, zickte das Navi. Das tut es bis jetzt. Es lässt mich nicht ins Navigationsmenü. Stattdessen könnte ich darauf Bilder anschauen oder Sudokus lösen …
Wie. Praktisch.

Nach der Fahrt in die Innenstadt ist mir am Stand dann auch aufgefallen, warum meine CD im Player heute so rumgesprungen ist: Weil ich sonst hätte ignorieren können, dass dem Auto die Radio-Antenne gefehlt hat …

Und dann … dann kam eine Kunde angejoggt und fragt:

„Ey, Du hast doch’n Navi!?“

Manchmal verliert man den Glauben an die Welt.

Um fair zu bleiben: Das mit dem Kunden war super. Ich kannte seine Zieladresse auch so. 🙂

Routen, die Kunden vorschlagen

Ich sag’s immer wieder: Die Kunden bescheißen sich selbst viel besser als ich es je könnte …

Eine gute Route – wenn man denn Geld loswerden will. Quelle: osrm.at

Eine gute Route – wenn man denn Geld loswerden will. Quelle: osrm.at

Am Ende lief das dann so, dass ich gefragt hab:

„Äh, und wie wär’s, wenn wir die Fahrt einfach genau so, nur in kurz machen würden?“

Daraufhin meinte der Kunde:

„Mach ruhig, ick vatrau Dir! Obwohl, lass ma‘! Bring mir zum Berghain.“

PS: Die Mehreinnahmen durch Umwege sind ja eine tolle Sache. Aber stellt Euch mal meine psychische Belastung vor, wenn mir jemand fortwährend erzählt, dass das die beste Strecke ist … 😉

Rückseite die zweite

„Man sieht sich immer zweimal im Leben!“ – dieses Sprichwort sollte vielleicht um die Worte „ob man will oder nicht“ ergänzt werden. Der Kunde kam mir nicht bekannt vor, zumindest zunächst. Als er dann aber seine Adresse nannte und mit der Wegbeschreibung anfing, da wusste ich sehr schnell, dass ich schon mal was über ihn geschrieben hatte. Aus Gründen.

Nachzulesen ist die Fahrt von vor fast drei Jahren hier: Rückseite!

Clubs zum Davonrennen?

Sisyphos, 3.15 Uhr.

Zwei junge Leute steigen ein und einer der beiden fragt:

„Reichen 7 € bis zum S-Bahnhof Rummelsburg?“

„Sicher. Selbst zum Ostkreuz kostet es nur 6,80 €.“

„Na dann zum Ostkreuz! Je weiter weg, desto besser!“

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

„Mal gucken, wo Du dann anhälst …“

Es gibt Spaßvögel da draußen … man glaubt es manchmal gar nicht.

Die Fahrt war extrem kurz, im wahrsten Sinne nur einmal ums Eck wollte der reichlich stramme alte Kerl. Er war mühsam und nicht eben zielstrebig auf mein Taxi zugetorkelt und fiel mit einem lauten Ächzen in den Sitz.

„Enlm!“

„Was bitte?“

„Engeldamm, hab ich doch gesagt!“

Ich hab das mal so stehen lassen und bin losgefahren.

„Na ma‘ kieken, ob ick nich‘ einschlaf untawegs!“

„Ach, bei den paar Sekunden bin ich optimistisch.“

„Wenn, dann kannste einfach weiterfahren. Mal gucken, wo Du dann anhälst …“

Keine schlechte Idee, die Fahrt ein wenig zu verlängern. Also für mich. Für ihn … aber egal.

„HAHA, WAR NUR SPASS, VERSTEHSTE!?“

Inzwischen waren wir im Engeldamm.

„Wo soll ich denn jetzt genau halten?“

„Hab doch gesagt: Fahr hin, wo Du willst. HAHA, SPASS MEIN LIEBER! Da vorne is‘ ok.“

Ich glaube, arg viel weiter hätte ich den Spaß auch kaum ausgehalten …